Auch wenn der Yamaha PW-X3 im E-Bike-Segment nur bei wenigen Marken verbaut wird, lockt er mit spannenden Eckdaten. Mit 85 Nm Drehmoment und einem relativ leichten Gewicht von 2,75 kg sagt er der Konkurrenz den Kampf an. Ob der Yamaha-Motor mit diesen Werten auch in der Praxis überzeugen kann, haben wir für euch getestet.

Dieser Test ist Teil unseres großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest. Einen Überblick über alle 13 von uns getesteten Motorensysteme, spannende Hintergrundinfos und eine Kaufberatung, worauf ihr beim E-MTB-Kauf achten solltet, erhaltet ihr hier!

Yamaha PW-X3 | 85 Nm | 2,75 kg | Hersteller-Website

Bei der Marke Yamaha denken wohl die meisten eher an geile Motorräder oder Quads – und an Konzertflügel. Aber die Japaner haben nicht nur Benzin und Musik im Blut, sondern bauen seit Jahren erfolgreich E-Bike-Motoren. Die ersten E-MTBs mit Yamaha-Motor haben wir 2013 bereits getestet!
PW-X3 ist nicht der Name eines Roboters in einem Star-Wars-Film, sondern die Bezeichnung des Motors, der 2022 vorgestellt wurde und seine Vorgänger PW-X und PW-X2 abgelöst hat. Für das Modelljahr 2024 hat Yamaha den PW-XM vorgestellt, der den aktuellen PW-X3 allerdings nicht ersetzen soll, sondern das Portfolio als Flaggschiff-Antrieb nach oben hin ergänzt. Er basiert auf dem PW-X3 und besitzt statt des Aluminiumgehäuses eines aus Magnesium, um Gewicht zu sparen. Aber ein wirklich neuer Motor mit neuen Funktionen ist er nicht. Im Vergleich zu den Platzhirschen Bosch und Shimano setzen nur wenige Bike-Marken auf Yamaha-Motoren. Allen voran verbaut E-Bike-Pionier Haibike den Yamaha-Motor in mehreren Modellen, unter anderem auch im Nduro 7, das wir in unserem Vergleichstest: Das beste E-Mountainbikes bis 7.000 € getestet haben. Aber auch einer der größten Bike-Hersteller der Welt – GIANT – nutzt den Yamaha PW-X3 als Basis mit kleineren Anpassungen für seine E-Mountainbikes. Er hört dann nicht mehr auf den filmreifen Namen aus einem Science-Fiction-Streifen, sondern nennt sich GIANT SyncDrive Pro 2, den wir ebenfalls in unserem großen E-Bike-Motoren-Vergleich getestet haben. Darüber hinaus verkauft Yamaha seit 2020 auch eigene Yamaha-E-MTBs mit PW-X3 Motor, zugegebenermaßen sind diese jedoch nicht mehr State of the Art.
Im Service-Fall erfolgt die erste Diagnose über die jeweiligen Fahrradhändler, die von Yamaha regelmäßig geschult werden. Sind Ersatzteile zum Reparieren notwendig, hat sich Yamaha zum Ziel gesetzt, eines der schnellsten und effizientesten Ersatzteile-Systeme der Branche zu bieten. Aus dem Handel hört man zudem, dass Yamaha-Motoren sehr zuverlässig sind und sehr selten technische Probleme auftreten!

