Komfort und Kontrolle: Anywhere, Anytime und für Anyone! Das soll der neue GIANT AnyTour X E+ Offroad-Tiefeinsteiger leisten und richtet sich daher an ein breites Publikum abenteuerlustiger E-Biker. Wir haben das 5.699 € teure Trekking-E-Bike „fast überall und zu fast jeder Tageszeit“ getestet und verraten euch, was es kann.

Sorry, aber wer in 2024 noch glaubt, dass Offroad-Tiefeinsteiger gerade der heißeste Trekking E-Bike-Trend sind, der hat den Gong nicht gehört. Unseren ersten Offroad-Tiefeinsteiger-Vergleichstest haben wir bereits 2020 ins Leben gerufen, gefolgt von unserem vollgefederten Offroad-Tiefeinsteiger-Vergleichstest und unserem SUV E-Bike-Vergleichstest. Offroad-Tiefeinsteiger erobern das Trekking-Segment im Sturm und sind gekommen, um zu bleiben.

Da stellt sich die berechtigte Frage, warum GIANT – einer der größten Bikeproduzenten weltweit – erst 2024 mit einem echten Offroad-Tiefeinsteiger um die Ecke kommt und dazu noch im großen Rahmen die europäische Presse zur Präsentation in die deutsche Firmenzentrale nach Erkrath einlädt? Vielleicht verbirgt sich mehr hinter dem neuen GIANT AnyTour X E+, als es den Anschein hat.

GIANT AnyTour X E+ 0 | GIANT SyncDrive Pro2/800 Wh | 100 mm (v)
29,6 kg in Größe L | 5.699 € | Hersteller-Website

Zumindest auf den ersten Blick ist das AnyTour X E+ ein klassischer Offroad-Tiefeinsteiger aus Alu. Nur die Front ist gefedert, der Hinterbau ist starr. Es rollt auf 27,5″-Laufrädern und verfügt über 100 mm Federweg an der Front. Zum Einsatz kommt ein hauseigenes GIANT SyncDrive-Motorsystem mit unterschiedlichen Akkukapazitäten und Motoren, je nach Ausstattungsvariante.

Ab 3.699 € beginnt die abenteuerlustige Palette aus vier Probanden. Unser top ausgestattetes Testbike, das GIANT AnyTour X E+ 0, wird mit 5.699 € in eurer (Abenteuer-)Reisekostenabrechnung aufgeführt. Angetrieben wird es von einem GIANT SyncDrive Pro2-Motor samt 800-Wh-Akku. In Größe L bringt das Abenteuergefährt 29,6 kg auf die Waage. Was sich hinter den nackten Zahlen versteckt, verraten wir euch gleich.

Not just anyone but also AnyTour! – Was macht das GIANT AnyTour X E+ so besonders?

Generell ist das Segment der Trekking E-Bikes für GIANT kein Neuland. Mit dem Stormguard E+ hat GIANT bereits ein heißes Eisen im Feuer. Das vollgefederte Stormguard ist laut GIANT allerdings eher von sportlicheren E-MTBs inspiriert. Bei der Entwicklung des AnyTour X E+ lag der Fokus hingegen mehr auf Komfort und Kontrolle: Es ist ein schönes Trekking E-Bike, auf dem man ebenso schöne Erinnerungen sammeln kann – über sich selbst hinauswachsen kann man mit dem Bike auf endlosen Entdeckungstouren dagegen weniger.

Das AnyTour X E+ hat für GIANT eine weitere Bedeutung: Als Technologieträger vereint es viele Tugenden und Innovationen, die GIANT-E-Bikes ausmachen sollen. Da wäre z.B. der Alu-Rahmen zu nennen. Der Rahmen des AnyTour X wird in mehreren unterschiedlichen Verfahren in Form gebracht, um Design, Funktionalität und Robustheit unter einen Hut zu bringen. Das Steuerrohr wird gegossen und besteht aus einem einzigen formschönen Stück.

Das doppelwandige Unterrohr entsteht im Alu-Extrusionsverfahren. Die mehrwandige Struktur dient nicht nur der Stabilität, sondern wird gleichzeitig als Kabelkanal für die Leitungen genutzt, die durch den Steuersatz in den Rahmen verlaufen.

Das Steuerrohr entsteht im Schwerkraft-Gießverfahren.
Für eine aufgeräumte Optik wandern alle Kabel durch den Steuersatz in den Rahmen.

Die Motoraufnahme – ein neuralgischer Punkt für Tiefeinsteiger – wurde geschmiedet. Dadurch soll dieser Bereich laut GIANT höhere Kräfte aushalten als z.B. zurechtgebogene und zusammengeschweißte Aluplatten mit gleicher Wandstärke. Durch das bei Tiefeinsteigern fehlende Oberrohr muss die Motoraufnahme im Alleingang Verwindungskräften von vorderem Rahmen und Hinterbau widerstehen. Tut sie das nicht, kann es schnell zu einem instabilen Fahrverhalten und Lenkerflattern kommen. Auch optisch macht die Motoraufnahme etwas her, da sie die Linien von Unterrohr und Kettenstreben bündig in das Motorcover überführt.

Der SyncDrive Pro2-Motor ist der Top-Performer im Hause GIANT. Die geschmiedete Motoraufnahme und das Motorcover sorgen für eine gelungene Integration in die Rahmenform.

Zu guter Letzt kommt noch Hydroforming zum Einsatz. Das Verfahren ermöglicht Rohre mit variablem Querschnitt, wie es z.B. beim Sattelrohr der Fall ist. Wenn es allein nach dem Rahmen gehen würde, könnte das AnyTour X E+ laut GIANT für ein zulässiges Gesamtgewicht von 180 kg freigegeben werden. Das zulässige Gesamtgewicht (zGG) richtet sich jedoch immer nach der schwächsten Kette im Glied, was beim AnyTour mehrere Anbau-Komponenten sind, weshalb das Trekking E-Bike ein zGG von 156 kg aufweist. Abzüglich einem E-Bike-Gewicht von knapp 30 kg bleiben so immer noch ganze 126 kg Zuladung für Fahrer und Gepäck.

Doch nicht nur beim Rahmen, sondern auch beim eigenen Motorsystem betreibt GIANT einen hohen Aufwand. Und im Topmodell AnyTour X E+ 0 kommt mitunter das Beste vom Besten zum Einsatz, das das GIANT-Ökosystem hergibt.

Das Motorsystem des GIANT AnyTour X E+ im Detail

Je nachdem, für welche Ausstattungsvariante man sich vom GIANT Anytour X E+ Trekking E-Bike entscheidet, erhält man auch unterschiedlich performante Motorsystem-Komponenten. In den Einstiegsvarianten E+ 3 und E+ 2 verbaut GIANT den SyncDrive Sport2-Motor mit 75 Nm Drehmoment und paart ihn mit einem Akku mit 625 Wh Kapazität. In den höheren Ausstattungsvarianten E+ 0 und E+ 1 kommt in Serie der Spitzenprädator von GIANT, der SyncDrive Pro2-Motor (Link zum Test) mit 85 Nm Drehmoment zum Einsatz.

Der SyncDrive Pro2-Motor stellt genug Kraft zur Verfügung, um ein vollbeladenes AnyTour samt Hundeanhänger einen Anstieg hochzuschieben. E-Bike-Neulinge sollten in der GIANT RideControl-App jedoch die Launch-Einstellung für die hohen Motor-Support-Modi, wie Power, runterschrauben. Sonst reagiert der Motor recht giftig auf Pedaldruck und sprintet stürmisch los.

„Wie viele Pferdestärken hat eigentlich ein Hund?“ – schwer zu sagen. Das GIANT AnyTour X E+ 0 hat auf jeden Fall genug Kraft, um Biker mit Hund mühelos durch die Gegend zu kutschieren.

Der 800 Wh starke EnergyPak Smart-Akku beherbergt eine Innovation, die wir bislang nur in den E-Bike-Akkus von GIANT finden konnten. Im Akku kommen 22700-Zellen zum Einsatz. Sie sind etwas größer und kapazitätsstärker als die sonst üblich verbauten 21700-Zellen. Was sie laut GIANT jedoch so einzigartig macht, ist ihre Stabilität bei hohen Entladeströmen. Laut GIANT entladen sie sich kühler und damit schonender. Das sorgt für zwei Vorteile und spiegelt sich unter anderem in einer höheren Lebensdauer wider: GIANT gibt an, dass ein 800-Wh-EnergyPak nach 2.300 Ladezyklen noch 50 % seiner Restkapazität aufweist. Rein rechnerisch (und höchstwahrscheinlich bei optimalen Fahr- und Ladebedingungen extrapoliert) entsprechen 2.300 Ladezyklen einer zurückgelegten Strecke von 200.000 km. Die praktische Bedeutung aus dem Rechenbeispiel ergibt laut GIANT den Vorteil, dass ein 800-Wh-Akku ein ganzes Bike-Leben übersteht und sich die Frage nach einem Ersatzakku erübrigt.

Der Ladeport ist für eine leichte Erreichbarkeit am fast höchsten Punkt des Rahmens, direkt hinter dem Steuerrohr, integriert. Die Hartplastik-Abdeckung lässt sich einfach öffnen.
Will man den Akku extern laden, kann man ihn nach oben aus dem Unterrohr entnehmen. Dazu muss man eine Plastikabdeckung abnehmen und den Akku per Schlüssel entriegeln.

Der zweite Vorteil der hohen Entladestabilität liegt darin, dass man auch mit weniger Zellen einen Akku konstruieren kann, der genug Strom liefert, um einen Full-Power-Motor anzutreiben. So schafft es GIANT beim Trance X Advanced E+ Elite den SyncDrive Pro2-Motor mit einem nur halb so großen 400-Wh-Akku zu betreiben.

Der 800-Wh-Akku ist kreuzkompatibel mit anderen GIANT-E-Bikes und teilt sich auch den Formfaktor mit älteren 625- und 500-Wh-Akkus von GIANT. Hat man solch einen Akku zur Hand, kann man mit diesem das AnyTour X E+ ebenfalls betreiben. Im Formfaktor versteckt sich noch eine weitere Innovation des Systems. Die GIANT-Akkus fallen vergleichsweise voluminös aus. Das liegt daran, dass alle Zellen im Inneren per Kunstoffhalterung voneinander getrennt werden. Sollte durch einen Unfall eine Zelle zu Schaden kommen und sich erhitzen, schmilzt die Kunststofftrennung und isoliert die beschädigte von den restlichen Zellen – so die Idee von GIANT. Dadurch soll eine katastrophale Kettenreaktion ausbleiben, die bei eng aneinander gepackten Zellen in Extremsituation wahrscheinlicher ist.

GIANT hat die Steuerung der Enviolo Trekking AUTOMATIQ-Schaltung in das Motorsystem integriert. Die gewünschte Zieltrittfrequenz wählt man nun über das RideDash Evo-Display auf dem Vorbau.
Plant man eine Route in der GIANT RideControl-App, lassen sich Navigationspfeile auf dem Display anzeigen.

Für die Kontrolle und Informationswiedergabe des Motorsystems kommt die Kombi aus GIANT RideDash Evo-Displays und RideControl Ergo 2-Remote zum Einsatz. Das Display ist schön auf dem Vorbau integriert und zeigt die üblichen Verdächtigen wie Geschwindigkeit, Akkustand in Prozent, Restreichweite usw … an. Hat man das Smartphone zur Hand, kann man sich noch Navipfeile auf dem Display anzeigen lassen. Dazu muss eine Route in der GIANT RideControl-App aktiviert sein.

Ein neues Feature ist die Integration der Enviolo Trekking AUTOMATIQ-Steuerung im Display. Per Lenkerremote und Display kann hier die gewünschte Trittfrequenz zwischen 30 und 120 U/min in 5er-Schritten eingestellt werden. Der Motor und die stufenlose Nabenschaltung geben dann ihr Bestes, um die Zieltrittfrequenz beizubehalten, ohne dass man unterwegs in die Einstellungen eingreifen muss.

Die Steuerung des Motorsystems erfolgt über die RideControl Ergo 2-Remote. Ihre Tasten haben einen schwammigen und undefinierten Druckpunkt. Außerdem macht sie der Sattelstützen-Remote den Platz unter dem Lenker streitig – …
… diese Mankos versucht die Motorremote aber mit einem USB-C-Ladeanschluss mit 10 Watt Leistung wieder etwas auszubügeln.

Wie gut das funktioniert, verraten wir euch im Fahreindruck – so viel sei jedoch schon mal gesagt: Wir haben während der Fahrt durch hügeliges Terrain den Trittfrequenz-Menüpunkt auf dem Display einfach dauerhaft offen gelassen, um unterwegs die Gänge doch mal schnell manuell wechseln zu können.

Die Service-Strukturen für das GIANT-Motorsystem

Ein E-Bike-Service samt Motorsystem-Service kann durchaus komplex sein. Laut GIANT ist der Service-Aufwand inzwischen eher auf Automobil-Niveau, als noch auf dem Niveau von ehemals einfachen analogen Bikes, die man vormittags in einer Werkstatt abgab und ein paar Stunden später fahrfertig wieder abholen konnte. Ein klassischer Bike-Händler ist laut GIANT nicht mehr in der Lage, die volle „Customer Journey“ seiner Kunden zu begleiten und benötigt dazu die Unterstützung der Hersteller.

GIANT hat den Launch des AnyTour X E+ Trekking E-Bikes daher auch zum Anlass genommen, uns das firmeneigene Servicecenter in Erkrath vorzustellen. Neben einer klassischen Werkstatt und einem Laufrad-Servicecenter besitzt es auch E-Bike-spezifische Stationen wie ein Motor Repair Center (MRC) oder ein EnergyPak Service Center (EPSC) für E-Bike-Akkus.

Zweck des Centers soll sein, einen Paradigmenwechsel in der E-Bike-Branche anzustoßen. Bisher werden noch zu viele defekte Motoren und Akkus einfach getauscht statt repariert. Laut GIANT ist selbst die aufwendigste Motorreparatur, die man anbietet, immer noch günstiger als ein Tauschmotor. Durch eine Motorreparatur profitiert allerdings nicht nur die Umwelt, sondern auch Kunden mit Motorproblemen, bei denen die Garantieansprüche bereits abgelaufen sind.

Auch für alte Akkus kann was getan werden. Im EnergyPak Service Center können Batteriespeicher, die schon einen großen Teil ihrer Kapazität eingebüßt haben, durch gezieltes Laden und Entladen re-kalibriert werden, wodurch bis zu 20 % ihrer ursprünglichen Akkukapazität wiederhergestellt werden können.

Die Ausstattungsvarianten des GIANT AnyTour X E+ im Detail

Das neue GIANT AnyTour X E+ erscheint in vier Ausstattungsvarianten und vier Größen. Die Größen S, M, L und XL sollen Körpergrößen von 1,54 m bis 2,06 m abdecken. Für einen 2,06 m großen Biker muss am XL-Bike die Sattelstütze bis zum maximalen Sattelauszug ausgefahren werden.

Die Ausstattungsvarianten steigen in umgekehrter numerischer Reihenfolge auf. Das Einstiegsmodell AnyTour X E+ 3 fängt bei 3.699 €. Es teilt sich mit dem Modell E+ 2 für 4.199 € den etwas leistungsschwächeren SyncDrive Sport 2-Motor mit 75 Nm und ein EnergyPak-Akku mit 625 Wh. Größter Unterschied zwischen den zwei Einstiegsmodellen ist, dass am E+ 3 mit konventioneller Kette und 10-fach Deore-Schaltung die Gänge gewechselt werden, während das E+ 2 einen GATES-Carbonriemen in Kombination mit einer 5-fach Shimano NEXUS-Nabenschaltung nutzt.

Das AnyTour E+ 1 (4.599 €) sowie das Topmodell E+ 0 (5.699 €) bekommen den kraftvollen GIANT SyncDrive Pro2-Motor samt 800-Wh-Akku verpasst. Der größte Unterschied liegt auch bei diesen Modellen im Antriebsstrang. Das etwas günstigere E+ 1 nutzt zur Kraftübertragung eine 11-fach Shimano XT-LINKGLIDE-Kettenschaltung, während das E+ 0 auf eine GATES-Carbonriemen und eine stufenlose Enviolo Trekking AUTOMATIQ-Nabenschaltung mit Automatik-Modus setzt. Beide Antriebsstrang-Optionen haben Vor- und Nachteile. Für den Riemenantrieb spricht vor allem der niedrige Wartungsaufwand: Der Riemen verlangt weder nach einer Schmierung, noch muss er nach jeder Regen- und Matschausfahrt sofort gereinigt werden.

GIANT AnyTour X E+ 0

5.699 €

Ausstattung

Motor GIANT SyncDrive Pro2 85 Nm
Akku GIANT EnergyPak 800 Wh
Display RideDash EVO
Federgabel SR Suntour MOBIE 34 100 mm
Sattelstütze Suspension Dropper 70 mm
Bremsen Shimano BR-MT420 203/180 mm
Schaltung Enviolo Trekking AUTOMATIQ 380%
Vorbau GIANT Contour, EVO integrated 90 – 110 mm
Lenker GIANT Contour Comfort Riser 690 mm
Laufradsatz GIANT eX25 27,5"
Reifen Schwalbe Smart Sam Plus 2,25"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 29,6 kg
Zul. Gesamtgewicht 156 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 126 kg
Anhänger-Freigabe ja
Ständeraufnahme ja

Besonderheiten

ABUS Ringschloss
Automatikschaltung
Riemenantrieb
GIANT-/ AXA-Lichtanlage

Grösse S M L XL
Sattelrohr 340 mm 410 mm 480 mm 550 mm
Oberrohr 570 mm 590 mm 610 mm 630 mm
Steuerrohr 130 mm 130 mm 170 mm 170 mm
Lenkwinkel 69,5° 69,5° 69,5° 69,5°
Sitzwinkel 74° 73° 72° 72°
Kettenstreben 470 mm 470 mm 470 mm 470 mm
BB Drop 50 mm 50 mm 50 mm 50 mm
Radstand 1.120 mm 1.128 mm 1.138 mm 1.158 mm
Reach 391 mm 399 mm 395 mm 415 mm
Stack 625 mm 625 mm 662 mm 662 mm

Das GIANT AnyTour X E+ im Fahrtest

Aufsteigen auf das AnyTour wird dank des tiefen Durchstiegs zum Kinderspiel, an seiner tiefsten Stelle misst er eine Höhe von gerade mal 40 cm. Direkt nach dem ersten Aufsitzen haben wir vom winkelverstellbaren Vorbau Gebrauch gemacht und den Lenker in einer körpernahen und hohen Position arretiert. Dadurch sitzt man auf dem Trekking E-Bike in einer aufrechten und für den Rücken sehr entspannten Sitzposition. Es lastet wenig Druck auf den Händen und durch die aufrechte Körperhaltung hat man einen guten Rundumblick.

Per Doppelklick auf die „i“-Taste der etwas schwammigen Remote ruft man die Trittfrequenz-Einstellung auf. Die Einstellung von 65 Kurbelumdrehungen pro Minute sorgt für einen gemütliches Cruisen. Der kraftvolle Motor hilft dabei, dass man die 25-km/h-Grenze in der Ebene erreicht, selbst wenn man nur entspannt mitpedaliert. Nimmt man bei diesem Tempo kurz die Hände vom Lenker, um sich mit beiden Händen durch den Schnurrbart zu fahren, tritt kein Lenkerflattern auf – ein Problem, von dem sonst viele Tiefeinsteiger geplagt sind.

Kommt man im Stop-and-go-Verkehr an einer Ampel zum Stehen, kann man die Sattelstütze ablassen, um mit beiden Beinen den Boden zu erreichen, ohne sich dabei aus dem Sattel aufrichten zu müssen.
Der Hebel für die Sattelstütze ist etwas schlecht erreichbar über der Motorremote platziert, weil darunter kein Platz mehr ist. Das kann man dem AnyTour jedoch verzeihen, da man bei Touren eher selten zum Hebel greift. Die Sattelstütze sieht nach viel Verstellweg aus, lässt sich in Größe L aber nur um 7 cm absenken, was gerade so reicht, um den Boden mit den Füßen zu erreichen. Es ragen dann noch knapp 4 cm Sattelstützenhub aus dem Sattelrohr heraus. Sie dienen der Sattelstütze als Federweg, denn die Stütze verfügt über eine interne Luftfeder.

Die absenkbare Sattelstütze hilft dabei, die Füße im Stand auf den Boden zu bekommen. Sie lässt sich nicht komplett einfahren, sondern nutzt die letzten 4 cm des Hubs als Federweg.
Die Schwalbe Smart Sam-Reifen sorgen auf Schotterstraßen für ausreichend Grip. Will man jedoch einen Abstecher über weiche Waldböden machen, setzt er sich schnell mit Erde zu.

Geht es über schlecht befestigte Waldwege Richtung Horizont, macht sich die Kombi aus gefederter Sattelstütze, der SR Suntour MOBIE34-Federgabel mit 100 mm Federweg und den Schwalbe Smart Sam-Reifen mit 2,25″ Durchmesser bezahlt. Das AnyTour X E+ 0 federt feine Unebenheiten weg und überrollt sehr fahrstabil auch vereinzelte Wurzeln oder aufgerissene Schlaglöcher. Der Langstreckenkomfort lässt nichts zu wünschen übrig.

Auf Schotterstraßen liefern Fahrwerk und Reifen ebenfalls gute Traktion. Für den gelegentlichen Abstecher auf Trails ist es jedoch nicht gemacht. Wer ein Trekking E-Bike sucht, auf dem man gelegentlich aufkommende sportliche Ambitionen ausleben will, sollte einen genaueren Blick in unseren SUV E-Bike-Vergleichstest werfen.

Das AnyTour ist eher gutmütiger Packesel als sportliches Rennpferd. Auf dem Gepäckträger mit MIK HD-Interface dürfen 27 kg Zuladung und damit auch ein Kindersitz aufgesteckt werden. Die seitlichen Streben des Gepäckträgers fallen etwas dick aus und sind nicht mit allen Satteltaschen mit engeren Klemmen kompatibel. Hier lohnt sich ein kurzer Test.

Ein kleines Transport-Highlight ist das M10-Gewinde im linken Ausfallende, an das sich allerlei Anhängerkupplungen anschrauben lassen. Unser Redaktionshund Henry hat sich vor Freude im Kreis gedreht, als er erfahren hat, dass er zum Fotoshooting mit darf. Den Test zu dem von uns verwendeten Croozer Dog Enna-Hundeanhänger findet ihr in unserem Schwestermagazin DOWNTOWN.

Das Transport-Lowlight ist der fehlende Flaschenhalter, Getränke müssen so entweder im Rucksack oder in den Satteltaschen mitfahren.

Das Ausfallende besitzt ein M10-Gewinde, um Anhängerkupplungen aufzunehmen, ohne dass man mit unterschiedlichen Steckachsen hantieren muss. Das gefällt uns so gut, das könnte man doch glatt zum Standard machen.
Wenn man an Bord des AnyTour nicht verdursten will, muss das Wasser in die Gepäckträgertaschen oder den Rucksack. Einen Trinkflaschenhalter besitzt das GIANT nämlich nicht.

Selbst mit voller Beladung fährt sich das AnyTour X E+ 0 gutmütig und bleibt leicht beherrschbar. Die starken Shimano BR MT-420-Vierkolbenbremsen bringen einen samt Kind und Kegel sicher zum Stehen. Nur die kleine 180-mm-Bremsscheibe am Heck kann auf langen Abfahrten etwas heiß laufen.

Die Enviolo Trekking-AUTOMATIQ-Nabenschaltung schafft es, auch über welliges Terrain eine konstante Trittfrequenz vorzugeben. Rollt man jedoch vollbeladen auf einen sehr steilen Hügel zu, kommt die Nabenschaltung an ihre Grenzen. Sobald die Trittfrequenz abfällt und man sich mit voller Kraft im Wiegetritt gegen die Pedale stemmt, gibt die Nabenschaltung ein unschönes Knacken von sich. Daher haben wir es uns zur Gewohnheit gemacht, den Menüpunkt für die Trittfrequenz-Einstellung unterwegs dauerhaft geöffnet zu haben. So kann man diese noch rechtzeitig vor steilen Anstiegen nach oben schrauben, um mit hoher Frequenz Schwung zu holen. Dann gelingen auch steile Rampen.

GIANT verbaut kraftvolle Shimano BR MT-420-Vierkolbenbremsen und eine 203-mm-Bremsscheibe vorne. Das sorgt für hohe und gut dosierte Bremspower. Nur die kleinere 180-mm-Bremsscheibe hinten kann bei hoher Last zu heiß werden.
Das ABUS-Ringschloss wird mit demselben Schlüssel wie der Akku entsperrt und verriegelt.
Die Enviolo Trekking AUTOMATIQ-Nabenschaltung mit stufenloser Automatik macht einfache Trekking-Trips noch einfacher. Bei sehr hoher Belastung fängt sie jedoch unschön an zu knacken.

Beendet man die Trekking-Tour in den späten Abendstunden, leuchtet das GIANT Recon E HL 150 STVZO-Frontlicht mit Fernlichtfunktion die Fahrbahn sicher aus. Über die Lenkerfernbedienung für den Frontstrahler soll sich auch ein lichtsensorgesteuertes Tagfahrlicht aktivieren lassen. An unserem Testbike ließ sich die clevere Funktion aber partout nicht anwerfen. Im Heckgepäckträger sitzt ein AXA Juno-Rücklicht, das durch eine Bremslichtfunktion nachfolgenden Verkehr warnt.

Stellt man das AnyTour nach getaner Ausfahrt in der eigenen Garage ab, sorgt ein ABUS-Ringschloss am Hinterbau für eine Extraportion Sicherheit. Den Schlüssel teilt es sich mit dem ABUS-Schloss der Akkuverrieglung. Kette reinigen und ölen fällt flach – das ist dank GATES-Carbonriemen überflüssig –, das Anstecken zum Aufladen des Akkus wird durch die hohe Position des Ladeports und das intuitive Ladeport-Cover ebenfalls zum Kinderspiel.

Das Fazit zum GIANT AnyTour X E+

Das GIANT AnyTour X E+ ist ein gutmütiges Trekking E-Bike mit angenehmem Langstreckenkomfort und einer hochwertigen Ausstattung. Auch das Motorkonzept mit kraftvollem SyncDrive Pro2-Motor in Kombination mit dem wartungsarmen Riemen und der stufenlosen Nabenschaltung sorgt für entspannte Trips. Von Alltagsfahrten bis zum langen Trekkingausflug mit Gepäck und Hundeanhänger macht das AnyTour X E+ alles mit. Nur bei sportlicher Fahrweise und Touren mit steilen Anstiegen verlässt es seine breite Komfortzone.

Tops

  • hoher Langstreckenkomfort
  • wartungsarm
  • einfaches Handling
  • schicker Rahmen mit hoher Verarbeitungsqualität

Flops

  • schwammige Tasten der Remote
  • Nabenschaltung knackt bei hoher Belastung
  • kein Trinkflaschenhalter

Für mehr Infos, besucht giant-bicycles.com


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Words: Rudolf Fischer Photos: Mike Hunger

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …