SRAM will mit dem neuen Motor- und Schaltsystem Eagle Powertrain das Trailriding vereinfachen – mit Automatikschaltung, integrierten Komponenten und nur zwei Fahrmodi. Wir haben das E-Bike-Motor-System bereits ausführlich in vier unterschiedlichen E-MTBs um den halben Globus getestet. Ob die Trail-Mission gelingt ob Trailfahren tatsächlich einfacher wird und warum SRAM vor einem Dilemma steht, sagen wir euch in unserem Test!

SRAM Eagle Powertrain | 90 Nm | 2,98 kg | Hersteller-Website

Mit dem Apollo-Programm setzt SRAM nicht zur Mondlandung an, sondern holt zum zweiten Paukenschlag nach der Vorstellung der Direct-Mount-Schaltgruppe Transmission aus. Die Amerikaner stellen ihr erstes E-MTB-Motor-Komplettsystem vor. Komplett heißt im Fall von SRAM nicht nur ein Motor, sondern auch direkt eigene Hard- und Software sowie das Einbinden der Schaltgruppe. Als Basis dient jedoch kein eigens entwickelter Motor, sondern der Brose Drive S Mag, den auch die Premium-Bike-Brand Specialized als Basis für ihren Specialized 2.2-Motor verwendet. So konnte sich SRAM auf die Entwicklung von Motor-Software, Akku, Display, Remotes und die Integration der SRAM-Transmission-Schaltung konzentrieren. Mit 90 Nm Drehmoment und 680 Watt Maximalleistung sind die Eckdaten ähnlich denen des Basismotors. Für die Vorstellung des neuen Komplettpakets musste allerdings gewartet werden, bis die elektronische SRAM Transmission-Schaltgruppe auf den Markt gebracht wurde, die wir bereits für euch getestet haben. Sie war notwendig, um die erforderliche Schalt-Performance zu gewährleisten, wodurch automatisches Schalten – auch unter Last – beim neuen Powertrain-Motorsystem ermöglicht wird. Die Einbindung der Transmission-Schaltgruppe bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass es kaum Bikes mit SRAM-Motorsystem und ohne Transmission geben wird, womit man natürlich eine bittere Preispille schlucken muss. Bei der Integration in das E-Mountainbike arbeitet SRAM eng mit den Bike-Marken zusammen, um eine bestmögliche Lösung zu finden. Auch im Service-Fall kümmert sich SRAM um alles, und es wechseln nicht die Zuständigkeiten, wie es bei vielen anderen Bike-Herstellern der Fall ist, die auf ein externes Motorsystem setzen.

In Sachen Automatikschaltung ist SRAM jedoch nicht alleine. Auch Shimano bietet mit der 2022 vorgestellten Shimano DEORE XT Di2-Kettenschaltung einen Automatik-Modus für den Shimano EP801-Motor an.

Der neue SRAM Eagle Powertrain im Detail

Die Basis des SRAM-Motorsystems Eagle Powertrain ist der bewährte Brose Drive S Mag, der vor allem aus dem Specialized Turbo Levo bekannt ist. Dass der E-Bike-Motor schon etwas in die Jahre gekommen ist, merkt man vor allem an den Proportionen: Insbesondere der Tretlagerbereich fällt groß und klobig aus. Im Inneren setzt er auf die gleiche Technik wie der Brose Drive S Mag. Die Kraft wird durch ein System, bestehend aus Riemenantrieb und doppeltem Klemmkörperfreilauf, übertragen. So hat man keinen Tretwiderstand beim Pedalieren ohne Motorunterstützung und kann das Bike im Falle eines leeren Akkus noch relativ entspannt nach Hause treten. Doch der Riemenantrieb des Brose Drive S Mag hatte in der ersten Version häufig Probleme, wurde seitdem aber laut SRAM leicht mechanisch überarbeitet, wodurch diese Probleme kein Thema mehr sein sollen. Auch die eigens entwickelte Software von SRAM soll die Lastspitzen etwas abschwächen und den Riemen weiter entlasten. Die Eckdaten des Eagle Powertrain sind fast identisch mit der Basis von Brose. Der Powertrain kommt ebenfalls mit 90 Nm Drehmoment und wiegt 2,98 kg. In der Spitze bringt der Motor 680 Watt Maximalleistung und übertrifft somit z. B. den Platzhirsch Bosch Performance Line CX mit seinen 600 Watt Spitzenleistung. Aber Achtung: Die Werte auf dem Papier sind mit Vorsicht zu genießen und geben nur bedingt Aufschluss über die wirkliche Leistung eines E-Bike-Motors. Das Ausschlaggebende ist immer noch die Fahr-Performance auf dem Trail.

Dass die Basis des SRAM Eagle Powertrain schon etwas in die Jahre gekommen ist, merkt man an den Proportionen, da der Tretlagerbereich groß und klobig wirkt.

Nicht nur die Software kommt aus dem Hause SRAM, auch die Akkus und das Steuerungskonzept wurden für den Eagle Powertrain komplett neu entwickelt. Mit Strom versorgt wird der Motor durch zwei verschiedene Akku-Optionen, die sich nicht nur in ihrer Akku-Kapazität und den Proportionen unterscheiden, sondern auch in ihrer Befestigungsart im Bike. Der kleinere 630-Wh-Akku kann aus dem Unterrohr herausgeklappt werden. Unter dem Akku-Cover befindet sich die Befestigungsschraube, die zuerst gelöst werden muss, um den Akku nach unten entnehmen zu können. Durch Metallklammern wird der Akku nach dem Losschrauben in seiner Position gehalten und fällt nicht direkt aus dem Rahmen. Mit einem leichten Ruck lässt er sich dann herausnehmen. Die größere 720-Wh-Variante wird entweder nach unten aus dem Unterrohr geslidet oder ist fest verbaut. Mit 4,1 kg bringt er so knapp ein Kilo mehr auf die Waage als die kleinere Compact-Size-Version. Die Umsetzung der Integration des jeweiligen Akkus, ob fest verbaut oder entnehmbar, unterscheidet sich je nach Bike-Hersteller und dessen Konzept.

Der größere 720-Wh-Akku bringt mit 4,1 kg knapp ein Kilo mehr auf die Waage als die kleinere Version. Die Umsetzung der Integration beider Akkus bleibt dem Bike-Hersteller überlassen.
Der kleinere 630-Wh-Akku wird per Schraube an Ort und Stelle gehalten und kann nach dem Lösen aus dem Unterrohr entnommen werden.
Der 720-Wh-Akku ist entweder fest verbaut oder kann aus dem Unterrohr geslidet werden. Dafür muss der Motor rotiert werden.

Für die Langstreckenfresser unter euch, die größere Touren ohne Lademöglichkeit bestreiten wollen, plant SRAM einen Range-Extender mit 250 Wh. Er wird nicht wie viele Modelle anderer Hersteller einfach in den Flaschenhalter gesteckt, sondern an einer speziellen Halterung befestigt. Die Halteschiene soll auch auf anspruchsvollen Trails einen sicheren Halt garantieren und wird entweder direkt in den Rahmen integriert oder an den Montagepunkten des Flaschenhalters befestigt. Um nicht die Halterung des Range-Extenders immer hin- und herschrauben zu müssen, falls man doch mal eine Flasche mitnimmt, gibt es einen extra Flaschenhalter, der in die Schiene eingeklippt werden kann. Allerdings gibt der Range-Extender seine Energieressourcen nur frei, wenn sich der Motor im schwächeren Range-Fahrmodus befindet. Im starken Rally-Modus zieht der Motor seine Energie ausschließlich aus dem Hauptakku, da die Energiemenge, die der Range-Extender bereitstellt, zu gering ist. Alle, die wie Colin McRae im Dauer-Rally-Modus unterwegs sind, können mit dem Range-Extender also nur den bedrückenden Heimweg antreten, wenn dann kein Rally-Modus mehr aktiviert werden kann.

Die Displays und Remotes des SRAM Eagle Powertrain

Die Steuerungszentrale des SRAM Eagle Powertrain bildet das AXS Bridge-Display. Wie viele andere Hersteller integriert SRAM das Display ins Oberrohr, leider kann es nicht ganz bündig im Rahmen versenkt werden. Das ist der Antenne geschuldet, mit der das Hirn des Systems mit den Komponenten kommuniziert. Die Display-Einheit macht aber einen robusten Eindruck und besteht aus einem kleinen Farbbildschirm und zwei Knöpfen. Der Knopf unter dem Bildschirm dient dem Wechseln der Fahrmodi, der obere zum Ein- und Ausschalten des Systems. Mit letzterem kann das System auch durch kurzes Drücken in den Service-Modus versetzt werden. Abgesehen vom Motor bleibt das System inklusive Schaltung an. Das ist vor allem dann praktisch, wenn man auf dem Trail einen kurzen Boxenstopp einlegen muss oder etwas Waldboden aus der Schaltung holt, den man auf dem Trail gesammelt hat. Dabei solltet ihr übrigens zu eurer Sicherheit immer den Motor ausschalten, damit keine Finger in den Antrieb kommen! Das Display zeigt nur die notwendigsten Informationen wie den Akku-Stand in Prozent und den gewählten Fahr- und Schaltmodus an. Auch dass das System nur die zwei Fahrmodi Range und Rally hat, unterstreicht den Fokus auf Minimalismus zusätzlich. Während der Rally-Modus die volle Power des SRAM Eagle Powertrain für anspruchsvolles Terrain freisetzt, ist der Range-Modus eher für moderates Gelände und für längere Strecken zum Energiesparen gedacht. Die Fahrmodi lassen sich in Sachen maximaler Power und Dynamik über die App in einem bestimmten Bereich einstellen. Zudem hilft ein Erklärungs-Button direkt daneben, damit auch Einsteiger sich schnell zurechtfinden.

Durch kurzes Drücken des Ein- und Ausschaltknopfes wird das System in den Service-Mode versetzt. Der ist vor allem dann praktisch, wenn man am Bike was schraubt, ohne das System ganz abschalten zu wollen.
Das SRAM AXS Bridge-Display sitzt integriert im Oberrohr und zeigt nur das Nötigste wie gewählten Fahrmodus, Schaltmodus und den Akku-Stand in Prozent an.

Zum Steuern des Eagle Powertrain-Motorsystems sucht man eine eigene Remote vergeblich. Egal, ob Wechseln der Fahr- und Schaltmodi, der Gänge oder der Sattelstützen-Position, alles wird über die beiden AXS-Pods am Lenker gesteuert. Sie überzeugen mit einer guten Haptik durch die gummierten Tasten, und durch das definierte Klicken weiß man sofort, auch ohne einen Blick auf das Display zu werfen, ob der Befehl umgesetzt wurde. Der Wegfall einer zusätzlichen Remote und die Positionierung unter dem Lenker sorgen für ein super-cleanes Erscheinungsbild am Cockpit, aber auch dafür, dass die Tasten mit einigen Funktionen doppelt belegt werden müssen. So schaltet man zum Beispiel – bei der Standardbelegung – mit der oberen Taste am rechten Pod durch kurzes Drücken in einen leichteren Gang, bei langem Drücken aktiviert oder deaktiviert man die Auto-Shift-Funktion. Jedoch habt ihr über die AXS-App die Möglichkeit, die Tasten frei nach eigenen Vorlieben anzupassen. Neben der freien Tastenbelegung vereint SRAM auch alle anderen Funktionen und Einstellungen in einer App. So lassen sich nicht nur der Motor und die Schaltung anpassen, sondern man hat wie bei der Shimano E-Tube-App einen Überblick über alle mit dem AXS-System gekoppelten Komponenten und kann sie direkt verwalten. Auch Updates laufen gesammelt über die AXS-App und dann über das AXS Bridge-Display. So muss nicht jede einzelne Komponente mühsam separat upgedatet werden. Doch clevere und hilfreiche Features wie eine Navigationsfunktion und elektronische Diebstahlsicherung über die App fehlen (noch). Die Brose E-Bike-App bietet hingegen eine Navigationsfunktion, allerdings bekommt man keine Routenanweisungen auf das Display geschickt und muss immer wieder das Smartphone aus der Tasche holen, um nach dem richtigen Weg zu schauen. Bei den Motoreinstellungen hat die SRAM AXS-App im Vergleich zur Brose E-Bike-App die Nase vorn. Bei letzterer ist die Anpassung wenig durchdacht, und die Fahrmodi können nach Belieben und ohne jede Limitierung bearbeitet werden. So lässt sich z. B. der Eco-Modus zum kraftvollen Turbo umpolen. Die Anpassung erfolgt auch nur mit einem Regler pro Unterstützungsstufe, der von 0–100 positioniert werden kann. Hier gehen SRAM und Specialized deutlich mehr ins Detail und erlauben es, mehrere Parameter pro Unterstützungsstufe einzustellen.

Der SRAM Eagle Powertrain wird komplett über die AXS-Pods gesteuert. Eine extra Remote für die Fahrmodi-Auswahl sucht man vergebens. Die Tastenbelegung kann frei über die SRAM AXS-App angepasst werden.

So funktioniert die SRAM Transmission Automatikschaltung

Viele stellen sich die Frage, warum braucht man eine Automatikschaltung? Die Auto-Shift-Funktion der SRAM Transmission-Schaltgruppe soll das Fahren vereinfachen, sodass der Rider sich voll und ganz auf das Fahren konzentrieren kann und keinen Gedanken ans Schalten verschwenden muss. Wie bei jedem digital gesteuerten System gibt es immer wieder Software-Updates – auch bei der SRAM Transmission Automatik-schaltung. Dahingehend entwickelt sich ihre Funktionalität immer weiter. Rund 200 Schaltvorgänge soll ein durchschnittlicher Fahrer pro Stunde tätigen, anfangs hat die SRAM Transmission Automatikschaltung rund 2.000 Schaltvorgänge pro Stunde vollzogen – also rund das 10-Fache, um möglichst immer eine optimale Trittfrequenz zu gewährleisten. Durch Updates tätigt die SRAM Automatikschaltung mittlerweile rund 700 Schaltvorgänge pro Stunde, je nach Terrain wohlgemerkt.

Äußerlich sieht man kaum einen Unterschied zur herkömmlichen SRAM Transmission-Schaltgruppe. Doch bei genauerem Hinschauen fällt auf, dass die Schaltung ihre Energie nicht aus einem separaten Akku zieht, sondern direkt vom Hauptakku gespeist wird. Das heißt aber auch, die Gänge lassen sich nur mit eingeschaltetem System wechseln. Das Wechseln der Gänge und die Steuerung laufen wie gewohnt über die AXS-Pods. Gleich 6 Magnete statt eines einzelnen an der hinteren Bremsscheibe sorgen für eine genauere Erfassung der Geschwindigkeit für den Schaltalgorithmus, und die Schaltung wechselt dann im Auto-Modus von alleine in den passenden Gang. Dabei dreht der Motor das Kettenblatt selbsttätig an, und die Schaltung wechselt automatisch die Gänge – ein Tritt in die Pedale ist dazu nicht nötig. Nur im Stand funktioniert das Schalten nicht, da der Motor nur das Kettenblatt andreht, wenn auch das Hinterrad und damit die Kassette rotiert. In der Standardeinstellung geht der Algorithmus von einer 85er-Trittfrequenz aus und leitet aus der Fahrsituation den passenden Gang ab. Über die Pods kann man während des Fahrens die gewünschte Trittfrequenz in jeweils drei Stufen weiter nach oben oder unten verschieben. Man kann jedoch auch im Automatik-Modus immer manuell schalten. Durch diese sogenannte Override-Funktion wird der Auto-Shift durch den Fahrer überstimmt und das System pausiert etwa 5 Sekunden mit den automatischen Schaltvorgängen. So habt ihr also die Möglichkeit, trotzdem jederzeit die Gänge zu wechseln, falls ihr bereits sehen könnt, dass etwas unverhofftes wie eine enge Kurve auf euch zukommt. Die Coast-Shift-Funktion – Schalten ohne treten zu müssen – lässt sich immer nutzen, auch wenn die Auto-Shift-Funktion deaktiviert ist.

Die SRAM Transmission-Schaltgruppe zieht nicht wie herkömmlich ihre Energie aus einem eigenen Akku, sondern wird durch die Leitung direkt aus dem Hauptakku gespeist.
Über die AXS-Pods könnt ihr die Kadenz der Auto-Shift-Funktion regeln. In welchem Bereich ihr euch gerade befindet, sieht man am AXS Bridge-Display.

Der SRAM Eagle Powertrain im Praxistest

Fährt man los, stellt sich zuerst natürlich die Frage: Range oder Rally? Im starken Rally-Modus in der Standardeinstellung sorgt der SRAM Eagle Powertrain für ordentlich Shuttle-Feeling und ist ähnlich kraftvoll wie der Bosch Performance Line CX. Nimmt man die steile Abkürzung zum Gipfel, hilft der lange Nachlauf über Stufen und Hindernisse. Sportliche Fahrer profitieren von dem direkten Ansprechverhalten besonders auf technischen Climbs, dennoch setzt die Unterstützung nicht zu harsch ein und überzeugt mit einem natürlichen Fahrgefühl. Dazu trägt auch das kaum spürbare Aus- und Einsetzen oberhalb der 25-km/h-Grenze bei. Fahrer mit einem unrunden Tritt werden von dem Motor nicht aus dem Sattel geworfen, denn er kaschiert Kadenzschwankungen gekonnt und ist so für Anfänger einfach zu beherrschen. Durch die gleiche Motorbasis ist der SRAM Eagle Powertrain gewohnt gut und intuitiv fahrbar, wie man es von Specialized E-Bikes mit dem 2.2-Motor kennt. Im Range-Modus zügelt der Eagle Powertrain seine Power und die Kraftentfaltung setzt deutlich zögerlicher und später ein. So eignet sich der Fahrmodus eher zum gemütlichen Cruisen, statt an der 25-km/h-Grenze dem Gipfel entgegen zu fliegen oder Uphill-Challenges in Angriff zu nehmen – aber dafür gibt es ja den Rally-Modus.

Die mit dem Motorsystem verknüpfte SRAM Transmission-Schaltgruppe eignet sich in der Auto-Shift-Funktion gut, um entspannt zum nächsten Trail zu cruisen. Im ersten Moment muss man sich etwas daran gewöhnen, da die Schaltung manchmal an anderen Stellen die Gänge wechselt, als man es selbst tun würde. In der Ebene ist die Kadenz in der MID-Stellung sportlich und man tritt mit wenig Widerstand in die Pedale. Geht es bergauf, sinkt die Frequenz, mit der man in die Pedale tritt und es fühlt sich etwas mühsam an. So hat unser Redaktionsteam, je nachdem ob wir gerade in der Ebene oder im Uphill unterwegs waren, immer die Kadenz über die Remote leicht angepasst, um in einer angenehmen Trittfrequenz zu bleiben. Auch wenn man die 25-km/h-Grenze überschreitet und keine Motorunterstützung mehr hat, schaltet das System weiterhin in höhere Gänge. Hier hätten wir uns gewünscht, dass der Motor erkennt, dass der Fahrer ohne Unterstützung mehr Eigenleistung geben muss und die Gangwahl dementsprechend angepasst wird. Gerade auf schnellen, flachen Trails findet man sich sonst schnell in einem zu schweren Gang wieder. Zwar verfügt die SRAM Transmission über einen ausgeklügelten Algorithmus, wann geschaltet wird, kann aber natürlich nicht vor einen auf den Trail oder Weg schauen. Fährt man schnell in einen steilen Gegenanstieg, reicht dem Schaltalgorithmus oft die Zeit nicht aus, um in einen leichteren Gang zu wechseln. Für solche Situationen gibt es den Manual Override, mit dem man Auto Shift per Schalthebel überstimmt und dann selbst die Gänge wechseln kann. Gerade in technischen Uphills arbeitet man trotz Manual Override häufig gegen das System und man ist besser beraten, Auto Shift ganz zu deaktivieren. Rollt man nur und tritt nicht in die Pedale, weiß man nie wirklich, in welchem Gang man gerade ist, da das System diesen ständig wechselt. Zwar passt der automatisch eingelegte Gang meist grob, doch bremst man plötzlich vor einer Kurve, kommt das System nicht hinterher und man hat einen zu schweren Gang, um aus der Kurve beschleunigen zu können. Wechselt man die Gänge manuell, weiß man hingegen oft intuitiv noch, in welchem Gang man im letzten Anlieger war. Besser zurecht kommt Auto Shift auf gemütlichen Touren, auf denen die Trittfrequenz nicht ständig wechselt und mehr Zeit bleibt, dass die Schaltung die jeweilige Situation erkennt und sich daran anpasst.

Fährt man flott in einen Gegenanstieg, kommt die Schaltung nicht schnell genug hinterher, um den passenden Gang zu wechseln. Hier muss man selber mitdenken und mit der Override-Funktion den passenden Gang einlegen.

Bei deaktiviertem Auto Shift spielt die Coast-Shift-Funktion ihre Stärken aus. Gerade vor Kurven kann man ohne in die Pedale treten zu müssen in den passenden Gang schalten, und nach der Kurve kann dann mit wenig Pedalumdrehungen der benötigte Speed für den Sprung aufgebaut werden. Auch in verblockten Passagen vor einem steilen Gegenanstieg wechselt man einfach in einen leichteren Gang, ohne Gefahr zu laufen, beim Treten mit der Kurbel an Wurzeln hängen zu bleiben oder die stabile horizontale Pedalstellung aufgeben zu müssen. So kann man sich besser auf Hindernisse auf dem Trail fokussieren.
Der SRAM Eagle Powertrain in Kombination mit der Auto-Shift-Funktion der eingebundenen Transmission-Schaltgruppe ist nicht wie eine Automatikschaltung am Auto, bei der man beim Fahren keine Gedanken mehr ans Schalten verschwenden muss. Auf Touren bewältigt die Auto-Shift-Funktion eine Großzahl der Szenarien, sobald man aber ins technische Gelände fährt und es weit vorausschauende Schaltvorgänge z. B. durch spontane Gegenanstiege auf dem Trail erfordert, kommt man um den Griff zum Daumenschalter nicht herum.

Last but not least: Die SRAM AXS-Schaltkomponenten erzeugen bei jedem Schaltvorgang ein elektrisches Schaltgeräusch. Manche lieben es, andere stört es. Erst recht, da die SRAM Transmission Automatikschaltung deutlich mehr Schaltvorgänge produziert als beim selbst induzierten Schalten.

SRAM Transmission Auto Shift und Coast Shift vs. Shimano DEORE XT Di2 AUTO SHIFT und FREE SHIFT

Wie auch SRAM mit der in den Eagle Powertrain integrierten Transmission-Schaltgruppe bietet Shimano mit der DEORE XT Di2-Kettenschaltung einen automatischen Schaltmodus und einen sogenannten FREE SHIFT-Modus an, der ein Schalten ohne Pedalieren ermöglicht. Egal, ob das SRAM- oder das Shimano-System die Gänge in ihrem jeweiligen Auto-Shift-Modus von alleine wechseln, beide Konzepte eignen sich eher für Touren oder das Shuttlen zum nächsten Trail-Einstieg. In komplexen Trail-Situationen sind beide Systeme zu überfordert, als dass man sich keine Gedanken über das Schalten machen müsste. Im Gegenteil: Man kämpft ständig gegen den Schaltalgorithmus an, um im richtigen Gang zu bleiben. Die Kadenz für den Auto-Shift-Modus lässt sich sowohl bei SRAM als auch Shimano über die Pods oder den Schalthebel anpassen. Einen Override-Modus, um den Auto-Shift-Modus für einen kurzen Zeitraum zu überstimmen und selbst die Gänge zu wechseln, haben auch beide. In steilen Anstiegen schafft es die SRAM Transmission-Schaltgruppe noch etwas zuverlässiger und smoother die Gänge zu wechseln als die Shimano DEORE XT Di2.

Für wen ist der SRAM Eagle Powertrain?

Das SRAM Eagle Powertrain-System ist nichts für den schmalen Taler, da es aufgrund der Integration der Transmission-Schaltgruppe momentan fast nur in High-End Performance-E-MTBs zum Einsatz kommt. Aktuell liegt die Preisspanne der bekannten Bikes mit SRAM Eagle Powertrain zwischen 7.999 € und 13.399 €. Durch das Motorsystem werden zwar andere AXS-Komponenten wie die Sattelstütze nicht zur Pflicht, dennoch ergibt es vor allem in Sachen Integration Sinn. Zudem erscheint es fragwürdig, solch teure Komponenten dann z. B. mit einem sehr günstigen Fahrwerk oder schlechten Bremsen zu kombinieren. Wird das Bike dann doch z.B. mit einer mechanischen statt kabellosen Sattelstütze kombiniert, wird der linke AXS-Pod gegen eine Leitung und eine herkömmliche Dropper-Remote getauscht. Die Fahrmodi können dann nur am Oberrohr gewählt werden, und ihr müsst auf den Walk-Modus verzichten. Das Motorsystem selbst richtet sich an sportive Fahrer, die auf Trail-Performance stehen. Diese profitieren vor allem vom Coast-Shift-Modus, der ein pedalierloses Schalten auf dem Trail ermöglicht und dem Rider Arbeit abnimmt. Der Auto-Shift-Modus trifft hingegen nicht immer ins Schwarze – vor allem auf technischen Uphills und bei dynamischen Trail-Fahrten – und macht das Fahren dadurch erstmal komplexer als einfacher. Dieser Modus macht mehr Sinn für Tourenfahrer, für die es aktuell aber nicht die geeigneten Bikes mit dem SRAM Eagle Powertrain-System zu kaufen gibt und die selten in einem so hohen Preissegment zuschlagen.

Das Fazit zum SRAM Eagle Powertrain

Mit dem Eagle Powertrain verfolgt SRAM einige coole und spannende Ansätze. Der Motor kommt nicht nur mit einem natürlichen Fahrgefühl, sondern integriert auch eine automatische Schaltung ins System. Der SRAM Eagle Powertrain eignet sich gut zum Shutteln, stößt aber in anspruchsvollen Trail-Situationen, in denen vorausschauendes Fahren gefragt ist, an seine Grenzen. Ökosystem-bedingt werden die zeitnah verfügbaren E-MTBs mit SRAM Eagle Powertrain alle im High-End-Bereich angesiedelt und nicht für den schmalen Taler zu haben sein.

Tops

  • integriertes Komplettpaket von Motorsystem und Schaltung
  • natürliches Fahrgefühl des Motors
  • Auto Shift super für entspanntes Shutteln und Touren

Flops

  • klobig
  • nur als Gesamtsystem mit AXS-Komponenten sinnvoll nutzbar
  • Auto Shift in komplexen Trail-Situationen überfordert
  • hoher Preis der verfügbaren E-MTBs

Mehr Informationen findet ihr unter sram.com


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Words & Photos: Mike Hunger

Über den Autor

Mike Hunger

Von Slopestyle und Landschaftsfotografie, hin zu Enduro und Actionfotografie. Mike probiert gerne neue Dinge aus und hat eine Vorliebe für Action. Und Handwerk: So zieht es ihn mit seinem Syncro-Van, den er selbst restauriert und umgebaut hat, regelmäßig auf verschiedenste Roadtrips. Natürlich immer mit dabei ist sein Bike und seine Kamera, um die feinsten Trails von Italien bis in die Alpen unter die Stollen zu nehmen und die schönsten Momente festzuhalten. Durch seine Ausbildung als Industriemechaniker, seiner Erfahrung aus dem Radsport und seinen Foto-Skills kann er das Know-How perfekt in den journalistischen Alltag umsetzen und testet jetzt als Redakteur die neuesten Bikes und Parts. Als “Foto-Nerd” hält er außerdem die Tests fotografisch fest und sorgt im Magazin für geiles Bildmaterial.