Der Damm ist gebrochen, die Katze ist aus dem Sack, es gibt kein Halten mehr: Ibis feiert mit dem Oso ihr E-Mountainbike-Debüt. Das 12.498 € teure E-rstlingswerk betritt mit futuristischem Design und Bosch Smart System-Motor das E-MTB-Parkett. Hat sich das Warten auf das Oso gelohnt und wie schlägt es sich im Vergleichstest?

Ibis Oso | Bosch Performance Line CX/750 Wh | 170/155 mm (v/h)
24,3 kg in Größe L | 12.498 € | Hersteller-Website

Unter Mountainbikern besitzt Ibis eine Kultgefolgschaft. Schon seit den frühen 80ern entwerfen und konstruieren die Nordkalifornier Mountainbikes mit inzwischen schon ikonischem Design. Motorisierte Mountainbikes zählten jedoch nicht dazu. 2017 gab man dann den Startschuss zur Entwicklung eines E-Mountainbikes. Und weil man sich bei Ibis nicht auf Lorbeeren ausruhen wollte, nahm man das E-Debüt gleich noch zum Anlass, die eigene Marke neu zu gestalten. Herausgekommen ist das Oso, ein E-MTB mit neuem, klaren Ibis-Branding, das zudem den Sport E-Mountainbiken auf neue und eigenständige Weise interpretieren soll. Statt sich auf ein Einsatzgebiet zu spezialisieren, soll es bergauf genauso viel Spaß machen wie bergab, und zudem soll es auch einen starken Tourer abgeben. Für die Sommersaison 2023 kommt das Oso nur in einer Ausstattungsvariante für 12.498 € auf den Markt. Das Vollcarbon-E-MTB mit Bosch Performance Line CX Smart System-Motor und 750-Wh-Akku bringt in Größe L 24,3 kg auf die Waage.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2023 – 30 Modelle im Test

Form follows function, function follows form – Was macht das Ibis Oso aus?

Dass das Ibis Oso einen einzigartigen Look hat, macht es nicht besonders. Denn den haben alle Ibis-Bikes. Beim Oso ist jedoch der Übergang zwischen Designelementen und Funktionselementen fließend. Es hat eine eigenständige geschwungene Formensprache und ist dennoch als ein Ibis-Bike wiederzuerkennen. So ist z. B. die Hinterradschwinge nicht von einem analogen Bike übernommen, sondern komplett neu designt. Trotzdem ist auch sie über eine mehrgelenkige DW-Link-Hinterbaukinematik mit dem Hauptrahmen verbunden, wie alle Hinterbauten bei Ibis-Fullies. Gleichzeitig birgt das Design mehrere Funktionen. In Rahmengröße S und M fällt die Schwinge kürzer aus und nimmt ein 27,5”-Hinterrad auf, ab Größe L kommt dann ein 29”-Rad zum Einsatz. Mit dem in Serie verbauten FOX FLOAT X2-Dämpfer mit 60 mm Hub generiert die Schwinge 155 mm Federweg am Heck. Tauscht man den Dämpfer gegen einen Luft- oder Stahlfederdämpfer mit 65 mm Hub aus, besitzt der Hinterbau 170 mm Federweg. Vorne arbeitet eine einfache FOX 38 Performance-Federgabel mit 170 mm Federweg, die von Haus aus nur über wenig Einstellmöglichkeiten verfügt. Doch auch hier zeigt das Oso seine vielseitigen Facetten und gibt den Rahmen sogar für Doppelbrücken-Federgabeln mit bis zu 190 mm Federweg frei. Doch nicht nur die Reifengröße, Federwege und Hinterbaulänge variieren am Oso, auch der Akku (625 Wh in Gr. S, 750 Wh ab Gr. M) und der Sitzwinkel passen sich den Größen an. So soll für möglichst alle Fahrergrößen eine gleichbleibende Balance auf dem Bike realisiert werden.

Der Ladeport wird von einer kleinen Plastikklappe mit Magneten gehalten. Die tiefe Position am Motorgehäuse macht ihn besonders anfällig für aufgewirbelten Matsch und Nässe.
Ready for night life: Das Ibis Oso ist das einzige E-MTB mit einem fest installierten Front- und Rücklicht im Test. Die schicke und unauffällige Integration des Lupine C14-Lichts in der Sattelklemme sollten sich die anderen Hersteller abschauen.
People’s Choice Award 2023 geht an Ibis für die Zugverlegung durch Kabelports hinter dem Steuerrohr. Das sorgt für einen unaufgeräumten Eindruck vor dem Cockpit, doch scheinbar ist es die Lösung, die die schraubwütige Bike-Community der Zugverlegung durch den Steuersatz vorzieht.

Der Akku kann zum externen Laden seitlich aus dem Unterrohr entnommen werden, sowohl Akku als auch Akkucover sind mit einem 6er-Inbus statt mit einem Schlüssel gesichert. Der Akku treibt nicht nur den kraftvollen Bosch Performance Line CX Smart System-Motor an, sondern versorgt auch die Lupine SL F-Lampe und das C14-Rücklicht mit Strom. Die Frontlampe besitzt zudem ein praktisches Fernlicht für Pendel- und Trailrides bei schlechten Sichtverhältnissen. Die Integration des Rücklichts, übrigens das einzige im Testfeld – in der Sattelstützenklemme ist gut gelungen. Die zwei zusätzlichen Kabel des Frontlichts tragen zum etwas chaotischen Kabelmanagement vor dem Cockpit bei. Bei den restlichen Anbauteilen und Komponenten ergibt sich, abgesehen von der etwas wenig performanten FIT GRIP-Kartusche in der Federgabel, ein stimmiges Gesamtbild. Besonders hervorzuheben sind die MAXXIS-Reifen in weicher MaxxGrip-Gummimischung und robuster Doubledown-Karkasse, die für guten Grip und Pannenschutz sorgen.

Der Bosch Performance Line CX Smart System-Motor ragt auf der Nichtantriebsseite aus dem Rahmen heraus wie Ansaugstutzen aus der Motorhaube eines Muscle-Cars.
Akkucover und Akku lassen sich separat mit einem 6er-Inbus zur Seite abnehmen. In Rahmengröße S kommt ein kleinerer 625-Wh-Akku zum Einsatz, der für die gewöhnlich leichteren Fahrer die gleiche Reichweite bieten kann wie der 750-Wh-Akku für große und schwere Fahrer.

Ibis Oso

12.498 €

Ausstattung

Motor Bosch Performance Line CX 85 Nm
Akku Bosch PowerTube 750 Wh
Display Kiox 300
Federgabel FOX 38 Performance 170 mm
Dämpfer FOX FLOAT X2 Performance Elite 155 mm
Sattelstütze BikeYoke REVIVE 185 mm
Bremsen Shimano XT 220/220 mm
Schaltung SRAM GX 1x12
Vorbau Ibis 50 mm
Lenker IBIS Carbon 800 mm
Laufradsatz Blackbird Send 29"
Reifen MAXXIS ASSEGAI 3C MaxxGrip Doubledown/MAXXIS DISSECTOR 3C MaxxGrip Doubledown 2,5/2,5

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 24,3 kg
Zul. Gesamtgewicht 150 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 125 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Besonderheiten

integrierte Lupine Lichter

Tuning-Tipp: Züge vor dem Cockpit mit Kabelklemmen ordnen

Flinker Vogel oder gemütlicher Bär – Was kann das Ibis Oso in der Praxis?

