Lange war es verdächtig still um TQ. Doch die Ruhe täuscht: Nach dem Einstieg in den E-Bike-Markt mit dem kraftvollen HPR 120S-Motor bereitet das Technologie-Unternehmen den nächsten Coup vor: Eine neue Technologie soll den Markt aufmischen. Wir haben das Team in Inning besucht und viel über Perfektion, Leidenschaft und Performance gelernt.

TQ ist in der E-Mountainbike-Szene bekannt für maximale Power. 2018 gewannen die Bayern den Design & Innovation Award und setzten mit dem HPR 120S-Motor neue Maßstäbe. Mit dem Launch der Haibike FLYON-Modellreihe im selben Jahr gelangten sie zu großer Bekanntheit und sorgten für heiße Diskussionen und Furore im Markt. Unter der Prämisse „Mehr ist besser“ wurde mit 120 Nm Drehmoment der bislang radikalste Motor mit brutaler Kraftentfaltung unter der Pedelec-Norm auf den Markt gebracht. In den darauffolgenden Jahren rüsteten zahlreiche Hersteller auf – 85 Nm Drehmoment sind aktuell Standard. Doch führt das Wettrüsten von Drehmoment, Leistung und immer größeren Akkukapazitäten zwangsläufig zu einer besseren Performance auf dem Trail? Denn: Mehr Leistung braucht auch mehr Energie und damit einen größeren Akku. Bikes unter 25 kg und sinnvoller Akkukapazität sind mit dem TQ HPR 120S-Motor kaum möglich. Aktuell etablieren sich 750 Wattstunden Akkukapazität am Markt als Standard. Doch braucht es wirklich so viel? TQ hat die aktuellen Anforderungen und Bedürfnisse vieler E-Mountainbiker und Hersteller analysiert und den Begriff Performance für sich neu definiert.

Die meisten kommen mit halbvollem Akku wieder zuhause an.
Daniel Theil, Produkt Manager TQ-E-Mobility

Was ist Performance?

Performance hat viele Facetten und für jeden liegt der Schwerpunkt – auch bezogen auf E-Bike Motoren – woanders. Im engsten Sinne des Wortes bedeutet Performance: Leistung. Und die wird oft mit maximaler Power gleichgesetzt. Doch wenn man genauer hinsieht, ist das bei Weitem zu eindimensional. Also Schluss mit den Testosteron-geschwängerten Größenvergleichen, hin zu den wirklichen Bedürfnissen der Kunden! Die Entwickler von TQ haben genau hingehört und viele Fahrsituationen technisch bewertet. Performance ist nicht nur mehr, mehr, mehr …, sondern vor allem die Kunst, die richtige Balance zu finden. Was bringt das stärkste Auto, wenn es seine PS nicht auf die Straße bekommt oder aus der Kurve fliegt? Manche Biker mögen die maximale Motorpower und -beschleunigung auf der Forststraße auf dem Weg zur Hütte als beste Performance deklarieren, andere das leichtfüßige und spaßige Handling auf dem Trail. So oder so, technisch bedarf es der richtigen Balance, insbesondere die feinfühlige Optimierung vieler Einzelfaktoren, wie zum Beispiel Effizienz, Energiedichte, Akkugröße, Integration in das Gesamtkonzept Bike sowie zahlreiche Individualisierungsmöglichkeiten für die entsprechenden Anforderungen. Unterschiedliche Zielgruppen haben nun mal unterschiedliche Bedürfnisse und damit auch unterschiedliche Definitionen von Performance. Klar ist deshalb auch bei der Entwicklung von neuen E-Bike-Systemen: Sie müssen kompromisslos auf eine Zielgruppe zugeschnitten sein, also keine eierlegende Wollmilchsau, sondern eine saubere Lösung für eine klar definierte Gruppe von Bikern.

Die einen werden es lieben, die anderen gar nicht.
Simon Hoffmann Abteilungsleiter TQ E-Mobility

Für die Entwicklung eines neuen E-Bike-Systems will TQ in vielen Schritten vom Markt gelernt und die Performance auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt haben. Dabei wollen die Bayern in Sachen Bauweise und Technologie weiterhin auf die Besonderheiten und Qualitäten des HPR 120S mit Pin-Ring-Getriebe setzen: TQ-Motoren verfügen über eine sehr hohe Drehmomentdichte, sprich Kraftentfaltung in Bezug auf den Bauraum des Motors. Und hier soll auch ein neues System ansetzen: leistungsstark, aber auch extrem kompakt und nicht rein auf das Drehmoment fixiert. Warum man den Bayern hier einen großen Wurf zutrauen kann, zeigt ein Blick ins Universum von TQ.

Operation am offenen Herzen

Um TQ verstehen zu können, muss man wissen, wo sie herkommen. TQ ist nicht nur ein Motorenhersteller, sondern vielmehr ein Technologie-Unternehmen, das u. a. Steuerelektronik für Passagierflugzeuge und Raumsonden sowie Motoren für Medizinroboter fertigt. So ermöglicht eine von TQ entwickelte Technologie, dass der Arzt von einer Maschine minimalinvasiv eine Operation am offenen Herzen durchführen lässt, während er den Eingriff vom Nebenraum aus steuert. Dabei nutzt TQ die Expertise aus der Luft- und Raumfahrttechnik, um Motoren mit höchster Drehmomentdichte und Technologien zu entwickeln, die höchsten Qualitätsstandards entsprechen sowie hocheffizient und zuverlässig arbeiten.

Dieser Know-how-Transfer ist für das Entwicklerteam ein entscheidender Vorteil, um auch bei E-Bike-Motoren das Optimum an Performance herauszuholen. Auch wenn man damit nicht das Weltall, sondern die heimischen Trails erobern möchte. TQ setzt diese Kenntnisse sogar ein, um mithilfe von eigens hergestellten Robotern, E-Bike-Motoren teil-automatisiert am Standort im bayerischen Inning am Ammersee herzustellen.

Schon bei der Entwicklung des HPR 120S-Motors konnte TQ auf das hausinterne Know-how aus der Robotik zurückgreifen. Die Besonderheit dieses aktuellen Motors ist seine enorme Kraft von 120 Nm Drehmoment, vereint mit der kompakten Bauform. Durch das Pin-Ring-Getriebe wurde so eine große Leistung auf kleinstem Raum ermöglicht. Dank der aufwendigen Fertigungstechnik können die Entwickler das letzte Prozent an Genauigkeit und Effizienz aus dem Motor herausholen. So bringt die Verbindung von zwei Welten und die Zusammenarbeit mit dem DLR, dem deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik, einen entscheidenden Technologiesprung, auch beim Entwickeln von E-Bike-Motoren. „Wenn es mit dem TQ-Motor nicht funktioniert, dann funktioniert das ganze Projekt nicht!“, sollen DLR-Mitarbeiter gesagt haben, wie uns Lukas Ginner, Account Manager für TQ-RoboDrive, berichtet.

TQ – Teamwork makes the dream work

Die Leidenschaft für Technik und der Anspruch, kompromisslos gute Qualität anzubieten, sind bei einem Besuch in Inning am Ammersee überall zu spüren. Ein junges Team aus Entwicklern, Strategen und Bike-Enthusiasten arbeitet hier zusammen unter einem Dach. Die Wege sind kurz und wenn ein neuer Motoren-Prototyp zur Diskussion steht, schwingen sich die Verantwortlichen kurzerhand aufs Bike, testen ausgiebig das Fahrverhalten und tauschen sich anschließend mit den Kollegen aus der Entwicklung aus. Selbst bei vermeintlichen Banalitäten, wie dem täglichen Mittagessen, wird für optimale Arbeitsverhältnisse gesorgt: Moni, die gute Seele der Kantine, sorgt gewissenhaft dafür, dass niemand hungrig vom Tisch aufsteht – falls doch, gibt’s einen großzügigen Nachschlag!

Ein Stockwerk tiefer ist die Produktion angesiedelt und auch hier zeigt sich die konsequente Hand-in-Hand-Zusammenarbeit: Alle Komponenten für die E-Bike Motoren werden in Inning entwickelt, getestet und zusammengebaut. Auffällig ist die hohe Fertigungstiefe und die Präzision in jeder Produktionsstufe: Bei Bedarf werden selbst die Kupferdrähte für Motoren von Hand gewickelt, denn nur so wird eine maximale Kupferdichte erreicht – entscheidend für das letzte Prozent an Genauigkeit und Leistung.

In China wäre es billiger, zu produzieren. Aber uns ist es wichtig, Produktion und Lieferanten nah bei uns zu halten, um das letzte Prozent herausholen zu können.
Simon Hoffmann Abteilungsleiter TQ E-Mobility

Teamwork zeigt sich nicht nur abteilungsübergreifend, sondern auch in der Zusammenarbeit mit den Bike-Herstellern. Wie in den anderen Sparten sieht sich TQ in erster Linie als Entwicklungspartner. Als kleines, wendiges Unternehmen kann TQ den Herstellern Raum zur Individualisierung und produktgerechter Abstimmung bieten. Der Motor und die notwendigen Komponenten werden stets an die Bedürfnisse der Bike-Hersteller angepasst. Keine „Vogel-friss-oder-stirb“-Mentalität, sondern ein Miteinander auf Augenhöhe. Vom Display über die Remote und das Batteriemanagementsystem bis hin zum Herzstück, dem Motor, kann TQ alle Teile entwickeln, fertigen und liefern. Dieser Servicegedanke zieht sich durch die gesamte Produktentwicklung, denn die Entwickler von TQ sind davon überzeugt, dass das beste Bike nur entstehen kann, wenn alle zusammen an einer Lösung arbeiten. Nur so können Kompromisse bei der Funktion und Integration vermieden werden.

Wir sehen uns als Dienstleister
Anna Vodickova Produkt Marketing TQ Drives

Auch wenn wir selbst noch nicht die gesamten Details kennen – nach unserem Besuch in Inning am Ammersee wird klar: bei dem Motorenhersteller TQ ist Großes in der Mache. Die Bayern arbeiten an neuen Konzepten und wollen Performance neu definieren. Mit der geballten Ladung Know-how plus der Leidenschaft, die man bei jedem Mitarbeiter spüren kann, will TQ den entscheidenden Schritt in den Zukunftsmarkt wagen. Wir sind gespannt auf das Next Level im Bereich E-Bike Systeme!


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Words: Susanne Feddersen Photos: Robin Schmitt

Über den Autor

Susanne Feddersen

Mit ihrem Background als Texterin und Konzeptionerin bei renommierten Werbeagenturen, als Leiterin der Stuttgarter Texterschule und ehemalige Produkt-Marketing-Managerin bei Ferrero ist klar: Susannes Leidenschaft gehört der Kommunikation! Zudem ist sie ein Organisationstalent. Selbst im größten Trubel behält sie den Überblick und unterstützt so vor allem unser Leadership-Team bei der Umsetzung zahlreicher Projekte und der Koordination von Marketing-Kampagnen. Susanne ist langjährige Mountainbikerin und steigt gerade aufs E-Bike um – ihre ganze Familie übrigens auch!