Das neue FOCUS JAM² 7.0 2022 – Allroundtalent zum fairen Preis?

Ohne Siegerpokal, aber dafür mit fettem Grinsen: Das brandneue FOCUS JAM² 7.0 mit Shimano-Motor und 720-Wh-Akku will keine Rennen gewinnen, sondern lieber einfach jeden Spaß mitmachen – und dazu mit cleveren Details punkten. Hat das neue FOCUS JAM² E-Mountainbike das Zeug dazu, diesem ultimativen Allround-Anspruch gerecht zu werden?

In der Musik bedeutet Jammen, ohne Noten vor sich hin zu spielen und sich von spontanen Ideen treiben zu lassen. Das neue Musikinstrument von FOCUS heißt JAM² 7.0, hat zwei Räder, einen Elektromotor und soll ebenfalls verdammt viel Spaß beim Spielen machen. Was an einer Gitarre die Saiten sind, sind beim JAM² 7.0 die 29’’ großen Laufräder, ein Fahrwerk mit 150 mm Federweg vorne wie auch hinten, der neue F.O.L.D. 2.0 Hinterbau und das Shimano EP8-Motorsystem mit großem 720-Wh-Akku. Ist das FOCUS also eine brachiale E-Gitarre mit voll aufgerissenem Verstärker? Nein, denn das JAM² soll zwar laut können, setzt aber auch auf weitere spannende Eigenschaften zugunsten der Vielseitigkeit. Ist das FOCUS JAM² 7.0 dann vielleicht weniger ein dauerlauter Stromgitarrist als vielmehr ein Keyboarder, der für fast jeden Song einen passenden Sound parat hat? Und steckt das JAM² dann auch im typischen Keyboarder-Dilemma, zwar überall mitspielen zu können, aber für kein Genre wirklich cool genug zu sein? Was muss ein E-Mountainbike können, das allen Spaß machen kann? Wie viel Fokus auf genau einen Anwendungsbereich braucht es wirklich? Wird das FOCUS JAM² 7.0 seinem Anspruch gerecht, allen Spaß zu machen? Urteilt mit Bedacht, denn es gibt verdammt gute Keyboarder da draußen!

Das FOCUS JAM² 7.0 im Detail

Das mintgrüne FOCUS JAM² 7.0 wird durch einen Shimano STEPS EP8-Motor angetrieben, der via Shimano STEPS EM800 Lenker-Remote gesteuert wird. Im On-/Off-Button auf dem Oberrohr ist ein USB-Ladeport integriert, der das Handy oder Navigationsgerät gleich mitversorgen kann. Befeuert wird der Motor mit der Energie aus einem hauseigenen FOCUS-Akku mit 720 Wh Kapazität, der optisch clean im geschlossenen Unterrohr des Alu-Rahmens liegt. Zum Aufladen kann er dort auch bleiben und wird über einen Ladeport auf Höhe des Tretlagers angestöpselt. Wer den Akku herausnehmen möchte, der löst per Inbusschlüssel den massiven Haltebolzen und zieht ihn nach unten aus dem Unterrohr heraus. Das gelingt am einfachsten, wenn man das JAM² dazu auf den Kopf stellt. Die leicht geschwungene Form des Unterrohrs und auch des Akkus darin ist laut FOCUS die Antwort auf die Frage, wie man den großen 720-Wh-Akku über alle vier Rahmengrößen S, M, L und XL hinweg mit der gewünschten Rahmengeometrie des neuen JAM² in Einklang bringen kann.

Am Unterrohr zeigen sich noch weitere Details des JAM². Der von unten angeschraubte Gummistöpsel am oberen Ende fängt die Gabelkrone auf und begrenzt damit den möglichen Lenkeinschlag. Etwas grobschlächtig in der Optik, aber praktisch. Auf dem Unterrohr und ins vordere Rahmendreieck eingebettet sitzt ab Werk eine ebenfalls aufgeschraubte Tasche, die per wasserdichtem Reißverschluss Zugang zu Werkzeug, Ersatzmaterial oder rettenden Kaloriennachschub bietet. Wir haben sie mit einem Minitool, Ersatzschlauch, Pumpe und Reifenhebern befüllt und den etwas schwergängigen Reißverschluss so gerade noch schließen können. Das Notfallequipment ist dann klapperfrei und gut erreichbar verstaut. Auf der typischen Flaschenhalteraufnahme sitzt beim FOCUS JAM² ein unscheinbarer Kunststoffadapter und erst darauf der eigentliche Flaschenhalter. Dadurch wandert dessen Position weiter nach unten und trotz wenig Platz im vorderen Rahmendreieck können alle Rahmen ab Größe M mit einer großen 750-ml-Trinkflasche bestückt werden. Durch den Adapter findet im Rahmen des JAM² außerdem auch ein Dämpfer mit Ausgleichsbehälter Platz. Das ermöglicht, das FOCUS mit den passenden Komponenten für den neuen F.O.L.D. 2.0-Hinterbau auszustatten. Dieser besteht im Kern aus einem festen hinteren Rahmendreieck, das über zwei Umlenkungen und einen virtuellen Drehpunkt den horizontal unter dem Oberrohr liegenden Dämpfer ansteuert. Das JAM² erfüllt die CAT 4-Norm und ist damit auch für größere Sprünge freigegeben. Und das bei einem zulässigen Gesamtgewicht von satten 150 kg. Bei 25,50 kg Eigengewicht bleiben da noch gute 124 kg für spaßhungrige Rock’n’Roller und ihre Ausrüstung!

Weitere Stärken des neuen E-Fully von FOCUS liegen in seinen Details. Das JAM² kommt optisch sehr clean daher. Das liegt wesentlich an der durchdachten Kabelführung. Dank der integrierten Zugführung verschwinden sämtliche Leitungen vom Lenker direkt durch den hauseigenen C.I.S.-Vorbau im Inneren des Bikes, anstatt durch Kabelports seitlich in den Rahmen einzutauchen. Fesch! Von Lackabplatzern gefährdete Rahmenteile sind bereits ab Werk mit klarer Schutzfolie beklebt. Damit euer JAM² nicht schon nach wenigen Wochen so abgerockt aussieht wie eine E-Gitarre von Kurt Cobain.

Ausstattung des FOCUS JAM² 7.0 2022 – Fairer Preis für meist tadellose Parts

FOCUS macht bei der trailwürdigen Ausstattung des neuen JAM² fast alles richtig. An unserem Test-Bike, dem Topmodell JAM² 7.0 mit Alu-Rahmen in Größe XL, finden wir an vielen Stellen genau das, was es nun mal braucht, um auch im Gelände so richtig aufdrehen zu können – und zwar zu einem fairen Preis von 7.999 €! Die guten Entscheidungen beginnen beim Fahrwerk. Die RockShox ZEB Select+ Federgabel mit 150 mm Hub arbeitet im Inneren mit derselben Charger 2.1-Dämpferkartusche wie die teurere Ultimate und verzichtet gegenüber dieser lediglich auf das Einstellrad für High Speed Compression, aber nicht auf Performance. Nur wer tief ins Setup seines Fahrwerks einsteigen möchte, wird das als Abstrich sehen. Am Heck stellt ein FOX FLOAT X Performance-Dämpfer 150 mm Federweg bereit.

Gerollt wird auf den 29’’ Alu-Felgen der HX 1700-Laufräder von DT Swiss, auf die Profilgummis von Schwalbe gespannt sind. Der 2,6’’ breite Magic Mary mit Super Trail-Karkasse macht am Vorderrad Sinn. Beim Big Betty am stärker belasteten Hinterrad hätte es aber durchaus die pannensicherere Super Gravity-Karkasse sein dürfen. Die Prämisse von FOCUS, mit dem JAM² eine zuverlässige Spaßmaschine mit Allrounder-Stärken und voller Trail-Performance zu erschaffen, lässt sich auch in weiteren Teilen wie den Bremsen erkennen. Wenn ein Solo auf dem Trail mal ein bisschen zu heiß wird, kommen die fein einstellbaren und enorm kraftvollen SRAM CODE RSC-Bremsen ins Rampenlicht. Erst recht in Kombination mit den 220 mm großen Bremsscheiben vorne und hinten, die versprechen, ihre Pflicht wirklich ernst zu nehmen. Geschalten wird mit der elektronischen SRAM Eagle GX AXS 12-fach-Schaltung. Nur die FOCUS Post Modern-Sattelstütze fällt etwas ab. Ihr undefinierter Daumenhebel fühlt sich wackelig an und bringt, sobald er auslöst, nur maximal 170 mm Hub zum Vorschein. Das ist für Rahmengröße L okay, für XL aber zu wenig. Bei den Größen S und M stehen 125 mm und 150 mm zur Verfügung.

Insgesamt bringt die Ausstattung des FOCUS fast alles mit, was es wirklich braucht, um verschiedensten Ridern auf dem Trail richtig Spaß zu machen. Carbon-Bling? Megafancyexklusiv? Nö! Wozu denn auch?! Das JAM² 7.0 hält sich gelassen zurück und fängt nicht gleich mit einem Solo an. Bis jetzt fährt das JAM² mit solider Ausstattung und klugen Features gut damit, sich breit aufzustellen und sich nicht auf eine einzige Stilrichtung festzulegen. Der vielseitige Keyboarder sammelt weiter Punkte.

Weitere Ausstattungsvarianten des FOCUS JAM² 2022

Neben dem Topmodell JAM² 7.0 ist das neue E-Mountainbike von FOCUS auch in den zwei Ausstattungsvarianten JAM² 7.9 und JAM² 7.8 erhältlich. An Motor, Bedieneinheit und Akku ändert sich dabei jeweils nichts. Das JAM² 7.9 tauscht die RockShox ZEB-Federgabel des 7.0 gegen eine FOX 36 FLOAT Rhythm. Der Dämpfer bleibt der FOX FLOAT X Performance. Das JAM² 7.9 hat Laufräder aus Komponenten von Race Face bzw. Novatec, mechanische XT- und SLX-Schaltungsteile und XT-Bremsen mit vier Kolben von Shimano – jeweils nicht die Topmodelle, aber aufrichtige und verlässliche Arbeitstiere, die euren Fahrspaß kaum mindern werden. Wer auf die elektronische SRAM-Schaltung des JAM² 7.0 verzichten kann und ohnehin nicht an seinen Fahrwerkseinstellungen herumtüftelt, findet im JAM² 7.9 für 6.299 € richtig viel Trail-Performance zu einem fairen Kurs. Schade ist dabei, dass nur das Topmodell mit 220-mm-Bremsscheiben kommt. Auch das JAM² 7.8 ist mit Parts von RockShox, Shimano und anderen namhaften Herstellern bestückt. Für abermals günstigere 5.399 € greift man dann allerdings nicht nur nochmal eine Modellreihe tiefer, sondern verzichtet auch schmerzlich auf eine Vierkolbenbremse – die bei 150 kg Gesamtgewicht auf dem Trail aber ein Muss ist.

Die Ausstattung des FOCUS JAM² 7.9 2022

Die Ausstattung des FOCUS JAM² 7.8 2022

Verfügbarkeit des FOCUS JAM² 7

FOCUS hat aktuell knapp 1.000 Stück der neuen JAM²-Modelle für euch parat. Auch Click and Collect ist möglich, also Online-Bestellung und Abholung bei eurem Händler vor Ort.

Geometrie

Mittels Flip-Chip unterhalb des Dämpfers kann die Geometrie des FOCUS JAM² in den zwei Positionen „low“ und „high“ eingestellt werden. Das gelingt mittels Inbusschlüssel und etwas Fingergeschick in weniger als drei Minuten. Wir empfehlen euch, das FOCUS JAM² 7 im „low“-Setting zu fahren. Dann kommt das FOCUS JAM² 7.0 mit einem Lenkwinkel von 65,0° und in Größe XL mit einem Reach von 510 mm. Der Sitzwinkel von einigermaßen steilen 76,0° positioniert euch angenehm zentral im Bike. Ohne Knick im Sitzrohr flacht der effektive Sitzwinkel auch bei weit ausgezogener Sattelstütze nicht ab, sodass auch Langbeiner relativ mittig im Bike sitzen werden.

Größe	S	M	L	XL
Oberrohr	572 mm	602 mm	637 mm	671 mm
Sattelrohr	390 mm	420 mm	450 mm	470 mm
Steuerrohr	105 mm	110 mm	130 mm	150 mm
Lenkwinkel	65,5°/65°	65,5°/65°	65,5°/65°	65,5°/65°
Sitzwinkel	76,5°/76°	76,5°/76°	76,5°/76°	76,5°/76°
Kettenstrebe	448 mm	448 mm	448 mm	448 mm
Tretlagerabsenkung	19,5/25 mm	19,5/25 mm	19,5/25 mm	19,5/25 mm
Radstand	1.191 mm	1.223 mm	1.261 mm	1.300 mm
Reach	425 mm	455 mm	485 mm	515 mm
Stack	609 mm	613 mm	637 mm	655 mm

Im Test: Das FOCUS JAM² 7.0 2022 im Uphill und in der Ebene

Beim ersten Fahrtest mit dem FOCUS JAM² 7.0 fällt sofort die entspannt aufrechte Sitzhaltung auf, die man auf diesem E-Mountainbike einnimmt. Der lange Hauptrahmen sorgt nicht etwa für eine weit nach vorne gestreckte Haltung, da der steile Sitzwinkel den Sattel entsprechend nach vorne rückt und die Sitzposition kompakt hält. Zusammen mit dem komfortablen Fahrwerk sind Touren ein echter Genuss. Geht es moderat und flowig bergauf, lastet immer ausreichend Druck auf der Front des JAM² 7.0. In Verbindung mit dem moderaten Lenkwinkel von 65° fühlt sich das JAM² 7.0 2022 agil und wendig an und folgt eurem eingeschlagenen Kurs im Uphill willig. Das Vorderrad des JAM² macht direkt das, was ihr wollt, und der Hinterbau sorgt gleichzeitig für reichlich Traktion. So macht es auch Einsteigern schnell Spaß, bergauf den Trail statt der Schotterstraße zu nehmen. Erst wenn es richtig steil wird, kommt das FOCUS an seine Grenzen. Dann steht man tief im Federweg und die Front will trotz steilem Sitzwinkel aktiv belastet werden, um am Boden zu bleiben.

Der Trail-Test des FOCUS JAM² 7.0 2022 im Downhill

Und bergab? Das hohe Cockpit des JAM² sorgt nicht nur für eine entspannte Sitzposition im flachen Gelände, sondern gibt auch Sicherheit im Steilen. In offenen Kurven ist das FOCUS JAM² 7.0 einfach zu steuern und verzeiht Fahrfehler großzügig. Es ist daher und für Anfänger genauso wie für fortgeschrittene Trail-Piloten geeignet. Auf Flowtrails profitiert es von seiner Wendigkeit und Agilität. Dreht man die Lautstärke aber auf und lässt das JAM² im steilen und ruppigen Gelände richtig laufen, fehlt es an Gegenhalt vom Heck. Selbst erfahrene Piloten sind dann gefordert, das JAM² auf Spur zu halten. Auch auf Flowtrails würde man von mehr Gegenhalt und damit mehr Agilität und Popp profitieren.

Real Talk: Der neue F.O.L.D. 2.0-Hinterbau ist traktionsstark, aber sehr linear abgestimmt, was uns einige Male durch den Federweg rauschen ließ. Einfach den Luftdruck im Dämpfer zu erhöhen, ist hierfür keine gute Lösung, weil man so zwar übermäßige Bottom-Outs vermeiden kann, das Ansprechverhalten des Hecks dann aber ungefähr so fein wird wie das eines Hardtails. Um diesen Spagat zu meistern, empfehlen wir bei dynamischer Fahrweise ein paar Volumenspacer für den FOX FLOAT X-Dämpfer des JAM². So könnt ihr das bestmögliche Ansprechverhalten aus dem Hinterbau herausholen, unnötige Endanschläge im Zaum halten und das JAM² als poppiges Bike mit solidem Gegenhalt im Federweg erleben. Absoluter Tuning-Tipp!

Für einen letzten Kritikpunkt kann FOCUS nichts: Wie bereits an anderen Bikes festgestellt, fällt der Shimano EP8-Motor auch am JAM² 7.0 2022 durch sein lautes Klappern auf.

Selbst echte Allrounder haben Schwächen. Und zugegeben, reinrassige Ballertrails bei Highspeed sind nicht die Stärke des JAM². Doch das hat FOCUS dem neuen JAM² auch nicht auf die Fahne geschrieben. Das wäre in etwa so, als ob sich der Keyboarder in einer langhaarigen, grunzenden Metal-Band beweisen sollte. Doch auf den Trails abseits von Extremen ist das JAM² zuhause. Der Keyboarder hat wirklich einiges drauf. Und falls ihr euch nun immer noch daran stört, dass das JAM² eine Ständeraufnahme hat, dann liegt das nicht am Bike – sondern einfach an eurem einseitigen Musikgeschmack.

Das FOCUS JAM² 7.0 2022 kann echt viel echt gut. Der Allrounder treibt den Spaßfaktor in den meisten Situationen nach oben und punktet mit sinniger Geometrie, satter Ausstattung und fairem Preis. Für das perfekte Fahrwerks-Setup braucht ihr noch Volumenspacer im Dämpfer und manch einer eine längere Sattelstütze. Spätestens dann könnt ihr als Einsteiger oder erfahrene E-Mountainbiker mit dem JAM² auf fast allen Bühnen mitmischen. Dieses Bike ist vielseitig wie ein Keyboarder – und zwar wie ein guter.

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Für weitere Infos besucht focus-bikes.com.

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Words: Moritz Geisreiter Photos: Christoph Laue, Manuel Sulzer