Der Ibis ist ein Vogel, Oso hingegen ist das spanische Wort für Bär – was soll es denn nun sein? Auf Touren macht es einen sehr gemütlichen Eindruck. Man nimmt in einer entspannten Sitzposition auf dem Bären Platz. Der feinfühlige Hinterbau schluckt Unebenheiten weg, der bärenstarke Bosch-Motor bezwingt fast im Alleingang steile Schotterstraßen. Und wenn die Tour dank des großen Akkus etwas länger andauert, findet man mit der Lupine-Lichtanlage sicher nach Hause zurück. Durch die vielen Features und den hohen Fahrkomfort gehört das Oso zu den besten Tourern im Vergleichstest. Will man mit dem Oso nicht nur an der kalifornischen Küste entlang cruisen, sondern z. B. auch auf eine Bärenjagd über Trails aufbrechen, zeigt es sich von seiner flinken Seite. Im Uphill sitzt man bei voll ausgezogener Sattelstütze weit über dem Hinterrad und sinkt tief in den Federweg ein. Das softe und nur wenig pedaliereffiziente Fahrwerk wird durch die Power aus dem Bosch-Motor kompensiert, sodass man Kletterpassagen im Eiltempo absolviert. Trotz hecklastiger Gewichtsverteilung tendiert das Vorderrad nicht dazu, die Bodenhaftung zu verlieren. Auch der schwach profilierte DISSECTOR-Hinterreifen schmiegt sich auf dem Untergrund an, kann aber auf nassem und losem Untergrund zu Traktionsverlust führen, wodurch das Oso nicht ganz auf der Höhe mit den besten Kletterern im Test ist, wie dem Orbea WILD.

Auf den sonnigen Trails in Spanien fühlt sich das Ibis Oso wie zuhause in den kalifornischen Wäldern. Durch das intuitive Handling fühlt sich auch Tester Eric auf Anhieb wohl auf dem Ibis Oso.
Bergauf macht das Oso seinem Namen alle Ehre. Gemütlich, aber bestimmt wie ein Bär (span. Oso) erklimmt es den Weg zum Gipfel.

Hat man einen Bären auf sich aufmerksam gemacht und beschließt daher einen Abflug, steht man gut integriert im Bike. Im Downhill trifft das Oso eine gute Balance bei der Gewichtsverteilung zwischen Front und Heck, sodass die Traktion zwischen beiden Reifen gleichmäßig verteilt wird. Das Heck spricht feinfühlig an, besitzt aber dennoch genug Endprogression, um harsche Schläge abzufangen. Nur im mittleren Federwegsbereich fehlt es etwas an Gegenhalt und einem gut definierten Feedback. Auf engen Flowtrails bedarf es daher einer aktiven Fahrweise, um spontane Richtungswechsel umzusetzen. Hier kann es nicht den gleichen Spaßfaktor wie das super agile Yeti 160E oder das Orbea WILD an den Tag legen. Auf richtig schnellen und ruppigen Passagen fällt auf, das die FOX 38 Performance-Federgabel nicht auf dem gleichen Niveau wie der Hinterbau arbeitet. Die Front vermittelt ein harsches Feedback, sodass man Hindernisse eher abrollt, statt sich eine präzise Linie um einzelne Wurzeln und Kanten in Steinfeldern zu suchen. Auch hier kann das Oso nicht mit den besten E-MTBs im Testfeld mithalten.

Ist das Kunst oder kann das auch was? Beim Ibis Oso verläuft der Übergang von Design zu Funktion fließend.

Größe S M L XL
Oberrohr 573 mm 607 mm 638 mm 669 mm
Sattelrohr 394 mm 414 mm 414 mm 427 mm
Steuerrohr 90 mm 106 mm 122 mm 139 mm
Lenkwinkel 64,0° 64,0° 64,0° 64,0°
Sitzwinkel 77,0° 77,0° 78,0° 79,0°
Kettenstrebe 439 mm 439 mm 444 mm 444 mm
BB Drop 31 mm 31 mm 31 mm 31 mm
Radstand 1.206 mm 1.242 mm 1.294 mm 1.341 mm
Reach 430 mm 460 mm 500 mm 540 mm
Stack 621 mm 635 mm 650 mm 665 mm
Helm Troy Lee Designs A3 | Brille DELAYON Line Tracer | Hip Pack CAMELBAK Podium Flow
Shirt Rocday Stage LS | Hose Rocday Roc pants | Schuhe Five Ten Hellcat Pro
Handschuhe Rocday Elements

Für wen ist das Ibis Oso das richtige Bike?

Das Ibis Oso sticht durch sein individuelles Design aus der Masse hervor und polarisiert. Wer sich mit dem geschwungenen Look und dem relativ hohen Preis von 12.498 € für die einzig verfügbare Ausstattungsvariante anfreunden kann, bekommt einen starken Tourer mit einem anfängerfreundlichen und gutmütigen Handling. Wer jedoch auf der Suche nach einem auf Performance getrimmten E-MTB für anspruchsvollste Strecken ist, findet im Vergleichstest bessere Alternativen wie das Orbea WILD.

Fahreigenschaften

DESIGN

  1. unausgewogen
  2. stimmig

HANDHABUNG

  1. umständlich
  2. clever

PREIS/LEISTUNG

  1. schlecht
  2. top

TOUREN- & ALLTAGSTAUGLICHKEIT

  1. niedring
  2. hoch

HANDLING

  1. fordernd
  2. intuitiv

FAHRSPAß

  1. langweilig
  2. lebendig

Einsatzbereich

Schotterweg

Technischer Uphill

Flowtrail Downhill

Technischer Downhill

Fazit zum Ibis Oso

Der Vorstoß in den E-MTB-Sektor ist Ibis geglückt. Das Oso vereint ein aufsehenerregendes Design mit hoher Funktionalität und einem breiten Einsatzbereich. Vor allem das gutmütige Handling macht es für Anfänger und fortgeschrittene Biker zu einer guten Wahl. Nur das spitze Ende der sehr auf Performance fokussierten Fahrer deckt es nicht so gut ab wie die sportlicheren Allrounder im Vergleichstest, weshalb dem Erstlingswerk der Testsieg verwehrt bleibt.

Tops

  • sensibler Hinterbau
  • einzigartiges Design
  • praktische Alltags-Features

Flops

  • subpar Performance der Federgabel
  • chaotische Kabelverlegung am Cockpit

Mehr Informationen findet ihr unter ibiscycles.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2023 – 30 Modelle im Test

Alle Bikes im Test: Berria Mako Hybrid GT LTD (Zum Test) | Bulls SONIC EVO SL EN-1 (Zum Test) | Cannondale Moterra Neo Carbon LT1 (Zum Test) | Flyer Uproc X 9.50 (Zum Test) | Focus SAM² 6.9 (Zum Test) | Focus JAM² 6.9 (Zum Test) | Focus Jam² SL 9.9 (Zum Test) | Forestal Siryon Diōde (Zum Test) | Giant Trance X Advanced E+ Ltd (Zum Test) | Haibike Lyke CF SE (Zum Test) | Ibis OSO | KTM Macina Prowler Exonic (Zum Test) | MERIDA eONE-SIXTY 975 (Zum Test) | Mondraker Crafty Carbon XR LTD (Zum Test) | Moustache Samedi 29 Game 11 (Zum Test) | Orbea Rise M-Team (Zum Test) | Orbea WILD M-LTD (Zum Test) | Pivot Shuttle SL Pro X01 (Zum Test) | Pivot Shuttle LT Team XTR (Zum Test) | Radon Deft 10.0 (Zum Test) | Rotwild R.X735 Ultra (Zum Test) | Santa Cruz Heckler MX XO1 AXS RSV (Zum Test) | SCOTT Lumen eRide 900 SL (Zum Test) | Simplon Rapcon Pmax TQ (Zum Test) | Specialized Turbo Levo Expert (Zum Test) | Transition Repeater AXS Carbon (Zum Test) | Thömus Lightrider E Ultimate (Zum Test) | Trek Fuel EXe 9.9 XX1 AXS (Zum Test) | UNNO Mith Race (Zum Test) | Yeti 160E T1 (Zum Test)


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words: Rudolf Fischer Photos: Mike Hunger

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …