Mit dem neuen LYKE CF SE hat Haibike nun auch ein Light-E-MTB im Portfolio, und was für eins! Mit seinen schlanken Linien und der spannenden Integration des FAZUA Ride 60-Motors legt es einen sportlichen Auftritt hin. Aber bringt das für 10.999 € erhältliche LYKE auch die Fahrperformance mit, um sich gegen 29 E-MTBs zu behaupten?

Haibike LYKE CF SE | FAZUA Ride 60/430 Wh | 140/140 mm (v/h)
18,6 kg in Größe L | 10.999 € | Hersteller-Website

Haibike ist schon lange im E-MTB-Geschäft unterwegs, genauer gesagt: am längsten. Der E-Mountainbike Pionier aus Schweinfurt hat mit dem eQ XDURO von 2010 nicht nur das Segment begründet, sondern sich inzwischen komplett dem E-Bike verschrieben. Ein Light-E-MTB von Haibike gab es bisher aber noch nicht. Das neue LYKE CF SE schließt die Lücke im Portfolio auf eindrucksvolle Weise. Es besitzt eine neue Formsprache und erhebt einen deutlich sportlicheren Anspruch für sich als die bisherigen Bikes von Haibike. Es steht gleichzeitig stellvertretend für die Neuausrichtung von Haibike hin zu progressiven, auf Fahr-Performance getrimmten E-MTBs. Mit 18,6 kg ist das Topmodell vermutlich das leichteste E-MTB von Haibike aller Zeiten, mit 10.999 € Kaufpreis aber auch eines der teuersten. Es setzt auf den kompakten FAZUA Ride 60-Motor, edle Parts, einen Vollcarbon-Rahmen und ein Fahrwerk mit 140 mm Federweg. Hat es das Zeug dazu, ein neues Kapitel in der Firmengeschichte von Haibike aufzuschlagen?

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#thefreedomoflight – Was macht das Haibike LYKE CF SE aus?

Wenn man genau hinschaut, entdeckt man das ein oder andere Wiedererkennungsmerkmal von Haibike, wie die gefalteten Rahmenrohre hinter dem Steuerrohr und den leichten Knick im Oberrohr. Die charakteristischen Merkmale sind aber deutlich dezenter als an bisherigen Haibikes und der Look ist komplett überarbeitet. Haibike setzt nun auf eine neue Viergelenker-Hinterbaukinematik mit horizontal verbautem Dämpfer. Das sorgt nicht nur für eine sportliche Ästhetik, sondern schafft auch Platz für einen breiten Sitzdom. In dem verbaut das Team von Haibike den FAZUA-Motor vertikal, statt ihn horizontal vor das Tretlager zu legen. Den Trick mit rotiertem Motor kennt man schon von vielen Haibike-Modellen mit Bosch-Motor. Das sorgt beim LYKE CF SE für einen möglichst tief platzierten Akku mit einhergehendem, zentralem Schwerpunkt wie bei den Full-Size E-MTBs. Zum anderen kann so der Akku trotz geschlossenem Unterrohr zum externen Laden nach unten aus dem Bike gezogen werden. Der Akku lässt sich über den Ladeport über dem Tretlager auch im Bike laden. Außerdem fällt durch die vertikale Motorausrichtung der Knick vom Unterrohr hin zum Tretlager geschmeidiger aus als bei der Konkurrenz von FOCUS JAM² SL und Pivot Shuttle SL – top! Von Features wie dem Modular Rail System, einer Zubehörschiene auf dem Unterrohr, hat man sich zugunsten eines einfachen Flaschenhalters und einem Toolmount verabschiedet. Alltags-Features, wie optionale Lichtanlagen, im Ausfallende integrierte Lichter, eine Ständeraufnahme oder Anhängerfreigabe, die andere Haibikes besitzen, sucht man am LYKE vergebens. Sie sind der neuen sportlichen Ausrichtung zum Opfer gefallen.

Der 430-Wh-Akku kann entweder intern im Rahmen geladen oder zum externen Laden entnommen werden. Dazu muss man eine Steckachse aus dem Unterfahrschutz und eine weitere aus der Akkuhalterung abschrauben.
Thunderdome! Im Sitzdom versteckt das Haibike LYKE CF SE seine Motorpower. Der FAZUA Ride 60-Motor ist vertikal statt horizontal verbaut und erlaubt damit mehr gestalterischen Spielraum beim Unterrohr-Design und der Akku-Integration.
Auf den staubtrockenen und festen Trails rund um Santa Coloma de Farners schneidet der schwach profilierte DISSECTOR-Reifen in harter MaxxTerra-Mischung gut ab. Auf unseren feuchten Waldböden-Hometrails baut er jedoch weniger Traktion auf als eine Bowlingkugel auf einer frisch gewachsten Bowlingbahn.

