Kaiserschmarrn auf der Alm, ein Radler im Biergarten oder eine sonnige Seentour? Nie war es leichter, auf Erkundungstour zu gehen – dank der wachsenden Produktgattung der vollgefederten Offroad-Tiefeinsteiger. Dem Trekking-Bike in vielem überlegen, versprechen sie mehr Komfort, Sicherheit und Spaß. Wir haben vier Bikes getestet!

  1. Die nächste Generation der vollgefederten Offroad-Tiefeinsteiger
  2. Warum einen Tiefeinsteiger fahren und nicht das Trekking-Bike mit klassischem Diamantrahmen?
  3. Was gehört zum „Offroad-Paket“ beim Offroad-Tiefeinsteiger?
  4. Welches Motorsystem ist „das beste“ für einen vollgefederten Offroad-Tiefeinsteiger?
  5. Streckbank oder Hollywoodschaukel – die Ergonomie und Einstellbarkeit der Offroad-Tiefeinsteiger
  6. Form follows function – das Design unserer Offroad-Tiefeinsteiger
  7. Equipment ≠ Equipment – große Unterschiede bei der Funktionalität der Vollausstattung
  8. Tops & Flops
  9. Das Testfeld im Überblick – Testsieger, Verlierer und Empfehlungen

Alle Bikes im Test: CONWAY CAIRON SUV FS 5.7 | Malaguti Collina FW6.0 | Victoria Parcours 5 | ZEMO SU-E FS11

Gerade findet eine echte Revolution in der Bike-Welt statt, die vielen Menschen das Biken zugänglicher macht und Vorbehalte abbaut. Die Rede ist von vollgefederten Offroad-Tiefeinsteigern. Bei diesen Bikes verzichtet man auf ein Oberrohr, wodurch der Auf- und Abstieg, wie der Name schon verrät, deutlich einfacher wird. Die Tiefeinsteiger-E-Bikes sind aber nicht nur ein Gamechanger für ältere und weniger bewegliche Biker, sondern für alle, die einen zuverlässigen Begleiter für den sicheren Commute durch die City sowie für den entspannten Bike-Ride in der freien Natur suchen. Hier spielt der Offroad-Aspekt seine Stärken aus. Durch eine sinnhafte Ausstattung und ein cleveres Fahrwerkskonzept sind die Tiefeinsteiger in puncto Komfort und Sicherheit klassischen Trekking-E-Bikes sowie altmodischen City-Bikes deutlich überlegen. Das bringt Jung und Alt zusammen. Das Potential von Offroad-Tiefeinsteigern haben wir schon 2020 erkannt und 10 verheißungsvolle Kandidaten zu unserem großen Vergleichstest geladen. Bereits damals hatten wir die Vision eines generationenübergreifenden Vehikels; in den Worten von Dr. Martin Luther Biking Jr.: „I have a dream, that one day, everyone will be able to bike together.“ Inzwischen hat die Technik nochmal einen deutlichen Sprung gemacht: In der Erstauflage unseres Vergleichstests besaß nur eines von zehn E-Bikes ein vollgefedertes Fahrwerk. Die Hersteller haben das Potential jedoch erkannt, so dass der Markt an vollgefederten Tiefeinsteigern deutlich wächst.

Die nächste Generation der vollgefederten Offroad-Tiefeinsteiger

Was macht die neueste Generation der Offroad-Tiefeinsteiger aus? Es handelt sich um geniale Abenteuer- und Entdecker-Bikes, da sie Komfort, Sicherheit und Geländegängigkeit auf ein neues, höheres Niveau heben. Das vollgefederte Fahrwerk bildet dabei das Kernelement.
Offroad-Tiefeinsteiger besitzen vorne nicht nur eine Federgabel, sondern zudem auch einen gefederten Hinterbau – diese Benefits bemerkt man schon bei rauem Asphalt und erst recht offroad oder auf Kopfsteinpflaster. Bei Mountainbikes sind gefederte Hinterbauten gang und gäbe, bei Tiefeinsteigern sind sie eine konstruktionelle Meisterleistung und erfordern ein clever durchdachtes Design – dass das bei nicht allen Modellen der Fall ist, macht unser Test deutlich. Auch die Fahrwerksfunktion, namentlich die Kennlinie, ist bei Mountainbikes und Tiefeinsteigern in der Regel unterschiedlich ausgelegt. Während Mountainbikes dafür gemacht sind, schnelle, aufeinanderfolgende Schläge aufzusaugen und dabei trotzdem ein gutes Feedback des Untergrunds zu vermitteln, sollen Tiefeinsteiger nur vereinzelte Schläge, wie von Bordsteinkanten oder Schlaglöchern, abfangen und dabei nicht unbedingt schneller machen, sondern primär Komfort und Sicherheit bieten. Natürlich kann man auch mit einigen der von uns getesteten Tiefeinsteiger mit viel Spaß über flowige Trails fegen, doch dafür sind sie in erster Linie nicht gemacht.

Während auf so manchem Trekking-Hardtail Pflastersteinstraßen oder Bordsteinkanten zum Komfort-Endgegner werden können, saugt eine gut konstruierte Hinterbaufederung zahlreiche Hindernisse einfach auf. Aber nicht nur Komfort und Sicherheit gewinnen hinzu, sondern auch die Traktion. Durch die Vollfederung schmiegt sich das Hinterrad selbst auf unebenen und unbefestigten Fahrbahnen an den Boden an und sorgt damit für mehr Laufruhe. Es verzahnt sich auch besser mit dem Untergrund, das Plus an Traktion sorgt für kürzere Bremsvorgänge und ein kontrollierbares Fahrverhalten. Das kann selbst Fahranfänger dazu animieren, das breite Einsatzgebiet der Offroad-Tiefeinsteiger auszutesten und weniger gut befestigte Pfade und Wege auszukundschaften. Um uns selbst von den Fahreigenschaften der noch relativ neuen E-Bike-Gattung zu überzeugen, sind wir in die malerische Gemeinde Olang in Südtirol aufgebrochen. Testen, wo andere Urlaub machen: Die 3.200-Seelen-Gemeinde liegt mitten im Naturpark Fanes-Sennes-Prags und bietet für unseren Workation-Trip ideale Testvoraussetzungen. Das Ortszentrum liegt auf 1.080 m Seehöhe – Bergdorf-Idylle pur! Auf zahlreichen Touren rund um das Olanger Becken kann man Höhenmeter sammeln und als Belohnung in eine der vielen noch traditionell geführten Almen einkehren. Wenn man schon in der Region ist, darf ein Besuch des Pragser Wildsees auf keiner Bucket-List fehlen. In den Sommermonaten ist der Zugang mit dem PKW jedoch limitiert, deswegen bietet sich die Erkundungstour auf einem Offroad-Tiefeinsteiger perfekt an.

Warum einen Tiefeinsteiger fahren und nicht das Trekking-Bike mit klassischem Diamantrahmen?

Tiefeinsteiger sind verschrien als Damen-E-Bikes, das aber zu Unrecht. Ein gut designtes E-Mountainbike mit tiefem Durchstieg bietet Vorteile für eine breite Zielgruppe. Gerade mit klobigen Gepäckträgertaschen braucht es beim Trekking-Bike schon einen Typen à la Jean-Claude Van Damme, um das Bein über das voll beladene Hinterrad zu schwingen. Zudem haben Tiefeinsteiger in kniffligen Fahrsituationen einen Vorteil: Gerade Neulinge tendieren dazu, in Gefahrensituationen aus dem Sattel zu steigen, um ein oder beide Beine schnell auf den Boden zu bringen. Bei klassischen Diamantrahmen werden sie dabei vom Oberrohr behindert, was das Sicherheitsempfinden stören kann. Doch dass das nicht nur auf Damen mit langen Röcken zutrifft, haben auch die Bike-Hersteller erkannt und preisen ihre Tiefeinsteiger daher häufig als Wave-Rahmen statt als Damenrad an. Es gibt aber auch Nachteile: Technisch sind die Tiefeinsteiger nicht leicht umzusetzen. Ein Oberrohr verleiht jedem E-Bike viel Rahmenstabilität. Ohne Oberrohr muss der restliche Rahmen verstärkt werden, was sich oftmals in einem etwas erhöhten Gewicht niederschlägt. Unsere Testkandidaten bewegen sich alle zwischen 28 und 31 kg, ein richtig leichter Offroad-Tiefeinsteiger ist schwer zu finden. Wird der Rahmen an den kritischen Stellen nicht mit zusätzlichem Rahmenmaterial verstärkt, schlägt sich das in einem instabilen Fahrverhalten nieder. Insbesondere bei hoher Beladung auf dem Gepäckträger kam es bei manchen der von uns getesteten Modelle zu Lenkerflattern. Allerdings leiden auch viele klassische Tiefeinsteiger ohne Heckfederung unter diesem Phänomen.

Was gehört zum „Offroad-Paket“ beim Offroad-Tiefeinsteiger?

Nicht jeder Tiefeinsteiger qualifiziert sich gleich als komfortabler Offroad-Tiefeinsteiger. Neben Geometrie und Fahrwerk müssen weitere Faktoren stimmen.

Reifen: Voluminöse Stollenreifen sorgen durch ihre dämpfenden Eigenschaften für Fahrkomfort. Ein grobstolliges Profil verleiht der Fahrt durch guten Grip auf Schotterstraßen und Waldwegen ein Plus an Sicherheit. Alle Hersteller im Test setzen auf Reifen aus dem Schwalbe SUV-Line-up. Dreimal kommt der Johnny Watts zum Einsatz und einmal der etwas schwächer profilierte Schwalbe Al Grounder. Das Team von ZEMO stattet das SU-E FS 11 mit 2,6” breiten Reifen aus, die anderen Hersteller nutzen die ebenfalls noch recht voluminöse 2,35” Reifen.

Bremsen: Für die Bremsen gilt das gleiche wie für die Reifen, sie müssen zum Einsatzgebiet passen. Offroad-Tiefeinsteiger sind wahre Entdecker-Fahrzeuge. Sie müssen auch in hügeligen Gebieten und selbst mit viel Beladung sicher und kontrolliert zum Stand kommen. Dafür müssen die Bremsen entsprechend standfest und bissig dimensioniert sein. Vierkolbenbremsen erzeugen im Vergleich zu Zweikolbenbremsen bei geringeren Bedienkräften mehr Bremspower, wodurch Hände, Finger und Unterarme auf langen Touren nicht so schnell ermüden. Für mehr Standfestigkeit bei langen Bremsvorgängen sorgen zudem große Bremsscheiben. Durch den größeren Radius benötigen sie weniger Bremsdruck aus dem Bremssattel. Zudem sorgen diese Scheiben für eine bessere Hitzeaufnahme und -ableitung und damit für eine konstantere Bremskraft, ohne zu schnell zu überhitzen. Leider ist das noch nicht bis zu allen Herstellern durchgedrungen. Auch an unseren Testbikes verbauen lediglich CONWAY und Victoria eine große Bremsscheibe vorne und mit dem ZEMO haben wir nur ein Modell im Vergleich, das mit einer Vierkolbenbremse am Vorderrad ausgestattet ist.

Absenkbare Sattelstütze: Ein weiterer Punkt auf der Checkliste ist eine absenkbare Sattelstütze. Während sie in unserem Vergleichstest von 2020 noch als Highlight durchging und nur an drei von zehn E-Bikes zum Einsatz kam, ist das Feature inzwischen ein Must-Have. Man bekommt nicht nur beim Ampelstopp die Beine leichter auf den Boden, sondern erkauft sich auch mehr Bewegungsfreiheit, wenn man in unwegsamem Gelände unterwegs ist. In unserem Vergleichstest konnten wir Sattelstützen mit einem Hub von mickrigen 75 mm bis hin zu stattlichen 160 mm fahren. Absenkbare Sattelstützen mit viel Hub benötigen auch eine entsprechend lange Einstecktiefe im Sattelrohr, welches bei vollgefederten Tiefeinsteigern jedoch vom Dämpfer unterbrochen wird und damit die Einstecktiefe limitiert. Deswegen sind langhubige Sattelstützen nicht leicht unterzubringen.

Welches Motorsystem ist „das beste“ für einen vollgefederten Offroad-Tiefeinsteiger?

Wer unseren Motorentest gelesen hat, der weiß, dass das eine Fangfrage ist. Das beste Motorsystem gibt es natürlich nicht, denn es ist immer nur so gut, wie das Gesamtkonzept des jeweiligen Bikes. Ein guter Motor macht aus einem schlechten Bike noch lange kein gutes. Bei all unserer Testbikes kommt der Bosch Performance Line CX-Motor mit identischen Leistungsdaten und beinahe identischer Hardware zum Einsatz. Der leistungsstarke Antrieb ist auch für viele performance-orientierte E-Mountainbike-Modelle der Motor der Wahl. Wie gut der CX-Motor jedoch seine Unterstützung bereitstellen und das Bike über steile Rampen hinaufschieben kann, hängt von mehreren Faktoren ab – unter anderem von Schaltung, Reifen und Geometrie. Während die enviolo-Nabenschaltung im Victoria Parcours 5 nur eine geringe Bandbreite vorweisen kann und ihr für steile Anstiege ein leichter Klettergang fehlt oder sie sogar bei hoher Belastung durchrutscht, zeigen sich die Bikes mit Kettenschaltung von viel Druck auf dem Pedal unbeeindruckt. Eine Schaltung wie die Shimano XT-LINKGLIDE am ZEMO SU-E FS 11 liefert mit einer Kassette mit großem 50er Ritzel noch für steile Anstiege den passenden Kriechgang und wechselt die Gänge selbst unter voller Last zuverlässig.

Und während es beim Motor selbst nur wenig Abwechslung im Test gibt, zeigen sich beim Motorsystem und der Integration der Bosch Systeme deutliche Unterschiede. Victoria und ZEMO setzen auf das neue Bosch Smart System, Malaguti und CONWAY kommen noch mit der „älteren“ Bosch Motorsystem-Generation aus, was sowohl Vorteile als auch Nachteile mit sich bringt. Victoria und ZEMO profitieren von modernen Connectivity-Features wie dem eBike-Lock, dem Smartphone als digitalen Schlüssel für das E-Bike, der rudimentären Navigationsfunktion auf dem Kiox 300-Display oder der Kompatibilität zur SmartphoneGrip-Halterung. Malaguti- und CONWAY-Besitzer können ihre E-Bikes beim Bosch Händler hingegen auf das erstklassige Bosch Nyon-Display upgraden, das eine echte Offline-Navigation mit den Akku- und Motordaten am Lenker zusammenführt. Wer die zwei offroad-tauglichen E-Bikes lieber mit dem neuem Bosch Smart System ordern will, muss auf den Modellwechsel in der Saison 2023 setzen.

Bei den Akkus gibt es im Vergleichstest einen Ausreißer: Wer gerne Extraschleifen auf der Wochenendtour dreht, freut sich über den großen 750-Wh-Akku im ZEMO. Darüber hinaus ist das ZEMO bereits für eine Dual-Battery-Option vorbereitet. Sobald Bosch den Zweitakku im Sortiment hat, lässt sich dieser über eine zusätzliche Halterung auf dem Unterrohr des ZEMO SU-E anbringen. CONWAY, Malaguti und Victoria setzen auf einen Bosch Intube-Akku mit 625-Wh-Kapazität. Das kann ebenfalls seine Vorteile haben, denn durch den kürzeren Akku können auch kleinere Rahmengrößen angeboten werden. Das CONWAY CAIRON SUV besitzt zum Beispiel in Größe S deutlich kompaktere Maße als das kleinste ZEMO und ist so auch für sehr kleine Personen noch gut geeignet. Sind diese nur auf kürzeren Routen unterwegs, benötigen sie in der Praxis meist keine großen Akkukapazitäten und fahren mit den kleineren Akkus weniger unnötigen Ballast mit sich herum.

Streckbank oder Hollywoodschaukel – die Ergonomie und Einstellbarkeit der Offroad-Tiefeinsteiger

Der beste Offroad-Tiefeinsteiger macht keinen Spaß, wenn die Ergonomie nicht stimmt. Umso mehr sinnvolle Einstellmöglichkeiten ein E-Bike bietet, um die Ergonomie und Sitzposition anzupassen, umso besser. Legt man sich erstmal einen schicken Offroad-Tiefeinsteiger zu, wird man zudem schnell neidische Blicke der Familienmitglieder ernten, die damit auch gerne eine Runde drehen wollen. Teilen sich zwei oder mehrere Personen ein E-Bike, dann ist es von Vorteil, wenn es sich leicht an unterschiedliche Körpergrößen anpassen lässt. Hier trifft man auf viele unterschiedliche Lösungsansätze. CONWAY und ZEMO gehen dieses Problem beispielsweise mit winkelverstellbaren Vorbauten an. Damit lässt sich die Lenkerposition in Weite und Höhe durch einfaches Lösen und Festziehen einer Schraube anpassen, ohne dass große Umbauaktionen erforderlich sind. Das Victoria ist mit einem stilvollen Designvorbau ausgestattet, der jedoch keine Verstellmöglichkeiten bietet. Das Bike besitzt dafür einen Lenker mit viel Rise. Rotiert man den Lenker im Vorbau, lässt sich die Sitzposition so bis zu einem gewissen Grad aufrichten oder abflachen. Malaguti verbaut eher mountainbike-typisch einen Flatbar-Lenker mit Stummel-Vorbau, der sich über Spacer etwas anheben oder absenken lässt. Mit 760 mm ist der Lenker deutlich breiter als bei den Bikes der Konkurrenz und sorgt damit für eine breite Liegestütz-Armhaltung bei den Testenden. Hier müssen Personen mit einer nicht ganz so breiten Brust oder mit der Armspannweite eines Michael Jordan zur Säge greifen und den Lenker kürzen, um die passende Position zu finden.

Bei der Sitzhöhe haben alle Hersteller im Test Sachverstand bewiesen. Sie lässt sich bei den Testbikes dank der verstellbaren Sattelstütze mit einem schnellen Griff zur Lenkerfernbedienung verstellen und macht in dieser Hinsicht einen Fahrerwechsel besonders einfach. Das CONWAY CAIRON lässt zudem noch eine weitere werkzeuglose Verstellung der Sattelhöhe über einen Schnellspanner am Sattelrohr zu. Hier gilt zwar: One Size does not fit all – but many. Im besten Fall können sich gleich mehrere Biker ein Bike teilen.

Damit nicht nur die Ergonomie, sondern auch der Fahrkomfort stimmt, müssen auch Reifendruck und Luftfahrwerk auf das jeweilige Fahrergewicht und den Fahrstil abgestimmt werden. Beim Reifendruck und bei der Federgabel gelingt das noch relativ einfach. Bei den SR Suntour- und RockShox-Gabeln im Testfeld kann man die Herstellervorgaben online einsehen und als guten Startpunkt für ein Fahrwerksetup heranziehen. Beim richtigen Reifendruck muss man sich etwas rantasten. Gerade die 2,6” breiten Reifen des ZEMO können sich bei zu hohem Druck als etwas hart und sprunghaft erweisen. Beim Dämpfer fällt das Setup hingegen schon schwerer, da dieses einfach stimmen muss. Bei zu hohem Druck fühlt sich der Hinterbau zu straff an. Bei zu niedrigem Druck hängt er zu tief im Federweg durch. Doch in einigen unserer Testbikes ist das Dämpferventil verbaut und nur mühsam erreichbar. Bei anderen lässt sich nur schwer erahnen, wie stark der Federweg absackt. An manchen Bikes wird der Zugang zum Dämpfer nämlich teilweise vom Rahmen verdeckt. Wer Hilfe braucht, sollte sich direkt beim Kauf vom Händler helfen lassen.

Form follows function – das Design unserer Offroad-Tiefeinsteiger

Tiefeinsteiger sind sexy! Als wir während unserer Testrunden den Pragser Wildsee erkundeten, haben wir mehr Blicke auf uns gezogen als die Bergsee-Kulisse selbst, und das obwohl #pragserwildsee über 115k Treffer auf Instagram liefert. Bei manchen Testbikes wurde jedoch deutlich mehr Designaufwand betrieben als bei anderen. Besonders bei der Integration des Dämpfers im Hinterbau werden unterschiedliche Designansätze sichtbar. Während beim Victoria der Dämpfer fast komplett im Rahmen verschwindet und man die Hinterbau-Kinematik zugunsten eines klar strukturierten Designs an manchen Stellen nur erahnen kann, stellt das CONWAY seinen Dämpfer mit der ikonischen Dämpfer-Anlenkung des Specialized Demo-Hinterbaus deutlich zur Schau.

Auch die Lackqualität, die poppigen und gut abgestimmten Farben sowie die aufwändige Integration des Motors in den Rahmen spielen in einer Liga mit kostspieligen E-Mountainbikes. Doch die zum Teil sehr groben Schweißnähte oder das chaotische Kabelmanagement vor dem Cockpit zeigen bei allen Bikes im Test weiterhin Verbesserungspotential.

Equipment ≠ Equipment – große Unterschiede bei der Funktionalität der Vollausstattung

Alle Bikes im Test werden mit einer umfassenden Vollausstattung, bestehend aus Lichtanlage, Schutzblech, Fahrradständer und Heckgepäckträger, geliefert. Was auf Touren Sinn ergibt, macht sich genauso im Alltag bezahlt. Bei der Qualität und Funktionalität der Anbauteile offenbaren sich jedoch große Unterschiede im Test, so dass einzelne Komponenten die Handhabung des einen Bikes deutlich vereinfachen und des anderen erschweren. Während fest montierte und breite Alu-Schutzbleche nicht nur Spritzwasser fernhalten, sondern auch für Ruhe auf ruppigen Pfaden sorgen, haben schlecht montierte Schutzbleche, die während des Tests am Reifen geschliffen haben, unser Nervenkostüm stark strapaziert.
Bei der Frontlampe kommt es nicht nur auf die Leuchtkraft, sondern auch auf die Positionierung an. Das Malaguti trägt als einziges Testbike seine Lampe oben am Lenker, wodurch die Sichtbarkeit verbessert wird und das Vorderrad keinen Schlagschatten vor dem Bike wirft. Bei den anderen Testbikes wurde die Frontleuchte tief an der Gabelkrone der Federgabel verbaut.

Das ZEMO, das Victoria und das CONWAY machen beim Bremsen durch eine Bremslichtfunktion besonders deutlich auf sich aufmerksam und sammeln damit Pluspunkte im hektischen Feierabendverkehr einer Großstadt. Das ZEMO besitzt als einziges Bike zusätzlich eine praktische Fernlichtfunktion.

So gut wie niemand ist gerne mit einem vollgepackten Rucksack unterwegs. Für Fahrten mit Gepäck bietet sich ein Heckgepäckträger an. Egal ob beim täglichen Einkauf oder auf einer Mehrtagestour, das Taschenset sollte sich möglichst schnell anbringen und wieder entfernen lassen. Ein einheitlicher Standard für Gepäckträgersysteme hat sich in der Branche bisher nicht durchgesetzt. Für unsere Testbikes sind vormontierte Halterungen für Taschen mit dem MIK-System, AVS, Ortlieb Quick-Lock 3 und MonkeyLoad verfügbar. Im Gegensatz zu Universal-Taschen lassen sich diese Taschen sogar voll beladen ohne großes Gefummel anbringen. Jedoch kann sich das Zusatzgewicht am Heck massiv auf das Fahrverhalten auswirken. Manche Tiefeinsteiger wie das Victoria oder das Malaguti geraten durch die Beladung am Heck in Schwingungen und quittieren das mit Lenkerflattern. Das CONWAY hingegen bleibt selbst bei voller Beladung noch sehr fahrstabil. Man sollte sich trotzdem gut überlegen, ob man alle sieben Harry Potter Bände immer mitführen will.

Ein weiteres Anbauteil, das bei Tiefeinsteigern zu Problemen führen kann, ist die Trinkflasche. Ist sie im Bereich des tiefen Durchstiegs angebracht, muss man das Bein beim Auf- und Absteigen deutlich höher anheben, als es eigentlich nötig wäre. Malaguti und Victoria verzichten gänzlich auf einen Flaschenhalter, am CONWAY ist die Befestigung am Sattelrohr nur suboptimal und blockiert den Durchstieg etwas. Das ZEMO kommt mit einer praktischen Flaschenhalterung neben dem Steuerrohr daher, doch auch das kann im Wiegetritt zu Bewegungseinschränkungen führen.

Tops & Flops

Ohne Licht kein Schatten: Im Test sind uns viele clevere und praktische Lösungen sowie gut umgesetzte Details begegnet. Doch zwischen die vielen Highlights reihen sich ebenso ein paar Lowlights, über die wir nur unseren Kopf schütteln können. Hier sind die Tops & Flops aus unserem Vergleichstest.

Tops

Die Sattelstütze am Malaguti bietet mit 160 mm richtig viel Hub und damit auch am meisten Bewegungsfreiheit, wenn man einen Trail in Angriff nimmt.
Die Hinterbau-Kinematik des CONWAY CAIRON ist vom berühmt-berüchtigten Specialized Demo Downhill-Bike abgekupfert, funktioniert aber auch beim Offroad-Tiefeinsteiger erstklassig. Komfort und Traktion sind auf allerhöchstem Niveau.
Das ZEMO ist der Connectivity-King im Test. Es kommt ab Werk mit einem GPS-Modul, welches Funktionen wie Diebstahltracking oder Sturz-Benachrichtigungen ermöglicht. Eine Übersicht findet man in der eigens dafür entwickelten ZEMO App.
Die robuste Schaltung am ZEMO ist mit der neuen Shimano LINKGLIDE-Technologie ausgestattet. Das sorgt für sanfte Schaltvorgänge und eine lange Lebensdauer.
Das Supernova M99 TL2-Rücklicht am ZEMO ist direkt mit der MAGURA-Bremse verbunden und besitzt dadurch eine top Bremslichtfunktion für mehr Sicherheit im Straßenverkehr.
Die D.1 bySchulz-Variostütze am ZEMO besitzt nicht nur 100 mm Hub, sondern auch 40 mm Federweg. Der Unterschied macht sich im Fahrkomfort bemerkbar.
Das Malaguti COLLINA platziert als einziges Bike im Test das Frontlicht am Lenker anstatt an der Federgabel. Im dichten Stadtverkehr wird das Licht dadurch nicht so leicht durch andere Verkehrsteilnehmer verdeckt und sorgt für mehr Sicherheit.
Allwetter-Freund: Der Gates Carbon-Riemen am Victoria ist besonders wartungsarm und kommt ohne regelmäßiges Kettenölen aus, das freut auch die Hosenbeine.
Das ZEMO besitzt mit der MAGURA MT eSTOP5 als einziges E-Bike im Test eine kraftvolle Vierkolbenbremse am Vorderrad.
Griffbereit ohne den Durchstieg zu blockieren: Das ZEMO wird in Serie mit einer sinnvoll platzierten Fidlock-Halterung für Trinkflaschen am Steuerrohr geliefert.
Geklotzt und nicht gekleckert: ZEMO setzt beim SU-E FS11 auf 2,6” breite Johnny Watts-Reifen (die breitesten im Test), die zum guten Fahrkomfort auf dem Tiefeinsteiger beitragen.
Bis zum Horizont und weiter: ZEMO hat das SU-E FS 11 für eine Dual-Battery vorbereitet. Jetzt steht Bosch in der Bringschuld. Sobald der Zusatzakku den Handel erreicht, werden auf dem ZEMO neue Reichweiten möglich.
Die soliden Alu-Schutzbleche am ZEMO geben als einzige im Test keinen Grund zur Beschwerde. Sie sitzen klapperfrei, stabil und bieten zudem genug Reifenfreiheit, obwohl das ZEMO die dicksten Schlappen im Test fährt.
Love Handle: Manchmal vermisst man sogar das Oberrohr am Tiefeinsteiger, z.B. dann, wenn man es anheben möchte. Das Malaguti COLLINA besitzt für solche Situationen einen praktischen Tragegriff hinter dem Sattel, der uns während des Tests positiv in Erinnerung blieb. An alle anderen Hersteller: Bitte nachmachen!
Der Acros-Steuersatz am Malaguti COLLINA FW6.0 kann zwar den kleinen Kabelsalat vor dem Cockpit nicht beseitigen, aber deutlich entschärfen und sorgt damit für die sauberste Optik in puncto Kabelführung vor dem Lenker.

Flops

Sobald Spannung auf der Kette herrscht, wird der Hinterbau des Malaguti stark verhärtet und verliert seine komfortablen Eigenschaften.
Das CONWAY CAIRON ist das einzige Bike im Test mit einer etwas umständlichen Akkuentnahme an der Unterseite des Unterrohrs.
Die stark verbauten Dämpfer machen das Setup des E-Bikes nicht einfach. Beim Malaguti kommt erschwerend hinzu, dass die vertikale Verstrebung Dämpferpumpen mit langem Pumpenkopf blockiert.
Das Bosch Purion-Display am Malaguti ist nicht mehr zeitgemäß. Abgesehen von den Basis-Motordaten bietet es keine Connectivity.
Fluch und Segen: Die stufenlose enviolo -Nabenschaltung im Victoria lässt sich im Stadtverkehr leicht bedienen. An steilen Anstiegen fehlt es jedoch an Bandbreite, unter hoher Last kann die Schaltung zudem sogar durchrutschen.
Nebenwirkungen: Die vielen Funktionen des ZEMO sorgen für ein überladenes Cockpit und ein Kabelwirrwarr vor dem Steuerrohr.
Das vordere Schutzbleche am Victoria ist zu instabil an der Federgabel befestigt und bräuchte etwas mehr Reifenfreiheit. Im Test kam es wiederholt zu unerwünschtem Reifenkontakt.
Malaguti und Victoria verzichten gänzlich auf eine Flaschenhalteraufnahme. CONWAY positioniert den Flaschenhalter am Sattelrohr und blockiert damit den zum Teil eh schon schmalen und tiefen Durchstieg. Da lassen wir die Flaschen lieber gleich in den Gepäckträgertaschen.
Optimistisch: Die maximale Zuladung von 25 kg auf dem Heckgepäckträger würden wir nur im Notfall ausreizen. Das Victoria Parcours 5 gerät bei hohem Tempo und Fahrten mit viel Gepäck in Schwingungen.

Das Testfeld im Überblick – Testsieger, Verlierer und Empfehlungen

Ein guter Offroad-Tiefeinsteiger ist ein wahrer Freudenspender, aber nur wenn das Gesamtpaket stimmt. Wenn die Balance aus Komfort, Fahrsicherheit und Handling passt, ermöglichen die Bikes Jung und Alt entspannte Trips durch die Natur und eröffnen damit manchen sogar ganz neue Horizonte. Unsere handverlesene Auswahl aus vier vollgefederten Offroad-Tiefeinsteigern zeigt, welches Potential in dem Konzept steckt und wie die Zukunft von Trekking-Bikes aussehen kann.

Unser TestsiegerZEMO SU-E FS 11

Der ZEMO SU-E FS 11 ist der Luxusliner unter den Offroad-Tiefeinsteiger. Das Team von ZEMO hat das E-Bike nicht nur mit allen Komfort-Annehmlichkeiten wie einem gut funktionierenden Hinterbau oder einer gefederten Sattelstütze ausgestattet. Mit vielen Detaillösungen wurde auch für ein umfassendes Sicherheitspaket gesorgt. Durch die gelungene Motor-Integration rund um das Bosch Smart System und der Vorbereitung für eine Dual-Battery fährt ZEMO alles auf, was das Konzept der Offroad-Tiefeinsteiger momentan zu bieten hat. Die hohe Funktionsvielfalt bezahlt das ZEMO mit einem etwas überfrachteten Look und wirkt nicht wie aus einem Guss. Nichtsdestotrotz holt es sich verdient den Testsieg in unserem Offroad-Tiefeinsteiger-Vergleichstest.

Unser E-MOUNTAINBIKE-KauftippCONWAY CAIRON SUV FS 5.7

Beim CONWAY CAIRON SUV FS 5.7 Offroad-Tiefeinsteiger dreht sich alles um das potente Fahrwerk und die aufwändig designte Hinterbau-Kinematik. Kein Tiefeinsteiger im Vergleichstest kann mit dem Fahrkomfort und der Fahrstabilität des CONWAY mithalten. Während das Hauptaugenmerk auf der Offroad-Performance liegt, wurden andere Aspekte wie Connectivity, Alltagstauglichkeit oder Design eher stiefmütterlich angegangen. Trotzdem zeigt das CONWAY keine nennenswerten Schwächen im Test bei einem vergleichsweise attraktiven Preis. Deshalb geht das CONWAY CAIRON SUV FS 5.7 mit unserem Kauftipp vom Platz.

Malaguti COLLINA FW6.0

Das Malaguti COLLINA FW6.0 sticht durch Style und Emotionalität hervor. Der vollgefederte Offroad-Tiefeinsteiger mit italienischer Motorsport-Historie will durch sein Design begeistern, hinkt der Konkurrenz in Sachen Funktionalität und Hinterbau-Performance jedoch hinterher. Statt einem breiten Ausstattungs- und Connectivity-Paket bietet es nur gelebten Minimalismus und ist damit höchstens etwas für die Ästheten unter den E-Bikern. Den vielseitigen Ansprüchen eines Offroad-Abenteuers ist es nicht gewachsen.

Victoria Parcours 5

Das elegante Victoria Parcours 5 bringt viele Eigenschaften eines Offroad-Tiefeinsteigers mit und zeigt mit dem vollgefederten Fahrwerk guten Komfort und echte Nehmerqualitäten im Gelände. Neben den anderen Offroad-Tiefeinsteiger wirkt es etwas overdressed. Das Victoria besticht mit einer konsequenten Designsprache, die sich besser in ein modernes Stadtbild einfügt als in eine unberührte Naturkulisse. Auch die Nabenschaltung mit geringer Bandbreite und die weniger stark profilierten Reifen machen im Pendler-Alltag mehr Sinn als auf einer Offroad-Expedition, weshalb das Victoria das City-Bike unter den Offroad-Tiefeinsteigern ist.


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Words: Rudolf Fischer Photos: Mike Hunger, Julian Lemme

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …