Das Norco Sight VLT C1 mit Shimano EP8-Motor trumpft mit einem riesigen 900-Wh-Akku auf. Kann das Norco dadurch nur auf richtig langen Touren überzeugen? Oder hängt es die Konkurrenz aus unserem E-Mountainbike-Vergleichstest auch auf dem Trail ab? Wir haben es herausgefunden.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2022 – 13 Modelle im Test

Norco Sight VLT C1 | Shimano EP8/900 Wh | 160/150 mm (v/h)
25,52 kg in Größe L | 9.999 € | Hersteller-Website

Alle Fullies von Norco haben ein besonderes Akkukonzept. Sie sind mit 540-Wh-, 720-Wh- und 900-Wh-Akkus kompatibel und außerhalb der EU darf frei kombiniert werden. Innerhalb der EU bietet Norco das 9.999 € teure Sight VLT C1 nur mit 900-Wh-Akku an. Der größte Akku im E-MTB-Vergleichstest trägt substanziell zum Gewicht von 25,52 kg in Größe L bei. Bei einer erlaubten Zuladung von 120 kg bleiben noch 94 kg für den Fahrer – der niedrigste Wert im Test. Der Shimano EP8-Motor ist um eine Achtelumdrehung nach oben im Carbonrahmen rotiert. So konnte Norco den langen und schweren Akku möglichst weit unten vor dem Motor platzieren. Zum externen Laden kann man ihn nach unten aus dem wuchtigen Unterrohr ziehen. Der Ladeport vorm Tretlager führt schon bei leichter Berührung mit dem Fuß zu einem Wackelkontakt des Magnetsteckers, woraufhin der Motor neu startet. Auch die unsaubere Kabelverlegung von Display und Remote integriert den Motor schlecht ins System.

Solider Spec für Touren und Trails – Die Ausstattung des Norco Sight VLT C1 im Detail

Das Sight ist trailtauglich ausgestattet: Vorne arbeitet eine hochwertige FOX 36 Factory-Federgabel mit 160 mm Federweg und fein einstellbarer GRIP2-Dämpfung. Mit der steiferen FOX 38 könnten schnelle und schwere Fahrer in Anbetracht des schweren Akkus etwas mehr Präzision auf ruppigen Abfahrten herauskitzeln. Der FOX Factory X2-Dämpfer kontrolliert 150 mm Federweg hinten und ist für eine gute Einstellbarkeit leicht rotiert verbaut. Dank verständlichem Setup-Guide finden auch Einsteiger schnell die passende Fahrwerkseinstellung. Die SRAM CODE RSC-Bremse mit großer 220-mm-Bremsscheibe vorne performt verlässlich. Um die OneUp-Sattelstütze mit 170 mm Hub auszufahren, muss man an der Remote schon viel Kraft aufwenden. Geschaltet wird mit SRAMs GX-Gruppe, die mit einem teuren X01-Schaltwerk kombiniert wird – das bietet jedoch auf dem Trail keinen spürbaren Mehrwert. Der 29” große MAXXIS ASSEGAI-Reifen in robuster Doubledown-Karkasse sorgt vorne für viel Traktion, die der flach profilierte DISSECTOR hinten nicht aufbringen kann.

Tool-Time
Unter dem Tretlager versteckt sich ein Werkzeug mit drei Inbusschlüsseln. Damit lässt sich der verschraubte Akku entnehmen und manche Schraube am Cockpit nachziehen – aber auch nicht mehr.
Bis ans Limit
Die FOX 36 ist eine erstklassige Federgabel und nicht leicht ans Limit zu bringen. Doch das Norco giert nach dem harten Bikepark-Einsatz und wäre dort mit einer FOX 38 besser bedient.
Rotationskräfte
Der leicht nach oben rotierte Shimano EP8-Motor ermöglicht erst das Akkukonzept des Norco Sight. Denn dadurch findet der Akku mit beachtlichen 900 Wh Kapazität vor dem Motor im Unterrohr Platz.
Abgetaucht
Die OneUp Components-Sattelstütze mit 170 mm Hub lässt sich für maximale Bewegungsfreiheit vollständig im Rahmen versenken. Ihre Bedienkräfte sind jedoch sehr hoch, wodurch kein Spaß bei der Benutzung aufkommt.

