Fast unsichtbar: Der TQ HPR 50 bietet mit Abstand die unauffälligste Integration eines Mittelmotorsystems auf dem Markt. Mit seiner dezenten Unterstützung will TQ ein sehr natürliches MTB-Fahrgefühl bieten. Wie sich der TQ HPR 50 gegen die Minimal-Assist-Motoren-Konkurrenz von Bosch und FAZUA schlägt und für wen sich das System eignet, erfahrt ihr in unserem Test!

Dieser Test ist Teil unseres großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest. Einen Überblick über alle 13 von uns getesteten Motorensysteme, spannende Hintergrundinfos und eine Kaufberatung, worauf ihr beim E-MTB-Kauf achten solltet, erhaltet ihr hier!

TQ HPR 50 | 50 Nm | 1,85 kg | Hersteller-Website

Der HPR 50 ist der erste Minimal-Assist-Motor des bayerischen Technologie-Unternehmens TQ. Nun könnte man meinen, was wissen die schon über den E-Bike-Motorenbau – eine ganze Menge! TQ brachte bereits 2012 den HPR 120 S auf den Markt, der mit seinen 120 Nm Drehmoment und 920 Watt Maximalleistung alle anderen Motoren in den Schatten stellte. Doch man erkannte, dass auf dem MTB viel nicht immer viel hilft. Der kleine TQ HPR 50 ist das krasse Gegenteil. Mit seinen 50 Nm Drehmoment und 300 Watt Maximalleistung kommt er nicht annähernd an die Werte des großen Bruders heran und auch in unserem Testfeld ist er zumindest auf dem Papier der schwächste Motor. Aber das stand bei der Entwicklung auch nicht im Vordergrund, vielmehr reihte sich ein leichtes Antriebssystem mit natürlichem Fahrgefühl auf der Prioritätenliste der Münchner ein. Zudem wollte man bei TQ – das Kürzel steht für Technologie in Qualität – auch möglichst gut auf die Anforderungen der Bike-Hersteller eingehen und so suchte man sich früh starke Partner. Bei der Entwicklung hatte auch US-Gigant Trek die Finger im Spiel, was den Amerikanern ein exklusives Anrecht auf das Motorsystem für die ersten 3 Monate verschafft hat, bevor dann weitere Hersteller wie SCOTT oder SIMPLON das System verwenden durften. Das Einsatzgebiet reicht weit und jeder Hersteller interpretiert den Einsatzzweck auf seine eigene Art und Weise. So findet der Motor in den unterschiedlichsten Konzepten Verwendung: Von Down-Country-E-Bikes wie das SCOTT Lumen eRIDE, über Trail-Bikes wie Trek Fuel EXe bis hin zum potenten Enduro mit E-Support wie SIMPLON Rapcon Pmax TQ. Aber auch in urbanen E-Bikes oder E-Rennrädern wie dem SCOTT Solace eRIDE, das unser Schwestermagazin GRAN FONDO schon getestet hat, wurde der Motor eingepflanzt.

Der TQ HPR 50 Motor im Detail – Keep it clean

Auf den ersten Blick sticht die kompakte Bauform des TQ HPR 50 heraus – oder eben gerade nicht. Er ist kaum größer als eine Faust und einer der kleinsten Minimal-Assist-Motoren überhaupt. Das verdankt er seiner Konstruktionsweise: In ihm steckt ein patentiertes Harmonic-Pin-Ring-Getriebe, das dem Motor nicht nur seinen Namen gibt, sondern die spezielle Bauform eben erst ermöglicht. Der Motor und das Getriebe können um die Kurbelachse herum positioniert werden und müssen nicht wie bei anderen Mittelmotoren getrennt angeordnet sein. Die runde Bauform bietet auch für die Bike-Konstrukteure eine Menge Vorteile: Zum einen lässt sich der Motor einfacher und schöner in den Rahmen integrieren, aber auch der Akku kann dadurch zugunsten eines besseren Schwerpunkts tiefer im Bike positioniert werden. So können Bikes wie das SIMPLON Rapcon Pmax TQ oder das Trek Fuel EXe nur sehr schwer von ihren analogen Geschwistern unterschieden werden und ermöglicht mit Abstand die unauffälligste Integration eines Mittelmotorsystems auf dem Markt!

Viel Spaß beim Raten, welches davon das analoge und welches das E-Bike mit TQ HPR 50-Motor ist.

Den Strom liefert der hauseigene 360-Wh-Akku, der sich entweder fest verbauen oder aus dem Bike entnehmen lässt. Für ROTWILD hat TQ einen speziellen 250-Wh-Akku entwickelt, der in zwei Bikes der Marke zum Einsatz kommt. Für mehr Reichweite auf ausgedehnten Touren hat TQ noch einen Range Extender mit 160 Wh im Programm, der sich im Flaschenhalter befestigen lässt. TQ hat ein sehr leichtes Motorsystem geschaffen, in Zahlen ausgedrückt kommt die Waage bei den Kernkomponenten Motor und Akku schon bei 3,65 kg zum Stehen. Das sind rund 400 g weniger als der Bosch Performance Line SX oder der FAZUA Ride 60. Das Mehrgewicht der beiden Konkurrenten liegt aber größtenteils an deren größeren Akkukapazitäten. Zudem ist eine Vergleichbarkeit des Gewichts der Motorsysteme nicht vollends aussagekräftig und mit Vorsicht zu genießen, da das Gesamtgewicht des Bikes auch von den Integrationsanforderungen und -möglichkeiten der einzelnen Komponenten abhängt.

Im Flaschenhalter lässt sich noch zusätzlich ein Range Extender mit 160 Wh befestigen.
Gespeist wird der TQ HPR 50-Motor vom hauseigenen Akku mit 360 Wh Kapazität.

Auch um den Rest des Motorsystems haben sich die Münchner gekümmert. Das 2” große TQ-Display ist unauffällig, aber gut sichtbar ins Oberrohr integriert. Die gewählte Unterstützungsstufe wird in Punkten und Ringen angezeigt, was gerade beim ersten Aufsteigen nicht sonderlich intuitiv ist. Durch doppeltes Klicken auf den Knopf unterhalb des Displays lässt sich zwischen den wichtigsten Informationen durchschalten, wie Geschwindigkeit, Akkustand in Prozent, momentane Leistung von Fahrer und Motor in Watt und der Restreichweite in Kilometer, basierend auf dem momentanen Verbrauch. Die Unterstützungsstufen oder den Walk-Modus wählt man an der unauffälligen Lenker-Remote, die durch gummierte Tasten mit einer angenehmen Haptik und Ergonomie überzeugt und deutlich hochwertiger wirkt als die FAZUA Ring Remote. Anhand von Display und Remote wird nochmal verdeutlicht, dass der TQ HPR 50 für Sportgeräte konzipiert und auf die reinen Leistungs- und Motorfunktionen reduziert ist.

Das schön ins Oberrohr integrierte Display gibt Auskunft über Geschwindigkeit, Akku-Stand, Leistung des Fahrers und Motors in Watt sowie über die Restreichweite.
Die minimalistische Remote passt gut zum Konzept und überzeugt mit einer guten Ergonomie und Haptik.

Auch bei der hauseigenen TQ E-Bike App geht es minimalistisch weiter und der Claim „Keep it clean. Keep it simple“ ist Programm. Die App ist recht einfach gehalten und geizt eher mit Informationen als einen damit zu überfluten. Die drei Fahrmodi Eco, Mid und High lassen sich einzeln in der maximalen Unterstützung, Leistung und Dynamik einstellen. Das war es im Großen und Ganzen auch schon, mehr lässt sich über die App nicht konfigurieren. Eine Navigationsfunktion wie viele andere Apps bietet die TQ E-Bike App nicht. Die beste App für das TQ-Motorsystem stammt nicht von TQ selbst, sondern von Trek. Die Bike-Marke integriert die motorspezifischen Funktionen in ihrer eigenen App, die die Reichweite über eine Karte veranschaulicht, via Bluetooth z.B. den Luftdruck über die verbauten TyreWizz-Sensoren anzeigt oder Vorschläge für das Fahrwerks-Setup eures Trek-Bikes macht. All in one – cool!

Bei der recht einfach gehaltenen App lassen sich die drei Fahrmodi in der maximalen Unterstützung, Leistung und Dynamik einstellen. Arg viel mehr kann man mit der App nicht machen.

Der TQ HPR 50 Motor im Test – Analog oder E-MTB?

Wie bereits oben erwähnt, stehen auch auf dem Trail die drei Unterstützungsstufen Eco, Mid und High zur Verfügung. Der TQ HPR 50 punktet sogar im High-Modus in der Standardeinstellung mit einem sehr natürlichen Fahrgefühl, da kann selbst der ebenfalls natürliche Specialized SL1.2 nicht mithalten. Das liegt aber auch daran, dass der TQ weniger Unterstützung leistet und damit von Natur aus unauffälliger arbeitet. Durch die geringe Power und das unauffällige Ein- und Aussetzen fühlt sich der TQ HPR 50 eher nach einem analogen Mountainbike als nach einem E-MTB an. Erst beim Abschalten der Unterstützung merkt man, welche Arbeit der TQ Motor leistet. Um seine volle Leistung abzurufen, benötigt er eine verhältnismäßig hohe Trittfrequenz, was den Fahrer im Vergleich zu den anderen Minimal-Assist-Motoren am meisten ins Schwitzen bringt. Rauscht man unvorbereitet in einen Gegenanstieg und hat noch einen zu schweren Gang eingelegt, braucht es ordentlich Input vom Fahrer, um nicht den gesamten Schwung zu verlieren. Im Vergleich zum FAZUA Ride 60 oder Specialized SL1.2 erfordern technische Uphills wesentlich mehr körperlichen Einsatz und eine noch präzisere Gangwahl, weil der Motor weniger Drehmoment hat und so abhängiger von einer höheren Trittfrequenz ist. Shuttle-Feeling oder Uphill-Flow wie beim doppelt so leistungsstarken Bosch Performance Line SX kommt beim TQ nie auf. Dahingehend ist der Uphill-Spaß, sich technische Trails spielerisch hinaufzukämpfen, begrenzt. Der HPR 50 ist primär für moderate Uphills auf Schotterwegen geeignet. Er nimmt einem aber unangenehme Rampen ab und man kommt schneller ans Ziel, ohne den Trainingseffekt ganz zu vernachlässigen. Ist der Akku dann doch mal leer, lassen sich die Bikes mit ihrer vertretbar geringen Masse und dem nicht spürbaren Widerstand des Motors problemlos nach Hause treten.

Der TQ HPR 50 arbeitet eher im Hintergrund und passend zu seinem dezenten Auftritt ist eine Geräuschkulisse auch kaum vorhanden. Er ist einer der leisteten Mittelmotoren mit einem derart angenehmen und unaufdringlichen Klang, dass er schnell mit den Umgebungsgeräuschen im Hintergrund verschwimmt. So kann man sich mühelos an seine Kumpels mit analogen Bikes anpirschen, ohne entdeckt zu werden. Mit Full-Power-E-MTBs kann man im Gegensatz zu einem FAZUA Ride 60 oder Bosch Performance Line SX nicht mithalten, außer man ist fit wie ein Turnschuh! Schwere Fahrer werden mit dem deutlich stärkeren Bosch SX mehr Freude haben. Beim TQ HPR 50 hatten wir bislang nur einen technischen Ausfall – Totalausfälle wie bei FAZUA gab es nie.

Fazit

Der TQ HPR 50 sorgt mit seinem sehr natürlichen Fahrgefühl für analoges MTB-Feeling. Er fordert mehr Eigenleistung als die Minimal-Assist-Motoren-Konkurrenz und ist deutlich schwächer, weshalb sein Einsatzbereich schmaler ist. Dennoch nimmt er fiesen Anstiegen den Schrecken und ist eine gute Alternative, um seine Fitness zu steigern. Wer sich aber entspannt den Berg hoch shutteln lassen will oder viel auf technischen Climbs unterwegs ist, findet am TQ-Motor keinen Gefallen. In Sachen Integration ist der HPR 50 nach wie vor Benchmark und lässt sich kaum von analogen MTBs unterscheiden.

Tops

  • nahezu unsichtbare Integration
  • hochwertiges Look & Feel
  • sehr natürliches Fahrgefühl
  • sehr leise

Flops

  • steile Climbs erfordern hohe Eigenleistung, bietet kein Uphill-Flow
  • im Gegensatz zu anderen Minimal-Assist-Motoren recht schmaler Einsatzbereich

Für mehr Informationen besucht tq-ebike.com


Das Testfeld

Einen Überblick über unseren großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest erhaltet ihr hier

Alle Motoren im Test: Bosch Performance Line CX | Bosch Performance Line CX Race (zum Test) | Bosch Performance Line SX (zum Test) | Brose Drive S Mag (zum Test) | FAZUA Ride 60 (zum Test) | GIANT SyncDrive Pro2 (zum Test) | Panasonic GX Ultimate (zum Test) | Pinion MGU E1.12 (zum Test) | Shimano EP801 (zum Test) | Specialized SL 1.2 (zum Test) | Specialized 2.2 (zum Test) | TQ HPR 50 | Yamaha PW-X3 (zum Test)


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Words: Mike Hunger Photos: Diverse

Über den Autor

Mike Hunger

Von Slopestyle und Landschaftsfotografie, hin zu Enduro und Actionfotografie. Mike probiert gerne neue Dinge aus und hat eine Vorliebe für Action. Und Handwerk: So zieht es ihn mit seinem Syncro-Van, den er selbst restauriert und umgebaut hat, regelmäßig auf verschiedenste Roadtrips. Natürlich immer mit dabei ist sein Bike und seine Kamera, um die feinsten Trails von Italien bis in die Alpen unter die Stollen zu nehmen und die schönsten Momente festzuhalten. Durch seine Ausbildung als Industriemechaniker, seiner Erfahrung aus dem Radsport und seinen Foto-Skills kann er das Know-How perfekt in den journalistischen Alltag umsetzen und testet jetzt als Redakteur die neuesten Bikes und Parts. Als “Foto-Nerd” hält er außerdem die Tests fotografisch fest und sorgt im Magazin für geiles Bildmaterial.