Yamaha PW-X3: Der Yamaha-Motor im Detail – Freiheit für alle

Auch wenn der Yamaha PW-X3 in der breiten Masse nicht so stark vertreten ist, muss er sich mit seinen Eckdaten zumindest auf dem Papier nicht vor der Konkurrenz verstecken und setzt wie der Platzhirsch, der Bosch Performance Line CX, ebenfalls 85 Nm Drehmoment frei. In Sachen Gewicht gehört er mit seinen 2,75 kg zu den leichteren Full-Power-Motoren im Testfeld und ist rund 150 g leichter als der Bosch CX oder in etwa gleich schwer wie die Race-Version der Schwaben.
Bei der Hardware rund um den Motor bietet Yamaha eigene Lösungen an, lässt aber den Bike-Herstellern die Freiheit, auf Drittanbieter-Lösungen zurückzugreifen. Im Gegensatz zu den benzinbetriebenen großen Brüdern wird der PW-X3-Motor mit Strom versorgt. Dafür bieten die Japaner insgesamt sechs Akku-Modelle an, von denen sich vor allem die drei internen Modelle mit 400, 500 und 600 Wh für E-MTBs eignen. Einen größeren Akku-Speicher, wie ihn etwa Bosch anbietet, gibt es nicht aus dem Hause Yamaha. Allerdings können die Bike-Hersteller auf größere Akkus von Drittanbietern zurückgreifen. Bedient wird das Motorsystem über verschiedene Remote- und Display-Kombinationen. Hierbei waren die Japaner vor allem in der Namensgebung sehr kreativ und haben auf das ABC zurückgegriffen. Das Display A kombiniert Remote und Display in einem und wird links am Lenker befestigt. Es gibt Auskunft über die wichtigsten Informationen wie Akkustand, gewählter Unterstützungsmodus oder Geschwindigkeit. Nach A kommt B: Das Display B besteht aus einer kleinen Lenker-Remote und einem 3”-Display für den Vorbau. Wie das Display A zeigt es die wichtigsten Informationen an, kann aber zusätzlich Tageskilometer, Kadenz, Durchschnitts- und Höchstgeschwindigkeit ausgeben. Und nach B, ihr ahnt es schon, kommt C: Das Display C kombiniert die Lenker-Remote mit einem 2,8”-Farbdisplay und zeigt neben den Standard-Informationen auch Richtungspfeile bei aktivierter Navigation über Komoot an.

Zu guter Letzt bietet Yamaha noch das Interface X an, das an den meisten E-Mountainbikes zu finden ist. Die kompakte Remote für den Lenker überzeugt mit einer guten Ergonomie und trägt zu einer cleanen Optik bei. Weniger überzeugend ist das minimalistische LED-Display, das für den geringen Informationsgehalt viel zu klobig ausfällt, denn über die LEDs werden nur die Fahrstufe und der Akkustand angezeigt. Darüber täuscht auch die elegante Befestigungslösung mittels eines speziellen Vorbau-Spacers nicht hinweg – die obendrein an den meisten modernen Bikes aufgrund durch den Steuersatz verlegter Züge und der nötigen Custom-Spacer nicht mal zum Einsatz kommen kann. Für mehr Informationen muss ein Fahrradcomputer verbunden werden, denn eine eigene App bietet Yamaha nicht an. Hier sind andere Motorenhersteller den Japanern weit voraus, und auch den Bike-Herstellern war das in der Vergangenheit zu wenig, weshalb sie – allen voran GIANT – eigene Displays, Remotes und Connectivity-Lösungen entwickelt haben.

Die kompakte Remote überzeugt nicht nur mit einer cleanen Optik, sondern auch mit einer guten Haptik und Ergonomie.
Das Interface X-Display fällt für den geringen Informationsgehalt viel zu klobig aus.

Der Yamaha PW-X3 Motor im Test – Gutmütiges Kraftpaket oder Elefant im Porzellanladen?

Ist man mit dem Yamaha PW-X3 unterwegs, hat man insgesamt 5 Unterstützungsstufen – ECO, ECO+, STD, HIGH und einen Automatic-Support-Mode – zur Auswahl. Wie auch bei Bosch oder Shimano passt der Automatic-Support-Mode die Unterstützungsleistung an die jeweilige Fahrsituation an. Um jedoch erstmal in den Modus zu gelangen, muss man entweder lange suchen oder die Bedienungsanleitung konsultieren: Hierfür muss die obere Taste der Remote lange gedrückt werden. Da aber das Interface X-Display durch die vielen farbigen LEDs nicht gerade intuitiv abzulesen ist, gleicht es einem Ratespiel, welcher Fahrmodus aktuell ausgewählt ist. Das macht auch ein spontanes Umschalten auf dem Trail unter Umständen gefährlich, da man hierbei den Lenker für mehrere Sekunden nicht richtig im Griff hat. Andere Hersteller haben ihre Dynamik-Modi viel cleverer und intuitiver positioniert. Hat man es geschafft, in den Automatic-Modus zu wechseln, setzt die Kraftentfaltung deutlich zögerlicher und später ein als im vergleichbaren Bosch eMTB-Modus. Dadurch ist der Yamaha-Motor spürbar zurückhaltender, und im technischen Uphill fehlt es ihm in diesem Modus an Bumms.

Wechselt man in den HIGH-Modus, stürmt der PW-X3 in der Standardeinstellung los und ist deutlich ungestümer als der Bosch Performance Line CX, mit dem Punch des CX-Race im Race-Modus kann er aber nicht mithalten. Erfahrene Piloten können mit der direkten Kraftentfaltung umgehen und sie nutzen, um aus engen Kurven schnell heraus zu beschleunigen oder steile Uphills zu meistern. Einsteiger sind aber schnell überfordert. Steht man mit anderen am Traileinstieg und bringt zu viel Druck auf das Pedal, stürmt der Motor los – wenn man das nicht weiß, wird man überrascht bzw. kann es auch zu gefährlichen Situationen führen. Der Grund ist, dass die Software in diesen Situationen auf den Pedaldruck reagiert, ohne die Trittfrequenz zur Genüge in Betracht zu ziehen. Hat man bei niedrigen Geschwindigkeiten und Trittfrequenzen noch genug Power, um mit Leichtigkeit aus dem Stand anzufahren, geht dem Yamaha PW-X3 bei höheren Geschwindigkeiten und steigender Trittfrequenz die Luft aus, und der Bosch Performance Line CX oder der Panasonic GX Ultimate ziehen davon.
In Sachen Lautstärke kann er mit dem Platzhirsch Bosch Performance Line CX mithalten. Der Yamaha-Motor ist zwar hörbar, aber nicht störend und wird von den Fahr- und Umgebungsgeräuschen überdeckt.

Fazit

Der Yamaha PW-X3 ist zwar bärenstark, hat aber einige Mankos. Die stürmische Motorabstimmung ist vor allem für Einsteiger schwer zu beherrschen. Yamaha bietet ein wenig zeitgemäßes Hardware-Paket an, gibt aber zum Glück den Herstellern die Freiheit, eigene Lösungen zu entwickeln. Eine dedizierte App gibt es nicht, die Fahrmodi-Auswahl ist umständlich. Damit fährt die Konkurrenz den Japanern in Sachen Connectivity, Integration und Motorabstimmung davon. Der neu angekündigte PW-XM-Motor wird aufgrund seines Magnesiumgehäuses nochmal leichter sein. Aber ein wirklich neuer Motor ist es nicht, und die aktuellen Kritikpunkte werden dadurch nicht ausgemerzt.

Tops

  • bärenstark, v. a. auch bei niedriger Trittfrequenz
  • reiheit für Bike-Hersteller, eigene Entwicklungen durchzuführen

Flops

  • stürmische Motorabstimmung
  • Abstriche in Sachen Connectivity und Integration, keine App
  • umständliche Fahrmodi-Wahl auf dem Trail

Für mehr Informationen besucht yamaha-motor.eu


Das Testfeld

Einen Überblick über unseren großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest erhaltet ihr hier

Alle Motoren im Test: Bosch Performance Line CX | Bosch Performance Line CX Race (zum Test) | Bosch Performance Line SX (zum Test) | Brose Drive S Mag (zum Test) | FAZUA Ride 60 (zum Test) | GIANT SyncDrive Pro2 (zum Test) | Panasonic GX Ultimate (zum Test) | Pinion MGU E1.12 (zum Test) | Shimano EP801 (zum Test) | Specialized SL 1.2 (zum Test) | Specialized 2.2 (zum Test) | TQ HPR 50 (zum Test) | Yamaha PW-X3


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Words: Mike Hunger Photos: Diverse

Über den Autor

Mike Hunger

Von Slopestyle und Landschaftsfotografie, hin zu Enduro und Actionfotografie. Mike probiert gerne neue Dinge aus und hat eine Vorliebe für Action. Und Handwerk: So zieht es ihn mit seinem Syncro-Van, den er selbst restauriert und umgebaut hat, regelmäßig auf verschiedenste Roadtrips. Natürlich immer mit dabei ist sein Bike und seine Kamera, um die feinsten Trails von Italien bis in die Alpen unter die Stollen zu nehmen und die schönsten Momente festzuhalten. Durch seine Ausbildung als Industriemechaniker, seiner Erfahrung aus dem Radsport und seinen Foto-Skills kann er das Know-How perfekt in den journalistischen Alltag umsetzen und testet jetzt als Redakteur die neuesten Bikes und Parts. Als “Foto-Nerd” hält er außerdem die Tests fotografisch fest und sorgt im Magazin für geiles Bildmaterial.