Bislang gab es wenig gute Gründe, ein E-Mountainbike-Hardtail zu fahren – zumindest, wenn man abgesehen von einem günstigeren Preis auch ordentlich Trailperformance wollte. Doch die neueste Generation an E-Mountainbike-Hardtails hat einen Quantensprung in Sachen Fahrperformance hingelegt und bietet nun deutlich mehr als bloß Entspannung für euren Geldbeutel. Wir haben die sechs spannendsten Räder mit ganz unterschiedlichen Konzepten verglichen.
Der Preis ist bei E-Mountainbike-Hardtails eines der wichtigsten Kriterien. Im Schnitt sind sie rund 1.000 € günstiger als ein vergleichbares vollgefedertes Modell und damit die Einstiegsdroge für viele E-Enthusiasten. Zudem sind sie mit ihrem deutlich simpleren Aufbau auch weniger serviceintensiv. Doch Hardtail ist nicht gleich Hardtail. Denn dieser Vergleichstest offenbarte gravierende Unterschiede in Sachen Performance, Reichweite und Sicherheit.
Die Testparameter
Um E-Mountainbike-Hardtails richtig beurteilen zu können, muss man verstehen, wo sie hauptsächlich eingesetzt werden. Unsere repräsentative Leserumfrage mit mehr als 1.500 Teilnehmern lieferte hier wichtige Informationen und half uns, die richtigen Testparameter zu setzen. Über 75 % aller Fahrer, die ein Hardtail kaufen wollten, fahren überwiegend auf breiten Schotterstraßen oder Asphalt. Lediglich 17 % begeben sich auf flowige Trails und nur 6 % gaben an, dass sie mit dem E-Hardtail tatsächlich in technisches Gelände wollen. Häufig werden E-Hardtails als Commuter für den Weg zur Arbeit genutzt oder mit Schutzblechen und einem Gepäckträger versehen im Alltag eingesetzt.
Entsprechend waren bei diesem Vergleichstest neben Preis und Fahrperformance vor allem Zuverlässigkeit, Reichweite und Sicherheit wichtige Kriterien.
Verschiedene Antriebe, verschiedene Charaktere
Gleich vier verschiedene Antriebskonzepte mit unterschiedlichen Charakteristika kamen bei den sechs Testbikes zum Einsatz. Der bei Haibike und SCOTT verbaute Bosch-Antrieb setzt dabei die Benchmark und begeistert mit gleichmäßiger Leistungsentfaltung über einen breiten Trittfrequenzbereich, massig Power und unauffälligem An- und Abschalten beim Erreichen der 25-km/h-Grenze. Bei beiden Rädern ist ein 500-Wh-Akku verbaut. Nicht nur weniger Akkukapazität (460 Wh), sondern auch weniger Power besitzen das Specialized Turbo Levo HT und das BH Revo. Beide Bikes verfügen über ein Brose-Aggregat, wobei Specialized über die Mission Control-App eine individuelle Motorenabstimmung zulässt. In den Grundzügen funktionieren die beiden Motoren ähnlich und belohnen den eigenen Einsatz erst bei einer höheren Trittfrequenz mit maximaler Unterstützung. Das genaue Gegenteil macht der bei Giant verbaute Sync-Drive Yamaha-Antrieb. Er nötigt den Fahrer nahezu, mit einer geringen Trittfrequenz von max. 80 Umdrehungen pro Minute zu pedalieren und liefert darüber hinaus kaum mehr Support. Auffällig unauffällig arbeitet der Impulse Evo RS im FOCUS JARIFA. Er wird von einem riesigen 612-Wh-Akku gespeist, der dem Bike die mit Abstand größte Reichweite verleiht. Einen Hinterrad-Nabenantrieb besitzt keines der Testbikes. Während diese bei urbanen E-Bikes definitiv ihre Berechtigung haben, sind Nabenmotoren für den E-Mountainbike-Einsatz nicht geeignet, da sie in der Regel relativ schnell überhitzen und auch die Gewichtsverteilung auf dem Bike und das Handling deutlich verschlechtern.
Get connected
Das Smartphone ist fester Bestandteil unseres Lebens und hält nun auch an E-Mountainbikes Einzug. Den größten Funktionsumfang besitzt die mit dem Industry Award des Design & Innovation Award 2016 ausgezeichnete Mission Control-App von Specialized, mit der sich nicht nur die komplette Motorcharakteristik anpassen lässt, sondern die auch eine Restreichweiten gestützte Navigation ermöglicht. FOCUS bietet mit der eigenen Impulse-App die Möglichkeit, die wichtigsten Navigationsfunktionen direkt am Bike-Display zu steuern und abzubilden.
Der Einsatzzweck – eine Frage der Laufradgröße
Drei 27,5+ Bikes, zwei 29″-Bikes und ein Rad mit 27,5″-Laufrädern hatten wir im Test. Auffallend: Dank fetterer Reifen bieten alle drei 27,5+ Modelle mehr Komfort, Grip und Sicherheit, ohne dass man als Fahrer spürbare Abstriche in Sachen Rollwiderstand und Reichweite in Kauf nehmen muss. Wer vorhat, mit seinem E-Hardtail auch einmal auf Trails unterwegs zu sein, für den ist die Wahl eines Plus-Modells Pflicht. Die Räder mit klassischen Laufradgrößen (29″ und 27,5″) hingegen eignen sich, nicht zuletzt aufgrund schlecht gewählter Reifen, maximal für sehr gemäßigten Geländeeinsatz und Touren auf befestigten Schotterstraßen.
Noch immer ein Sicherheitsrisiko – die Ausstattung
Im Testfeld besaßen gleich mehrere Bikes zum Teil starke Ausstattungsmängel. Besonders gravierend sind dabei zu schwache Bremsen, zu kleine Bremsscheiben oder unterdimensionierte Reifen, wie sie bei SCOTT, BH und Giant zum Einsatz kommen. Die FOX-Federgabel am BH Revo besitzt obendrein keine Steckachse, was massiven Flex und ein schwammiges Handling zur Folge hat. Details, die man im Jahr 2016 eigentlich an keinem Bike mehr vorfinden sollte. Auf Nachfrage gab BH an, dass sie die Ausstattung für die kommende Saison angepasst und die von uns kritisierten Punkte ausgebessert haben – wir sind gespannt.
Ein Bauteil, das den Fahrspaß und die Fahrsicherheit enorm erhöht, ist eine Teleskopsattelstütze. Leider sucht man sie bei Haibike, BH und SCOTT vergebens. Hieran ist auch der hohe Preisdruck im Einzelhandel schuld, der die Hersteller dazu bewegt, bestimmte Preispunkte zu erreichen – und mehrere Hundert Euro Mehrpreis für eine Teleskopsattelstütze lassen sich nicht so einfach erklären. Entsprechend sehen viele Hersteller Teleskopsattelstützen eher als Nachrüstungskomponente. Wie es richtig geht, zeigen FOCUS und Specialized, die beide eine durch die Bank funktionelle und zuverlässige Ausstattung verbauen. Lediglich die Kettenführung am Specialized schaffte es nicht, ihre Dienste zufriedenstellend zu erfüllen.
Am BH und am Giant sind 2-fach-Kurbelgarnituren montiert – was im Laden häufig ein Wunsch des Kunden und sicherlich ein gutes Argument für den Verkäufer ist. Doch in der Realität funktionieren sie genau dann nicht, wenn man sie braucht. Der Motor bringt am Berg so viel Kraft auf die Kette, dass sie beim Schaltvorgang nicht vom großen auf das kleine Kettenblatt wechseln will. Der einzige Benefit: Ist die Batterie leer, kann man leichter nach Hause treten.
Bike | Antrieb / Akku | Gewicht | Preis |
---|---|---|---|
BH Revo 29 ER746 | Brose / 460 Wh | 21,65 kg | 3.799 € |
FOCUS Jarifa Fat Pro | Impulse EVO RS / 612 Wh | 21,39 kg | 3.999 € |
Giant Dirt-E+ 0 | SynDrive/Yamaha / 500 Wh | 21,44 kg | 3.699 € |
Haibike XDURO HardSeven Plus RX | Bosch Performance CX / 500 Wh | 21,53 kg | 3.999 € |
SCOTT E-Aspect 910 CX | Bosch Performance CX / 500 Wh | 20,44 kg | 3.599 € |
Specialized Turbo Levo HT Comp 6Fattie | Brose Custom Trail Tune / 460 Wh | 21,26 kg | 3.799 € |
Top
Flop
Bike | Uphill | Downhill | Fahrkomfort | Fahrsicherheit | Reichweite | Preis / Leistung |
BH | ●●○○○ | ●○○○○ | ●●○○○ | ●○○○○ | ●●●○○ | ●○○○○ |
FOCUS | ●●●●● | ●●●●○ | ●●●●○ | ●●●●● | ●●●●● | ●●●●● |
GIANT | ●●●○○ | ●●○○○ | ●●●○○ | ●●●○○ | ●●●●○ | ●●●○○ |
HAIBIKE | ●●●●● | ●●●●○ | ●●●●○ | ●●●●○ | ●●●●○ | ●●●●○ |
SCOTT | ●●●○○ | ●●○○○ | ●●●○○ | ●●○○○ | ●●●●○ | ●●●○○ |
SPECIALIZED | ●●●●● | ●●●●● | ●●●●○ | ●●●●● | ●●●○○ | ●●●●● |
Das beste E-Mountainbike-Hardtail bis 3.999 €
Das beste Gesamtkonzept in diesem Test besitzt das FOCUS JARIFA FAT PRO. Es überzeugt mit ausgewogenen Fahreigenschaften, komfortabler Sitzposition, gelungener Geometrie, durchdachter Ausstattung und einem zuverlässigen Antrieb. Dank extra großem Akku besitzt es obendrein die größte Reichweite und sichert sich so den Testsieg. Die optische Integration ist noch verbesserungswürdig, doch letztlich beeinflusst dieser Faktor nicht das Fahrgefühl und genau hier punktet das FOCUS sowohl auf gemäßigten Touren als auch im Traileinsatz und wird nur im anspruchsvollen Terrain vom Specialized Turbo Levo HT Comp abgehängt, welches das beste Trailhandling besitzt. Fahrer, für die maximale Trailperformance im Vordergrund steht, greifen daher zum Specialized, müssen hier jedoch eine geringere Akku-Reichweite in Kauf nehmen. Der Verzicht auf ein Display und einen Remotehebel am Lenker und der Einsatz der eigenen Mission Control-App zeigen den radikalen Ansatz der Kalifornier und so setzt Specialized Maßstäbe in Sachen Integration und Connectivity.
Das Haibike XDURO HardSeven Plus RX punktet mit einem sehr guten Gesamtpaket und verpasst den Testsieg nur aufgrund kleinerer Schwächen in der Ausstattung. Das SCOTT E-Aspect 910 CX und das Giant Dirt-E+ 0 werden im Geländeeinsatz von der Plus-Konkurrenz förmlich überrollt. Beide Räder liefern dank komfortabler Sitzpositionen und überwiegend guter Ausstattung jedoch auf Forststraßen eine solide Performance. Leider abgeschlagen rangiert das BH Revo am Ende des Testfelds. Trotz schicker Motorintegration gelingt es dem Rad nicht, die Schwächen in der Ausstattung zu kompensieren.
Alle Bikes im Test: BH Revo 29 ER746 | FOCUS Jarifa Fat Pro | Giant Dirt-E+ 0 | Haibike XDURO HardSeven Plus RX | SCOTT E-Aspect 910 CX | Specialized Turbo Levo HT Comp 6Fattie
Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!
Words: Photos: Christoph Bayer, Noah Haxel