Steht die E-Bike-Welt nun Kopf? Pinion vereint Motor und Getriebe und macht die Kettenschaltung überflüssig. Zusammen mit Systemintegrator FIT zeigt Pinion ein Ökosystem samt Akkus, Displays und Remotes, das Potenzial für neue E-Bike-Designs liefern und in fast allen Bereichen Anwendung finden soll. Wir sagen euch, wo es Sinn macht und wo (noch) nicht.

Pinion MGU E1.12 | 12 Gänge | 85 Nm vglb. Drehmoment | 4.100 g | Hersteller-Website

Knarzende und reißende Ketten, ächzende Schaltröllchen, ratternde Gangwechsel … E-Bikes steigern die Belastung fürs Schaltsystem zweifellos, und das hinterlässt Spuren. Zu Gunsten der Tretunterstützung leidet das Material auf Dauer – abnehmende Schalt-Performance, hohe Fehleranfälligkeit und kurze Wartungsintervalle sind die Folgen. Das soll mit der Pinion MGU mit Riemenantrieb der Vergangenheit angehören. MGU steht für Motor Gearbox Unit: In der gekapselten Einheit finden die Gangwechsel elektrisch statt und ersetzen eine externe Kettenschaltung oder eine Nabenschaltung damit gänzlich. Die Motor-Getriebe-Einheit kommt in vier Modellen E1.9 und E1.12: 9 oder 12 Gänge und jeweils als Speed-Variante für S-Pedelecs bis 45 km/h.

Hard Facts der neuen Pinion MGU E1.12 und E1.9

Die MGU ist auf der Antriebsseite runder und filigraner gestaltet, schaut man auf die gegenüberliegende Seite ist der Motor eher klobig und von Kühlrippen verziert. In Summe ist die MGU aber trotz integriertem Getriebe nicht viel größer als ein vergleichbarer Full-Power E-Bike-Motor. Durch den Wegfall des Schaltwerks und der Kassette macht die MGU außerdem ein ungewohnt cleanes Design am Heck möglich. Der von Pinion veredelte, bürstenlose Motor für Industrieanwendungen in der MGU bringt 600 W bzw. in der S-Variante 800 Watt Leistung auf den Riemen. Die Pinion-Ingenieure geben für ihre neuen Motoren ein Drehmoment von „vergleichbaren“ 85 Nm an. Vergleichbar, weil die Output-Kraft nicht gemessen werden kann, ohne dass sie schon im Getriebe umgewandelt wurde. Gäbe es einen Direktgang ohne Unter- oder Übersetzung wäre der Output 85 Nm, also vergleichbar mit einem Bosch Performance Line CX-Motor oder Shimano EP8. Damit unterstützt euch die MGU um bis zu 400 %.

Die 12-Gang-Variante bietet eine Übersetzungsbandbreite von 600 % mit einer Abstufung von 17,7 %. Beim 9-Gang-Getriebemotor sind es immerhin 568 % Übersetzungsbandbreite mit gröberer 24-%-Abstufung – das ist immer noch mehr Bandbreite als bei handelsüblichen Kettenschaltungen. Die 12-Gang-Variante wiegt 4.100 g, die 9-Gang-Variante 4.000 g. Die meisten Full-Power-Motoren bewegen sich bei knapp unter 3 kg – die Gangschaltung allerdings nicht mit eingerechnet wie bei der MGU. Um den Output entsprechend eurer Wünsche auf die Straße zu bringen, gibt es vier Unterstützungsmodi zur Wahl: ECO, FLOW, FLEX und FLY. Die Jugendwörter der letzten Jahre Sheesh, Lost und Cringe waren den Jungs von Pinion dann wohl doch etwas zu viel ;). FLOW und FLEX sind progressive Modi, die den Output überproportional an euren Kurbel-Input anpassen. Der FLY- und ECO-Modus verstärkt euren Input hingegen linear. Außerdem können alle Modi in der FIT E-Bike Control-App individuell angepasst werden.

Pinion MGU E1.9 (S) E1.12 (S)
Leistung 600 W (800 W) 600 W (800 W)
Nennspannung 48 V 48 V
vglb. Drehmoment 85 Nm 85 Nm
Max. unterstützte Kadenz 120 rpm 120 rpm
Gänge 9 12
Gesamtübersetzung 568 % 600 %
Abstufung 17,7 % 24 %
Übersetzung leichtester Gang 1,82 1,82
Übersetzung schwerster Gang 0,32 0,30
Gewicht 4.000 g 4.100 g

FIT sorgt für alles außer Motor und Getriebe

Pinion ist zwar nicht der erste Hersteller, der Motor und Getriebe vereint hat, aber könnte damit erstmals die breite Masse erreichen. Die Ingenieure aus Denkendorf bei Stuttgart haben sich dabei nicht allein um die ganze Peripherie wie Akkus, Remotes und Displays gekümmert. Diese Parts kommen vom erfahrenen Systemintegrator FIT. Das Schwesterunternehmen von FLYER in der Schweiz ist schon mit anderen Motoren in Erscheinung getreten und kümmert sich ebenfalls um die Software- und App-Thematik.

Das zentrale Compact Display und…
… das große Comfort Display, das fast schon Smartphone-Dimensionen hat, sind eher für den urbanen und Touring-Bereich interessant.
Für den sportiven Bereich gibt es die Display Remote mit in die Fernbedienung integrierter Anzeige und …
… augenscheinlich bald auch ein ins Oberrohr integriertes Display – bis jetzt aber nur durch eine Blende angedeutet.

Für Pinion gehen die Schweizer die Extra-Meile und kümmern sich ebenfalls um die vier Akku-Optionen plus Range Extender. Zur Wahl stehen die entnehmbaren 480-, 720-, 960-Wh-Akkus oder die vollintegrierte 700-Wh-Akku-Option. Zudem gibt es einen Range Extender mit 468 Wh on top. Summa summarum sind so knapp 1500 Wh Akku-Kapazität möglich … Damit steht den 24 Stunden von Le Mans nichts mehr im Weg, abgesehen von der Rennleitung.

Die verschiedenen Akku-Optionen dürften den Herstellern massig Spielraum bei der Auslegung ihrer Bikes geben. Nur bei fest integrierten Akkus steht die Wahl schon vorher fest.

Sollte der Akku doch mal zur Neige gehen, muss man sich um die elektrische Schaltung, die ihren Strom aus dem Hauptakku bezieht, dennoch keine Sorgen machen. Der Akku hält eine Restkapazität zurück, die für mindestens 1000 Schaltvorgänge ausreichen soll – wenn auch ohne Motor-Support.

Funktionsweise und Aufbau der Pinion MGU E1.12 und E1.9

Bei analogen Bikes mit Kettenschaltung ist das Kettenblatt fest mit der Kurbel und der Kurbelachse verbunden, und diese Teile bewegen sich immer gemeinsam – beim E-Bike nicht. Die Kraft, die man auf die Kurbelachse gibt, wird über ein internes Getriebe durch die Kraft aus dem Elektromotor verstärkt und auf das Kettenblatt übertragen. Bei den meisten bisherigen Mittelmotor-Konzepten steckt zwar auch eine Art Getriebe dazwischen, aber eben nur um die Motordrehzahl an die Kadenz anzupassen. Dann dreht sich das Kettenblatt für gewöhnlich mit der gleichen Geschwindigkeit wie die, mit der man in die Pedale tritt. Der Motor reduziert prinzipiell nur den Tretwiderstand, um das Bike auf Tempo zu bringen. Die Macher von Pinion dachten sich, wenn Kettenblatt und Kurbel eh schon über ein Getriebe, in dem der Motor mitmischt, anstatt direkt verbunden sind, warum dann nicht gleich auch eine Gangschaltung dazupacken? Bei der Pinion MGU dreht sich nun auch das Kettenblatt nicht mehr mit derselben Geschwindigkeit wie die Kurbel, sondern kann eure Eingangsdrehzahl untersetzen (langsamer) oder übersetzen (schneller). Diese komplexen Zahnradpaarungen auf zwei Wellen sind in der Motor-Getriebe-Einheit gekapselt und durch ein Ölbad geschmiert. Außerdem sind sie so vor äußeren Umwelteinflüssen geschützt. Darüber hinaus hängt kein exponiertes Schaltwerk am Hinterbau, das bei Felskontakt abreißen könnte.

Mit der MGU schickt Pinion ein dickes MFG an alle Schaltwerk-Hersteller.

Die Pinion MGU kann sowohl mit Riemen …
… als auch mit Kette kombiniert werden. Beide sorgen für einen ungewohnt cleanen Look am Hinterbau.

Neben dem Schutz der Internals lässt die MGU auch einen Riemen- statt Kettenantrieb zu, ohne dass ihr auf Singlespeed oder mit Nabenschaltung unterwegs sein müsst. Der Riemen ist quasi wartungsfrei und soll laut Hersteller mindestens dreimal so lange halten wie eine Kette … vorausgesetzt, es passiert nichts Unvorhergesehenes wie eine Schlammschlacht auf den Ritzeln.

Die 9 bzw. 12 möglichen Gänge schaltet die MGU elektrisch durch. Der entsprechende Daumen-Trigger ist dem einer konventionellen Gangschaltung nachempfunden und kabelgebunden. Nur anstelle eines Hebels zu betätigen, drückt man lediglich einen Knopf. Die Druckflächen sind gummiert, und der Druckpunkt bietet gutes haptisches Feedback.

Die Remote von FIT ist sehr umfangreich. Der untere Teil ist noch nicht in Serie erhältlich – gibt mit dem „A“ aber Hinweise auf den geplanten Automatik-Modus.
Geschaltet wird elektrisch per Daumen-Trigger. Der erinnert an klassische Schalthebel, gibt gutes haptisches Feedback und ist rutschfest gummiert.

Um zum richtigen Zeitpunkt zu schalten, ist im Pinion-Motor ein eigener Drehmoment- und Positionssensor verbaut. So weiß der Motor immer, an welcher Position die Kurbel gerade steht und wie viel Kraft anliegt. Wollt ihr jetzt den Gang wechseln, müsst ihr nicht erst kurz die Kurbel entlasten wie beim analogen Pinion-Getriebe – die Software wartet im Falle von zu viel Power auf der Kurbel einfach den oberen- bzw. unteren Totpunkt der Kurbel ab und schaltet dann. An diesen beiden Punkten liegt die geringste Kraft an der Kurbel an. Im Fahrbetrieb bei einer normalen Trittgeschwindigkeit funktioniert das ganz unauffällig – wenn ihr sehr langsam und kraftvoll den Berg rauf fahrt, ist es schon deutlicher spürbar.

Unser Fahreindruck und die Funktionen der Pinion MGU E1.12 und E1.9

Das Ansprechverhalten der Pinion MGU E1.12

Der Pinion-Motor spricht kraftvoll und direkt an. Auch auf steilen Rampen schiebt euch der Motor recht mühelos mit 20 km/h und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den stärksten Mittelmotoren, etwa von Bosch und Brose. Wer der stärkste auf dem Markt ist, klären wir in unserem großen Motoren-Vergleichstest in der kommenden E-MOUNTAINBIKE-Ausgabe #034. Die Abstufung der Gänge ist gut gewählt, aber natürlich durch die größere Bandbreite von 600 % etwas grober als bei 12-Gang-Schaltgruppen mit weniger Bandbreite. Das kompensiert allerdings die Motorpower problemlos. Vorteil der großen Bandbreite: Im Kriechgang bezwingt ihr die steilsten Anstiege, und im Highspeed-Gang könnt ihr auch bei Topspeed (jenseits der 25-km/h-Grenze) noch einen draufsetzen. Die Kraftentfaltung lässt sich je nach Modus gut differenzieren: im FLY-Mode, dem stärksten Modus, sehr direkt und unmittelbar. Das Pendant bei Bosch und Shimano dazu wären der Turbo- oder der Boost-Modus. Im FLEX-Modus lässt sich die MGU schon deutlich leichter dosieren, trotzdem ist in diesem Modus schon die volle Leistung des Motors abrufbar. Am besten vergleichen lässt sich das mit dem Trail-Modus beim Shimano EP8 oder dem grandios abgestimmten eMTB-Modus bei Bosch.

Das Ausfädeln des Pinion-Motors an der 25-km/h-Grenze erfolgt sehr natürlich, während es in niedrigeren Geschwindigkeiten auffällig abrupt passiert. Das liegt daran, dass der Motor über keinen Nachlauf verfügt – der Motor schiebt also nicht wie die klassische Konkurrenz noch ein kleines Stück weiter, wenn ihr mit dem Treten aufhört. So gelingt das Ausfaden eben nicht ganz so geschmeidig wie bei Bosch & Co. Die MGU stoppt hier im Moment, in dem ihr den Druck vom Pedal nehmt. Laut Pinion hat das noch rechtliche Gründe und soll im Laufe der Zeit per Update behoben werden.

Das Schaltverhalten der Pinion MGU E1.12

Die Gangwechsel an der MGU erfolgen knackig und schnell. Manchmal lautlos und manchmal begleitet von einem metallischen Klacken und der Gang ist drin. Laut Pinion sind die Gangwechsel aber nie schädlich fürs Getriebe, egal wie es klingen mag. Die MGU lässt sich in jeder Fahrsituation schalten: beim Pedalieren, beim Rollen und im Stand. Im Vergleich zum analogen Pinion-Getriebe sind Schaltvorgänge beim Treten nicht nur bei wenig Last, sondern auch unter Last, wie man es von der Kettenschaltung gewohnt ist, möglich. Beim Rollen, also einer Situation, in der sich nur Getriebeschaltungen und die Shimano DEORE XT Di2 (mit FREE SHIFT) für E-Bikes schalten lassen, funktioniert die Pinion-Schaltung komplett unauffällig. Zudem lässt die MGU sich im Stillstand schalten, wie sonst nur die meisten Nabenschaltungen. Eine kurze Tretpause ist fürs Schalten nicht erforderlich. Die MGU regelt das alles selbst. Über die gesamte Gangzahl gesehen gibt es allerdings zwei Gangsprünge, die länger dauern als die anderen: Zwischen dem 4. und 5. sowie zwischen dem 8. und 9. Gang werden intern zwei Zahnradpaarungen gleichzeitig gewechselt – und das braucht etwas mehr Zeit. Für alle, die es genauer wissen wollen: Die 12 Gänge werden durch 3 x 4 unterschiedliche Zahnradpaarungen realisiert. Ähnlich einer 3-fach-Kettenschaltung mit 4er-Ritzelpaket ergibt jede Kombination aus Kettenblatt und Ritzel 12 Gänge, nur ohne dass sich dabei die Übersetzungsverhältnisse doppeln, wie es bei Kettenschaltungen der Fall sein kann. Immer wenn ihr jetzt zwischen dem imaginären 3-fach-Ritzel und Kassette gleichzeitig wechselt, dauert es eben etwas länger und klingt etwas anders. Führt man einen dieser Gangwechsel unter Last durch, spürt man einen kleinen Versatz im Pedal – man tritt kurz minimal ins Leere. Auf der Ebene ist das nicht besonders störend, aber im Uphill wechselt man häufig ausgerechnet zwischen diesen beiden Gängen und spürt hier jedes mal störend den kurzen Aussetzer.

Die Lautstärke der Pinion MGU E1.12

Die Lautstärke der Pinion MGU variiert sehr stark, je nach eingelegtem Gang. Die angesprochenen „längeren Gangsprünge“ zwischen 4/5 und 8/9 sind auch die Wechselpunkte fürs Klangbild des Motors: In den untersten vier Gängen dreht der Motor sehr hoch und ist dadurch am lautesten. Entsprechend ist der Motor in den mittleren vier Gängen (5, 6 ,7, 8) auch in einer mittleren Lautstärke unterwegs und in den schwersten vier Gängen 9-12 am leisesten. Das ist etwas kontraintuitiv, da man sich im langsamen Uphill noch eher unterhalten möchte und die Ruhe genießen kann, als bei höherem Tempo, wenn die Fahrgeräusche sowieso überwiegen.

Sonderfunktionen der Schaltung an Pinion MGU E1.12 und E1.9

Die MGU ermöglicht es, Getriebe und E-Bike-Motor als vernetzte Einheit zu betrachten. Daher weiß die Software immer Bescheid über alle relevanten Daten wie: eingelegter Gang, Geschwindigkeit, Eingangsdrehmoment, Pedalstellung, Trittfrequenz, Neigung des Terrains und Außentemperatur und kann die Schaltlogik daran anpassen. Dass der Schaltzeitpunkt meist auf einen der beiden Totpunkte der Kurbel fällt, wurde schon erklärt, aber Pinion leitet aus den vorhandenen Informationen noch weitere Funktionen ab: Start.Shift und Pre.Shift.

Für die Start.Shift-Funktion wählt ihr im Menü euren präferierten Start-Gang aus. Kommt ihr nun zum Stillstand, legt die Software selbsttätig den vorgewählten Gang zum Anfahren ein. Beim Pre.Shift handelt es sich um eine Semi-Automatik, die während ihr rollt, den passenden Gang zu einer vorher eingestellten Kadenz auswählt. So wird erreicht, dass ihr beim Bergab-Rollen nicht mehr ins Leere tretet, weil noch ein viel zu leichter Gang eingelegt ist. Tipp: Wählt eher eine etwas niedrigere Kadenz wie zum Beispiel 60 aus. Ein vollautomatischer Modus steht schon in Pinions Lastenheft für zukünftige Projekte.

In welchen Bikes findet man die Pinion MGU?

Der neue Pinion-Motor hat bereits vor seinem Start namhafte Partner gewonnen, darunter SIMPLON, BULLS und ROTWILD. Dieser Motor ist vielseitig einsetzbar und findet Anwendung in verschiedenen Bereichen wie E-Mountainbikes, Urban-Bikes, E-SUVs und Adventure-Rädern. SIMPLON hat bereits zwei Bikes, das Rapcon und das Kagu, mit dem Pinion-Motor ausgestattet. ROTWILD hat das R.X1000 mit diesem Motor entwickelt und die MGU mit Kettenantrieb kombiniert. BULLS präsentiert das VUCA EVO AM – ein waschechtes E-Mountainbike mit 150 mm Federweg. FLYER hat das Goroc TR:X E-SUV entworfen und Tout Terrain (langjähriger Pinion-Pionier) stellt das Pamir vor. KETTLER kommt mit dem PINNIATO HT COMFORT, einem komfortablen Tiefeinsteiger, an den Start. Außerdem sind noch Bikes der Marken I:sy, Pegasus und Zemo mit dem Pinion-Motor ausgestattet.

SIMPLON Rapcon Pinion
BULLS Vuca Evo AM
ROTWILD RX 1000
SIMPLON Kagu
FLYER Goroc TR:X
Tout Terrain Pamir
KETTLER Pinniato HT Comfort
I:sy
Pegasus
Zemo ZE FS P12

Wartung und Pflege der Pinion MGU E1.12 und E1.9

Die Vorteile des MGU-Getriebe-Motors kommen besonders bei der Wartung zum Tragen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen ist lediglich alle 10.000 km oder einmal jährlich ein Ölwechsel erforderlich, ähnlich wie bei einem PKW. Dazu wird einfach die Ölablassschraube geöffnet, das alte Öl abgelassen und neues Öl eingefüllt. So entfällt die regelmäßige Pflege während des Jahres wie sonst bei Kettenschaltungen. Es muss nicht nach jeder Fahrt die Kette entfettet und neu geschmiert werden, und auch das Einstellen der Gangschaltung oder das Risiko eines verbogenen Schaltauges entfallen. Selbst wenn die MGU mit Kette kombiniert wird, bleiben Vorteile, wie die immer gerade Kettenlinie, der Wegfall der, meist zum Totalausfall führenden, Querbelastung der Kette bei Schaltvorgängen und die standardisierten Ersatzteile für Ketten. Besonders im urbanen Bereich definiert die Pinion MGU das Pendeln mit einem E-SUV neu.

Man kann ein ganzes Jahr unterwegs sein, ohne nach Schaltung und Kette zu schauen. Der Wartungsaufwand beschränkt sich in den meisten Fällen auf Reifen und Bremsen. Bezüglich des Riemens gibt es laut Pinion nichts zu tun, er sollte mindestens das jährliche Wartungsintervall lang halten, solange keine Querbelastungen auftreten und kein grober Dreck durch die Ritzel gezogen wird. Es ist wichtig, Staub und Schmutz herauszuhalten, um die Lebensdauer des Riemenantriebs zu maximieren. Muss der Riemen gewechselt werden, ist zu beachten, dass er sich nicht trennen lässt wie eine Kette. Wenn der Riemen die Kettenstreben umschließt, braucht der Hinterbau ein Rahmenschloss, damit im Servicefall der Riemen ein- und wieder ausgefädelt werden kann. Alternativ könnte man eine Umlenkung direkt hinter dem vorderen Kettenblatt bauen, sodass der Riemen immer oberhalb der Kettenstrebe verläuft.

Für wen und welches Einsatzgebiet ist die Pinion MGU der richtige Motor?

Für Pendler mit E-SUV-Bikes ist der MGU-Motor ein absoluter No-Brainer. Man kann einfach fahren und braucht sich um fast nichts mehr kümmern. Ein jährlicher Werkstattbesuch, ähnlich wie bei einem PKW, reicht nahezu aus. Im urbanen Bereich eignet sich der Motor ideal zum Ziehen von Anhängern oder für Lastenräder, wo hohe Kräfte wirken und herkömmliche Ketten an ihre Grenzen stoßen.

Bei Performance-Mountainbikes gibt es einige Einschränkungen. Zum einen fehlt der Nachlauf auf technischen Anstiegen, zum anderen können die zwei längeren Gangwechsel bei technischen Uphills störend sein. Das zentrale Gewicht des MGU-Motors fördert jedoch gut ausbalancierte Bikes. Die ungefederte Masse am Hinterbau sinkt durch den Wegfall des Schaltwerks und der Kassette. Durch die geringere träge Masse können besonders fein ansprechende und aktiv arbeitende Hinterbaukonzepte designt werden. Für Fortgeschrittene: Außerdem lässt sich der Anti-Squat eines Hinterbaus auf die Kennlinie des Riemens anpassen, ohne dass dabei unterschiedliche Werte in unterschiedlichen Gängen einer Kassette berücksichtigt werden müssen. Nehmen die Hersteller bei der Auslegung ihrer Hinterbaukinematik und des Dämpfer-Tunes ausreichend Rücksicht, könnte der Motor in dieser Hinsicht auch bei der Fahrwerks-Performance neues Potenzial entfalten. Gleichzeitig bedeutet Riemen-Betrieb auch eine technische Herausforderung. Ein Riemen macht eine Öffnung im Hinterbau oder eine Umlenkung des Riemens notwendig, was das Design etwas einschränken kann. Zum Beispiel ist bei einem DW-Link- oder anderem Hinterbau-Design mit geschlossenem hinteren Rahmendreieck ein Rahmenschloss nötig, bei anderen Hinterbau-Designs muss man zum Riemenwechsel die Streben umständlich am Lager trennen oder auf einen bisher nur wenig auf dem Markt verbreiteten trennbaren Riemen hoffen.

Fazit zur neuen Pinion MGU E1.12

Die Pinion MGU hat das Zeug und die großen Partner zum Launch, um den E-Bike-Markt zu verändern. Für das Erstlingswerk eines Motors mit Getriebe funktioniert die MGU schon sehr gut. Im sportiven E-Mountainbike-Segment birgt der Motor mit seinem kraftvollen Charakter, der smarten Schaltung, dem optimierten Schwerpunkt und der geringeren ungefederten Masse ein hohes Potenzial. Gleichzeitig stellt die MGU E1.12 die Hersteller mit Design-Restriktionen vor Herausforderungen. Auch bei Pinion selbst muss besonders software-seitig bei der Motor- und Schaltabstimmung noch etwas Feinschliff erfolgen. Im urbanen Segment, wo der wartungsfreie Betrieb einen höheren Stellenwert einnimmt, spielt Pinion seine Stärken bereits voll aus.

Tops

  • geringer Wartungsaufwand
  • Schalten unter Last
  • Pre.Shift und Start.Shift im urbanen Bereich
  • aufgeräumter Look am Hinterrad
  • geringere ungefederte Masse

Flops

  • Riemenantrieb erfordert häufig ein Rahmenschloss
  • Lautstärke in unteren Gängen
  • kein Nachlauf und zwei lange Gangsprünge

Für mehr Infos besucht pinion.eu und fit-ebike.com


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Words: Julian Schwede Photos: Julian Schwede, Peter Walker, Remi Cordier

Über den Autor

Julian Schwede

Juli ist es gewohnt, mit großen Kalibern umzugehen. Er schraubt nicht nur gerne an seinem Bike, sondern hat nach seiner Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker an der Königsklasse der Kraftfahrzeuge – Omnibussen – getüftelt und gewerkelt. Als ihm die Entwicklung auf Elektroantriebe im Großformat zu langsam ging, hat er technische BWL studiert und nebenher Tische aus Carbon gebaut. Während sein Dirtbike aus dicken Alu Rohren geschweißt ist, besteht sein Fully ebenfalls aus den schwarzen Fasern und hat ihn schon auf einige Gipfel gebracht. Doch auch angeseilt erklimmt er Berge gern über Klettersteige oder senkrecht an der Wand. Mittlerweile fährt er statt seinem eigenen Bike fast nur noch Bikes aus dem Office-Keller und testet sie auf Leib und Lenker. Neben Bike Reviews kümmert Juli sich auch um das tägliche Newsgeschäft und bezeichnet sich selbst als rasenden Reporter “Carlos Columbus”.