Das Cannondale Moterra Neo Carbon LT1 will den Spagat aus touren- und alltagstauglichem E-MTB und gleichzeitig performanten Abfahrtsboliden schaffen. Wie schlägt sich das 8.999 € teure E-MTB mit Bosch Performance Line CX Smart System-Motor gegen 29 der spannendsten Kontrahenten im großen E-Mountainbike-Vergleichstest?
Cannondale gilt als eine der traditionsreichsten und gleichzeitig innovationsfreudigsten Bike-Brands in der Branche. Falls jemals der Versuch unternommen wurde, ein Fahrrad mit quadratischen Reifen zu entwerfen, steht der Prototyp davon mit Sicherheit im Cannondale-Hauptquartier in Connecticut. Das Moterra Neo E-MTB ist schon seit Jahren ein fester Bestandteil des Portfolios und seit 2016 Stammgast in unseren Vergleichstests. Cannondale hat mit dem Moterra Neo eine übergreifende Modellplattform erschaffen, die die Bedürfnisse von einer Vielzahl unterschiedlicher Fahrertypen abdecken soll und uns immer als guter Allrounder in Erinnerung geblieben ist. „We designed the Moterra Neo with every rider in mind“ ist der Ansatz, dem Cannondale folgt. So ist es kaum verwunderlich, dass das Moterra sowohl in einer Variante für Trailbiker als auch in einer vollausgestatteten EQ-Variante mit Alu-Rahmen und vielen Touren-Features, wie einen Heckgepäckträger, auf dem Markt erhältlich ist. Für unseren Vergleichstest haben wir die Variante Moterra Neo Carbon LT1 (LT für Long Travel) mit einem Maximum an Federweg herangezogen. Sie basiert auf dem gleichen Hauptrahmen wie das Moterra Neo, soll aber durch die Ausstattung wie potente Fahrwerkskomponenten, einen Laufradgrößenmix mit 29” an der Front und 27,5” im Heck und einen für mehr Federweg angepassten Hinterbau für anspruchsvolle Geländeausfahrten prädestiniert sein. Wir verraten euch, wie sich das 8.999 € teure E-MTB in unserem Vergleichstest geschlagen hat.
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2023 – 30 Modelle im Test.
Alltags-Rowdy statt Alltagsroutine? Das commuterfreundliche Cannondale Moterra NEO Carbon LT1 im Detail
Für das aktuelle Modelljahr hat Cannondale alle Moterra-Rahmen überarbeitet, um sie für den neuen Bosch Performance Line CX Smart System-Motor samt 750-Wh-Akku vorzubereiten. Der Ladeport über dem Motor wird von einer soliden Klappe sicher vor Regen und Dreck geschützt. Der lange Akku lässt sich unkompliziert und werkzeuglos durch die große Öffnung im Unterrohr entnehmen. Allerdings ist er mit einem Schlüssel vor Diebstahl gesichert, was aus unserer Sicht eher ein Alltags-Feature als eine Performance-Lösung für einen Abfahrtsboliden ist. Und an Alltags- und Touren-Features mangelt es dem Cannondale Moterra nicht. Der Carbon-Hauptrahmen wird gepaart mit einem Alu-Hinterbau, der für Anhänger freigeben ist und zahlreiche Anschraubpunkte für Schutzbleche, eine Ständeraufnahme und sogar für einen Heckgepäckträger besitzt. Zwei kurze Kunststoff-Fender kommen bereits ab Werk zum Einsatz. Die helle Lezyne Super HB STVZO E1000 Frontlampe mit Fernlicht-Funktion gehört ebenfalls zur Serienausstattung und unterstreicht die hohe Alltagstauglichkeit des Moterra Neo. Das weitere Ausstattungspaket erweckt einen stark abfahrtsorientierten Eindruck. Die wuchtige RockShock ZEB-Federgabel generiert 170 mm Federweg an der Front und wird gepaart mit 165 mm Federweg am Heck, die durch einen RockShox Super Deluxe-Stahlfederdämpfer reguliert werden. Für ambitionierte Gravity-Mountainbiker bieten aber die Fahrwerkskomponenten aus der einfacher Select+ Serie von RockShox zu wenig Einstellmöglichkeiten für ein fein abgestimmtes Fahrwerks-Setup. Auch die auf den ersten Blick grobstolligen MAXXIS ASSEGAI und Minion DHR II-Reifen sehen nach viel Abfahrtspotenzial aus, passen in der harten MaxxTerra-Gummimischung und der dünnen EXO+ Karkasse aber besser zu einem weniger aggressiven Fahrszenario.
