Ein unvergleichlicher Vergleichstest: Welchen Einfluss hat das Motorsystem und wie ändert sich der Fahrcharakter eines E-MTBs, wenn alle anderen Einflussfaktoren gleich bleiben? Wir sind vier nahezu identische SIMPLON Rapcon-Modelle im direkten Vergleich gefahren – je eines mit Bosch CX, Pinion MGU, TQ HPR 50 und als Zugabe die analoge Variante.

Ceteris paribus – die lateinische Redewendung ist den meisten von uns schonmal im Mathe- oder Physikunterricht begegnet, auch wenn wir uns vermutlich nicht mehr daran erinnern können. Sinngemäß bedeutet sie „unter sonst gleichen Bedingungen“. Was passiert in einem komplexen System, wenn alle Rahmenbedingungen fix sind und sich nur eine einzige Variable verändert? Für Experimente in der Wissenschaft hat Ceteris paribus eine hohe Bedeutung, um den isolierten Effekt einer Einflussgröße auf das Ergebnis zu ermitteln.

In der E-Bike-Branche existiert die Ceteris-Paribus-Methode nicht, oder besser gesagt: bisher nicht. Als E-Mountainbike-Redakteure ist es unsere Aufgabe, E-Bikes als komplexe Systeme ganzheitlich zu verstehen, zu bewerten und unseren Lesern den Fahrcharakter zu vermitteln. Ein direkter Vergleich von einzelnen Parametern, wie z. B. dem Motor, ist weder möglich noch immer zielführend. Darum weisen wir auch in unseren E-MTB- und Motoren-Vergleichstests regelmäßig darauf hin, dass ein Motor nur so gut ist wie das Bike, in dem er steckt. Doch nun tritt SIMPLON mit dem Rapcon auf die Bildfläche.

Drei Motoren, vier Bikes, ein Erfolgsrezept – das SIMPLON Rapcon

Die österreichische Edelbike-Schmiede SIMPLON ist eine feste Größe, wenn es um die Teilnahme bei unseren Vergleichstests und den Tests in unseren Schwester-Magazinen geht. Das SIMPLON-Portfolio umfasst ein breites Angebot an sportlichen MTBs und E-MTBs. Eine Besonderheit bei SIMPLON ist, dass sich die Bikes über den hauseigenen Konfigurator nach eigenem Gusto zusammenstellen lassen. So gleicht fast kein SIMPLON dem anderen.

Man kann den Spieß aber auch umdrehen und sich vier beinahe identische SIMPLON-Mountainbikes im Konfigurator zusammenstellen, mit dem einzigen Unterschied, dass man beim Motorsystem jeweils ein anderes Häkchen setzt.

SIMPLON hat mit dem Rapcon ein abfahrtslastiges Mountainbike im Programm, das sowohl als analoges Mountainbike als auch als E-MTB mit TQ HPR 50-Motor, Bosch Performance Line CX-Motor und seit neuestem auch mit Pinion MGU E1.12 verfügbar ist. Wir haben es in einer Vielzahl von Konfigurationen in zahlreichen Tests gegen die besten MTBs und E-MTBs antreten lassen, aber bisher noch nie gegen sich selbst. Wie unterscheiden sich das Bike und das Fahrfeeling, wenn man jeweils nur das Motorsystem wechselt, und gibt es vielleicht noch weitere Unterschiede, die einem nicht auf den ersten Blick ins Auge stechen?

Was ist der Unterschied zwischen Rapcon, Rapcon und Rapcon und was ist das beste Rapcon?

Bevor es in den praktischen Teil unseres Ceteris-Paribus-Experiments geht, klären wir die Randbedingungen ab. Das bedeutet, sich mit den harten Fakten der vier Rapcons mit unterschiedlichen Motorsystemen zu befassen. Da wäre zuerst die Preisfrage: Das analoge SIMPLON Rapcon gibt es schon ab 5.599 €. Das SIMPLON Rapcon Pmax TQ mit TQ HPR 50-Motor startet bei 8.699 €. Mindestens 8.999 € werdet ihr beim Rapcon Pmax CX mit Bosch-Motor los. Und das Rapcon Pmax Pinion hat mit einem Basispreis von 9.999 € die höchste Einstiegshürde.

Die große Preisdifferenz relativiert sich geringfügig, wenn man die Bikes im Konfigurator auf unsere High-End-Testausstattung pimpt. Nach einem Fahrwerks-Upgrade auf ein FOX Factory-Luftfahrwerk mit dicker FOX 38-Federgabel und FLOAT X2-Dämpfer bekommen noch die ersten drei SIMPLON Rapcons eine elektronische SRAM GX Eagle Transmission-Schaltung spendiert. Das SIMPLON Rapcon Pmax Pinion bietet keine Schaltungsoption im Konfigurator an, da diese hier ja bereits im Motor integriert ist. Weitere Upgrades wie standfeste Bremsen, sündhaft teure Laufräder und Vario-Sattelstützen mit viel Hub machen den flotten Vierer perfekt.

Im Test-Zustand, mit beinahe identischen Ausstattungen bei allen Bikes, erfährt das analoge Rapcon den höchsten Preisanstieg und kostet 8.614 €. Die Variante mit TQ-Motor verteuert sich am geringfügigsten und kommt auf 10.365 €. Nur noch das zweitteuerste Bike ist jetzt das Rapcon Pinion mit 11.934 €. Der neue Spitzenreiter ist das Bosch-Rapcon mit limitiertem Bosch Performance Line CX-Race-Motor: Satte 11.984 € werden dafür fällig.

Im Konfigurator treten bereits erste Unterschiede zwischen den einzelnen Motorsystemen zutage. Der TQ-Antrieb bietet den geringsten Konfigurationsspielraum. Ein 160-Wh-Range-Extender für 620 € ist die einzige Auswahloption. Beim Haupt-Akku, der Remote oder dem Display gewährt das TQ-System genauso viel Spielraum wie Henry Ford bei der Wahl der Lackierung seines Ford Modell T: „Sie können ihn in jeder Farbe haben, sofern sie schwarz ist.“ Der fest verbaute 360-Wh-Haupt-Akku, das HPR Display V01 und die Remote sind immer obligatorisch. Weiteres Zubehör oder Abweichungen davon gibt es nicht.

Beim SIMPLON Rapcon Pmax CX hingegen eröffnet der Bosch-Teilekatalog ein breit aufgefächertes Sortiment an Remotes, Displays und Akkus. Das Rapcon CX ist wahlweise mit 500-Wh- und 750-Wh-Akku erhältlich. Wir greifen zum größeren Speicher für 330 € Aufpreis. Dafür verzichten wir auf einen 250-Wh-Range-Extender im Trinkflaschenformat, der uns 475 € extra gekostet hätte. Das besondere am Rapcon CX: Man hat die Wahl zwischen dem Performance Line CX-Motor und der CX Race-Variante für 550 € mehr. Beim Anblick des grau lackierten Motorgehäuses werden wir schwach und entscheiden uns für die rennerprobte Motorvariante.

Die Rapcon-Variante mit Pinion-Motor hat zwar keine Schaltoptionen im Konfigurator, dafür aber eine erlesene Auswahl von drei Display- und Remote-Combos. Eines der herausstechendste Merkmal des Motorsystems, das in Zusammenarbeit mit FIT entstanden ist, stellt eindeutig die wählbare Akku-Kapazität dar. Der „kleinste“ Haupt-Akku startet bereits bei 720 Wh Kapazität. Für 200 € mehr bekommt man den größeren Akku mit wahnwitzigen 960 Wh (nur in Rahmengröße L und XL). Für weitere 780 € gibt’s dann noch einen Range Extender mit 470 Wh aufs Unterrohr geschraubt. Mit insgesamt 1.430 Wh an Bord muss man so bis zur nächsten Sommersonnwende keine Gedanken mehr ans Laden verschwenden. Wir verzichten an unserem Testbike aber darauf und wählen den „kleinen“ 720er.

Handhabung und Wartung – Wie zeit- und arbeitsintensiv sind die vier SIMPLON Brüder im Unterhalt?

Wie machen sich knapp 43.000 € an Testbikes auf der Waage bemerkbar? Das analoge SIMPLON Rapcon lässt sich mit einer Hand in unsere Hängewaage einhängen: 15,86 kg in Größe M (was auch die Größe der anderen drei Bikes ist).
Das fast identisch aussehende Rapcon Pmax TQ kommt auf 19,98 kg. Für das Rapcon Pmax CX benötigt man schon beide Hände: 23,94 kg, und das SIMPLON Rapcon Pmax Pinion reizt die 25-kg-Gewichtsgrenze unserer Waage ganz aus: 25,02 kg.

Stößt man auf eine Schiebepassage auf dem Trail, erweisen sich das analoge Rapcon und das TQ-Rapcon als relative Leichtgewichte und lassen sich zur Not sogar schultern, wenn die Schiebehilfe nicht weiter hilft.

Aber auch beim Verladen und in der Handhabung abseits vom Trail machen sich die Gewichtsunterschiede bemerkbar. Das analoge Rapcon bekommt man noch im Alleingang auf den Dachgepäckträger. Das Rapcon TQ ist in der Handhabung nur unwesentlich schwerer. Das ist auch gut so, denn durch den fest verbauten Akku muss es zum Aufladen immer zu einer Steckdose gebracht werden.

Keine große Bürde: Wird der Trail stellenweise unbefahrbar, lässt sich das TQ-Rapcon leicht schultern. Die Full-Size-Brüder mit Bosch und Pinion bleiben lieber am Boden und nutzen die Schiebehilfe.

Das Rapcon mit Bosch-Motor erweist sich als etwas unhandlich. Will man nicht mit den knapp 24 kg Lebendgewicht hantieren und z. B. den Akku zum Aufladen ausbauen, muss man sich einer kleinen Fummelei stellen. Die langen Bosch-Akkus können nur nach unten aus dem Rahmen gezogen werden. Dazu muss der Unterfahrschutz aufgeschraubt, ein Stecker gezogen und beiseite gedrückt werden – und dann im nächsten Schritt der sehr stramm sitzende Akku aus dem Rahmen gerüttelt werden.

Das Pinion-Rapcon ist zwar nochmals schwerer, aber zumindest bei der Akku-Entnahme etwas anwenderfreundlicher. Hat man den Schlüssel zur Hand, reicht ein kurzes Drehen im Schloss und der Akku poppt aus dem Rahmen heraus. Will man jedoch das E-Bike für einen vereinfachten Transport ohne Akku auf einen Dach- oder Heckträger verladen, klafft eine große Öffnung im Unterrohr.

Dafür schont das Pinion-Rapcon den gestressten Hobbyschrauber bei der regelmäßigen Wartung. Es kommt als einziges E-MTB ohne Kette, Schaltwerk und Kassette aus. Im gekapselten Motor sind alle Schaltgetriebe-Parts integriert. Der Motor braucht laut Pinion nur alle 10.000 km einen Ölwechsel. Den Riemen muss man nicht schmieren, es reicht, ihn mit einem Wasserschlauch oder einer Bürste vom gröbsten Dreck zu befreien. Die drei etwas leichtgewichtigeren Kollegen mit Kettenantrieb verlangen hingegen nach einer regelmäßigen Ölung und Reinigung.

Wenn man vom Teufel spricht: In unserem Test ist uns tatsächlich eine Kette auf dem Trail gerissen. Immerhin lässt sich ein E-MTB mit gerissener Kette kinderleicht wieder in Stand setzen. Einen neuen Riemen aufzuziehen, kann hingegen ganz schön anspruchsvoll sein.

Es wird klar, selbst wenn es sich viermal um das „gleiche“ Bike handelt, können sie sich deutlich in ihrer Handhabung unterscheiden. Doch nun genug des Vorgeplänkels, jetzt geht es raus unter Menschen, um zu sehen, wie die viereiigen Rapcon-Geschwister ankommen.

Street Credibility – Wie werden die unterschiedlichen SIMPLON Rapcons von der Bike-Community aufgenommen?

Rollt man mit dem analogen Rapcon oder dem Rapcon Pmax TQ auf eine Gruppe von Analog-Bikern zu, wird man mit offenen Armen empfangen. Die Motorsystem-Integration des TQ HPR 50 ist SIMPLON derart gut gelungen, dass man nur kleine Unterschiede zum analogen Rapcon feststellen kann.

Das doppelte Flottchen: Das analoge SIMPLON Rapcon und das TQ-Rapcon sehen bereits im Stand richtig flott aus – und sind sich dabei zum Verwechseln ähnlich.

Der Motor selbst ist flüsterleise und unterstützt auf so natürliche Weise, dass man sich unter eine Gruppe von Analog-Bikern mischen und entspannt mitschwimmen kann, ohne aufzufallen.

Das Rapcon Pmax CX mit Bosch-Motor ist da schon deutlich weniger diskret. Die Motorsystem-Integration ist SIMPLON zwar gut gelungen, die voluminösen Rohre deuten aber eindeutig auf ein E-MTB hin. Spätestens nachdem man die restliche Crew nach drei Kurbelumdrehungen in einer Staubwolke hinter sich gelassen hat, ist die Katze aus dem Sack.

Außerdem wird man sich nur schwer auf eine Route zum Trail-Einstieg einig. Während Analog-Biker, und der in der Gruppe untergetauchte Rapcon Pmax TQ-Fahrer, lieber ihre Kräfte auf dem Weg zum Trail-Einstieg schonen wollen und einfache Schotterstraßen vorziehen, will der Bosch-Biker keine Climb Challenge auslassen und unternimmt unentwegt kleine Abstecher abseits der Route.

Mit dem gräulichen und etwas hervortretenden CX-Race-Motor erntet man zwar in E-Rennfahrer-Kreisen anerkennende Blicke, macht sich aber unter Analog- und Light-E-MTB-Bikern wegen des hohen Leistungsgefälles keine Freunde.

Das Simplon Rapcon mit Pinion-Motor ist mit einem wartungsarmen Riemenantrieb kompatibel.
Erhöht nicht den Ladedruck für den Turbolader, sondern sorgt für einen kühlen Akku: Das Pinion-Rapcon besitzt als einziges der drei E-MTBs die markanten Lüftungsschlitze.

Stößt der Rapcon Pmax Pinion-Biker zur Gruppe hinzu, wird er direkt mit der Frage begrüßt, ob er sich für die bevorstehende Weltumrundung für die Europa-Route oder die Durchquerung der Sahara entschieden hat. Bikes mit Pinion-Getrieben und Riemenantrieben sind gerade bei Langstrecken-Tourern sehr beliebt, und der Antriebsstrang sticht nunmal schon sehr hervor. Durch den massiven Akku, der im Konfigurator noch auf die beinahe doppelte Kapazität aufgestockt werden kann, versprüht das Pinion-Rapcon auch etwas mehr Expeditions-Vibes als die sportlicheren Rapcon-Ableger. Unterwegs macht sich das Rapcon-Pinion stärker als die anderen E-MTBs bemerkbar, nicht durch ein Kettenrasseln, sondern durch ein lauteres Motor- und Getriebesummen, besonders in den niedrigeren Gängen.

SIMPLON hat bei der Motorsystem-Integration der Pinion MGU E1.12 zwar gute Arbeit geleistet, aber wie bei fast allen Pinion MGU-Bikes besitzt auch das Rapcon Pinion einen bulligen Look. Als einziges E-Bike aus der Gruppe verfügt es über Lüftungsschlitze am Steuerrohr, damit dem Akku auch auf den heißesten Touren durch das Death Valley nicht die Frischluft ausgeht.

Doch was kümmern einen am Ende die oberflächlichen Unterschiede und was die anderen denken? Viel entscheidender ist doch, dass das E-MTB einem selbst zusagt. SIMPLON verfolgt bei der Rapcon-Serie ein spezielles Konzept, das zum eigenen Fahrstil passen muss.

Same same but different, but still same – die feinen, versteckten Unterschiede zwischen den vier Rapcons

SIMPLON wäre nicht SIMPLON, wenn die Österreicher keine Anpassungen am Rahmen vornehmen würden, die über die reine Motor-Integration hinausgehen. Die Bikes sind, abgesehen von unterschiedlichen Motorsystemen, nicht exakt gleich, was man z. B. aus den Rahmengeometrie-Daten herauslesen kann. So gesehen sind sie nicht Ceteris paribus vergleichbar. Sie folgen aber alle dem gleichen Konzept.

Beim Rapcon-Rezept geht es darum, die perfekte Balance aus Laufruhe und Agilität zu finden, die in ein hohes Maß an Abfahrts-Performance mündet – und das über alle Rahmengrößen hinweg. Daher passt SIMPLON die Kettenstrebenlängen und die Progression samt Hinterbaukinematik über alle Rahmengrößen hinweg an.

Die Geometriedaten der vier Motor-Varianten deuten den abfahrtslastigen Einsatzzweck bereits an. Das analoge Rapcon und das TQ-Rapcon sind quasi identisch. Der Bosch-Ableger benötigt nur kleine Detailanpassungen bei der Rahmengeometrie.

Die Pinion-Variante tanzt hingegen ein wenig mehr aus der Reihe. Sie besitzt einen minimal steileren Lenkwinkel, nur eine Kettenstrebenlänge – und zwar die längste von allen – und einen längeren Radstand im Vergleich zur hauseigenen Konkurrenz. Für alle Fans nackter Zahlen haben wir die Geodaten unserer vier Testbikes in die folgende Geotabelle gepackt. Viel Spaß damit:

Größe M Rapcon Rapcon Pmax TQ Rapcon Pmax CX Rapcon Pmax Pinion
Sattelrohr 395 mm 395 mm 395 mm 410 mm
Oberrohr 590 mm 589 mm 588 mm 584 mm
Lenkwinkel 64,0° 64,0° 64,0° 64,2°
Sitzwinkel 78,0° 78,0° 78,6° 78,7°
Steuerrohr 104 mm 104 mm 112 mm 108 mm
Kettenstrebe 438 mm 438 mm 441/439 mm 447 mm
Radstand 1.234 mm 1.234 mm 1.240 mm 1.244 mm
Tretlagerabsenkung 32 mm 32 mm 25 mm 26 mm
Stack 633 mm 633 mm 633 mm 633 mm
Reach 455 mm 455 mm 455 mm 455 mm

Durch den steileren Sitz- und Lenkwinkel und das längere Heck sollte in der Theorie der Schwerpunkt des Pinion-Rapcons weiter vorne liegen als bei den anderen SIMPLON-E-MTBs. Hinzu kommt, dass das Gewicht von Schaltwerk und Kassette am Heck wegfällt und sich damit die ungefederte Masse am Hinterbau reduziert. Die Pinion MGU E1.12 integriert diese Komponenten in sich, wodurch der Schwerpunkt noch weiter nach vorne unten wandert. Laut SIMPLON funktioniert der bewährte Rapcon-Hinterbau am Rapcon Pmax Pinion noch besser. Wir haben unsere eigenen Testeindrücke gesammelt und sind sowohl auf subtile Ähnlichkeiten als auch auf frappierende Unterschiede gestoßen.

Pinion links, TQ rechts: Nicht nur optisch bilden die Rapcons ein (ungleiches) Paar wie Bud Spencer und Terence Hill, sie sind auch genauso (unterschiedlich) schlagfertig. Bergab lassen es alle SIMPLON Rapcons krachen und sind dabei so unzertrennlich wie unsere Lieblings-Raufbolde.

Ene, Mene, Muh, Bosch, Pinion und TQ – zu wem passt welches Motorsystem?

Für unseren Ceteris-Paribus-Vergleichstest haben wir uns die unvergleichlichen Trails und die Atmosphäre der Provinz Girona im Nordosten Spaniens ausgesucht. Auf dem Transfer zu unserem Testloop konnten die SIMPLONs schon ordentlich Street Credibility sammeln.

Beim Transfer sticht das SIMPLON Rapcon Pmax Pinion am stärksten hervor. Es besitzt von allen Rapcons das weichste Fahrwerk und sorgt für den meisten Langstreckenkomfort. Durch den bärenstarken Pinion MGU E1.12-Antrieb wird man ohne großen Kraftaufwand durch das Umland geshuttelt und die halbautomatische Schaltung, die im Leerlauf die Gänge wechselt, erledigt den Rest.

Auf unserem nicht repräsentativen Testloop mit ca. 12 km Länge und 550 Höhenmetern vergleichen wir die Energieeffizienz der „vier“ Antriebe. Um keine Zeit zu verschwenden, kommt jeweils nur der stärkste Unterstützungsmodus zum Einsatz. Die drei E-Bikes liegen für den Loop alle zeitlich nah beieinander, nach spätestens 50 Minuten stehen alle Biker wieder am Start.

Die Tankanzeige beim Rapcon TQ ist auf gut ein Viertel gefallen, der Testloop hat 73% der Akku-Kapazität aufgebraucht, 27% sind noch übrig. Rein rechnerisch hat sich der TQ-Motor so rund 270 Wh gegönnt, auch wenn sich prozentuale Werte nicht 1:1 auf Wh übertragen lassen. Das Bosch-Rapcon hat im aggressiven Race-Modus des Bosch Performance Line CX Race-Motors gut 40% des Akkus leer gesaugt, und das Display gibt noch 59% Restkapazität an – 300 Wh wurden aus dem 750-Wh-Tank abgesaugt. Der Pinion-Motor im Rapcon Pmax Pinion erweist sich als besonders langstreckentauglich und gönnt sich nur knapp ein Viertel der Akku-Kapazität laut Display. Sie fällt auf 75%, was einem Verbrauch von 180 Wh aus dem 720-Wh-Akku entspricht, natürlich nur rein rechnerisch. Wie immer gilt auch hier: Der Akku-Verbrauch ist stark von der Fahrweise und dem Fahrer-(gewicht) abhängig und nur schwer replizierbar. Wie bei einer amerikanischen Auto-Werbung darf auch hier der Disclaimer nicht fehlen – „your mileage may vary“.

Der Akku-Stand fällt, die Reichweitenangst steigt: Das Rapcon TQ kann nicht mit der Reichweite der Konkurrenz von Bosch und Pinion mithalten.

Das analoge SIMPLON Rapcon bezwingt unseren Testloop nur so schnell, wie man selbst dazu in der Lage ist. Dazu sei gesagt, dass es für einen schlagkräftigen Abfahrtsperformer dieser Liga auch bergauf ordentlich austeilen kann. Es trifft eine gute Balance aus straffem Fahrwerk zum effizienten Treten bei gleichzeitig feinfühligem Ansprechverhalten, um hohe Traktion bei steilen, technischen Climbs zu bieten. Andere Enduros können in Anbetracht solcher Nehmer- und Geberqualitäten vor dem SIMPLON Rapcon nur in Deckung gehen.

Lediglich die Bodenfreiheit ist am analogen Rapcon etwas eingeschränkt: Es besitzt per se ein relativ niedrig sitzendes Tretlager und wurde von uns als einziges Testbike mit 170 mm langen Kurbeln ausgestattet, wodurch die Gefahr von Pedalaufsetzern zunimmt. Die drei E-Bikes benötigen den langen Hebel nicht, um Vortrieb zu generieren und setzen auf 160-mm-Kurbeln.

Das SIMPLON Rapcon Pmax TQ bietet ein sehr ähnliches Uphill-Feeling. Der sehr natürlich und leise arbeitende TQ HPR 50-Motor verleiht einem den Eindruck von Superkräften in den eigenen Beinen statt des Gefühls, von einem Motor den Berg hochgeschoben zu werden. Die starken Kletterqualitäten des analogen Rapcons, gepaart mit der Unterstützung aus dem Motor, erwecken die Zuversicht, auch anspruchsvolle Schlüsselstellen auf Kletterpassagen meistern zu können. Doch ganz so mühelos wie etwa auf dem Bosch-Rapcon gelingt die Kletterpartie nicht. Um dem TQ HPR 50-Motor die maximale Kraft zu entlocken, muss man in hohen Trittfrequenzen unterwegs sein, was sich besonders auf sehr verblocktem Geläuf als technisch anspruchsvoll erweist, da es ein ebenso tiefes Tretlager wie das analoge Rapcon besitzt.

„Wartet mal kurz, ich denke, da kann man hochfahren …“ Das Bosch-Rapcon giert nach Climb Challenges und versüßt sich den Aufstieg zum Trail mit kniffligen Kletterpassagen.

Wenn das analoge Rapcon und das TQ-Rapcon sich wie die Huberbuam etwas mühselig, aber unaufhaltsam den Berg hinauf kämpfen, dann ist das SIMPLON Rapcon Pmax CX mit Bosch CX Race-Motor die Kletterziege im Quartett, die im Galopp den Berggipfel erklimmt. Der direkte und besonders kraftvoll ansprechende Motor katapultiert das CX-Rapcon jeden Anstieg hinauf. Der besonders lang anhaltende Nachlauf sorgt auch dann noch für Vortrieb, wenn die Pedale für mehr Bodenfreiheit in der horizontalen Fußstellung verharren müssen. So lässt sich das Rapcon auch über hohe Hindernisse lupfen und nimmt im Anschluss schnell wieder Fahrt auf. Die Gefahr, dass der Motor auf einem langen Anstieg absäuft, selbst wenn die Beine langsam schlapp machen, besteht nicht. Auch die geschmeidig schaltende SRAM GX Transmission-Kettenschaltung liefert an unserem Testbike eine gute Abstufung und Bandbreite für technische Climbs. Zudem verzeiht die Schaltgruppe Fehler bei der initialen Gangwahl: Rollt man in einem zu hohen Gang auf einen Anstieg zu, wechselt sie selbst unter hoher Last zuverlässig und sanft in einen leichteren Gang, ohne dass man das Gefühl hat, das Schaltwerk gleich in zwei Teile zu zerfetzen.

Vom SIMPLON Rapcon Pmax Pinion haben wir uns im Uphill etwas mehr erhofft. Es besitzt zwar auf dem Papier die gleiche Motorpower wie das Bosch-Pendant, kann aber weder mit der starken Leistungsentfaltung noch dem langen Nachlauf des Rennaggregats von Bosch mithalten. Da hilft selbst der besonders traktionsstarke Hinterbau nicht, um am Bosch-motorisierten Rapcon dranzubleiben. Das interne Getriebe bietet zwar eine hohe Bandbreite und in niedrigen Gängen ein sehr hohes Drehmoment. Dieses liegt jedoch nicht so direkt am Pedal-Input an wie beim Rapcon CX. Das Schaltgefühl ist zudem etwas gewöhnungsbedürftiger als bei den Kollegen mit Kettenschaltung. Das Pinion-Getriebe wählt seinen Schaltzeitpunkt selbst. Beim Gangwechsel fällt der Gegendruck unter dem Pedal kurz weg, und man tritt für rund eine Achtel-Kurbelumdrehung in ein Loch, was einen aus der Balance und aus dem Tritt bringen kann.

Houston, we have a lift off – das Rapcon TQ hat mit dem analogen Rapcon mehr gemeinsam als mit dem Bosch- und Pinion-Pendant. Es geht deutlich leichter in die Luft als die zwei großen Brüder.

Die hohe Balance, für die das Rapcon-Rezept steht, sorgt in der Abfahrt auf allen vier Bikes für ein intuitives Handling und einen hohen Wohlfühlfaktor. Dennoch deklassieren das analoge Rapcon und das Rapcon TQ die zwei Full-Size E-MTB-Boliden im Downhill-Sprint regelrecht. Mit der Agilität und Leichtfüßigkeit der beiden kann weder das CX-Rapcon noch das Pinion-Rapcon mithalten. Während man sich auf den beiden „großen“ E-MTBs vor manchen Sprüngen nicht sicher ist, ob man die Gap bis zur Landung überwindet, kann man auf den beiden Leichtgewichten beinahe blind jeden Jump in Angriff nehmen.

Doch auch zwischen dem Rapcon TQ und dem analogen Rapcon gibt es Unterschiede: Das analoge Rapcon führt das Agilitäts-Ranking im Vergleich an, das TQ-Rapcon ist dafür etwas laufruhiger und liegt auch bei großen Sprüngen etwas ruhiger in der Luft – das zusätzliche Gewicht bringt also nicht nur Nachteile.

Bevor man sich mit dem Pinion-Rapcon die Step-downs hinunter wagt, sollte man erstmal auf Nummer sicher gehen, dass man auch die Landung erreicht.

Stürzt man sich auf egal welchem Rapcon Hals über Kopf den Trail hinunter, besitzen alle vier (E)-MTBs genug Fahrwerksreserven, um verpatzte Landungen auszubügeln. Geht es mit Schallgeschwindigkeit über Wurzelteppiche und Steinfelder, bietet die Rapcon-Familie ein hohes Maß an Traktion und Laufruhe und vermittelt dadurch viel Sicherheit. Nur das Pinion-SIMPLON tut sich schwerer dabei, die Schallmauer zu durchbrechen. Es besitzt zwar von allen vier Mountainbikes das softeste Fahrwerk – besonders das Hinterrad klebt förmlich am Boden. Doch beim Anbremsen vor Kurven neigt das frontlastigere Pinion-Rapcon dazu, stärker in den Federweg abzutauchen. Es tendiert dann dazu, in extremen Situationen leicht über die Front zu schieben, während die drei anderen Probanden noch in den engsten Radien um die Kurven gehen.

Auch wenn die vier SIMPLON Rapcons auf den ersten Blick wie Vierlinge erscheinen – abgesehen vom Motor – so hat das Pinion-Rapcon nicht ganz dieselben sportlichen Gene von SIMPLON geerbt wie die drei älteren Brüder. Dafür überzeugt es durch Akku-Optionen mit hohen Kapazitäten, dem Fahrwerk mit dem höchsten Langstreckenkomfort, dem halbautomatischen Schaltmodus und dem wartungsarmen Riemen als bester Tourer.

Zu wem passt nun welches Bike mit welchem Motor? Müsste man die Fahrcharaktere der vier SIMPLONs auf eine möglichst einfach verständliche Größe kondensieren, um einen passenden Fahrertyp zu finden, wäre das die „Sportlichkeit“. Uns ist klar, dass man sich darüber streiten kann, ob ein Abfahrtsbolide mehr oder weniger sportlich ist als ein Tech-Climb-Experte. Nichtsdestotrotz, am sportlichsten Ende des Spektrums steht das analoge Rapcon, gefolgt vom TQ-Rapcon, dann kommt das CX-Rapcon, und das am wenigsten „sportliche“ Bike ist das Pinion-Rapcon. Das analoge Rapcon fordert den größten Leistungsaufwand, belohnt aktive Fahrer im Gegenzug jedoch mit der höchsten Agilität. Mangelnde Initiative wird auf den Full-Size E-MTBs am wenigsten abgestraft und durch die hohe Leistung aus dem Motor kompensiert. Dafür verpufft bei ihnen auch ein größerer Teil der Kraft, wenn man einem aktiven Fahrstil frönt und wird mit einem tendenziell eher passiven Fahrgefühl konfrontiert.

Das Henne-Ei-Problem – Beeinflusst der Motor das Bike oder umgekehrt?

SIMPLON ist es mit den vier Iterationen vom vermeintlich gleichen Bike gelungen, ein relativ breites Spektrum an Einsatzbereichen abzudecken. Ob das tatsächlich gewollt war, können wir nicht beurteilen.

Auch wenn das Rapcon-Rezept in den Grundzügen beibehalten wird, ändert sich der Fahrcharakter der vier Bikes signifikant. Der Unterschied zwischen den vier Bikes geht über die unterschiedlichen Eckdaten des Motors hinaus. Die Unterschiede werden sowohl stark von der Motorsystem-Integration bedingt als auch von kleinen Anpassungen am Bike selbst, um Motorsystem-Charakter und Bike-Charakter in einen harmonischen Einklang zu versetzen. Dabei lässt sich nicht klar sagen, wie stark die vielseitige Rapcon-Bike-Plattform die Motor-Performance beeinflusst, beschränkt oder begünstigt und umgekehrt wie stark die Motorcharakteristik auf die ursprüngliche Bike-Charakteristik abfärbt. Einen direkteren Vergleich von den Motoren wird man vermutlich auch in naher Zukunft nicht so gut reproduzieren können, und dennoch bleiben noch viele Fragezeichen nach unserem Versuch offen.

In diesem Versuch zeigt sich, dass auch eine Umkehrung unseres Leitspruchs zutreffend sein kann. Es gilt sowohl: „Ein Motor ist nur so gut wie das E-MTB, in dem er verbaut ist.“ als auch „Ein E-MTB ist nur so gut für einen Einsatzzweck geeignet, wie der Motor zu diesem Einsatzzweck passt.“ Ein an sich leichtfüßiges Mountainbike wird durch 9 kg zusätzliches Gewicht eines Motorsystems eingeschränkt und selbst durch das straffste Fahrwerk nicht zum Agilitätswunder. Es würde eher zu einer unharmonischen Disbalance kommen. Und anders herum wird ein spritziges Light-E-MTB selbst durch das effizienteste Fahrwerk nicht die brachiale Motorpower ersetzen können, die ein Full-Size E-MTB in technischen Uphills aufbringen kann.

Wie gesagt ist diese Erkenntnis nur mit Vorsicht zu genießen, kann nicht direkt auf jedes andere E-MTB übertragen werden und könnte in den kommenden Jahren erneut auf den Kopf gestellt werden. Um noch aussagekräftigere Ergebnisse aus einem direkten Motorenvergleichstest ziehen zu können, müssten wir unser Ceteris-Paribus-Experiment mit weiteren identischen Rahmenplattformen wiederholen, um festzustellen, wie stark der Fahrcharakter eines E-MTBs vom Motorsystem und wie stark von der Plattform selbst beeinflusst wird. Moderne Motoren lassen sich bereits heute allein durch die Motorsoftware so stark variieren, dass man den Eindruck haben kann, man hat es mit zwei gänzlich unterschiedlichen Systemen zu tun. Je kleiner, leichter und leistungsfähiger solche Systeme werden, desto stärker wird dieser Effekt zunehmen. Es bleibt also spannend, und die Frage, welches System zu wem passt, ist noch lange nicht geklärt.

Noch näher an einen direkten Motorvergleichstest wird man vermutlich nicht kommen, als bei den vier SIMPLON Rapcons. Der Motor trägt zwar stark zum Charakter jedes Rapcons bei, er ist aber nicht allein ausschlaggebend. Anstatt sich bei einer Kaufentscheidung auf einen Motor zu versteifen, sollte man sich mehr Gedanken über den Einsatzzweck des E-MTBs machen. Dann eröffnet sich einem ein viel breiterer Horizont und die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man das Traumbike mit einem harmonischen Motor- und Bike-Konzept findet.

Mehr Infos zu den getesteten Bikes findet ihr auf simplon.com


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Words: Rudolf Fischer Photos: Mike Hunger

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …