Das YT DECOY im Test

Wir hatten bereits die Gelegenheit, das rund 6.600 € teure YT DECOY CF Pro Race in Größe Large auf den staubigen Trails der Côte d’Azur zu testen. Nach einem ersten Basis-Setup des FOX Factory-Fahrwerks mit 30 % SAG am Heck und 20 % SAG an der Front ging es auf die Trails: Aufsitzen und Spaß haben!

Im Uphill schlägt sich das 22,3 kg leichte YT DECOY souverän und bleibt recht ruhig. Trotz der 165 mm kurzen Kurbeln kam es im Gelände zu mehreren Kurbelaufsetzern. Dank des steilen Sitzwinkels von 76° ist die Uphill-Position, wenn man im SAG sitzt, noch gut zentral; man hat nicht das Gefühl, wegzusacken und von hinten zu treten. Dennoch sollte man sein Gewicht im steilen Gelände immer wieder nach vorne verlagern, die 442 mm langen Kettenstreben sind nicht zu kurz und helfen beim Klettern. Über den vom YT JEFFSY und CAPRA bekannten Flip-Chip an der Dämpferaufnahme lässt sich die Geometrie verändern: Wer von der Super-Low-Position in die Low-Position wechselt, erhält ein höheres Tretlager und um 0,5° steilere Sitz- und Lenkwinkel. Das macht sich in der Uphill-Performance deutlich bemerkbar und bringt auch auf ausgedehnten Touren mehr Spaß: Das Rad wird agiler und präziser und die Gefahr von ungewolltem Kontakt der Kurbel mit einem Hindernis am Boden sinkt.

Für Tourenfahrer und eher Uphill-orientierte Fahrer macht die höhere Flip-Chip-Position Sinn. Wer das DECOY vor allem jedoch als Shuttle für adrenalingeladene Abfahrten nutzen will, der sollte in der Position Super-Low bleiben.

Im Downhill entfaltet das YT DECOY sein gesamtes Potenzial und überzeugt uns auf Anhieb mit seinem herausragenden Handling: Das DECOY verschlingt grobe Steinbrocken, fiese Wurzeln und jegliche Unebenheiten zum Frühstück, und fühlt sich dabei so souverän wie ein Downhill-Bike an. In der Luft fühlt es sich super sicher und lädt zum Wippen, Stylen und Spaß haben ein.

Die recht hohe Front – nicht zuletzt dank des 30 mm Rise am Lenker – gibt super viel Sicherheit, selbst im steilen Gelände. Das tief gezogene Oberrohr in Kombination mit dem kurzen Sattelrohr bietet sehr viel Bewegungsspielraum und Sicherheit in der Abfahrt, vor allem auch dann, wenn man einmal ungewollt absteigen muss. Die Balance ist gut, aber in der Ebene muss man etwas arbeiten, um in Kurven richtig Druck aufs Vorderrad zu bekommen. Je steiler das Gelände, desto wohler fühlt sich das Bike. Gleiches gilt übrigens auch für den Schwierigkeitsgrad des Geländes: Auf einfachen, flowigen Trails fühlt sich das Fahrwerk etwas unterfordert an, insbesondere aktive Fahrer wünschen sich hier etwas mehr Feedback vom Untergrund, denn das potente Fahrwerk schluckt einfach alles weg!

In Größe Large muss man das YT DECOY aktiv durch enge Kurven pushen, weil ihm hier ein Tick an Agilität fehlt. Auf Highspeed-Passagen hingegen heißt es: Bremse auf und genießen – je schneller, desto besser. Wer in der Flip-Chip-Position Low statt Super-Low unterwegs ist, der wird merken, dass das Bike nicht mehr ganz so souverän auf dem Trail liegt und einen Tick kippelig im Handling wird, dafür aber etwas leichter um enge Kurven kommt.

Das tiefe Tretlager hat auch zur Folge, dass man in sehr anspruchsvollem Terrain auch mal aufsitzt – was bei uns vorkam: Sinnvollerweise ist der Motor durch eine Skid-Plate geschützt.

Das Bike selbst ist sehr leise, hat kein nerviges Kettenschlagen, Akku- oder Kabel-Klappern und mit dem superben Fahrwerk kommt das tolle Gefühl auf, über jegliche Hindernisse einfach hinwegzufliegen. Draufhalten lautet die Devise! Das einzige Limit sind die Reifen mit EXO- bzw. EXO+-Karkasse, mit denen es viele Plattfüße auf den steinig-schroffen Trails an der Côte d’Azur gab. Leider gibt es den 27,5” x 2.8” Minion DHR II nicht in der nochmals stabileren DoubleDown-Karkasse.

Schaltvorgänge sind am DECOY-Topmodell etwas gewöhnungsbedürftig, da der verwendete Shimano-E7000-Remote-Hebel bei Weitem nicht so ergonomisch ist wie der klassische Shimano XT Di2-Hebel. Zum Ändern der Unterstützungsstufe auf der linken Cockpit-Seite funktioniert der minimalistische E7000-Hebel hingegen perfekt. Darunter findet zudem der Race Face-Hebel für die FOX Transfer-Teleskopsattelstütze ihren passenden Platz.

Die aus Stahl-Kassette E*thirteen TRS Plus e*spec soll für hohe Langlebigkeit sorgen, ist in der Praxis aber recht laut, vor allem beim Herunterschalten mehrerer Gänge – ein typisches Problem der meisten Kettenschaltungen. Ein 1-Gang-Schalthebel wie bei der SRAM EX1 wäre wünschenswert.

Während der Testrides hatten wir zwei Mal einen temporären Leistungsverlust (rund 5 bis 10 Sekunden) des Shimano-Motors – ein Phänomen, das wir bereits bei anderen Bikes mit Akkus anderer Hersteller festgestellt haben. Wir konnten während des zweitägigen Tests vor Ort der Ursache nicht auf den Grund gehen. Wir gehen davon aus, dass dies am Batterie-Management-System liegt, das die momentanen Fahrdaten wie Trittfrequenz und Drehmoment in manchen Situationen nicht exakt verarbeitet und dadurch weniger Energie bereitstellt. Wir werden dem Phänomen jedoch noch auf den Grund gehen; durch ein Software-Update sollten solche Probleme in Zukunft jedoch behoben werden können.

Davon träumt jeder Freerider und Rampage-Teilnehmer: der Walk-Modus des Shimano-Motors. Damit fliegt das Bike beim Schieben den Berg hinauf! Jetzt müsste man nur noch selbst fliegen können…

Ist das YT DECOY der Specialized Levo Killer?

In Sachen Design, Handling, Trail-Performance und Preis-Leistungs-Verhältnis macht das YT DECOY dem aktuellen Specialized Turbo Levo ordentlich Konkurrenz; vor allem wenn die angekündigte 700 Wh-Batterie beim YT kommt – auch wenn diese wiederum Gewicht und Handling des YT DECOY beeinflussen wird. Generell würden wir das DECOY als potenter und abfahrtsorientierter einstufen, das Levo hingegen als ausgewogener und besser geeignet für den Touren- und Allround-Einsatz. In Sachen App und Konnektivität hat Specialized die Nase vorn. Soweit unsere erste Einschätzung – ein Duell zwischen den beiden Bikes wird Klarheit bringen. Wir können es kaum erwarten!

Fazit

Mit dem YT DECOY gelingt dem Forchheimer Direktversender ein super starker Eintritt in den E-MTB-Markt. Das YT DECOY sieht nicht nur nach einem YT-Bike aus, sondern vereint die YT-Qualitäten und -Philosophien wie Good Times, Live Uncaged und Friendship Redefined in sich. Und auch die Namensbedeutung des YT DECOY ist schlau gewählt: Es ist der Lockvogel, der dich raus in die Natur lockt und den du auf der Jagd brauchst: nach noch mehr Trails, noch mehr Erlebnissen und noch mehr Good Times!

Sowohl Einsteiger als auch Experten haben mit dem Bike verdammt viel Spaß und vor allem Sicherheit für jegliches Terrain! Das Handling ist Benchmark-verdächtig und wir sind gespannt, wie es sich im direkten Vergleich gegen das Specialized Levo und Co schlagen wird. Wenn du überlegst ob du dieses Bike kaufen sollst, dann drücken wir es mit einem anderen YT-Modellnamen aus: TU ES! Denn Preis, Optik und Performance sind absolut heiß.

PS: Sorry für die ganzen Marketing-Slogans in diesem Fazit, aber wie wir finden, bringen sie den Charakter dieses Bikes perfekt auf den Punkt! Happy Riding.

Mehr Infos auf yt-industries.com


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Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.