Norco Sight VLT C1

9.999 €

Ausstattung

Motor Shimano EP8 85 Nm
Akku Norco Custom 900 Wh
Display Shimano SC-EM800
Federgabel FOX 36 Factory GRIP2 E-Bike+ 160 mm
Dämpfer FOX X2 Factory 150 mm
Sattelstütze OneUp Dropper Post 170 mm
Bremsen SRAM CODE RSC 220/200 mm
Schaltung SRAM X01/GX Eagle 1x12
Vorbau CNC Alloy 40 mm
Lenker DEITY Skywire 800 mm
Laufradsatz DT Swiss E1700 29"
Reifen MAXXIS ASSEGAI / DISSECTOR DD 2,5"/2,4"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 25,52 kg
Zul. Gesamtgewicht 120 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 94 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Besonderheiten

wählbare Akkukapazität (regionsabhängig)


Lianendickicht
Die Zugführung vor dem Cockpit ist nicht gut gelöst, besonders die Kabel von der Remote und dem Display baumeln einfach vor dem Lenker.
Smooth Criminal
Es ist fast schon kriminell, wie komfortabel das Fahrwerk des Norco Sight abgestimmt ist! Der X2-Dämpfer verwandelt das Heck in einen fliegenden Teppich. Für eine bessere Erreichbarkeit von Zug- und Druckstufe ist er leicht rotiert verbaut.
Checkt alle Boxen
Viele Hersteller tun sich noch schwer mit der richtigen Reifenwahl. Der stark profilierte MAXXIS ASSEGAI-Reifen in der weichen MaxxGrip-Gummimischung und der robusten Doubledown-Karkasse erfüllt am Norco alle Kriterien. Der nur schwach profilierte DISSECTOR-Hinterreifen fällt in Sachen Traktion zurück.
Sternzeichen: Kamel
Während Tester Julian eine kurze Pause braucht, hätte das Norco dank großem 900-Wh-Akku noch reichlich Kapazitäten, um den ganzen Tag über den heißen Testparcours gescheucht zu werden.

Die Geometrie des Norco Sight VLT C1 im Detail

Der relativ steile Sitzwinkel des Norco sorgt in der Ebene für eine leicht handlastige Sitzposition. Ein zusätzlicher Spacer unter dem Vorbau kann das ausbalancieren. Dann ist das Norco besonders tourentauglich, auch dank seines komfortablen Fahrwerks. Im Vergleich zum ebenfalls sehr komfortablen FOCUS bietet das Norco neben dem größeren Akku die Möglichkeit, ab Größe L gleich zwei Trinkflaschen auf dem Unterrohr zu installieren. Damit ist es für lange Tagestrips geradezu perfekt. Mitwachsende Kettenstreben, wie man sie von vielen analogen Norco-Bikes kennt, hat das Sight VLT nicht: Sie sind in allen Größen mit 462 mm relativ lang und machen sich besonders im Fahreindruck bergauf bemerkbar.

Größe S M L XL
Oberrohr 567 mm 596 mm 624 mm 652 mm
Sattelrohr 395 mm 415 mm 440 mm 455 mm
Steuerrohr 100 mm 110 mm 120 mm 130 mm
Lenkwinkel 64,0° 64,0° 64,0° 64,0°
Sitzwinkel 77,0° 77,3° 77,7° 78,0°
Kettenstrebe 462 mm 462 mm 462 mm 462 mm
Tretlagerhöhe 350 mm 350 mm 350 mm 350 mm
Radstand 1.224 mm 1.258 mm 1.292 mm 1.327 mm
Reach 425 mm 455 mm 485 mm 515 mm
Stack 616 mm 625 mm 634 mm 643 mm
Helm Troy Lee Designs A2 MIPS Sliver Silver | Brille 100% Glendale | Shirt Troy Lee Designs
Hose Troy Lee Designs Sprint Ultra Pants | Knieschoner Troy Lee Designs Raid | Schuhe ION Rascal

Zahmes Pony statt bockigem Hengst – Das Norco Sight VLT C1 im Uphill

Bergauf sitzt man durch den steilen Sitzwinkel und die langen Kettenstreben zentral im Bike. Die daraus resultierende Gewichtsverteilung sorgt auf steilen Rampen dafür, dass das Vorderrad am Boden klebt und sicher die Spur hält. Der leicht profilierte Hinterreifen limitiert einen aber auf technischen Anstiegen, da er auf losem oder feuchtem Untergrund zu schnell die Traktion verliert. Schlängelt sich der Weg durch flowige Kurven bergauf, schiebt sich das Sight VLT gutmütig und daher besonders anfängerfreundlich in langen Radien über den Trail, erfordert in engen Kehren aber Nachdruck. Denn um spritzig von einer Kurve in die nächste zu driften, ist es zu behäbig.

Weltreise auf zwei Rädern – das Norco Sight VLT ist ein komfortabler Tourer mit enormer Reichweite.

Cool bleiben!
Auf kniffligen Abfahrten behält das Norco Sight VLT C1 die Nerven und bleibt immer auf Kurs. Ohne die richtige Portion Körpereinsatz ignoriert es Fahrerimpulse aber einfach.

Ab durch die Mitte! Das Norco Sight VLT C1 im Downhill

Auf verblockten Abfahrten erweist sich das Norco als bodenständig. Das satte Fahrwerk schluckt Schläge einfach weg und generiert viel Traktion und Laufruhe. Die Kehrseite: Das Norco verlangt nach viel Körpereinsatz für schnelle Richtungswechsel durch enge Kehren. In Steilstücken klebt das Vorderrad förmlich am Boden und kann nur mit Kraft über Hindernisse gehievt werden.

Ab durch die Mitte, so lautet die Devise bergab. Hat das Norco erst mal Fahrt aufgenommen, kennt es kein Halten mehr.

Auch auf flowigen Trails ist das Norco wenig spontan. Dem Fahrwerk mangelt es an Gegenhalt, um das Bike über Kanten leicht in die Luft zu ziehen oder mit einem kleinen Hop die Linie zu wechseln. Dafür hält es in langgezogenen, offenen Kurven auch ohne ausgereifte Fahrtechnik unbeirrt den angepeilten Kurs. Mit seinem einsteigerfreundlichen Handling ähnelt es dem SCOTT Ransom: Beide bügeln Bremswellen einfach platt und vermitteln durch das stabile Fahrverhalten ein hohes Sicherheitsgefühl. So können beide erst in Highspeed-Passagen richtig Fahrspaß vermitteln.

Tuning-Tipp: kauft euch einen stärker profilierten Hinterreifen mit derselben Karkasse (Doubledown), sobald der erste Reifenwechsel ansteht

Fahreigenschaften

7

Agilität

  1. träge
  2. verspielt

Laufruhe

  1. nervös
  2. laufruhig

Handling

  1. fordernd
  2. ausgewogen

Fahrspaß

  1. langweilig
  2. lebendig

Motor-Feeling

  1. digital
  2. natürlich

Motor-Power

  1. schwach
  2. stark

Preis-Leistung

  1. schlecht
  2. top

Einsatzbereich

Forstweg

1

Flowtrail bergauf

2

Flowtrail bergab

3

Technischer Singletrail bergauf

4

Technischer Singletrail bergab

5

Downhill-Strecken

6

Fazit

Das Norco Sight VLT C1 glänzt an zwei Enden des Einsatzspektrums. Durch das komfortable Fahrwerk, die ausgewogene Sitzposition und den großen Akku ist es der ideale Tourer. Für Highspeed-Junkies bietet es viel Laufruhe und ein leicht beherrschbares Handling, davon profitieren auch Einsteiger. Auf verwinkelten Trails kann das schwerfällige Norco jedoch nicht mit den spontanen Allroundern mithalten und platziert sich darum nur im Mittelfeld des E-MTB-Vergleichstest.

Tops

  • hoher Langstreckenkomfort
  • trailtaugliche Ausstattung
  • einsteigerfreundliches Handling
  • viel Laufruhe für Speed-Freaks

Flops

  • mangelhafte Motorsystemintegration und Zuverlässigkeit
  • geringste Zuladung im Test
  • hohe Bedienkräfte der Sattelstütze

Mehr Informationen findet ihr unter norco.com

Das Testfeld

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Das beste E-Mountainbike 2022 – 13 Modelle im Test

Alle Bikes im Test: FOCUS JAM² 7.0 (Zum Test) | MERIDA eONE-SIXTY 10K (Zum Test) | Norco Sight VLT C1 | Orbea Rise M-Team (Zum Test) | Rocky Mountain Altitude Powerplay C70 (Zum Test) | ROTWILD R.E375 PRO (Zum Test) | SCOR 4060 Z ST XT (Zum Test) | SCOTT Ransom eRIDE 910 (Zum Test) | Specialized S-Works Turbo Levo (Zum Test) | Specialized S-Works Turbo Kenevo SL (Zum Test) | Trek Rail 9.9 XX1 AXS (Zum Test) | Yeti 160E T1 (Zum Test) | YT DECOY MX CORE 4 (Zum Test)


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Words: Rudolf Fischer Photos: Robin Schmitt, Julian Lemme

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …