Das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL ist ein Bike der Superlative: In unserem Test ist es mit 16 kg das leichteste Bike, mit 15.999 € der teuerste Kandidat und es kommt mit dem höchsten Maß an Integration – nicht mal der Dämpfer ist hier noch zu sehen. Aber kann es sich mit 130 mm Federweg auch als das sportivste Bike beweisen?

SCOTT Lumen eRIDE 900 SL | TQ HPR 50/360 Wh | 130/130 mm (v/h)
16 kg in Größe L | 15.999 € | Hersteller-Website

SCOTT scheint auf den Geschmack der Magie gekommen zu sein: Nach dem E-MTB Patron und den beiden analogen Bikes Spark und Genius lässt SCOTT auch am neuen Lumen eRIDE 900 SL wie durch Zauberhand den Dämpfer verschwinden. Nachdem sich die Schweizer bereits seit Jahren dem Leichtbau verschrieben haben, versuchen sie, diesen nun mit einem maximalen Grad an Integration zu vereinen. Am SCOTT Lumen eRIDE 900 SL wurde beides voll ausgelebt. Am Rahmen ist so ziemlich alles versteckt, was sich verstecken lässt, auf der Waage dagegen braucht es sich nicht zu verstecken – 16 kg sind Spitzenwert im Vergleichstest! Was an einem SCOTT-Bike natürlich ebenfalls nicht fehlen darf? Das TwinLoc-System. Hier können Gabel und Dämpfer direkt vom Lenker aus mit einem Knopfdruck in die drei Modi Open, Climb und Loc versetzt werden. Dieses Maß an Integration und Leichtbau möchte allerdings auch bezahlt werden, was das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL mit 15.999 € zum teuersten Bike im Testfeld macht.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2023 – 30 Modelle im Test

Leicht, leichter, am leichtesten – Was macht das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL aus?

Optisch setzt das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL auf einen futuristischen, cleanen Look und lehnt sich damit stark an das SCOTT Genius an. Wir sind uns auch nicht mehr ganz sicher: Erinnert uns das Lumen an ein analoges Bike oder das Genius an ein E-MTB? Das TQ-Motorsytem mit 50 Nm Drehmoment und fest verbautem 360-Wh-Akku ist hier so gut wie unsichtbar integriert und wird erst durch das im Oberrohr eingelassene Display und die unauffällige Remote am Lenker sichtbar. Montiert man den mitgelieferten 160 Wh großen Range Extender, werden die E-Gene etwas sichtbarer. Noch unauffälliger als der Motor sind die über das Bike verteilten integrierten Tools. Allerdings tut man sich hier anfangs etwas schwer damit, den Überblick zu behalten, was denn nun im Flaschenhalter, im Lenker oder in der Steckachse versteckt ist.

Lieb’s oder lass es
Das Synchros OnePiece-Carbon-Cockpit ist mit 760 mm recht schmal und lässt sich in der Höhe nicht verstellen – wem das nicht passt, hat Pech gehabt.
Schweizer Taschenmesser
Neben dem Flaschenhalter und der Steckachse nutzt SCOTT auch den Lenker, um Tools zu verstecken – hier ein Tubeless-Repairkit.
1, 2 oder 3?
Der TwinLoc-Hebel sieht mit seinen drei Hebeln nicht gerade hübsch aus und man braucht etwas Eingewöhnung, um auch auf dem Trail den richtigen Hebel zu finden.

Neben dem Motor ist das zweite Herzstück des Bikes der FOX Nude5T-Dämpfer, der in enger Zusammenarbeit mit FOX entstanden ist. Der kann zusammen mit der FOX 34 FLOAT Factory-Gabel mit FIT4-Kartusche vom Lenker aus angesteuert werden – ein System, das für uns in dieser Federwegsklasse Sinn ergibt. Denn so konnte ein potenter Hinterbau entwickelt werden, der die knappen 130 mm Federweg im Downhill großzügig freigibt. Dabei musste keine große Rücksicht auf den Uphill genommen werden, da hier der Dämpfer einfach unkompliziert gesperrt werden kann. Abstriche hat SCOTT dafür bei der Optik und Ergonomie am Lenker in Kauf genommen, wo der TwinLoc-Hebel für gefühlt mehr Tasten als an einem Klavier sorgt. Die Klappe zum Dämpfer am Unterrohr ist werkzeuglos entnehmbar, kann allerdings etwas Kraft erfordern. Für das Setup kann das Luftventil am Dämpfer mit einem Adapter verlängert werden, wodurch sich die Dämpferpumpe besser aufschrauben lässt. Der Rebound-Einstellknopf ist mit etwas Fingerspitzengefühl gut zugänglich und der SAG lässt sich über einen schön umgesetzten SAG-Indikator an der Umlenkung von außen ablesen.

