Szene

Interview mit Frank Ziemann – Leiter Produktentwicklung bei STEVENS

Wer sind die Köpfe hinter den bekanntesten E-Mountainbike-Marken? Wir haben Designer, Ingenieure und Produktmanager interviewt, um mehr über sie und über die Philosophie hinter ihren Entwicklungen zu erfahren. Heute im Gespräch: der Leiter für Produktentwicklung bei STEVENS, Frank Ziemann.

Bevor wir über die Produkte sprechen, lass uns kurz über dich reden: Woher kommst du und was ist deine größte Leidenschaft

Ich komme ursprünglich aus Sebnitz in der Sächsischen Schweiz. Dort habe ich über meinen Patenonkel, der einen Radladen besitzt, mit 13 Jahren den Zugang zum aktiven Radfahren gefunden. Vorher bin ich immer nur zum Spaß mit meinem alten Klapprad gefahren. Danach habe ich mir ein Mountainbike mit Shimano STX-RC gekauft. Das waren noch Zeiten! Ich bin dann auch erste MTB-Rennen in der Hobby-Klasse gefahren. Später bin ich aufs Rennrad gewechselt und konnte dort den einen oder anderen Sieg einfahren. Mit dem Abschluss meines Maschinenbaustudiums in Dresden hatte ich die Möglichkeit, meine Leidenschaft Radsport bei STEVENS in Hamburg auszuleben. Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht – für mich ein Sechser mit Zusatzzahl.

Du arbeitest bei STEVENS, für was bist du dort genau zuständig?

Als ich bei STEVENS angefangen habe, war mein erstes Projekt die Einführung des ersten E-Bikes für STEVENS. Das Projekt war schon weit vorangeschritten, trotzdem konnte ich mich schnell einarbeiten und die ein oder andere Lösung einbringen. Ich bin heute als Leiter für die Produktentwicklung bei STEVENS zuständig. In Abstimmung mit den anderen Abteilungen und Kollegen arbeiten wir an Produktverbesserungen, aber natürlich auch an ganz neuen Konzepten. Daneben steht der Austausch mit Zulieferern weltweit, um die neusten Daten und Produkte zu bekommen.

Wie bist du zu E-Mountainbikes gekommen?

Bei den diversen Abstimmungsfahrten für unsere Fullys ist es ganz schön anstrengend, den ganzen Tag die Konzentration hochzuhalten, um die perfekte Abstimmung zu finden. Mit dem Aufkommen der E-Bikes war das natürlich eine willkommene Erleichterung – wobei ich zu Beginn sehr skeptisch war, was das unterstütze Fahren angeht. Aber wenn man erst mal einen megasteilen Uphill bezwungen hat, den man sonst immer schieben musste, oder wenn man entspannt nach Feierabend noch seine Tour erweitern kann, dann ist das natürlich ein klarer Vorteil. Spätestens da war ich elektrifiziert.

 

Was war deine letzte Ausfahrt auf einem E-Mountainbike und welches Modell bist du gefahren?

Ich war erst am Wochenende wieder in den Harburger Bergen südlich von Hamburg, um unsere Neuentwicklung zu testen. Nächstes Wochenende geht es dann in den Harz, um dort im Bikepark das Rad auf Herz und Nieren zu testen.

Was war bislang deine beste Ausfahrt auf einem E-Mountainbike und warum?

Gute Frage. Ich glaube, die beste Ausfahrt gibt es nicht. Irgendwas ist ja immer 😉 Mir ist es wichtig, Spaß zu haben. Egal ob auf dem Trail, bei der Arbeit oder auf einer Party. Manchmal sind die ungeplanten Ausfahrten die besten. Wenn das Wetter bescheiden ist und man trotzdem mit einem Lächeln durch die Landschaft rollt. Das macht mir persönlich viel Spaß. Das kann ich mit dem E-MTB besser als mit einem normalen Rad.

Wo bist du überwiegend mit dem E-Bike unterwegs und wo am liebsten?

Überwiegend nutze ich unser S-Pedelec zum Pendeln zwischen Wohnung und Job. Das sind jeden Tag 50–60 km. Und zum Abend machen wir auch schon mal Motortraining am Deich, wenn sich ein oder zwei Kollegen bei 45 km/h hinter mir einreihen. Mountainbike fahre ich am liebsten auf den Trails in meiner alten Heimat, der Sächsischen Schweiz mit ihren Sandsteinfelsen. Ansonsten bin ich gerne im Harz oder in den Alpen, um dort die Bikeparks zu testen.

