Canyon und COMMENCAL sind beide dafür bekannt, innovative Bikes mit grandiosem Handling zu bauen. Seit Kurzem haben beide auch E-Mountainbikes im Portfolio. Um herauszufinden, wer das bessere Bike baut, haben wir zum Duell geladen: Canyon Spectral:ON 9.0 gegen COMMENCAL META POWER 29.
Canyon und COMMENCAL stehen für hochwertige Bikes zu einem fairen Preis, der oft weit unter dem der Konkurrenz liegt. Möglich macht das unter anderem der Wegfall eines Vertriebsschritts: Beide Hersteller verkaufen ohne Zwischenhändler direkt an den Kunden. Als Kunde bedeutet das allerdings limitierte Testmöglichkeiten im Vorfeld und ein erhöhter Aufwand im Service-Fall. Im Garantiefall ist ggf. ein Versand des ganzen Bikes nötig. Kleinere Reparaturen führt in der Regel aber auch ein normaler stationärer Händler durch – hier kann es jedoch zu höheren Preisen oder längeren Wartezeiten kommen. Man sollte daher im Idealfall selbst etwas geschickt sein, um kleinere Reparaturen und auch das Setup selbst durchführen zu können.
Die beiden Kontrahenten
Das Canyon Spectral:ON 9.0 platzt nur so vor speziell fürs E-Mountainbike entwickelten Parts und Konzepten: Gemischte Laufradgrößen, ein eigens konzipierter Sattel, ein Carbon-Hybrid-Laufradsatz und eine E-Mountainbike-spezifische Federgabel findet man auf Canyons Zutatenliste für ein spaßiges E-Mountainbike. Bei COMMENCAL ticken die Uhren etwas anders: Rennsport, Speed und Performance stehen bei vielen Bike-Entwicklungen im Vordergrund. Diese Gene kann auch das META POWER 29 nicht verstecken. Spezielle E-Mountainbike-Komponenten oder übertriebenes Bling-Bling sucht man am META vergebens. Stattdessen hat das Bike eine grundsolide Ausstattung verpasst bekommen, um den Anforderungen an ein potentes E-Mountainbike gerecht zu werden. Welches Konzept macht jetzt das bessere E-Mountainbike für den Traileinsatz aus? Spezial-Parts und Leichtbau oder robuste Komponenten aus dem Mountainbike-Bereich? Wir sind mit den Bikes Flowtrails auf und ab gesurft, sind durch fiese Steinfelder gebügelt, haben Spitzkehren bewältigt und Wurzelteppiche überrollt, um diese Frage zu klären.
Canyon Spectral:ON 9.0
Gabel Fox 36 Float Factory 150 mm
Dämpfer Fox Factory Float DPS EVOL 140 mm
Schaltung Shimano XT Di2
Motor Shimano Steps E8000
Akku Shimano 500 Wh
Bremsen Shimano Saint 203/203 mm
Lenker Canyon H23 Rise CF 760 mm
Vorbau Canyon V12 60 mm
Sattelstütze Kind Shock Lev Si 150 mm
Reifen Schwalbe Nobby Nic 2,6″/2,35″
Laufräder DT Swiss H1200 Spline 27,5″+/29″
Mehr Infos unter: canyon.com
Größe | XS | S | M | L | XL |
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Oberrohr | 582 mm | 597 mm | 616 mm | 638 mm | 660 mm |
Sitzrohr | 420 mm | 430 mm | 440 mm | 480 mm | 520 mm |
Lenkwinkel | 66/66,6° | 66,8/67,6° | 66,8/67,6° | 66,8/67,6° | 66,8/67,6° |
Sitzwinkel | 73,3/74,1° | 73,8/74,6° | 73,8/74,6° | 73,8/74,6° | 73,8/74,6° |
Kettenstrebe | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm | 430 mm |
BB Drop | 33/24 mm | 33/24 mm | 33/24 mm | 33/24 mm | 33/24 mm |
Radstand | 1151/1149 mm | 1161/1159 mm | 1183/1181 mm | 1208/1206 mm | 1233/1231 mm |
Reach | 405 mm | 425 mm | 445 mm | 465 mm | 485 mm |
Stack | 605 mm | 618 mm | 622 mm | 634 mm | 644 mm |
COMMENCAL META POWER 29
Gabel RockShox Lyrik RCT3 150 mm
Dämpfer RockShox Super Deluxe RCT 140 mm
Schaltung SRAM EX1
Motor Shimano Steps E8000
Akku Shimano 500 Wh
Bremsen SRAM Code R 200/200 mm
Lenker Ride Alpha Aluminium 780 mm
Vorbau Ride Alpha Alloy 7075 50 mm
Sattelstütze Kind Shock Lev Integra
Reifen Maxxis Highroller II 2,5″ Maxxis Minion DHR 2,4″
Laufräder DT Swiss H1700 Spline 27,5″
Mehr Infos unter: commencal-store.de
Größe | S | M | L | XL |
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Oberrohr | 577 mm | 599 mm | 624 mm | 648 mm |
Sitzrohr | 400 mm | 440 mm | 490 mm | 520 mm |
Lenkwinkel | 66° | 66° | 66° | 66° |
Sitzwinkel | 75° | 75° | 75° | 75° |
Kettenstrebe | 440 mm | 440 mm | 440 mm | 440 mm |
BB Drop | 17 mm | 17 mm | 17 mm | 17 mm |
Radstand | 1170 mm | 1191 mm | 1216 mm | 1241 mm |
Reach | 415 mm | 435 mm | 458 mm | 481 mm |
Stack | 615 mm | 619 mm | 624 mm | 628 mm |
Runde 1: die Lieferung
Der erste Punkt geht schon beim Klingeln des Postboten an Canyon. Das 5.999 € teure Spectral:ON 9.0 wird in einem extra entwickelten Karton geliefert, aus dem sich das Bike easy herausrollen lässt. Das COMMENCAL kommt hingegen im normalen Bike-Karton und das Heraushieven des 22,5 kg schweren Bikes erfordert ordentlich Muskelkraft. Wer genug Platz hat, sollte den Karton unbedingt aufheben, um sein E-Mountainbike im Service- oder Problemfall an den Hersteller schicken zu können.
Runde 2: Die Bikes im Detail
Die Aluminiumrahmen beider Bikes verfügen über einige ausgefallene Details, so gehört Canyon zu den wenigen Herstellern, die es schaffen, einen externen Akku und einen Flaschenhalter im Rahmendreieck unterzubringen. Top!
Der Dämpfer des COMMENCAL META POWER 29 sitzt halb integriert im Oberrohr und auch der hintere Bremssattel sitzt gut versteckt zwischen Sitzstrebe und Hinterrad. Schon beim ersten Probe Rollen fällt auf, dass beide Bikes – abgesehen von den Motorgeräuschen – sehr leise sind. Das liegt vor allem an den super weichen Kettenstrebenschonern, die das metallische Klappern der Kette verhindern.
Allerdings hätten wir uns ein hochwertigeres Finish gewünscht, lieblos hingebrutzelte Schweißnähte prägen die Rohrverbindungen an beiden Rahmen. Obendrein sind die Geschwindigkeitssensoren an der Kettenstrebe permanentem Steinbeschuss schutzlos ausgeliefert.
COMMENCAL hat die Geometrie des META POWER an die 29”-Laufräder angeglichen und verpasst dem Bike einen steilen Sitzwinkel und langen Radstand. Der Eingelenker-Hinterbau liefert dabei 140 mm Federweg, die in Kombination mit einer 150-mm-Gabel für ausreichend Reserven sorgen sollen.
Beim Canyon Spectral:ON kommen je nach Modell Federgabeln mit 150 mm oder 160 mm Federweg zum Einsatz. Bei unserem Topmodell steckt ein 29”-Rad in einer 150-mm-Federgabel, während das Heck ein kleineres 27,5”-Rad aufnimmt und 140 mm Federweg bietet.
Runde 3: Die Ausstattung
In Sachen Ausstattung ist beim Canyon Spectral:ON 9.0 das Beste gerade gut genug. Elektronische Shimano XT Di2-Schaltung, eine fürs E-Bike optimierte FOX Factory-Federgabel und ein Laufradsatz aus Carbon sind das Material feuchter Bikerträume. Die unterschiedlich großen Laufräder des DT Swiss HXC 1200 SPLINE stechen sofort ins Auge. Vorne dreht sich ein 29”-Rad, während im Hinterbau ganz offensichtlich ein 27,5”+ Laufrad steckt. Für Skepsis sorgt der dünnwandige Schwalbe Nobby Nic-Reifen mit flachem Profil. In Zukunft wird Canyon aber alle Nobby Nic-Reifen in der pannensicheren Super Gravity-Karkasse ausliefern. Der 2,6” breite Reifen am Hinterrad soll für Traktion beim Klettern sorgen, der schmalere Vorderreifen in 2,35” soll hingegen mehr Präzision ins Lenkverhalten bringen. Ein FOX Factory-Fahrwerk mit 36er-Gabel und DPS FLOAT-Dämpfer kontrolliert die 150 mm Federweg vorne und hinten. In Sachen Antrieb steht das Spectral:ON voll auf Strom und Shimano. Die Kraft des STEPS E 8000-Motors wird mit der elektronischen Shimano XT Di2-Schaltung ans Hinterrad weitergeleitet. Den Saft dafür ziehen beide aus dem externen 500-Wh-Akku, der auf dem Unterrohr sitzt. Die Shimano Saint-Bremse mit 200-mm-Scheiben vorne und hinten hat mehr als genug Bremspower und macht auch auf langen Abfahrten nicht schlapp. Der überbreite Canyon SD:ON-Sattel bietet hinten eine ordentliche Erhöhung und unterstützt damit bei steilen Anstiegen. Beim Cockpit wurde ein 60 mm langer Vorbau mit einem „nur“ 760 mm breiten Carbonlenker von Canyon kombiniert.
COMMENCAL bietet beim 700 € günstigeren META POWER 29 solide Komponenten. Die 29”-Laufrad-Reifen-Kombination mit den super griffigen und stabilen MAXXIS Aggressor- und HighRoller II-Reifen und dem zuverlässigen DT Swiss H1700 SPLINE-Laufradsatz konnte uns auf jeden Fall überzeugen. Wie Canyon verbaut auch COMMENCAL den Shimano STEPS E-8000-Motor mit externem Akku. Obwohl die SRAM EX1-Achtgangschaltung speziell für E-Mountainbikes entwickelt wurde, finden wir sie für den Einsatz auf dem Trail wegen der großen Gangsprünge unpassend. Die Bremse kommt ebenfalls von SRAM und dank 200er-Scheiben vorne und hinten packt die Code R ordentlich zu. Im Vergleich zur Shimano Saint lässt sich die Code R besser dosieren, erfordert aber deutlich mehr Fingerkraft, um die gleiche Bremspower zu generieren. „Black is beautiful“ lautet die Devise beim RockShox-Fahrwerk mit der Lyrik RCT3 und 150 mm Federweg und einem Super Deluxe RCT-Dämpfer, der dem Hinterbau 140 mm Federweg entlockt. Ein RIDE ALPHA-Vorbau in 50 mm Länge komplettiert mit einem 780 mm breiten Alulenker der Hausmarke das Cockpit.
Uphill
Bergauf kann der Shimano-Motor in beiden Bikes überzeugen. Im Trail-Modus regelt das System die Kraft clever und sorgt für ein natürliches Fahrgefühl. Auf dem Canyon nimmt man Platz auf dem besonders breiten und hinten hochgezogenen SD:ON-Sattel, mit dem sich auch lange Touren und steile Uphills ohne schmerzende Stellen meistern lassen. Die Sitzposition ist etwas sportiver als beim kompakten COMMENCAL. Dennoch gelingt beiden Bikes der Spagat zwischen einer bequemen Sitz- und einer effizienten Tretposition, wodurch sie sich beide auch für lange Touren eignen.
Geht es auf Singletrails bergauf, zeigen sich größere Unterschiede zwischen den Bikes: Im flacheren Geläuf erklimmt das Canyon Stufen und große Wurzeln mit Leichtigkeit und ohne viel Körpereinsatz. Kleine bis mittelgroße Hindernisse überrollt auch das META POWER 29 mit Leichtigkeit und generiert dabei mit dem satten Fahrwerk massig Traktion am Hinterrad. Trotzdem ist es etwas träger als das Spectral:ON 9.0 und so werden ohne ausreichend Schwung verwinkelte und enge Passagen zur Herausforderung.
Dank des relativ steilen Sitzwinkels und der langen Kettenstreben steigt das Vorderrad am META POWER 29 erst bei sehr steilen Rampen. Das Spectral:ON ist da schon früher am Limit und erfordert wegen der hohen Front viel Arbeit vom Fahrer, um das Vorderrad am Boden zu halten. Leider fehlt es dem Hinterreifen dann trotz seiner Breite an Grip und durchdrehende Reifen sind die Folge. Die Vorzüge der gemischten Laufradgröße im Uphill kann das Canyon im Duell gegen das COMMENCAL nicht ausspielen.
Downhill
Gruppe-B-Rally-Car vs. Monstertruck. So in etwa fühlt sich der direkte Downhillvergleich zwischen dem verspielten Canyon Spectral:ON und dem extrem laufruhigen COMMENCAL META POWER 29 an.
Auf dem Canyon hat man das Gefühl, „im“ statt auf dem Bike zu stehen. Das 29er-Laufrad vorne sorgt für eine hohe Front und in Kombination mit dem tiefen Tretlager steht der Fahrer trotz niedrigem Schwerpunkt angenehm aufrecht. Diese Position schenkt viel Sicherheit und Selbstvertrauen. Obendrein ist das Oberrohr angenehm tiefgezogen und bietet dadurch viel Bewegungsfreiheit in alle Richtungen. Dank der langhubigen Sattelstütze stört noch nicht einmal der extrem breite Sattel zwischen den Beinen. So integriert lässt sich das Spectral:ON easy in Kurven legen. Das Fahrwerk liefert dabei so viel Gegenhalt, dass man durch aktives Pushen oft viel schneller aus Kurven rausschießt, als man reinfährt. Kanten und Wurzeln fordern an Bord des 21,3 kg schweren Canyon quasi zum Abziehen auf, sodass viele grobe Hindernisse auch gerne mal übersprungen werden können. Das ist teilweise aber auch notwendig, denn bei besonders groben und schnell aufeinanderfolgenden Schlägen leitet das straffe Fahrwerk viele Schläge an den Fahrer weiter. Das Canyon lässt sich spielerisch und ohne Profiskills von einer Kurve in die nächste jagen. Leider kommen dabei die Reifen zu schnell ans Limit. Die Nobby Nics bieten vor allem auf der Bremse wenig Traktion und bringen die brachiale Kraft der Saint-Stopper nicht auf den Boden.
Das Canyon Spectral:ON 9.0 ist so wendig und verspielt, dass sich jede Wurzel in einen Absprung verwandelt.
Während die Reifen beim Canyon die Gesamtperformance des Bikes mindern, heben die MAXXIS-Reifen mit stabiler DoubleDown-Karkasse und weicher Gummimischung das META POWER 29 in Sachen Grip und Pannenschutz schon fast auf Downhill-Niveau. Zusammen mit der ausgewogenen Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterrad generiert das COMMENCAL in Kurven enorm viel Grip. Das sorgt für ordentlich Selbstvertrauen beim Fahren. Das braucht man aber auch, um das META POWER 29 in seinen Grenzbereich zu bringen, da der auf dem Trail erst bei extrem hohen Geschwindigkeiten erreicht wird. Schließlich bügelt das Fahrwerk nahezu alle Unebenheiten weg, generiert extrem viel Grip und bettelt förmlich um Speed. Dabei hält das COMMENCAL willig die Spur und setzt Lenkimpulse verdammt schnell und präzise um. Geht es eher gemütlich dahin, leitet das Fahrwerk aber auch nur wenige Informationen über den Untergrund an den Fahrer weiter. Auf flowigen Strecken ist das COMMENCAL im direkten Vergleich zum Canyon weniger agil und wirkt träger. Dafür fährt es dem Canyon bei Wurzelpassagen einfach davon und ist bei größeren Sprüngen deutlich souveräner und unaufgeregter.
Das COMMENCAL META POWER 29 bügelt wie ein Monstertruck alles glatt und bettelt förmlich um Speed.
Fazit
Wer gewinnt also das Duell Canyon vs. COMMENCAL? Das Canyon ist das deutlich verspieltere und agilere Bike und begeistert mit einem sehr natürlichen Handling. Leider leistet es sich aber bei Highspeed und im steilen Uphill Schwächen. Das COMMENCAL META POWER 29 ist der Monstertruck in diesem Duell, es bügelt bergauf wie bergab viele Hindernisse glatt und verschafft seinem Fahrer dadurch einen ungeahnten Geschwindigkeitsrausch. Obendrein ist es 700 € günstiger und überzeugt mit einer robusten wie soliden Ausstattung. Wenn auch knapp, muss sich das Canyon Spectral:ON 9.0 dem COMMENCAL META POWER 29 geschlagen geben. Das nächstgünstigere Spectral:ON 8.0 bietet mehr Federweg bei weniger Luxus zu einem günstigeren Preis als das COMMENCAL. Wer also nicht auf der Suche nach einem Ballerbike ist, sondern lieber ein verspieltes und wendiges Bike möchte, der greift zum Canyon – aber nicht zum Topmodell.
Mehr Infos unter: canyon.com | commencal-store.de
Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #009
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Words: Photos: Valentin Rühl, Felix Stix