Auch bei den Anbauteilen fand ein Umdenken statt. Komponenten wie das FOX Factory-Fahrwerk oder die Shimano XTR-Bremsen und Schaltung gehören zwar wie bisher zum Besten vom Besten, was der Markt zu bieten hat. Doch nun greifen die Produktmanager von Haibike auch bei Teilen wie Lenker, Griffen, Vorbau, Sattelstützen und Laufräder zu namhaften Herstellern statt zur Eigenmarke Haibike Components. Dass das nicht immer mit Erfolg gekrönt ist, zeigt z. B. die FOX Transfer-Sattelstütze mit nur 150 mm Hub in Gr. L, die zusammen mit dem sehr hohen Sitzrohr von 470 mm zu wenig Bewegungsfreiheit ermöglicht. Auch das Race Face Carbon-Cockpit mit schmalem 760-mm-Lenker zwingt durch seine Form den Biker in eine sportliche, nach vorne gebeugte Fahrposition. Auf den Mavic E-Crossmax XL R-Carbon-Felgen sitzen pannenanfällige MAXXIS DISSECTOR-Reifen in EXO und EXO+ Karkassen und harter MaxxTerra-Gummimischung. Sie bieten zwar ein schnelles Abrollverhalten, auf harten Trails aber nur wenig Schutz für die Carbon-Felgen und wenig Grip auf losem Untergrund.

Cold as ice: Am Haibike LYKE CF SE kommen vorne wie hinten 200 mm große ICE-TECH-Bremsscheiben zum Einsatz. Zusammen mit der Shimano XTR-Vierkolbenbremse beweisen sie selbst auf langen Abfahrten gute Standfestigkeit, ohne zu überhitzen.
Befindet sich nicht auf Idealhöhe: Die goldene FOX Transfer-Sattelstütze bietet mit 150 mm nur wenig Hub. Zudem ist das Sattelrohr noch recht hoch, sodass sich der Sattel nicht tief genug absenken lässt und so in der Abfahrt die Bewegungsfreiheit einschränkt.
Akkus Akimbo: Im Gegensatz zum Pivot Shuttle SL und FOCUS JAM² SL beherrscht das Haibike LYKE CF beides gleichzeitig: externes und internes Laden.
Der 760 mm schmale Race Face Next-Lenker sorgt durch seine Form für weit ausgefahrene Ellenbogen und eine nach vorne orientierte Fahrposition.

Haibike LYKE CF SE

10.999 €

Ausstattung

Motor FAZUA Ride 60 60 Nm
Akku Fazua Energy 430 Wh
Display FAZUA LED HUB
Federgabel FOX 36 Factory GRIP2 Kashima 140 mm
Dämpfer FOX FLOAT X Factory 140 mm
Sattelstütze FOX Transfer Factory 150 mm
Bremsen Shimano XTR 200/200 mm
Schaltung Shimano XTR/XT 1x12
Vorbau Race Face Turbine SL 40 mm
Lenker Race Face Next Carbon 760 mm
Laufradsatz Mavic E-Crossmax XL R Carbon 29"
Reifen MAXXIS DISSECTOR 3C MaxxTerra EXO/MAXXIS DISSECTOR 3C MaxxTerra EXO+ 2,4/2,4

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 18,6 kg
Zul. Gesamtgewicht 120 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 101 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Besonderheiten

Toolmount

Tuning-Tipp: robuste Reifen mit mehr Profil, stabilerer Doubledown-Karkasse und weicherer MaxxGrip-Gummimischung an der Front aufziehen

Die Entdeckung der neuen Sportlichkeit bei Haibike? – Das neue Haibike LYKE CF SE im Praxistest

Dass man Sportlichkeit und Tourentauglichkeit unter einen Hut bringen kann, zeigt z. B. das Orbea Rise im Vergleichstest. Dieser Aspekt fand beim Haibike LYKE jedoch nur wenig Beachtung. Die Sitzposition ist zwar sehr kompakt, aber durch den steilen Sitzwinkel und das niedrige Cockpit mit aufgezwungener Attack-Position durch den Lenker zu frontlastig für lange Touren. Statt seine Zeit auf langen Sightseeing-Touren zu verschwenden, will das LYKE sich den Weg zum Trail-Einstieg bahnen. Im Uphill sorgt der straffe Hinterbau für eine effiziente Kletter-Experience, ohne zu wippen. Der FAZUA-Motor schiebt für einen Light-E-MTB-Motor erstaunlich stark an und mit dem kurzzeitigen Turbo-Modus lässt sich vor richtig steilen Stichen nochmals ordentlich Schwung holen. Allerdings erfordert das einiges an Fingerspitzengefühl in der Bedienung der FAZUA Ring-Remote. Trotzdem schaffen es Light-E-MTBs wie das Orbea Rise und das Forestal Siryon, das LYKE durch technische Schlüsselstellen abzuhängen, und die Leistung des leichten LYKE verblasst natürlich erst recht gegen die der Fullsize E-MTBs in diesem Vergleichstest.

Bike-Tester Felix hat sich über mangelnden Grip am Vorderrad nicht beschwert. Er hat aber auch die meiste Zeit im freien Fall statt auf der Fahrbahn verbracht.
Auf technischen Steilstücken braucht es eine vorausschauende Fahrweise, um nicht vom nervösen Handling des Haibike LYKE CF SE überrascht zu werden.

Richtige Sportlichkeit beweist das LYKE erst bergab. Dort fühlt sich das agile Haibike auf engen Flowtrails mit vielen Features wie Kanten zum Abziehen am wohlsten. Die kompakte Fahrposition platziert den Fahrer eher aufs als im Bike. Es lässt sich zwar nicht mit der gleichen Präzision wie das Pivot Shuttle SL im Zickzack um jedes Hindernis manövrieren oder sich genauso leicht aufs Hinterrad ziehen, ist aber immer noch spürbar wendiger als z. B. das mit dem gleichen Motor ausgestattete FOCUS JAM² SL. Entschließt man sich, mit dem LYKE eine Abfahrt über grobes Terrain zu bestreiten, die hohe Anforderungen an Traktion und Fahrwerksreserven mit sich bringt, bedarf es einer präzisen und vorausschauenden Fahrweise. Hält man blind auf Steinfelder und Wurzelteppiche drauf, wird das Fahrwerk schnell ans Limit gebracht und das LYKE verhält sich nervös und wenig laufruhig. Die weit nach vorne verschobene Fahrposition sorgt in hektischen Situationen zu einem geringen Sicherheitsempfinden und im schlimmsten Fall dazu, dass man mehr Druck auf die Front ausübt als man will. Dadurch kann der schwach profilierte DISSECTOR-Reifen überfordert werden und die Traktion reist ab.

Kleiner Dreh, große Wirkung – tauschen Dämpfer und FAZUA Ride 60-Motor am Haibike LYKE CF SE die Orientierung wird auf einmal vieles Undenkbare möglich.

Größe S M L XL
Oberrohr 562 mm 592 mm 622 mm 652 mm
Sattelrohr 410 mm 440 mm 470 mm 500 mm
Steuerrohr 110 mm 120 mm 130 mm 140 mm
Lenkwinkel 65,0° 65,0° 65,0° 65,0°
Sitzwinkel 77,3° 77,3° 77,3° 77,3°
Kettenstrebe 450 mm 450 mm 450 mm 450 mm
BB Drop 25 mm 25 mm 25 mm 25 mm
Radstand 1.195 mm 1.227 mm 1.259 mm 1.290 mm
Reach 424 mm 452 mm 479 mm 506 mm
Stack 611 mm 620 mm 629 mm 638 mm
Helm Sweet Protection Trailblazer MIPS | Brille uvex Sportstyle 235 | Hip Pack Canyon Hip Bag
Shirt Rocday Stage | Hose Rocday Roc pants | Schuhe Unparallel Up Link
Handschuhe Rocday Flow

Für wen ist das Haibike LYKE CF SE das richtige Bike und für wen nicht?

Das neue LYKE CF SE ist das richtige Bike für Haibike-Fans mit viel Fahrerfahrung, die sich ein leichtfüßiges E-MTBs wünschen, aber im Portfolio von Haibike bisher nicht fündig geworden sind. Es verpasst der Marke ein cooles, sportliches Image und sorgt bei Bike-Akrobaten auf flowigen Trails für Fahrspaß. Das fordernde Handling macht es jedoch für Fahranfänger ungeeignet.

Fahreigenschaften

DESIGN

  1. unausgewogen
  2. stimmig

HANDHABUNG

  1. umständlich
  2. clever

PREIS/LEISTUNG

  1. schlecht
  2. top

TOUREN- & ALLTAGSTAUGLICHKEIT

  1. niedring
  2. hoch

HANDLING

  1. fordernd
  2. intuitiv

FAHRSPAß

  1. langweilig
  2. lebendig

Einsatzbereich

Schotterweg

Technischer Uphill

Flowtrail Downhill

Technischer Downhill

Fazit zum neuen Haibike LYKE CF SE

Haibike hat mit dem LYKE CF SE eine neue sportliche Ausrichtung gefunden, aber noch nicht konsequent umgesetzt. Auf flowigen und engen Trails kann das agile Light-E-MTB punkten und auch Design und Motor-Integration sind eine Punktlandung. Es zeigt aber in technisch anspruchsvollen Einsatzszenarios noch Schwächen, die Bike-Hersteller mit einem langjährigen Fokus auf Performance deutlich besser abdecken. Darum fällt das LYKE im Vergleichstest hinter das Mittelfeld zurück.

Tops

  • Motor-Systemintegration-Benchmark für das FAZUA Ride 60-System
  • neu definiertes Haibike-Design

Flops

  • hohes Sitzrohr bei kurzer Sattelstütze
  • schwache Reifen
  • forderndes Handling

Mehr Informationen findet ihr unter haibike.com

Das Testfeld

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Words: Rudolf Fischer Photos: Mike Hunger

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …