Canyon hat uns in die Region Blausasc nach Frankreich eingeladen, eine Gegend mit krassen technischen Uphills und heftigen Downhills. Gemeinsam mit dem mehrfachen Weltmeister Fabien Barel, Ines Thoma und dem Entwicklerteam von Canyon haben wir das auf Downhill getrimmte Spectral:ON 8.0 getestet.

Der erste Aufbau des Spectral:ON 8.0

Als Direktversender kann Canyon den Kunden nicht die gleiche Unterstützung beim Aufbau bieten wie Bike-Shops, deshalb haben sich die Koblenzer Mühe gegeben, alles einfach zu halten. Geliefert wird das Spectral:ON mit einer Kurzanleitung, außerdem ist es auf die Geometrieeinstellung „Low“ voreingestellt. Unser 1,80 m großer Tester mit seinen 80 kg hat die Schnellanleitung befolgt und 80 psi in die Gabel und 225 psi in den Dämpfer gepumpt. Den Rebound hat er nach persönlichen Vorlieben angepasst und die Reifen auf 1,25 bar aufgepumpt. Der Grip-Dämpfer des FOX 36 Performance Elite ist zu linear, wenn er offen ist, deshalb hat er für mehr Support die Kompression halb geschlossen. Bei der Testfahrt hatte er den anpassbaren Shimano E8000-Motor auf mittlere Unterstützung gestellt im Trail-Level und auf maximale Unterstützung im Boost-Modus.

Die Geometrie basiert auf dem konventionellen Spectral-Trailbike, sodass sich das neue Spectral:ON vertraut anfühlt und gut klettert. Brille: 100% Speedcraft Jersey: Leatt DBX 2.0, Shorts: Leatt DBX 3.0, Handschuhe: Leatt DBX 2.0 X-Flow, Schuhe: ION Rascal.

Die Sitzposition auf dem Canyon Spectral:ON

Da das Spectral:ON ein Trailbike ist, muss es in allem gut und für ein breites Fahrerfeld geeignet sein. Eine Sitzposition, die viel Vertrauen vermittelt, ist hier der Schlüssel. Um das zu erreichen, greift Canyon auf Bewährtes zurück und hat dafür gesorgt, dass das Spectral:ON dem konventionellen Spectral sehr ähnlich ist. Statt sehr langem Reach und extremer Geometrie ist alles ausgewogen und vertraut. Der Reach ist großzügig, ohne zu lang zu sein, die niedrige Überstandshöhe gibt das gute Gefühl, im Bike zu sitzen, und das breite Cockpit mit den gut gewählten, ergonomischen Kontaktpunkten schafft Vertrauen.

Uphill mit dem Canyon Spectral:ON

Bergauf überzeugt das Spectral:ON auf ganzer Linie mit seiner Kraft und der Fähigkeit, über Stufen und Felsen zu klettern. Dieser Kletterfähigkeit kommt die kurze 165-mm-Kurbel zugute, aber auch das progressive Heck unterstützt und steht hoch im Federweg. Das Spectral:ON kommt mit seinen 21,55 kg gut zurecht, beschleunigt einfach in technischen Uphills und ist gut zu kontrollieren. Der schmale Q-Faktor und die gleichmäßige Unterstützung des E8000-Motors fühlen sich in technischem Gelände und langen Anstiegen sehr natürlich an. In sehr steilen Anstiegen machen sich die kurzen Kettenstreben und der recht flache Lenkwinkel bemerkbar und man muss sich mehr anstrengen, damit das Vorderrad nicht steigt – vor allem im Boost-Modus, der sowieso gerne das Vorderrad anhebt. Fairerweise muss man aber sagen, dass das Spectral 8.0 eher abfahrtsorientiert ist. Wenn man mehr Performance bergauf sucht, kann man die Geometrieanpassung auf „High“ stellen und den Sattel etwas nach vorne schieben, oder eine Modellversion mit 150 mm Federweg wählen. Auch wenn der SD:ON-Sattel irgendwie komisch aussieht, hat er sich als sehr komfortabel erwiesen und schmiegt sich wie ein Clubsessel an den Hintern an.

Hier geht’s fast 35° bergauf, ohne Boost-Modus läuft da nichts!

Gute Entscheidungen: Die Ausstattung des Canyon Spectral:ON

Ein E-Mountainbike ist nur so gut wie die verbauten Teile, und wenn es um eine wertige Ausstattung geht, kennt sich Canyon aus. Ein tolles E-MTB mit schlechten Bremsen macht kaum mehr Spaß als ein Zahnarztbesuch, daher ist es gut, dass Canyon durchweg 200-mm-Bremsscheiben verbaut und das Spectral:ON 80 mit den starken SRAM Code R-Bremsen ausstattet. Der SRAM EX1-Antrieb bietet für einen 8-fach-Antrieb eine gute Bandbreite, aber die grobe Abstufung sorgt für laute Schaltvorgänge und vorausschauendes Schalten ist der Schlüssel für eine bessere Kettenlebensdauer. Wo wir gerade bei Verschleiß sind: Die Trails waren sehr felsig und bei einigen zu mutigen Lines waren wir über die Gleitplatte unter dem Motor sehr glücklich.

Auf dem Trail

Beeindruckt von der Wendigkeit bergauf, konnten wir es kaum erwarten, mit dem Canyon Spectral:ON steil bergab zu fahren. Wie bei jedem guten Trailbike war nach ein paar Turns klar, worum es geht: puren Spaß! Der ungewöhnliche Ansatz mit den gemischten Laufradgrößen funktioniert am E-Mountainbike sehr gut: Der 2,5“-Vorderreifen steuert mit einer Präzision, die breitere Reifen nicht bieten können, und der 2,8“ breite DHR II-Hinterreifen folgt dem Untergrund gut, bremst sehr gut und bleibt auch auf Spur, wenn man etwas zu motiviert in die Kurve gegangen ist. Der 780-mm-Lenker und der 60-mm-Vorbau (50 mm wären uns lieber gewesen) schaffen in schnellen Turns Vertrauen, während die Kinematik ganz klar zu einem ambitionierten Trailbike passt. Einfach ballern ist nicht, das Spectral:ON ist eher ein Rallye-Wagen als ein Monstertruck.

Das Canyon Spectral:ON 8.0 ist ausgewogen, schafft Vertrauen und ist einfach zu fahren

Über Felsen fährt es sich beinahe lautlos, der robuste Gummischutz bringt die Kette effektiv zum Schweigen. Nur das Singen der SRAM-Bremsen stört die Idylle. Warum müssen sie ausgerechnet wie ein Truthahn klingen? Aber schon bald fährt man mit Maximalgeschwindigkeit, freut sich über die Wendigkeit und genießt die direkten Linien. Das ausgewogene Fahrwerk benötigt keine ungewohnten Gewichtsverlagerungen und kommt gut durch enge Kurven. Gerade Anfänger werden das Spectral:ON angenehm und einfach zu kontrollieren finden, während fortgeschrittene Fahrer das unglaublich spaßige und gute Fahrgefühl genießen werden.

Fazit

Aus einer Designperspektive wird jeder, der mit dem Markteinstieg von Canyon eine Revolution erwartet hat, enttäuscht sein. Das soll aber nicht heißen, dass das Spectral:ON kein großartiges E-MTB ist, denn genau das ist es. Canyon bleibt sich treu und liefert ein unglaublich vielseitiges E-Mountainbike mit hervorragenden Fahreigenschaften, einer Topausstattung und aggressiven Preisen, die die Mitbewerber ordentlich unter Druck setzen werden. Hoffen wir, dass Canyon auch bei den Herausforderungen im Service mithalten kann!

Mehr Infos auf der Canyon Website


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