Auch beim Design zieht sich der rote Faden aus Praktikabilität vor Emotionalität durch. Am aufsehenerregendsten ist mit Sicherheit der dreifarbige Paintjob, der in unseren Köpfen Assoziationen zu einer Tüte Pommes mit Ketchup und Senf hervorruft. Ansonsten wirkt das restliche Erscheinungsbild in erster Linie funktional. Der Rahmen ist an vielen Stellen mit Gummistöpseln vor den Elementen geschützt, z. B. am Akkuschloss, an den Verschraubungen der Motoraufnahme oder an den Schrauben auf dem Unterrohr. Die Züge vor dem Cockpit verlaufen gut aufgeräumt durch den Vorbau in den Rahmen. Dezent asymmetrisch designt ist der Rahmen über der Motoraufnahme, sodass sich kein Schmutz unter dem Flaschenhalter ansammelt, sondern seitlich abfließen kann. Unter dem Motor verschraubt das Team von Cannondale einen massiven Unterfahrschutz aus Alu, der gut vor Felskontakt schützt. Die Konstruktion könnte aus unserer Sicht gerne von den anderen Abfahrtsboliden im Vergleichstest kopiert werden. Die standfesten SRAM CODE RSC-Bremsen mit großen Bremsscheiben, 220 mm an der Front und 200 mm am Heck, erfüllen ihren Job erstklassig, sowohl im sportlichen Einsatz als auch auf langen Touren mit viel Gepäck und Höhenmetern.
Cannondale Moterra Neo Carbon LT1
8.999 €
Ausstattung
Motor Bosch Performance Line CX 85 Nm
Akku Bosch PowerTube 750 Wh
Display Bosch Kiox 300
Federgabel RockShox Zeb Select+ 170 mm
Dämpfer RockShox Super Deluxe Coil Select+ 165 mm
Sattelstütze Cannondale DownLow 150 mm
Bremsen SRAM CODE RSC 220/200 mm
Schaltung Shimano DEORE XT 1x12
Vorbau Cannondale 2 45 mm
Lenker HollowGram 810 mm
Laufradsatz WTB KOM i30 Trail 29"/27,5"
Reifen MAXXIS ASSEGAI 3C MaxxTerra EXO+/Maxxis Minion DHR II 3C MaxxTerra EXO+ 2,6/2,6
Technische Daten
Größe S M L XL
Gewicht 26 kg
Zul. Gesamtgewicht 150 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 124 kg
Anhänger-Freigabe ja
Ständeraufnahme ja
Besonderheiten
Lezyne-Licht
Tuning-Tipps: ansteckbares Rücklicht für bessere Sichtbarkeit auf Touren nachrüsten | Speichenmagnet beim Bosch-Händler durch Ventilmagnet ersetzen lassen
Was kann das Cannondale Moterra NEO Carbon LT1?
Das Moterra NEO Carbon LT1 soll laut Cannondale spaßiges Handling und die Wendigkeit eines agilen Bikes mit einem Plus an Laufruhe vereinen. Vom Ersteren haben wir im Test weniger mitbekommen. Das Fahrwerk ist weich abgestimmt und erzeugt dadurch in Kombination mit einer angenehmen Sitzposition ein hohes Maß an Fahrkomfort. Zusammen mit den vielen alltagstauglichen Rahmen-Features, dem sehr kraftvollen Bosch-Motor in Kombination mit der hohen Akkureichweite und den cleveren Funktionen aus dem Smart System-Motorsystem wie eBike Lock oder Navigation wird das Moterra NEO zum besten Touren-Bike im Vergleichstest. Will man das Moterra sportlicher nutzen und sich über einen Uphill-Trail einen Gipfel erkämpfen, muss auf steilen Passagen die Front aktiv belastet werden, um am Steigen gehindert zu werden. Dann schiebt es mit viel Traktion bergauf, für verwinkelte und knackig-technische Schlüsselstellen ist es aber zu behäbig und kann nicht mit den besseren Kletterern im Vergleichstest wie dem Orbea WILD oder dem FLYER Uproc X mithalten. Dreht man die Nase Richtung Tal, wird der gemütliche Charakter noch deutlicher. Gut integriert im E-MTB rollt man Flowtrails eher ab, anstelle verspielt von Kurvenausgang zum nächsten Kurveneingang zu hüpfen. In die Luft bekommt man das Moterra über gut gebaute Sprungschanzen, anstelle es mit viel Körpereinsatz über kleine Kanten in die Luft zu ziehen. Wechselt man von einfachen Flowtrails auf steile und anspruchsvolle Abfahrten, hat das wenig Einfluss auf den trägen und gutmütigen Charakter des Moterra. Ähnlich wie das FOCUS SAM² sitzt man auf dem Moterra als passiver Passagier und walzt über alle Hindernisse hinweg, statt sich eine präzise Linie durch Stein- und Wurzelfelder zu suchen. Jedoch gelingt es dem SAM² dabei, ein deutlich definiertes Feedback vom Untergrund zu vermitteln als das Moterra.
Harte Schale, weicher Kern. Das Moterra NEO Carbon LT1 erweckt den Eindruck eines brachialen Abfahrtsboliden, erweist sich aber als echter Softie mit viel Fahrkomfort auf Touren.
Größe | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|
Oberrohr | 580 mm | 602 mm | 634 mm | 671 mm |
Sattelrohr | 400 mm | 460 mm | 460 mm | 490 mm |
Steuerrohr | 105 mm | 115 mm | 125 mm | 135 mm |
Lenkwinkel | 64° | 64° | 64° | 64° |
Sitzwinkel | 76,5° | 76,5° | 76,5° | 76,5° |
Kettenstrebe | 452 mm | 452 mm | 452 mm | 452 mm |
BB Drop | 11 mm | 11 mm | 11 mm | 11 mm |
Radstand | 1.217 mm | 1.242 mm | 1.276 mm | 1.315 mm |
Reach | 426 mm | 446 mm | 476 mm | 511 mm |
Stack | 623 mm | 633 mm | 642 mm | 651 mm |
Für wen ist das Cannondale Moterra NEO Carbon LT1 das richtige Bike?
Wer auf das Moterra steigt, hat anderen Bikern nichts mehr zu beweisen. Der Cannondale-Fahrer zieht das Moterra aufgrund seines gutmütigen Charakters und dem hohen Tourenkomfort den deutlich sportlicheren E-MTBs im Test vor. Trotzdem scheut das E-MTB nicht zurück vor dem gelegentlichen Trail-Abstecher oder sogar dem Einsatz auf einer gut gebauten Flowline mit langgezogenen Anliegern und hoch gebauten Sprüngen. Aktive Fahrer hingegen greifen besser auf Bikes wie das Orbea WILD mit einem deutlich spritzigeren Charakter zurück.
Fahreigenschaften
DESIGN
- unausgewogen
- stimmig
HANDHABUNG
- umständlich
- clever
PREIS/LEISTUNG
- schlecht
- top
TOUREN- & ALLTAGSTAUGLICHKEIT
- niedring
- hoch
HANDLING
- fordernd
- intuitiv
FAHRSPAß
- langweilig
- lebendig
Einsatzbereich
Schotterweg
Technischer Uphill
Flowtrail Downhill
Technischer Downhill
Fazit zum Cannondale Moterra NEO Carbon LT1 2023
Ein gutmütiges Handling, ein Rahmen, der nur so vor Alltags-Features strotzt, und ein enormer Fahrkomfort machen das Cannondale Moterra NEO Carbon LT1 zum besten Tourer im Vergleichstest – und das zu einem fairen Preis. Das Konzept eines E-MTBs für fast alle Biker geht jedoch nicht auf. Sportlichen Fahrertypen ist das Moterra zu passiv. Die Ausstattung erweckt zwar den Eindruck von enormem Abfahrtspotenzial, liefert in der Praxis jedoch nur eingeschränkte Fahr-Performance. Deshalb fällt das Moterra in Sachen Fahrspaß hinter die agileren Bikes im Testfeld zurück.
Tops
- hohe Touren- und Alltagstauglichkeit
- integriertes Licht mit Fernlichtfunktion
- sehr hoher Fahrkomfort
Flops
- träges Handling
- gewöhnungsbedürftiges Design
Mehr Informationen findet ihr unter cannondale.com
Das Testfeld
Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2023 – 30 Modelle im Test
Alle Bikes im Test: Berria Mako Hybrid GT LTD (Zum Test) | Bulls SONIC EVO SL EN-1 (Zum Test) | Cannondale Moterra Neo Carbon LT1 | Flyer Uproc X 9.50 (Zum Test) | Focus SAM² 6.9 (Zum Test) | Focus JAM² 6.9 (Zum Test) | Focus Jam² SL 9.9 (Zum Test) | Forestal Siryon Diōde (Zum Test) | Giant Trance X Advanced E+ Ltd (Zum Test) | Haibike Lyke CF SE (Zum Test) | Ibis OSO (Zum Test) | KTM Macina Prowler Exonic (Zum Test) | MERIDA eONE-SIXTY 975 (Zum Test) | Mondraker Crafty Carbon XR LTD (Zum Test) | Moustache Samedi 29 Game 11 (Zum Test) | Orbea Rise M-Team (Zum Test) | Orbea WILD M-LTD (Zum Test) | Pivot Shuttle SL Pro X01 (Zum Test) | Pivot Shuttle LT Team XTR (Zum Test) | Radon Deft 10.0 (Zum Test) | Rotwild R.X735 Ultra (Zum Test) | Santa Cruz Heckler MX XO1 AXS RSV (Zum Test) | SCOTT Lumen eRide 900 SL (Zum Test) | Simplon Rapcon Pmax TQ (Zum Test) | Specialized Turbo Levo Expert (Zum Test) | Transition Repeater AXS Carbon (Zum Test) | Thömus Lightrider E Ultimate (Zum Test) | Trek Fuel EXe 9.9 XX1 AXS (Zum Test) | UNNO Mith Race (Zum Test) | Yeti 160E T1 (Zum Test)
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!
Words: Rudolf Fischer Photos: Peter Walker