Nichts für schwere Fahrer
Die 180-mm-Bremsscheiben vorne wie hinten überhitzen auf langen Abfahrten schnell. Besonders schwere Fahrer sollten hier zumindest am Vorderrad über eine größere Scheibe nachdenken.
Stealth Mode on
Der TQ-Motor ist gewohnt unauffällig im Rahmen integriert und lässt euch voll unter dem Radar fliegen.
Nichts für schwache Finger
Die Klappe für die Rahmenöffnung lässt sich in der Theorie werkzeuglos öffnen. In der Praxis klemmt der Verschluss aber gern und man braucht Finger aus Stahl oder eine Münze bzw. einen Schlitzschraubenzieher, um an den Dämpfer zu kommen.

Die Ausstattung ist am SCOTT Lumen eRIDE 900 SL voll auf Leichtbau getrimmt. Größter Hingucker: Die Syncros Silverton SL2 OnePiece Carbon-Laufräder. Die sind komplett aus einem Stück, super leicht und sündhaft teuer. Vor allem die Kombination mit den sehr leichten und harten Schwalbe Wicked Will-Reifen in der dünnen Super Race-Karkasse hat uns in Steinfeldern den Angstschweiß auf die Stirn getrieben. Denn ist die Felge einmal beschädigt, muss direkt das ganze Laufrad ausgetauscht werden, was bei einem Preis von etwa 2.500 € pro Laufrad (!) eine schmerzhafte Angelegenheit ist. Für nur 200 g Mehrgewicht pro Reifen bekommt man bereits die robustere Super Trail-Karkasse von Schwalbe – hier muss dann jeder selbst abwägen zwischen 200 g Mehrgewicht oder potenziell 2.500 € weniger auf dem Konto.

Feinster Carbon-Genuss
Die Carbon-Laufräder aus einem Stück sind Carbon-Kunst in Reinform, schweben aber in Kombination mit den sehr dünnen Reifen in akuter Lebensgefahr.
Klack, klack, klack
Der verbaute Synchros-Fender ist an den Gewinden in der Gabel verschraubt und sieht schick aus. Auf dem Trail ist sein Geklapper aber so nervtötend, dass er von uns direkt nach der ersten Abfahrt abmontiert wurde.

SCOTT Lumen eRIDE 900 SL

15.999 €

Ausstattung

Motor TQ HPR 50 50 Nm
Akku TQ HPR Battery V01 360 Wh
Display TQ 0-LED
Federgabel FOX 34 FLOAT Factory FIT4 130 mm
Dämpfer FOX Nude5T 130 mm
Sattelstütze FOX Transfer Factory 150 mm
Bremsen Shimano XTR 180/180 mm
Schaltung SRAM XX1 Eagle AXS 1x12
Vorbau Syncros Fraser iC 70 mm
Lenker Syncros Fraser iC 760 mm
Laufradsatz Syncros Silverton SL2 29"
Reifen Schwalbe Wicked Will Super Race ADDIX Soft/Schwalbe Wicked Will Super Race ADDIX Speed Grip 2,4/2,4

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 16 kg
Zul. Gesamtgewicht 128 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 112 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Besonderheiten

Range-Extender
TyreWiz
Integrierte Tools

Tuning-Tipps: Upgrade auf Reifen mit der robusteren Super Trail-Karkasse | den klappernden Synchros-Fender an der Gabel entfernen

Was kann das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL?

Das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL macht beim ersten Aufsitzen direkt klar, dass es sportlich gefahren werden möchte. Das passt sehr gut zum spritzig direkten Charakter des TQ-Motors, der nicht allzu großzügig mit Unterstützung umgeht. Man landet in einer sportlichen, weit vorgebeugten Sitzposition, die im Vergleich zum Thömus Lightrider Ultimate aber deutlich komfortabler ausfällt. Das macht es zu einem super Tourer für sportliche Fahrer. An besonders steilen Rampen oder falls man einen Sprint anziehen möchte, lohnt sich der Griff zum Climb- oder Loc-Modus, beim normalen Treten ist aber auch der Open-Modus straff genug. Geht es im Gelände steil bergauf, muss man die Front kaum aktiv belasten. Wir haben hier den Open-Modus bevorzugt, da das Bike dann spürbar mehr Grip generiert als in den anderen beiden Modi. Im Vergleich zu Full-Power-Bikes muss man natürlich deutlich mehr Energie in die Pedale stecken, wird aber auch mit einem sehr natürlichen Fahrgefühl belohnt. Und falls einem im technischen Climb doch mal die Power ausgehen sollte, lässt sich das 16 kg leichte Bike auch ohne Probleme nach oben schieben oder tragen.

Mit seinen vielen versteckten Funktionen ist das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL ein echtes Schweizer Taschenmesser.

