Bei FAZUA hat 2022 nicht nur die Übernahme durch Porsche für Wirbel gesorgt, sondern auch das neue FAZUA Ride 60-Antriebssystems – das bisher jedoch mit vielen Problemen zu kämpfen hatte. Warum es mehr braucht als vielversprechende Eckdaten und wie sich der Minimal-Assist-Motor gegenüber der Konkurrenz einordnet, lest ihr in unserem Test.

Dieser Test ist Teil unseres großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest. Einen Überblick über alle 13 von uns getesteten Motorensysteme, spannende Hintergrundinfos und eine Kaufberatung, worauf ihr beim E-MTB-Kauf achten solltet, erhaltet ihr hier!

FAZUA Ride 60 | 60 Nm | 1,98 kg | Hersteller-Website

Was haben E-Bike Motoren und Sportwagen gemein – nicht viel? Falsch! Der Sportwagenhersteller Porsche setzt mit dem Taycan auf einen vollelektrischen Antrieb und will auch im E-Bike-Segment Gas geben. 2022 hat Porsche den Münchner Motorenhersteller FAZUA gekauft und die neue Firma Porsche eBike Performance GmbH gegründet. Bereits 2017 stellten die Münchner das erste Motorsystem vor, bei dem Akku und Motor noch als eine Einheit konstruiert waren und aus dem Bike komplett entnommen werden konnten. Die Idee hinter der FAZUA Ride 50 Evation Motor-Akku-Einheit war es, ein Light-E-MTB auf den Markt zu bringen, das auch als analoges Mountainbike gefahren werden kann. Die Münchner waren definitiv die Pioniere des Light-E-MTB-Segments, doch ob das zwangsläufig zum Erfolg führt oder die Revolution ihre Kinder frisst, ist noch unklar. Denn seit der Vorstellung des zweiten Minimal-Assist-Motorsystems FAZUA Ride 60 im Jahr 2022, das in Light-E-MTBs und leichten Urban- und Gravel-Bikes zum Einsatz kommt, gibt es bei den Münchnern aktuell einige Baustellen. Zum Zeitpunkt des Vergleichstests hatten wir 7 unterschiedliche E-MTBs mit FAZUA Ride 60 getestet – und mit 5 davon technische Probleme. Die zahlreichen Software-Updates haben schrittweise Verbesserungen gebracht, aber leider gibt es immer noch Kinderkrankheiten. Diesen Frust hört man auch seitens Hersteller, und logischerweise ist es für Endkunden noch frustrierender, wenn das teure Bike nicht zuverlässig funktioniert und man Rides abbrechen muss oder erst gar nicht antreten kann. In unserem großen E-MTB-Vergleichstest 2023 hatten wir auch bei TQ mit dem einen oder anderen Problem zu kämpfen, aber die Quote war hier deutlich niedriger und es gab auch keine Totalausfälle. Doch in jüngster Zeit hat FAZUA Fortschritte gemacht und legt nach. Der Bosch Performance Line SX ist ähnlich leicht wie der FAZUA, wenn auch nicht ganz so klein, aber er liefert nochmal mehr Maximalleistung, ein exzellentes Fahrgefühl und trumpft mit einem etablierten und globalen Service-Netzwerk auf. Es zeigt sich mal wieder: Ein guter Motor allein reicht nicht aus, Software und Service sind mindestens genauso wichtig. Diese Aspekte können aktuell entscheidender für langanhaltenden Fahrspaß sein!

FAZUA Ride 60: Das Motorsystem im Detail – Hokus Pokus Verschwindibus

Durch die längliche Bauform des Motors und der recht breiten Batterie haben viele der Bikes ein Hockeyschläger-förmiges Unterrohr mit einem markanten Knick im Tretlagerbereich. Daher sind Bikes mit dem FAZUA Ride 60-Motor etwas leichter als E-Bikes zu entlarven als der noch kleinere und nahezu unsichtbar integrierbare TQ HPR 50. Dennoch ist der Ride 60 deutlich unauffälliger als der größere Bosch Performance Line SX. Lediglich Haibike dreht den Ride 60 vertikal im Sitzrohr und schafft so eine cleane Integration, die allerdings auch Kompromisse bei der Einstecktiefe der Sattelstütze mit sich bringt. Beim Gewicht unterscheiden sich der FAZUA Ride 60 mit 1,98 kg und der Konkurrent Bosch Performance Line SX nur unwesentlich, nur der etwas kleinere TQ HPR 50 drückt die Waage nochmals um weitere 130 g. Wer unser Motoren-Intro aufmerksam gelesen hat, weiß jedoch, dass ein Vergleich der Motorengewichte nur die halbe Wahrheit ist und es auf das gesamte Motorensystem-Gewicht bzw. sogar die Integrierbarkeit ankommt. In Sachen Power bietet der Ride 60, wie der Name bereits vermuten lässt, 60 Nm Drehmoment und setzt sich damit die Drehmoment-Krone unter den Minimal-Assist-Antrieben auf. Das hat sich auch in unserem Labortest beim Prüfinstitut Velotech gezeigt: In niedrigen Kadenzen hat der Ride 60 in Sachen Drehmoment die Nase vorn, erst bei einer höheren Trittfrequenz wird er vom Bosch Performance Line SX überholt. Im normalen Fahrbetrieb unterstützt er mit bis zu 350 Watt Spitzenleistung, mit dem Boost-Modus für kurze Zeit auch bis zu 450 Watt – aber dazu später mehr.

Vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber sicher noch vor dem zweiten Blick wird klar: Links steht das FAZUA E-Bike und rechts der analoge Bruder.

FAZUA bietet beim Ride 60 ein geschlossenes Komplettpaket an. Strom für den FAZUA-Motor liefert der hauseigene FAZUA Energy 430-Akku mit 430 Wh Akkukapazität, wobei der Bike-Hersteller aus einer fest im Unterrohr verbauten Version oder einer entnehmbaren Version auswählen kann. Der fest verbaute Akku ist mit 2,2 kg rund 100 g leichter und etwas kürzer als das entnehmbare Modell, was sich Haibike beim LYKE zunutze macht und die kürzere Version zugunsten eines tieferen Schwerpunkts verbaut. Durch eine eigene Konstruktion lässt sich der Akku aus dem Unterrohr des Haibike entnehmen und durch einen Adapter auch mit dem herkömmlichen Ladegerät aufladen. In Summe spielt der FAZUA Ride 60 mit 430-Wh-Akku ungefähr in der gleichen Gewichtsliga wie der Bosch Performance Line SX mit dem 400-Wh-Stromspeicher. Nur der TQ HPR 50 inklusive Akku ist noch etwas leichter, was aber dem kleineren Akku und dem leichteren Motor geschuldet ist.

FAZUA bietet ein geschlossenes Komplettpaket aus Ride 60-Motor und dem 430-Wh-Akku an, der je nach Bike-Modell aus dem Unterrohr entnommen werden kann oder fest verbaut ist.

Einen Überblick über die wichtigsten Informationen des Motorsystems gibt die FAZUA LED Hub. Sie zeigt mit fünf kleinen LEDs die aktuell gewählte Unterstützungsstufe und den Akkuladestand an. Allerdings lassen die fünf Punkte lediglich eine Akku-Unterteilung in 20-%-Schritten zu und die unterschiedlichen Farben der Unterstützungsstufen sind bei Sonneneinstrahlung nur schwer zu unterscheiden. Zieht man die schick ins Oberrohr integrierte LED Hub etwas nach oben, versteckt sich an der Stirnseite eine USB-C-Buchse, die sich durch die gute Positionierung hervorragend eignen würde, um sein Smartphone während der Tour zu laden. Ladebuchse ist hier allerdings die falsche Bezeichnung, denn die Ladepower reicht gerade mal aus, um das Smartphone bei aktiviertem Navi auf einem Akkustand zu halten.
Bedient wird das Motorsystem über die am Lenker befestigte FAZUA Ring Control-Remote. Durch ihre schlechte Haptik und das billige Erscheinungsbild kann sie nicht mit der Konkurrenz wie der Bosch Mini Remote oder der TQ HPR 50 Remote mithalten. Durch die intuitive Bedienung lassen sich auch auf dem Trail die Fahrmodi wechseln oder vor einem Anstieg der Boost-Modus zünden. Alternativ kann das System auch über die FAZUA Control Hub bedient werden, die die Funktionen der Ring Control und der LED Hub in einer Remote vereint und die Remote ebenfalls am Lenker befestigt wird. Ein richtiges Display hat FAZUA nicht im Programm. Wer also mehr Informationen wie z. B. Geschwindigkeit oder aktuelle Kadenz bekommen will, muss sich mit einem Fahrradcomputer oder der kostenlosen FAZUA App verbinden.

Die ins Oberrohr integrierte FAZUA LED Hub gibt mit fünf LEDs Auskunft über Akkustand und gewählte Unterstützungsstufe.
Die FAZUA Ring Control-Remote punktet zwar mit intuitiver Bedienung, kann aber in Sachen Haptik nicht mit der Konkurrenz mithalten.

Über die App lassen sich dann auch Touren aufzeichnen, die dann später über Strava oder Komoot mit der Öffentlichkeit geteilt werden können. Eine Navigationsfunktion wie bei der Bosch eBikeFlow App gibt es nicht. Cool und auch einsteigerfreundlich: Bei den Motoreinstellungen überschwemmt die FAZUA App den Rider nicht mit einer Informationsflut oder Diagrammen wie im Mathe-Unterricht, sondern versucht, individuelle Empfehlungen anhand eines Fragenkatalogs zu geben. Durch Angaben zu Einsatzzweck und Fahrstils werden die Unterstützungsmodi personalisiert. Das kommt vor allem Einsteigern entgegen oder allen, die nicht ihre Zeit mit Hin- und Herschieben des Reglers verbringen wollen. Wer doch lieber selbst Hand anlegen will, kann die Fahrmodi in einem bestimmten Bereich in ihrer Maximalpower und Leistungsentfaltung anpassen. So holt die App mit verschiedenen Ansätzen nahezu jeden Fahrertyp ab – top!

Für Fortgeschrittene bietet die App dennoch die klassischen Regler, um die Unterstützungsstufen in einem bestimmten Bereich auf eigene Bedürfnisse anzupassen.
Vor allem Einsteiger erfreuen sich am intuitiven Fragebogen, mit dem die Unterstützungsmodi individualisiert werden können.

Der FAZUA Ride 60 im Test – Leichtgewicht mit Raketenpower?

Auf dem Trail kann man aus drei verschiedenen Fahrmodi mit kreativer Namensgebung wie Breeze, River und Rocket auswählen. In allen drei Unterstützungsstufen unterstützt der FAZUA Ride 60 bis zu 350 Watt. Zündet ihr den Nachbrenner aka Boost-Modus über die Remote, erhöht der Motor die Maximalleistung kurzzeitig auf bis zu 450 Watt. Dieser braucht allerdings eine kurze Zeit, bis er startet und die Dauer hängt vom aktuellen Akkuladestand und der Temperatur des Motors ab. So bekommt man im Idealfall bis zu 12 Sekunden 100 Watt zusätzlichen Schub, nimmt man den Druck vom Pedal, hört der Turbo auch schon früher auf. Das reicht zwar nicht, um bis zum Mond zu fliegen, aber allemal, um an euren Kumpels im Uphill vorbeizuziehen und als erster am Trail-Einstieg zu stehen. Im Rocket-Modus in der Standardeinstellung setzt die Unterstützung deutlich spürbarer ein als in der höchsten Unterstützungsstufe des TQ HPR 50-Motors. Das Ausfädeln bei Erreichen der 25-km/h-Grenze nimmt man dagegen weniger wahr und fühlt sich natürlicher an.

Tritt man in einer niedrigen Trittfrequenz in die Pedale, schieben sowohl der FAZUA Ride 60 als auch der Bosch Performance Line SX ordentlich an. Im Vergleich setzt die Kraft beim FAZUA direkter ein, der SX regelt sanfter und kaschiert auch Trittfrequenz-Schwankungen des Fahrers besser. Dennoch hat das Update auf die FAZUA Ride 60 Version 1.8 die von uns kritisierte Gedenksekunde vor dem Eingreifen deutlich reduziert. Bei der alten Versions hat das Wiedereinsetzen des Motors zu lange gedauert, wenn man im technischen Uphill kurz aufgehört hat zu pedalieren. Mit der Konsequenz, dass die Power urplötzlich eingesetzt hat und man überrascht worden ist. Seit dem Update ist die Kraftentfaltung deutlich direkter an den Pedaldruck und die Trittfrequenz gekoppelt. Bis auf den eher stürmischen Rocket-Modus kommen die anderen Modi nah an ein natürliches Fahrgefühl heran. Allerdings fühlen sich der TQ HPR 50 und der Specialized SL1.2 noch etwas natürlicher an.
Mit der geringen Geräuschkulisse des TQ HPR 50 oder des Bosch Performance Line SX kann der FAZUA Ride 60 nicht ganz mithalten, gehört aber immer noch zu den leisesten Motoren im Testfeld. Erhöhen sich die Trittfrequenz und die Belastung aufgrund eines steilen Uphills, steigt der Geräuschpegel leicht an, was aber im Großen und Ganzen von den Umgebungsgeräuschen überdeckt wird und nicht stört.

Fazit

FAZUA ermöglicht dem Hersteller mit dem Ride 60 ein schlankes Design und ein Motorsystem mit spannenden Eckdaten. In der Praxis punktet der Motor mit einem geringen Geräuschpegel und einem einsteigerfreundlichen Motor-Setup. Doch selbst wenn technisch vieles richtig gemacht ist und die Kennzahlen vielversprechend klingen, muss ein Motorsystem zuverlässig funktionieren. Trotz der Verbesserungen hat das System noch nicht die volle Marktreife erlangt, doch FAZUA legt nach und ist auf einem guten Weg.

Tops

  • schiebt im Uphill ordentlich an
  • einsteigerfreundliches Motor-Setup
  • unauffällige Integration

Flops

  • schlechte Haptik von Remote und Display

Für mehr Informationen besucht fazua.com


Das Testfeld

Einen Überblick über unseren großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest erhaltet ihr hier

Alle Motoren im Test: Bosch Performance Line CX | Bosch Performance Line CX Race (zum Test) | Bosch Performance Line SX (zum Test) | Brose Drive S Mag (zum Test) | FAZUA Ride 60 | GIANT SyncDrive Pro2 (zum Test) | Panasonic GX Ultimate (zum Test) | Pinion MGU E1.12 (zum Test) | Shimano EP801 (zum Test) | Specialized SL 1.2 (zum Test) | Specialized 2.2 (zum Test) | TQ HPR 50 (zum Test) | Yamaha PW-X3 (zum Test)


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Words: Mike Hunger Photos: Diverse

Über den Autor

Mike Hunger

Von Slopestyle und Landschaftsfotografie, hin zu Enduro und Actionfotografie. Mike probiert gerne neue Dinge aus und hat eine Vorliebe für Action. Und Handwerk: So zieht es ihn mit seinem Syncro-Van, den er selbst restauriert und umgebaut hat, regelmäßig auf verschiedenste Roadtrips. Natürlich immer mit dabei ist sein Bike und seine Kamera, um die feinsten Trails von Italien bis in die Alpen unter die Stollen zu nehmen und die schönsten Momente festzuhalten. Durch seine Ausbildung als Industriemechaniker, seiner Erfahrung aus dem Radsport und seinen Foto-Skills kann er das Know-How perfekt in den journalistischen Alltag umsetzen und testet jetzt als Redakteur die neuesten Bikes und Parts. Als “Foto-Nerd” hält er außerdem die Tests fotografisch fest und sorgt im Magazin für geiles Bildmaterial.