Das Specialized S-Works Kenevo SL tritt als superleichtes Light-E-Mountainbike im Wettkampf um das beste E-MTB 2022 an. Von der geringsten Motorpower im Testfeld und der geringen Akkukapazität könnt ihr paradoxerweise echt profitieren. Doch es gibt auch Nachteile. So hat sich das Kenevo SL gegen die Konkurrenz geschlagen.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2022 – 13 Modelle im Test

Specialized S-Works Turbo Kenevo SL | Specialized SL 1.1/320 +160 Wh | 170/170 mm (v/h)
19,9 kg in Größe S4 | 15.000 € | Hersteller-Website

Das Specialized S-Works Kenevo SL ist die elektrifizierte Weiterentwicklung des analogen Specialized Enduro und zumindest auf den ersten Blick nur schwer als E-Mountainbike zu erkennen. Das optisch schlanke Bike setzt bewusst auf den super kompakten Specialized SL 1.1-Motor mit lediglich 35 Nm Drehmoment und kombiniert ihn mit einem leichten 320-Wh-Akku. Damit spielt es noch mal eine ganze Klasse unter dem gedrosselten Motor im Orbea Rise und ist der Außenseiter in diesem Vergleichstest. Der Vorteil: Durch die geringe Power und Stromverbrauch drücken der leichte und kompakte Motor und Akku das Gesamtgewicht. So kann man – die körperliche Fitness vorausgesetzt – mit ihm ähnliche Reichweiten erzielen wie mit dem Levo. Für ganz lange Touren gibt es den 1,2 kg schweren Zusatzakku mit 160 Wh, der im Flaschenhalter Platz findet. Alle Details sind funktional und durchdacht: von der klapperfreien Kabelführung über den weichen Kettenstrebenschutz bis hin zum integrierten Multitool. Die Systemintegration rund um den Motor ist die beste im gesamten Testfeld. Das Highlight bildet das ins Oberrohr integrierte MasterMind-Display, über das ihr zusammen mit der Mission Control-App Over-the-Air Updates aufspielen, die Unterstützungsstufen anpassen und die Darstellung der Parameter ändern könnt.

Nur das Beste? Die Ausstattung des Specialized S-Works Turbo Kenevo SL

Mit seinen 18,7 kg (ohne Range Extender) ist es das leichteste, mit 15.000 € zusammen mit dem Levo aber auch das teuerste Bike im Testfeld. Für so viel Geld bekommt ihr neben der hochwertigen Verarbeitung auch eine edle Topausstattung, die weitestgehend auf Trailperformance ausgelegt ist. Beim Fahrwerk mit jeweils 170 mm vorne und hinten setzt das Kenevo SL auf eine FOX 38 Factory GRIP2-Federgabel, die mit einem FOX X2 Factory-Dämpfer am Heck gepaart wird. Geschaltet wird mit der kabellosen SRAM XX1 Eagle AXS 12-fach-Gruppe und gebremst mit der SRAM CODE RSC, deren Bremsscheiben vorne 220 mm und hinten 200 mm Durchmesser haben. Top! Auf dem Roval Traverse SL Carbon-Laufradsatz sind 2,3” breite Butcher-Reifen aufgezogen. Beide Reifen kommen mit der sehr pannenanfälligen GRID Trail-Karkasse und sollten zum Schutz der teuren Carbon-Felgen mit hohem Reifendruck gefahren werden. Das kostet Grip und Dämpfung und wird dem angestrebten Gravity-Einsatz des Bikes nicht gerecht.

Beste Systemintegration
Die Integration rund um das Motorsystem ist die beste im gesamten Testfeld. Dazu gibt es das im Oberrohr integrierte MasterMind-Display. Zusammen mit der Mission Control-App bildet es das Gehirn des Bikes, ermöglicht zahlreiche Individualisierungen und Over-the-air-Updates, die es stetig besser machen sollen.
Zahlreiche Geometrieoptionen
Die Geometrie des Specialized S-Works Kenevo SL kann anhand der speziellen Lagerschale und des Flip-Chips in der Kettenstrebe angepasst werden. Unsere Empfehlung: das kurze Setup mit der mittleren Lenkwinkel-Einstellung. So ist es am ausgewogensten.
Leicht und kompakt
Das Light-E-Mountainbike setzt bewusst auf den kompakten und 1,95 kg leichten SL 1.1-Motor mit lediglich 35 Nm Drehmoment und kombiniert ihn mit einem leichten und fest integrierten 320-Wh-Akku. In unserem großen Motoren-Vergleichstest findet ihr alle Details.
Passt nicht!
Die Einstecktiefe der Variostütze macht die Idee hinter dem S-Sizing-System mit kurzem Sitzrohr zunichte. Zudem limitiert die RockShox Reverb AXS die Bewegungsfreiheit und ist deshalb am Kenevo SL die falsche Wahl.

Specialized S-Works Turbo Kenevo SL

15.000 €

Ausstattung

Motor Specialized SL 1.1 35 Nm
Akku Specialized SL1.1 320 +160 Wh
Display Specialized MasterMind
Federgabel FOX 38 Factory GRIP2 170 mm
Dämpfer FOX X2 Factory 170 mm
Sattelstütze RockShox Reverb AXS 170 mm
Bremsen SRAM CODE RSC 220/200 mm
Schaltung SRAM XX1 Eagle AXS 1x12
Vorbau DEITY Copperhead 50 mm
Lenker Roval Traverse SL Carbon 800 mm
Laufradsatz Roval Traverse SL29 29"
Reifen Specialized Butcher GRID TRAIL 2,3"

Technische Daten

Größe S2 S3 S4 S5
Gewicht 19,9 kg
Zul. Gesamtgewicht 128 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 108 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Besonderheiten

SWAT-Tool im Steuerrohr
modulares Akkukonzept mit Range-Extender
umfangreiche Geometrie-Optionen


Look top, Ergonomie auch top
Das Cockpit ist dank der kabellosen SRAM AXS-Komponenten und der Matchmaker-Klemmen super aufgeräumt. Auch die Ergonomie ist allererste Sahne.
Schlechte Kombination
Auf die teuren Carbonfelgen sind dünnwandige, pannenanfällige Reifen aufgezogen. Unser Tipp: Pneus mit einer stabilen Karkasse für ein sorgenfreies Leben ohne Angst vor kostspieligen Defekten – und mit mehr Grip.
Einfach klasse
Die Kombination aus SRAM CODE RSC-Bremse mit 220-mm-Bremsscheibe an der Front ist einfach super! Reichlich Bremspower, gute Dosierbarkeit und Standfestigkeit – we like.
Typisch Specialized
Im Vorbau findet ihr das S.W.A.T.-Multitool. So habt ihr immer das richtige Werkzeug parat, um alle wichtigen Reparaturen auf dem Trail zu erledigen.

Die Geometrie und Sitzposition des Specialized S-Works Turbo Kenevo SL

Bei der Größenwahl setzt Specialized auf das S-Sizing-System, das eine freie Größenwahl unabhängig von der Schrittlänge ermöglichen soll. Aber genau das geht am S-Works Kenevo SL leider nicht auf. Das Problem: die RockShox Reverb AXS-Variosattelstütze mit 170 mm Hub. Sie lässt sich nicht vollständig im Rahmen versenken und schränkt die Bewegungsfreiheit und die Wahl zur größeren Rahmengröße massiv ein. Mit den speziellen Lagerschalen und dem Flip-Chip in der Kettenstrebe könnt ihr die Geometrie des Specialized S-Works Kenevo SL anpassen. Wir empfehlen euch das kurze Setup mit der mittleren Lenkwinkel-Einstellung. So ist es am ausgewogensten. Für lange Touren im Flachland ist das Kenevo SL nicht gemacht. Denn in der Ebene fällt die Sitzposition durch den langen Hauptrahmen sportlich-gestreckt aus.

Größe S2 S3 S4 S5
Sattelrohr 400 mm 420 mm 440 mm 465 mm
Steuerrohr 105 mm 115 mm 125 mm 135 mm
Lenkwinkel 63,5° 63,5° 63,5° 63,5°
Sitzwinkel 76,0° 76,0° 76,0° 76,0°
Kettenstrebe 447 mm 447 mm 447 mm 447 mm
Tretlagerabsenkung 25 mm 25 mm 25 mm 25 mm
Radstand 1.228 mm 1.258 mm 1.287 mm 1.316 mm
Reach 435 mm 460 mm 485 mm 510 mm
Stack 618 mm 626 mm 635 mm 644 mm
Helm FOX Speedframe Pro | Brille 100% S3 | Shirt Mons Royale Vapour Tee
Shorts Mons Royale Momentum | Knieschoner iXS FLOW EVO+
Schuhe Five Ten Freerider Pro | Socken Selfmade

Langsam bergauf, mit Vollgas bergab – Das Specialized S-Works Turbo Kenevo SL auf dem Trail

Geht es bergauf, spielt das Kenevo SL in Sachen Motorpower noch mal eine ganze Klasse unter dem gedrosselten Motor im Orbea Rise und erfordert mit Abstand die meiste Eigenleistung im Test. Auf flowigen oder technischen Trails kommt mit ihm daher im Uphill kein Fahrspaß auf. Es ist dazu gemacht, euch auf dem Forstweg zu unterstützen, trägt euch aber nicht hoch wie die anderen Bikes im Testfeld. Was mit dem Kenevo SL wirklich zählt, ist der Downhill.

Im Vergleich zu den E-Mountainbike-Allroundern im Testfeld ist das Kenevo SL ein analoges MTB mit Rückenwind. Dafür liefert es im Downhill richtig ab.

Vollgas voraus
Der Uphill ist mit dem Kenevo SL nur Mittel zum Zweck. Was wirklich zählt, ist der Downhill! Und zwar im Vollgas-Modus! Unsere Testerin Anna feiert das Kenevo SL für seine hohe Agilität, gepaart mit reichlich Laufruhe.

Das Specialized S-Works Turbo Kenevo SL im Downhill

Sobald man der Schwerkraft folgt, verlässt das Kenevo SL das Außenseiterdasein in diesem Vergleichstest und landet ganz weit vorne. Kaum ein anderes Bike im Test ist so agil und zugleich so laufruhig und einfach zu beherrschen. Richtig zum Leben erwacht es, wenn es mit Highspeed auf Downhill- und Bikeparktracks zur Sache geht! Die fettesten Gaps und fiesesten Steinfelder meistert es gelassen und mit verdammt hohem Grundspeed. Nur zwei Bikes sind hier besser: das Yeti 160E T1 und das Rocky Mountain Altitude Powerplay C70. Denn im Vergleich zu ihnen gibt das Kenevo SL den Federweg am Heck bei höheren Drops und richtig harten Einschlägen zu bereitwillig frei. Wer regelmäßig harsch durschlägt, kann die Progression aber mit Volumenspacern noch zusätzlich erhöhen. Wird es steil und technisch, ist das Kenevo SL mit seinem flachen Lenkwinkel, der hohen Front, massig Traktion und dem intuitiven Handling sehr sicher auf Kurs. Allerdings limitiert die Sattelstütze die Bewegungsfreiheit. Ist der Trail zu einfach oder zu flach, langweilt sich das Kenevo SL. Es braucht einen gewissen Grundspeed, um den Fahrspaß und die Art von Agilität aufrechtzuerhalten, von der es lebt.

Tuning-Tipps: Volumenspacer im Dämpfer | robustere Reifen (z. B. Specialized GRID Gravity-Karkasse)

Für richtig viele Höhenmeter
Die Akkukapazität des Kenevo SL lässt sich mit dem 160 Wh großen Range-Extender im Flaschenhalter erweitern. Die insgesamt 480 Wh reichen in Kombination mit dem schwachen SL 1.1-Motor für richtig viele Höhenmeter – vorausgesetzt, ihr seid fit genug. Denn dafür müsst ihr deutlich mehr Input liefern als mit jedem anderen Bike im Testfeld.

Fahreigenschaften

7

Agilität

  1. träge
  2. verspielt

Laufruhe

  1. nervös
  2. laufruhig

Handling

  1. fordernd
  2. ausgewogen

Fahrspaß

  1. langweilig
  2. lebendig

Motor-Feeling

  1. digital
  2. natürlich

Motor-Power

  1. schwach
  2. stark

Preis-Leistung

  1. schlecht
  2. top

Einsatzbereich

Forstweg

1

Flowtrail bergauf

2

Flowtrail bergab

3

Technischer Singletrail bergauf

4

Technischer Singletrail bergab

5

Downhill-Strecken

6

Fazit

Mit der schwächsten Uphill-Performance und wenig Komfort auf Touren hat das Specialized S-Works Turbo Kenevo SL keine Chance auf den Gesamtsieg. Auf richtig ruppigen, schnellen Trails oder Bikeparktracks mit fetten Sprüngen spielt es dagegen im Downhill ganz vorne mit. Hier liefert es richtig ab und begeistert mit Laufruhe und agilem Handling. Auch die Integration des Motorsystems inkl. MasterMind-Display, das modulare Akkukonzept und die Detaillösungen sind absolute Spitze.

Tops

  • Systemintegration
  • hohe Laufruhe bei Highspeed
  • modulares Akkukonzept

Flops

  • Größenkonzept geht nicht auf
  • Ausstattung wird dem Einsatzzweck nicht gerecht

Mehr Informationen findet ihr unter specialized.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2022 – 13 Modelle im Test

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Words: Photos: Robin Schmitt