Chamäleons sind Meister der Anpassung – wenn es die Situation erfordert, werden sie innerhalb von Minuten eins mit ihrer Umgebung. Als E-Mountainbiker will man sich zwar nicht verstecken, aber je nach Umgebung ist dennoch Flexibilität gefragt. Das SCOTT E-Genius kann sowohl mit 27.5+ als auch mit 29″-Laufrädern gefahren werden. Ist es damit genauso anpassungsfähig wie ein Chamäleon und welche Laufradgröße passt zu wem?

SCOTT E-Genius | 150/150 mm (v/h) | ca. 22,90 kg | 7.199 €

In Sachen Tarnung hat SCOTT versagt! Anders als ein Chamäleon verschwimmt das neue E-Genius nämlich nicht mit seiner Umwelt, sondern sticht dank knalliger Lackierung deutlich hervor. Wo sich das Rad hingegen gut einfügt, ist das Line-up der Schweizer. Optisch ist es stark an das ebenfalls erst seit Kurzem verfügbare E-Spark angelehnt und besitzt auch einen Shimano STEPS E8000-Motor mit ins Unterrohr integriertem 500-Wh-Akku. Und damit enden die Gemeinsamkeiten noch lange nicht. So verfügt auch das neue E-Genius über die von SCOTT bekannte TwinLoc-Fahrwerksverstellung, mit der sich der Federweg in drei Stufen variieren lässt, und es hat auch einen smart an die Bremsscheibe integrierten Speichenmagnet. Dass SCOTT weiß, worauf es bei E-Mountainbikes ankommt, zeigt die bis ins Detail stimmige Ausstattung des E-Genius 700 Tuned-Topmodells.

Echte Variabilität beweist das E-Genius bei der Wahl der Laufräder. Der Rahmen ist sowohl mit bis zu 2,8″ breiten 27,5″-Laufrädern als auch mit bis zu 2,6″ breiten 29ern kompatibel. Möglich macht das ein kleiner Flip-Chip in der Dämpferaufnahme, der die Tretlagerhöhe an die jeweilige Laufradgröße anpasst. Zusammen mit dem Verändert man aber das Tretlager, verstellt man gleichzeitig immer auch den Lenk- und Sitzwinkel. Im tiefen Setting sind die Winkel des E-Genius um 0,5° flacher und das Tretlager ist gute 7 mm tiefer. Für unseren Test haben wir das Bike sowohl mit 27,5″ großen MAXXIS Minion DHR II-Reifen in 2,8″ Breite als auch mit 29″ großen MAXXIS Rekon+ in 2,6″ Breite getestet.


Das SCOTT E-Genius im Detail

Federgabel FOX 36 Float Factory 150 mm
Dämpfer FOX NUDE EVOL Trunnion 150 mm
Motor / Akku Shimano STEPS E8000 / 500 Wh
Bremsen Shimano Zee
Schaltung Shimano XT
Sattelstütze FOX Transfer
Vorbau Syncros FL1.5
Lenker Syncros FL1.0 Carbon 740 mm
Reifen MAXXIS Minion DHF 2,8″/ Minion DHR II 2,8″
Laufräder DT Swiss H1825

*Testbike: 27,5+: 2x MAXXIS DHR II; 29″: 2x MAXXIS REKON+

Durchdacht
Durch die Integration des Akkus in das Unterrohr bietet der Rahmen Platz für einen Flaschenhalter.
Angemessen
Am E-Mountainbike ein Muss: kraftvolle Bremsen vom Schlag einer Shimano ZEE mit 200 mm großen Scheiben.
Variabel
Mithilfe des kleinen Flip-Chips lässt sich die Geometrie des E-Genius optimal auf die jeweilige Laufradgröße anpassen.
Praktisch
SCOTT integriert den Speichenmagnet an der Centerlock-Aufnahme. Verlust ausgeschlossen.

Die Geometrie des SCOTT E-Genius

Größe S 900/700 M 900/700 L 900/700 XL 900/700
Sattelrohr 410 mm 440 mm 490 mm 540 mm
Oberrohr 586/585 mm 606/605 mm 636/635 mm 666/665 mm
Steuerrohr 120 mm 125 mm 135 mm 145 mm
Lenkwinkel 64,8/65,3° 64,8/65,3° 64,8/65,3° 64,8/65,3°
Sitzwinkel 75/75,5° 75/75,5° 75/75,5° 75/75,5°
Kettenstrebe 462/460 mm 462/460 mm 462/460 mm 462/460 mm
Tretlager Höhe 342/340 mm 342/340 mm 342/340 mm 342/340 mm
Radstand 1216/1215 mm 1237/1236 mm 1259/1258 mm 1291/1289 mm
Reach 419/425 mm 437/444 mm 459/465 mm 486/492 mm
Stack 624/620 mm 629/625 mm 640/636 mm 649/645 mm

Das SCOTT E-Genius auf dem Trail

Egal welche Laufradgröße man montiert, die Sitzposition auf dem SCOTT E-Genius ist äußerst komfortabel. Der Rahmen in Größe Medium passte dem 180 cm großen Testfahrer sehr gut. Das FOX Factory-Fahrwerk mit 150 mm arbeitet äußerst effektiv und filtert Unebenheiten sehr feinfühlig weg. Trotz des kompakten Dämpfers blieb die Performance auch auf langen Abfahrten konstant. Die hohe Progression am Hinterbau gibt sehr gutes Feedback und unterstreicht den sportiven Charakter des Bikes. Betätigt man den TwinLoc-Hebel am Lenker, reduziert sich durch die Verkleinerung der Luftkammer der SAG. Dadurch steigt das Tretlager minimal und der Sitzwinkel wird steiler. Für technische Anstiege empfanden wir den Traction-Mode daher als sehr angenehm.

Ein Rad sollte sich an den Fahrer anpassen, nicht der Fahrer an das Bike – das gelingt dem E-Genius perfekt!

Wirklich deutlich wird der Unterschied zwischen den 27,5″- und den 29″-Laufrädern beim Handling des E-Genius. Schon beim Aufsteigen hat man bei den 29ern das Gefühl, deutlich eher zwischen den Laufrädern zu sitzen, als das beim kleineren Modell der Fall ist. Die Beschleunigung ist dank des starken Antriebs identisch und im Uphill spürt man auf Asphalt oder klassischen Forststraßen keinen Unterschied. Das ändert sich, sobald das Terrain etwas ruppiger und anspruchsvoller wird. Mit den großen Laufrädern fliegt man bergauf geradezu über Wurzeln und Steine. An Hindernissen bleiben die Reifen nicht hängen, sondern überrollen sie mit ihrem großen Durchmesser leichter. Allerdings muss erwähnt werden, dass auch die „klassischen“ 27,5″-Reifen mit 2,8″ Breite sich hier keine echte Schwäche leisten und mit viel Grip und gutem Komfort zu überzeugen wissen. Dennoch liegen die 29er bergauf klar vorn.

Die im Uphill beschriebenen guten Überrolleigenschaften der großen Laufräder sind auch in der Abfahrt spürbar. Sie fliegen über Hindernisse geradezu hinweg und sorgen so für das Gefühl, man wäre mit noch etwas mehr Federweg unterwegs. Allerdings geraten die flach profilierten Rekon+ Reifen früher an ihr Limit und können in Sachen Grip nicht mit den Minions mithalten. Neben dem Plus an Grip punkten die kleineren Reifen auch mit der deutlich höheren Agilität. Richtungswechsel erfordern mit den 27,5″-Rädern deutlich weniger Nachdruck und gelingen leichtfüßiger als mit den großen 29ern.

Vor- und Nachteile der 29er:
+ sehr gutes Überrollverhalten
+ halten die Geschwindigkeit besser
+ geringer Rollwiderstand
– in Kurven behäbig
– Rekon+ Reifen haben nicht viel Grip
Vor- und Nachteile der 27,5″:
+ agiles Handling
+ hohe Traktion der breiten Reifen
– schlechteres Überrollverhalten

Welche Laufradgröße ist die richtige Wahl beim SCOTT E-Genius?

Aktuell bietet SCOTT nur eines von drei E-Genius-Modellen serienmäßig mit beiden Laufrädern an – und das unserer Meinung nach aus gutem Grund. Zwar bringen die großen 29″-Laufräder bergauf spürbare Vorteile, die gibt es jedoch nicht ohne Nachteile bergab. Schon mit 2,8″ breiten 27,5″-Rädern klettert das E-Genius grandios und meistert selbst die steilsten Anstiege. In der Abfahrt liefern die kompakten Laufräder dann ein deutliches Plus an Fahrspaß, ohne aber in Sachen Fahrsicherheit weit hinter den 29ern zurückzuliegen. Wenn wir uns entscheiden müssten, würden wir zu den 27,5″-Laufrädern mit 2,8″ breiten Reifen greifen.

Mehr Infos findet ihr unter: scott-sports.com


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Words: Photos: Markus Greber, Christoph Bayer