Ausgabe #014 Test

Die beste E-Mountainbike Scheibenbremse: 14 Modelle im Vergleichstest

Noch nie hatten es Bremsen so schwer wie heute. Dank E-Mountainbikes fahren wir weiter, schneller und länger. Entscheidend für die Sicherheit und das eigene Selbstvertrauen im anspruchsvollen Terrain ist eine gute Bremse. Wir haben 14 Modelle im Labor- und Praxistest auf die Probe gestellt!

Jedes Jahr werden die Trails, die wir fahren, etwas härter, die Reifen bissiger und wir immer schneller. Egal ob man nach neuen Bestzeiten bergab sucht oder sich einfach nur sicherer fühlen möchte, die Anforderungen an eine gute Scheibenbremse sind immer dieselben. Sie muss kraftvoll sein, sich gut dosieren lassen, zuverlässig funktionieren, einfach zu warten und im Idealfall auch noch günstig sein. Kochende Bremsflüssigkeit, verglaste Beläge und verzogene Bremsscheiben – über die letzten vier Monate hat unser Testteam 14 der spannendsten Scheibenbremsen bis ans Limit gebracht.

Übersicht

Bremse Preis* Gewicht** Durschn. Bremskraft 30-15 km/h 45-0 km/h
Formula Cura 124 € 466 g 74,3 Nm 1,7 s 8,0 s
Hope T3 V4 235 € 490 g 74,8 Nm 3,3 s 12,7 s
Magura MT5 111 € 470 g 90,1 Nm 1,7 s 10,4 s
Magura MT7 219 € 488 g 99,3 Nm 1,6 s 5,2
Magura MT Trail Sport 219 € (Set) 458 g 85,1/68,1 Nm 1,8/2,3 s 7,6/9,8 s
Shimano Deore 73 € 548 g 69,9 Nm 3,0 s 9,6 s
Shimano Saint 237 € 594 g 83 Nm 1,4 s 8,8 s
Shimano XT 146 € 528 g 78,4 Nm 3,4 s 9,3 s
Shimano Zee 157 € 576 g 75,2 Nm 1,7 s 12,0 s
SRAM Code R 170 € 514 g 69,2 Nm 3,1 s 11,9 s
SRAM Code RSC 270 € 566 g 70,6 Nm 2,4 s 8,5
Trickstuff Direttissima 375 € 388 g 114,7 Nm 1,1 s 6,2
TRP G-Spec Quadiem 219 € 608 g 66,2 Nm 2,2 s 7,7 s
TRP G-Spec Slate 219 € 574 g 55,0 Nm 3,9 s 10,5 s

*Einzelbremse (außer Magura MT Trail-Modelle da spezifische Sättel für Hinter-und Vorderrad)
**vorne + hinten, ohne Scheiben

Das Limit einer Bremse zeigt sich nur im Labor

Auf dem Trail ist es nicht möglich, die kraftvollen Bremsen konstant an ihrem Limit zu vergleichen. Der rutschige Untergrund, die Wetterbedingungen und endlose Lines machen einem einen Strich durch die Rechnung. Deshalb haben wir alle Bremsen zwei Tage lang auf dem computergesteuerten Prüfstand von Hope Tech gequält. Der typisch metallisch-verbrannte Geruch, den man von Passtraßen kennt, lag in der Luft und jeder noch so kleine Parameter wurde mit enormer Genauigkeit aufgezeichnet. Jede Bremse wurde derselben erbarmungslosen Prozedur unterzogen. Die Bremsen wurden in Kombination mit den 180er-Bremsscheiben der jeweiligen Marke zunächst 80 Mal mit einer heftigen Bremsung bei 100 kg simuliertem Fahrergewicht eingebremst. Wenn sie eingebremst waren und keine Änderungen der Bremskraft mehr festgestellt werden konnte, begann der eigentliche Test. Er bestand aus 20 kraftvollen Bremsungen von 35 auf 15 km/h und 20 Wiederholungen von 35 auf 0 km/h sowie dem Härtetest: 10 wiederholte Bremsungen von 45 auf 0 km/h. Die Bremsscheiben wurden bis zu 400 °C heiß und kaum eine Bremse war gefeit gegen Fading, also verringerte Reibung durch in den Belägen entstehendes Gas.

Die maximale Power im Labor hat keine Bedeutung

Die Bremsen sind unglaublich kraftvoll: Wenn nur ausreichend Kraft auf den Hebel wirkt, könnte jede von ihnen mehr Power entwickeln, als je auf einen MTB-Reifen übertragen werden kann. Die Absolutwerte aus dem Labor sagen nicht aus, wenn man sie nicht auf den einzelnen Finger bezieht, der die Bremse betätigt. Nach einem ausführlichen Optimierungsprozess kamen wir zu dem Verfahren, den Bremshebel analog zur Kraft eines menschlichen Fingers mit 40 N, also in etwa 4 kg, zu belasten. Bei allen Hebeln haben wir den Druckpunkt möglichst weit nach außen gestellt. Das gab uns ein realistisches Ergebnis, wie viel Power eine Bremse bei einem kraftvollen Fingerzug wirklich entwickelt.

Warum die Verzögerung wichtiger ist als Power

Bremsen zu vergleichen kann ja nicht so schwer sein – mehr Bremskraft bedeutet bessere Performance, oder? Ganz so einfach ist es leider nicht. Bei der Auswertung der Graphen des Bremsvorgangs haben wir gesehen, dass das Material der Beläge relevanter ist als die eigentliche Kraft. Einige Bremsen wiesen zunächst hohe Bremsmomente auf, aber nach einer Sekunde fiel die Leistung dramatisch ab, weil sich die Beläge erhitzt hatten. Die besten Bremsen sind in der Lage, ein konstantes Bremsmoment zu liefern, was zu einer schnellen Bremsung führt. Die Zeit für eine Bremsung von 35 auf 15 km/h ist sehr repräsentativ für schnelle Fahrten und sagt mehr aus als nur die maximale Bremskraft.

Die Bremsen auf dem Trail

Zahlenwerte aus dem Labor sind das eine, die Welt da draußen ist das andere. Auf dem Trail haben wir alle Bremsen unter Realbedingungen getestet. Regen, Schlamm, aber auch Ermüdung und Angst sind Größen, die man nicht im Labor testen kann. Die Daten aus dem Messstand geben zwar gute Anhaltspunkte, sind aber nur ein Teil der Wahrheit. Eine sehr starke, aber schwer dosierbare Bremse zu benutzen, ist wie mit einem 1.000-PS-Wagen ohne ESP über Schotterpisten zu heizen. Vier Monate lang haben unsere Tester die Bremsen mit 200/200er-Scheiben und einer einheitlichen (und großartigen) MAXXIS Minion DHF/DHR II-Reifenkombination über Tausende Trailkilometer getestet. Kraft ist wichtig, aber das Wichtigste ist, wie sie sich auf dem Trail kontrollieren lässt. Es geht um Dosierbarkeit und Zuverlässigkeit.

Die fünf Gesetze der Entschleunigung

Die Herausforderungen einer Scheibenbremse haben sich weiterentwickelt und neue Akteure haben den Status quo aufgebrochen. Am Ende unseres Tests hatten wir fünf Gesetze der Entschleunigung entdeckt.

1. Die äußeren Werte zählen

Ist die neue Generation leichter und günstiger Vierkolbenbremsen das Ende der leichten Zweikolbenbremse? Gewicht zu sparen ergibt bei einem klassischen Mountainbike Sinn, aber bei einem E-Mountainbike würden wir keine Kompromisse eingehen. Wir würden niemals Bremsperformance für Gewichtsersparnis opfern und es ist an der Zeit, starke Bremsen auch jenseits von Downhillbikes einzusetzen.

2. Große Bremsscheiben sorgen für mehr Kontrolle

Das Upgrade von 180er auf 200er-Bremsscheiben verringerte in unserem Labortest nicht nur die Bremszeit um durchschnittlich 18 %, man brauchte auch weniger Kraft, sodass die Arme weniger schnell zu machen und ermüden. Außerdem wird die Dosierbarkeit besser. Wenn man mit einer Bremse Probleme hat und mit 180er-Scheiben fährt, wird man mit einer größeren Scheibe eine Verbesserung feststellen. Wir empfehlen als Minimum eine 200/200er-Kombi am E-Mountainbike und vielleicht in Zukunft sogar 220 mm vorn.

3. Der Belag bremst, nicht der Hebel

Egal wie gut die Hebel sind, egal wie groß die Kolben, am Ende sind es die Beläge, die die ganze Kraft übertragen. Gute Bremsbeläge sind der ausschlaggebende Punkt für kraftvolles Abbremsen. Gesinterte Beläge sorgen mit ihrem metallischen Grundmaterial für maximale Performance auf langen Abfahrten, während organische Beläge sehr viel Biss bieten. Auch die Angebote von Fremdherstellern sollte man in Betracht ziehen: In unseren Tests lieferte die SRAM CODE R mit Trickstuff Power+ Belägen im Schnitt 20 % mehr Bremsmoment und um 18 % bessere Bremszeiten. Und leiser waren sie auch noch.

4. Einbremsen ist alles

Das korrekte Einbremsen macht einen großen Unterschied. Anfangs wiederholte Bremsungen hinterlassen eine dünne Schicht Bremsbelag auf der Scheibe und sorgen für maximale Reibung und Performance. Auf dem Prüfstand haben wir die Beläge mit einem zwei Mal durchgeführten Set von 20 Wiederholungen von einsekündigen Bremsungen von 15 km/h und anschließend 20 Wiederholungen von zweisekündigen Bremsungen von 15 km/h eingebremst. Wir haben festgestellt, dass sich das Bremsmoment über diesen Prozess um ungefähr 60 % verbessert hat.

5. Mineralöl for President!

Mineralöl und DOT haben ähnliche Siedepunkte, aber während Mineralöl relativ harmlos und unkompliziert ist, nimmt DOT nicht nur Feuchtigkeit aus der Umgebung auf und kann so theoretisch an Performance verlieren, es ist auch noch giftig und korrosiv. Ein paar Spritzer reichen, um den Lack deines Bikes zu beschädigen, und in der Umwelt und auf der Haut richtet es auch Schäden an. Wenn eine Bremse auf DOT ausgelegt ist, kann man es leider nicht einfach durch Mineralöl ersetzen, das würde die Dichtungen zerstören. So viele gute Bremsen setzen bereits auf Mineralöl, es sollten sich endlich alle Hersteller von dem giftigen DOT verabschieden!

Das Fazit

Welche Bremse ist also am besten? Einen Gewinner zu bestimmen ist gar nicht so einfach, denn Bremsen sind, wie so vieles im Leben, eine sehr persönliche Sache: Manche möchten, dass die Bremse zu Beginn sanft wie eine Feder über die Scheibe streicht, andere wollen, dass sie gleich ordentlich zupackt. Ganz oben im Testfeld befindet sich die Trickstuff Direttissima die in Sachen Power und Dosierbarkeit die absolute Benchmark darstellt. Allerdings ist die Bremse so teuer, das wirklich nur die mit den dicksten Geldbeuteln sie sich leisten können. Wer auf super feinfühlige Dosierbarkeit steht, sollte sich die TRP Quadiem und die Hope-Bremse einmal ansehen. Sie bieten eine sehr lineare Verzögerung, aber es fehlt ihnen im steilen Gelände an Power. Ein sehr guter Allrounder ist die SRAM Code. Sie hat genug Kraft um euch immer sicher zum Stehen zu bringen, muss aber mit 200 mm Bremsscheiben gefahren werden. Die SRAM Code R ist ein echtes Schnäppchen, wir würden aber etwas mehr für die Code RSC mit dem besseren Swing Link-Hebel ausgeben. Für den Einsatz am E-Mountainbike sind die Shimano Saint und die Magura MT7 die erste Wahl. Die Magura MT7 sichert sich dank ihrer besseren Dosierbarkeit mit dem neuen HC-Bremshebel den begehrten Testsieg! Wer eine günstige Alternative sucht, findet bei der Shimano Zee ein grandioses Gesamtpaket – sie ist unser Kauftipp!

Testsieger – Magura MT7
Kauftipp – Shimano Zee

Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #014

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