Das Lapierre eZesty AM LTD Ultimate 2019 auf dem Trail

Die schlanke Silhouette, die markante Formsprache an der Front mit sehr schön innenverlegten Zügen sowie die gelungene Farbgebung warfen im Testteam eine berechtigte Frage auf: Ist das Lapierre eZesty AM LTD Ultimate „the sexiest E-Bike alive“? Ein unisones „Yessss“, begleitet von einem Kopfnicken, war Augenzeugen zufolge auf dem Trail zu vernehmen.

Und dann kam Christoph Bayer, Chefredakteur des ENDURO Mountainbike Magazins, sorgenvoll von seinem ersten Testride auf dem Lapierre zurück. Erst vor Kurzem hatte er die 14 besten Enduro-Bikes der Saison 2019 getestet, sein Resümee: In Sachen Handling und Trail-Spaß fällt der Unterschied des Lapierre eZesty AM LTD Ultimate zu einem modernen Enduro-Bike nur marginal aus. Das Testbike ähnelt damit nicht motorisierten Mountainbikes mehr als alle Vertreter der etablierten Bosch-Liga. Was bedeutet das für die Entwicklung klassischer Mountainbikes?

Mit USB-Kabel und Laptop am Bike-Setup – sehen die neuen MTB-Geeks also demnächst so aus? Vermutlich nicht, denn die Software zum Auslesen des FAZUA-Systems ist für Endkunden nicht verfügbar.
Nachdem wir das Bike sowohl in der Toskana auf den Trails rund um Massa Vecchia als auch auf unseren Hometrails rund um Stuttgart bei unterschiedlichsten Bedingungen getestet haben, steht fest: Dieses vollgefederte E-Mountainbike-Konzept mit FAZUA-Motor ist revolutionär!

Das agile Handling des Lapierre eZesty kann auf voller Linie überzeugen und ermöglicht eine Linienwahl, die mit klassischen E-Mountainbikes nur mit deutlich mehr Kraftaufwand und Einsatz möglich ist. Man fühlt sich auf Anhieb wohl und sehr gut in das Bike integriert. Die ausgewogene Radlastverteilung und der leichtfüßige Charakter des eZesty machen verdammt viel Laune und erlauben es, mit dem Terrain zu spielen und das Bike präzise über verwinkelte Trails zu manövrieren – wäre da nicht das Fahrwerk!

Die Hinterbauperformance konnte das Testteam nicht überzeugen. Auch wenn der feinfühlige Hinterbau sehr satt und plush auf dem Trail liegt, so lässt er für eine sportlichere Fahrweise viel Feedback missen: Die recht lineare Federungskennlinie am Heck bietet wenig Support im mittleren Federwegsbereich, der Hinterbau sackt in Kurven weg und bietet wenig Gegenhalt. Dadurch wird die Fahrperformance schwammig und im verblockten Gelände undefiniert: sehr schade, denn die Geometrie ist prädestiniert dafür, richtig Gas zu geben! Ein Dämpfer-Tuning könnte Abhilfe schaffen!

Wenn Dreck an die Hinterbau-Umlenkung gelangt, quietscht und knarzt sie recht laut

Im Uphill sorgt der flache Sitzwinkel für eine hecklastige Sitzposition, der Hinterbau wippt und sackt in steilen Uphills weg. Wir empfehlen deshalb, den Sattel möglichst weit nach vorne zu schieben und auch die Plattformdämpfung des Hinterbau-Dämpfers hinzuzuschalten. Für große Fahrer verstärkt sich dieser Effekt noch, da sie die Sattelstütze noch weiter hinausziehen müssen und der effektive Sitzwinkel dadurch noch flacher wird.

Was bedeutet die Motoren-Unterstützung in der Praxis?

Die Motor-Unterstützung am Lapierre weiß zu gefallen! Wer natürlich direkt von einem Bosch-Bike auf das Lapierre wechselt, der wird erst mal Ernüchterung erfahren – schließlich ist der FAZUA-Motor deutlich leistungsärmer. Der stärkste FAZUA-Unterstützungsmodus RocketMode ist von der spürbaren Leistung her ähnlich dem Tour-Modus bei Bosch-Motoren.

Mit bis zu 60 Nm Drehmoment fehlt dem FAZUA Evation etwas Power im wirklich steilen Gelände und beim Anfahren in schweren Gängen. Die generell recht hohe Drehzahl des Motors gleicht schwere Gänge zwar einigermaßen gut aus, dennoch ist im Vergleich zu stärkeren Motoren die richtige Gangwahl wichtig. Denn der optimale Trittfrequenzbereich und damit auch die Effizienz liegt zwischen 50 bis 90 Umdrehungen pro Minute, bei 70 bis 80 Umdrehungen fanden wir den Sweetspot. Der Übergang an der 25-km/h-Schwelle ist gut, man hat nicht das Gefühl, plötzlich gegen eine Wand zu fahren! Anders ist es, wenn man vom RocketMode auf Off umschaltet: Dann spürt man deutlich, wie stark der kleine Motor doch unterstützt. Dieses Gefühl kennt jeder, der schon mal nach einem tollen Vollrausch am nächsten Tag mit dickem Schädel aufgewacht ist und sich gefragt hat, wo seine Superkräfte geblieben sind. Nach einem halben Tag Ausnüchterung – oder im Falle des Lapierre eZesty nach wenigen Minuten – hat man sich jedoch wieder an den Normalzustand gewöhnt. Denn selbst mit ausgeschaltetem Motor fährt sich das eZesty noch gut, das Mehrgewicht ist kaum spürbar. Rund 35 % ist man mit dem eZesty schneller als mit einem nicht motorisierten Enduro – Zeit gewinnt man vor allem bei steileren Anstiegen, wobei die natürlich auch mehr Akkuleistung fressen.

Im Gelände liefert der Motor eine berechenbare Unterstützung und nie zu viel Power und bietet damit gute Traktion. Der Motor schiebt leicht nach, was im Gelände – z. B. bei einer nahenden Stufe – perfekt ist. Die Unterschiede zwischen den drei Modi sind deutlich spürbar und über die gut erreichbare Remote-Einheit einfach zu wechseln.

Jeder, der sich mit E-Mountainbikes auskennt, weiß, dass man keine allgemeingültige Aussage über die Reichweite eines E-Mountainbikes treffen kann. Dennoch wird die Frage häufig gestellt. Damit ihr ganz grob ein wenig Orientierung habt: Wir sind auf unserer Testrunde mit steilen Rampen und leichten Anstiegen auf Teer- und Forststraßen sowie Singletrails bei feuchten, leicht matschigen Bedingungen rund 30 km und 1.000 hm weit gekommen, bei Fahrergewichten zwischen 70 und 75 kg. Wer durchweg im BreezeMode fährt, wird natürlich mehr schaffen können. Zum Thema Reichweite und weshalb man sich auf obige Angabe nicht fixieren sollte, empfehlen wir euch außerdem diesen Artikel: Wie weit komme ich mit einer Akkuladung? Die Wahrheit über Labortests.

Typisch FAZUA ist zusätzlich zum regulären Motorengeräusch ein leises, hochfrequentes Pfeifen des Spannungsreglers zu vernehmen
Disco-Feeling: Die minimalistische Bedieneinheit fungiert auch als Display und zeigt über integrierte LEDs die Unterstützung an. Sie kommuniziert auch mit der FAZUA-App auf dem Smartphone, die außer der Navigation auch alle wichtigen technischen Daten und den Ladezustand der Batterie darstellen kann.

Für wen ist das Lapierre eZesty AM gemacht?

Das Lapierre eZesty begründet eine neue Kategorie an E-Mountainbikes, die zwischen der etablierten Bosch-Liga und unmotorisierten Bikes liegt und dem Handling sowie Feeling eines nicht motorisierten Mountainbikes gefährlich nahe kommt! Damit ist das Lapierre eine exzellente Wahl für alle Mountainbiker, die es bergauf ein bisschen gemütlicher haben wollen und bergab ein leichtfüßiges und agiles Handling wünschen, wie sie es von unmotorisierten Trail- bzw. Enduro-Bikes kennen. Durch sein natürliches Fahrverhalten ist das Lapierre eZesty prädestiniert dafür, in Gruppen mit Bikes ohne Motor bewegt zu werden, etwa wann man sonst nicht mit den Kumpels mitkommt oder einfach in einem niedrigeren Pulsbereich fahren möchte. Dank des herausnehmbaren Akkus kauft man quasi zwei Bikes in einem.
Eine weitere Zielgruppe sind sicherlich viele Biker, die aktuell ein E-Mountainbike der Bosch-/Shimano-Klasse fahren und es hauptsächlich im Eco- oder Tour-Modus bewegen – laut unserer letztjährigen Leserumfrage ist das der Großteil unserer Leserschaft – und die sich ein leichteres Bike wünschen. Das Lapierre wiegt mit seiner sinnvoll-robusten Ausstattung zwar 18,4 kg und ist damit auf der Waage alles andere als leicht, es wirkt im realen Handling aber deutlich leichter!

Fazit

Die Franzosen haben mit dem Lapierre eZesty AM LTD Ultimate ein wegweisendes Bike geschaffen, das eine neue Kategorie an leichten E-Mountainbikes begründen wird. Auch wenn das eZesty mit 18,4 kg schwerer als erwartet ist, so spiegelt sich das nicht in der Trail-Performance wider – im Gegenteil, es ist deutlich leichtfüßiger als E-Mountainbikes der Bosch-Liga und steht der Performance eines unmotorisierten Trail- oder Enduro-Bikes in fast nichts nach! Das FAZUA-Konzept geht voll auf, allerdings trüben die Hinterbauperformance sowie der flache Sitzwinkel das Gesamtbild. Mit einem anderen Dämpfer bzw. Dämpfungs-Setup sollte die Performance aber deutlich steigen. Wie sich das Lapierre gegen die spannendsten und besten E-Mountainbikes 2019 schlägt, erfahrt ihr in der kommenden Ausgabe.

Mehr Infos unter: bikes-lapierre.de


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Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.