Spritziger als eine Flasche Mineralwasser auf dem Trampolin
Auf dem Trail und in der Ebene beschleunigt das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL ohne zu zögern.
Ans Limit und darüber hinaus
Auf technischen Trails braucht es einen sehr erfahrenen Fahrer, um sich nicht von der Linie abbringen zu lassen.
Größe S M L XL
Sattelrohr 415 mm 440 mm 490 mm 540 mm
Oberrohr 562 mm 589 mm 620 mm 645 mm
Steuerrohr 110 mm 110 mm 120 mm 135 mm
Lenkwinkel 65,5° 65,5° 65,5° 65,5°
Sitzwinkel 76,8° 77° 77,2° 77,5°
Kettenstrebe 450 mm 450 mm 450 mm 450 mm
Tretlagerabsenkung 38,5 mm 38,5 mm 38,5 mm 38,5 mm
Radstand 1.176 mm 1.206 mm 1.240 mm 1.270 mm
Reach 416 mm 446 mm 476 mm 501 mm
Stack 615 mm 615 mm 625 mm 638 mm

Ist das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL auf flowigen Trails noch spielerisch und agil zu fahren, muss man es im technischen Gelände mit viel Mühe auf Linie halten.

Seine Spritzigkeit trägt das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL vom Uphill direkt in die Abfahrt. Hier liegt seine Stärke auf flowigen Trails mit wenig Gefälle. Im Antritt beschleunigt es sehr schnell, was nicht zuletzt auf die Kombination aus sehr leichten Laufrädern mit dem TQ-Motor, der seine Power sehr direkt entfaltet, zurückgeht. Spritzig, agil und direkt lässt sich das SCOTT Lumen von einer Seite des Trails auf die andere werfen und man generiert durch Pushen über Bodenwellen viel Speed. Das dicke Grinsen und der hohe Fun-Faktor weichen allerdings schnell einem eher verkrampften Gesichtsausdruck, wenn der Trail technischer wird. Hier fehlt es dem SCOTT Lumen eRIDE 900 SL an Reserven und Stabilität. Größere Schläge werden nicht einfach weggebügelt, sondern sehr direkt an den Fahrer weitergereicht. Statt direkt und agil fühlt es sich hier nervös an und lässt das Handling eher auf die anspruchsvolle Seite ausschlagen. Im Vergleich zum Pivot Shuttle SL, das am Heck nur über 2 mm mehr Federweg verfügt, kommt es deutlich schneller an und über das Limit. In Kurven kann es aufgrund der harten Reifen, die auch mit viel Druck gefahren werden müssen, kaum Grip aufbauen. Das ist schade, denn durch stabilere Reifen mit mehr Grip hätte es deutlich mehr Trail-Potenzial.

Helm SMITH Forefront | Brille Melon Optics Kingpin | Shirt POC Resistance | Shorts POC Resistance | Schuhe Crankbrothers Mallet BOA | Socken Stance

Für wen ist das SCOTT Lumen eRIDE 900 SL das richtige Bike, für wen nicht?

Das SCOTT Lumen eRIDE ist in erster Linie überhaupt erstmal etwas für Fahrer, die in der Lage sind, 15.999 € zu berappen. Die bekommen dafür ein futuristisches, durchdachtes Bike, mit dem man definitiv auffällt. Am passendsten ist es für sportliche Fahrer, die sich ein natürliches, effizientes Fahrgefühl in der Ebene wünschen, dabei aber trotzdem den ein oder anderen flowigen Trail unter die Stollen nehmen wollen. Um es auch auf technischen Trails gut fahren zu können, braucht es einen erfahrenen Piloten. Auch für Fahrer mit einem Fokus auf Fitness und Training, die trotzdem den ganz steilen Anstiegen den Schrecken nehmen wollen, ist es eine gute Option. Trailshredder und gemütliche Sonntagsfahrer sollten sich besser nach einem anderen Bike umsehen.

Fahreigenschaften

DESIGN

  1. unausgewogen
  2. stimmig

HANDHABUNG

  1. umständlich
  2. clever

PREIS/LEISTUNG

  1. schlecht
  2. top

TOUREN- & ALLTAGSTAUGLICHKEIT

  1. niedring
  2. hoch

HANDLING

  1. fordernd
  2. intuitiv

FAHRSPAß

  1. langweilig
  2. lebendig

Einsatzbereich

Schotterweg

Technischer Uphill

Flowtrail Downhill

Technischer Downhill

Fazit zum SCOTT Lumen eRIDE 900 SL

SCOTT hat dem Lumen eRIDE 900 SL die volle Ladung an Integration verpasst und lässt es mit seiner futuristischen Optik aus der Masse herausstechen. Während es im Uphill ebenso wie in der Ebene durch ein effizientes und natürliches Fahrgefühl überzeugt, kommt es im technischen Downhill schnell ans Limit. Dafür zaubert es einem auf flowigen Trails ein breites Grinsen ins Gesicht. Um den Testsieg kann es mit seinem hohen Preis und den einhergehenden hohen Erwartungen aufgrund fehlender Allroundfähigkeiten nicht mitkämpfen.

Tops

  • höchstes Maß an Integration im Testfeld
  • hoher Spaßfaktor auf flowigen Trails
  • effektiver Kletterer

Flops

  • Trail-Potenzial wird durch Ausstattung eingeschränkt
  • sehr hoher Preis bei kleinem Einsatzgebiet
  • Akku nicht entnehmbar

Mehr Informationen findet ihr unter scott-sports.com

Das Testfeld

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Words: Felix Rauch Photos: Peter Walker