Tesa, Pampers, Tempo: Wenn der eigene Produktname als Synonym für die gesamte Produktkategorie benutzt wird, hat man es geschafft! In der Welt der Bike-Reiniger hat sich Muc-Off diesen Status erkämpft. Wir haben das Unternehmen mit der Vorliebe für knalliges Pink im Südwesten Englands besucht. 

Seit der Firmengründung 1994 wird der pinkfarbene Reiniger weltweit von fast jedem Biker verwendet, der sein schlammverkrustetes Etwas in ein sauberes und glänzendes Zweirad zurückverwandeln möchte. Wie viele andere Hersteller musste jedoch auch Muc-Off feststellen, dass Erfolg ein zweischneidiges Schwert sein kann. Klar, einerseits hat man dieses eine super erfolgreiche Produkt, das jeder kennt. Andererseits ist es aber schwer, für etwas außerhalb dieses Produkts Anerkennung zu bekommen. Muc-Off hat das eigene Portfolio zwar über viele Jahre immer wieder ausgebaut und erweitert. In so stark umkämpften Bereichen wie Tubeless kann man sich aber nicht einfach so ins Getümmel werfen, irgendein Produkt herausbringen und hoffen, dass das schon erfolgreich werden wird. Wer da ein Stück vom Kuchen will, muss schon ordentlich liefern. Wir haben für euch einen Ausflug ins Muc-Off-Hauptquartier gemacht, um herauszufinden, wie die Briten es geschafft haben, sich nicht nur die Krümel, sondern ein riesiges Stück vom Kuchen zu sichern.

„Oh, das ist es schon?“ Als Google Maps uns die Ankunft am Zielort mitteilt, haben wir ehrlich gesagt etwas Größeres und Imposanteres erwartet. Das Hauptquartier von Muc-Off liegt unscheinbar in der Ecke eines abgelegenen Gewerbegebiets in der Küstenstadt Poole im Südwesten Englands. Sind wir hier wirklich richtig? Sämtliche Zweifel sind wie weggewischt, als wir durch die Eingangstür das Leuchten der neonpinken Wände erkennen. Wie bei den meisten Herstellern, die aktuell in der Fahrradindustrie tätig sind, schießt auch der Umsatz von Muc-Off durch die Decke. Die Büros brummen vor geschäftigem Treiben und es kommen ständig neue Mitarbeiter und neue Produkte ins Unternehmen, was auch immer für einen Schub neuer Energie sorgt. Muc-Off ist fest mit der steigenden Popularität des Mountainbike-Sports verknüpft und stellt eine echte britische Erfolgsgeschichte dar. Das neueste Steckenpferd ist Project Green. Damit geht der Hersteller über das gewöhnliche Greenwashing hinaus und präsentiert nicht ohne Stolz die Vorteile: die Verwendung von mehr recycelten Materialien, biologisch abbaubaren Formeln und der kompletten Optimierung der Marke und der Herstellungsprozesse. Das hört sich toll an und ist eine schöne Geschichte, der Grund für unseren Besuch ist jedoch ein anderer.

Wir wollen uns heute anschauen, wie das Team von Muc-Off seine Produkte In-House entwickelt. Nach einem kurzen Spaziergang die Straße hinunter finden wir uns bereits in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung wieder. Es ist ein wenig, als wäre man in das Labor eines verrückten Professors gestolpert. Die Abteilung ist klein, vollgestopft mit Geräten und in jeder Ecke wird gewuselt und hantiert. Eins ist klar: Hier existieren Pläne und Ideen nicht nur in den Köpfen – hier werden sie 1 : 1 in die Realität umgesetzt! Das Labor entwickelt sich ständig weiter und die Forschung konzentriert sich aktuell auf die Optimierung der Ketten für die diesjährige Grand Tour. Auf der makellosen Arbeitsfläche stehen Labordosen dicht an dicht, jede mit einer anderen Chargennummer und einem Arbeitstitel beschriftet. Teure Rastermikroskope kämpfen mit Prüfständen und säckeweise akribisch beschrifteten Legierungsmaterialproben um den besten Platz auf dem Schreibtisch. Wären da nicht die alten Bikes, die von der Decke hängen, oder die signierten Skateboard-Decks: Wir würden sofort denken, dass wir in einem pharmazeutischen Labor gelandet sind. In der Mitte des Raums rattert ein Prüfstand mit einer montierten Schaltgruppe vor sich hin. Die Kette surrt unermüdlich und ein Dynamometer misst und zeichnet ohne Unterbrechung Hunderte von Parametern auf, die sich alle um die Eingangs- und Ausgangslasten und vor allem um den Verlust des Systems drehen.

Wenn es um die Effizienz einer Schaltgruppe geht, sind leider immer nur die Verluste von Bedeutung. Wichtig ist dabei, wie man sie minimieren kann. – *

Hunderte von Ketten der Profi-Teams hängen tropfend neben dem Prüfstand, gedehnt und bis aufs Äußerste strapaziert. Der Prüfstand ermöglicht es dem Forschungsteam, Schmierstoffe für bestimmte Geometrien und Wetterbedingungen zu testen und Rennetappen anhand der Leistungsdaten der Athleten genau nachzustellen. Der Lohn der harten Arbeit: Die behandelten Ketten von Muc-Off werden von einigen der besten Teams der Tour de France gefahren, z. B. vertrauen die Jungs von INEOS auf das Know-how und das Material aus Poole. „Eine neue Kette ist keine schnelle Kette“, erklärt uns der technische Direktor der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. „Wir lassen jede neue Kette auf dem Prüfstand laufen, um ihre Leistung zu messen. Anschließend muss die Kette durch eine Reihe von Ultraschallreinigungen und anderen Waschvorgängen. Sobald wir alle Schmierstoffe, die auf Öl basieren, entfernt haben, wenden wir unsere eigene Nano-Tube-Technologie an. Sämtliche mikroskopisch kleinen Lücken und Rillen werden auf den Metallketten gefüllt und sorgen so für einen ruhigeren Lauf.“

Bei diesen Worten aktiviert sich direkt unser Marketing-Bullshit-Radar, das wir über die Jahre geschärft haben. Macht das Sinn und merkt das in der Realität überhaupt jemand? Auf einem komplexen Rastermikroskop können wir uns die Ergebnisse bis auf ein tausendstel Nanometer (das sind 0,000000001 mm) genau anschauen – und sind beeindruckt! Der Blick auf eine nagelneue Kette, die frisch aus der Verpackung kommt, sieht bei dieser Auflösung eher aus wie eine topografische Darstellung der Alpen, voll mit gigantischen Gipfeln und Tälern auf den eigentlich so glatten Metalloberflächen. „Die meisten Leute denken, die Zusatzstoffe im Kettenöl würden dafür sorgen, dass das Mittel auf der Kette bleibt und nicht wegschmiert“, erklärt man uns im Labor. „Die Wahrheit ist jedoch, dass die Zusatzstoffe die Luft zwischen den Alpengipfeln füllen und aus der Berglandschaft eine glatte Oberfläche machen.“ Zum Spaß vergleichen wir die Oberflächen von fabrikneuen Shimano- und SRAM-Ketten: Die Unterschiede sind enorm, ihr werdet es nicht glauben!

Während wir uns unterhalten, misst eine Analysemaschine, die wirklich teuer aussieht, leise den Reibungskoeffizienten eines Testmusters – einmal mit und einmal ohne Schmierstoff. Diese Maschine ist äußerst fleißig und hat bereits jede erdenkliche Beschichtung einer Schaltgruppe getestet und erforscht, ein Exemplar auf dem Schreibtisch wird auch bei Weltraumraketen eingesetzt. Ein solches Maß an Genauigkeit brauchen natürlich eigentlich nur Sekundenjäger und Kalorienzähler beim Straßenradsport. Der durchschnittliche Mountainbiker hat andere Probleme, wenn er sich einen zermürbenden Anstieg im Regen hoch quält. Es bedeutet aber auch, dass die wenigen Tropfen Kettenöl, die ihr benutzt, mit dem geballten Know-how von Muc-Off versetzt sind.