Wie würdest du deinen Fahrstil beschreiben?

Kette rechts 😉

Fährst du auch noch ohne „E“?

Natürlich. Im Winter gerne Cyclocross und, sobald es das Wetter zulässt, auch Rennrad. Das normale Fully nutze ich jedoch immer seltener. Richtig ernsthaft bin ich das letzte Mal damit beim Lesotho Sky Race im September 2015 gefahren, als Andre Paschke und ich die offene Kategorie gewonnen haben.

Frank Ziemann und Andre Paschke beim Lesotho Sky Race 2015, einem 6 Tage-Rennen über 350km und 9000 Höhenmeter.

Was zeichnet deiner Meinung nach ein gutes E-Mountainbike aus?

Ein gutes E-Mountainbike sollte sich im Grunde nicht von einem normalen Mountainbike unterscheiden. Die Geometrie darf sich nicht dem System anpassen, das System muss sich der Geometrie anpassen. Das ist mit den neuen Antriebssystemen möglich. Der Unterschied zum herkömmlichen Mountainbike wird immer geringer. Dazu kommen die immer besseren Steuerungen und Integrationsmöglichkeiten von Akku und Antrieb. Zum Teil fehlt es noch an E-Bike-spezifischen Elementen, die den höheren Anforderungen immer gerecht werden. Aber da sind wir dran.

Wo liegen deiner Meinung nach zukünftig die größten Herausforderung bei der Entwicklung von E-Mountainbikes?

Wie schon erwähnt, fehlen meiner Meinung nach noch in einigen Bereichen E-Bike-spezifische Komponenten. Die Belastungen sind zum Teil ganz andere. Da muss sich die Fahrradbranche auf die geänderten Anforderungen einstellen und auch neue Wege beschreiten. Nehmen wir zum Beispiel die Möglichkeiten von Rapid Prototyping. Es ist möglich, neue Strukturen zu schaffen, die mit den bisherigen Fertigungsverfahren nicht möglich, ja zum Teil nicht mal denkbar waren.

Was ist dein persönliches Highlight aus eurer E-Mountainbike-Modellpalette und warum? Worauf lag der Fokus bei der Entwicklung dieses Modells?

Mein Highlight ist das E-Sledge+ ES. Der Schwerpunkt lag auf dem neuen Shimano-Motor, der eine sehr kompakte Bauform hat und somit Geometrien wie am normalen Fully zulässt. Dadurch ist es uns gelungen, ein sehr agiles Rad zu konzipieren, das wieselflink um die Ecken zirkelt. Und das dabei auch noch leichter geworden ist. Im Zusammenspiel mit der Di2-Schaltung ist das Rad ein Traum: schnelle, einfache und immer korrekte Gangwechsel.

Was ist deine Vision für die Zukunft der E-Mountainbikes?

Dass es keine Rolle spielt, ob ich mit dem E-MTB oder dem normalen MTB unterwegs bin. Dass Motor und Akku so leicht sind, dass sie nicht stören. Wer dann doch etwas Unterstützung braucht, schaltet einfach das System zu. Für alle anderen geht es so oder so nach oben.

Frank, wir danken dir für das Gespräch!

Das STEVENS E-Sledge+ im Test.
Das Stevens E-Whaka+ ES im Test.

Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words: Manne Schmitt Photos: Frank Ziemann, E-MOUNTAINBIKE Magazine

Über den Autor

Manne Schmitt

Als stolzer Daddy von Robin und Max-Philip ist Manne der Mann der ersten Stunde und die „graue Eminenz“ im Redaktionsteam. Sein erstes Rad-Rennen gewann er im Grundschulalter beim Schulfest. Nach weniger erfolgreichen Versuchen im Fußball fand er über den Ausdauersport (Marathon) im Jahr 1989 seine Passion fürs Biken! Das Thema Racing verfolgt ihn noch immer, niemand im Team kennt die EWS-Profis besser als Manne. Als ehemaliger Chef-Analyst einer Landesbehörde weiß er, wie man richtig recherchiert, und findet exklusive News, die sonst niemand hat. Als Prokurist unterstützt er seine Söhne erfolgreich im Alltag – viva la familia!