Während wir immer tiefer in dieses Willy-Wonka-Bike-Nerdfest abtauchen und miteinander fachsimpeln, kommen wir auf ein gemeinsames Hass-Thema zu sprechen: Es gibt nicht Nervigeres, als ein paar Monate nach der Reifenmontage den Pneu abzuziehen und festzustellen, dass sich die Dichtmilch in einen riesigen geronnenen Gummiball transformiert hat. Auch solchen Problemen stellt sich das Team hier – es hat nämlich eine neue Tubeless-Reihe namens PIM (Prepare, Inflate, Maintain) entwickelt, auf die man im Labor sehr stolz ist. Eines der Produkte darin ist die fantastisch benannte No Puncture Hassle-Dichtmilch. Weil es irgendwie peinlich wäre, wenn sie diesem Namen nicht auch Ehre machen würde, hat das Team mehr als 50 verschiedene Formeln …

Auf der einen Seite des riesigen Whiteboards steht eine komplexe Gleichung der Hydrodynamik und der Reibungskoeffizienten. Auf der anderen Seite hängt ein Flachbildfernseher, auf dem der Downhill-Worldcup läuft. – *

Wenn irgendein Produkt aus dem Portfolio von Muc-Off die Liebe zum Detail definiert, dann sind es die neuen Tubeless-Ventile. Auf den ersten Blick sind es einfach nur: Ventile. Wenn man jedoch genauer hinschaut, erkennt man die geballte Technik, die dahintersteckt. Die sechs Kanäle auf der Unterseite des Ventilschafts ermöglichen es, dass Luft an einem Reifen-Insert vorbeiströmen kann und jeder, der schon mal mit nichts anderem als Schimpfwörtern und blinder Hoffnung eine verklemmte Ventilmutter lockern wollte, wird über den gefrästen 4-mm-Inbusschlüsselschlitz sehr dankbar sein. Dann gibt es noch das Valve-Core-Entfernungswerkzeug, das in der Ersatz-Aluminiumkappe versteckt ist, und drei verschiedene Gummidichtungen für unterschiedliche Felgenprofile. Kleine Details, klar. Aber wenn man sie erst mal gesehen und sich daran gewöhnt hat, denkt man: „Oh Mann, wie geil. Wieso haben das nicht alle Ventile?“ Die Tatsache, dass sie aus einer 7075er-Legierung gefertigt werden und in drei Längen sowie 10 verschiedenen Farben erhältlich sind, ist das i-Tüpfelchen.

Man sollte nie aufhören zu testen. Andere Marken können ihre eigenen Behauptungen aufstellen. Hier bei Muc-Off sind wir immer ganz vorne mit dabei, sämtliche Produkte werden In-House entworfen und getestet und das wird immer so bleiben. – *

Die beschränkte Zeit lässt viele Fragen unbeantwortet und wäre es nach uns gegangen, hätten wir noch ewig bleiben können. Als wir hierher gefahren sind, hatten wir eine klare Mission: Wir wollten herausfinden, wie eine Firma im malerischen Süden Englands einen solchen Welterfolg erzielen konnte. Nach unserer Zeit in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung kennen wir die geheime Formel, zumindest in wichtigen Teilen. Man nehme Menschen mit Leidenschaft für das, was sie tun, vermische das mit einer geradezu obsessiven Aufmerksamkeit für die kleinsten Details und addiere am Ende noch eine Portion unkaputtbarer Geduld und Konzentration, wenn es darum geht, zu testen und zu testen und zu testen und zu testen … So ungefähr sieht Muc-Offs besonderer Ansatz für interne Probeläufe und Produktentwicklungen aus, und er ist ganz sicher der Grund für den Erfolg der Briten. Selbst wenn ihre Produkte nicht so neidische Blicke von anderen Trail-Benutzern auf sich ziehen wie die neuesten High-Pivot-Bikes, so wissen die Menschen in diesem Labor doch, dass ihre Dichtmilch länger in euren Reifen bleibt und ihre Schmiermittel eure Ketten geschmeidiger laufen lassen. Sie wissen es, weil sie es getestet haben.

* Muc-Off hat uns gebeten, die ansässigen Forscher und Produktentwickler nicht namentlich zu nennen.


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Words & Photos: Trevor Worsey