Mit dem Performance Line SX Motor will Bosch das Light-E-MTB-Segment aufmischen. Im direkten Vergleich zu den Minimal-Assist-Motoren von TQ und FAZUA ist der SX zwar größer und schwerer, doch dafür kann Bosch einige Trümpfe ziehen! Welche das sind und warum der Bosch Performance Line SX nicht nur TQ und FAZUA, sondern auch seinem Bruder CX Konkurrenz macht, erfahrt ihr in diesem Test!
Dieser Test ist Teil unseres großen E-Bike-Motoren-Vergleichstest. Einen Überblick über alle 13 von uns getesteten Motorensysteme, spannende Hintergrundinfos und eine Kaufberatung, worauf ihr beim E-MTB-Kauf achten solltet, erhaltet ihr hier!
Der Bosch Performance Line SX wurde im Sommer 2023 vorgestellt und mit ihm feiert Bosch sein Debüt im Minimal-Assist-Motoren-Segment. Dachten wir zumindest. Denn Bosch musste sich selbst eingestehen, dass sie den Motor und sein Potenzial nicht optimal kommuniziert haben. Das könnte an der schwäbischen Bescheidenheit liegen oder an der Tatsache, dass sich Potenziale erst in der Praxis zeigen. Wie dem auch sei: Bisher lag der Fokus der Stuttgarter auf kraftvolleren E-Bike-Motoren wie dem Bosch Performance Line CX, der im Full-Power-Bereich der Platzhirsch ist. Den neuen Performance Line SX positionieren Bosch als kleiner Bruder des CX. Er fällt zwar kleiner und deutlich leichter aus als alle bisherigen Bosch E-Bike-Motoren, aber dennoch größer und auffälliger als die relevanten Minimal-Assist-Motoren zweier Mitstreiter, die Motoren TQ HRP50 und FAZUA Ride 60. Das Besondere am neuen Bosch Performance Line SX ist, dass er sowohl das Full -Power-Segment als auch das Light-Segment angreift und damit eine sehr interessante Lücke schließen könnte. Kann der Spagat klappen?
Mit 55 Nm Drehmoment besitzt der SX zwar 30 Nm weniger als der CX, liefert aber dieselbe Maximalleistung von 600 Watt, während der TQ HPR 50 nur maximal die Hälfte ausspuckt. Damit kann er bei den ganz Großen mitspielen, auch wenn die Leistungsentfaltung natürlich eine andere ist.
Der Bosch Performance Line SX soll sich vor allem an sportliche Fahrer richten und mit einem breiten Einsatzgebiet überzeugen. Er kommt sowohl in Light-E-Mountainbikes, Urban-E-Bikes als auch in Gravel-E-Bikes zum Einsatz. Eingegliedert in das Bosch Smart System greift der Performance Line SX auf ein großes Angebot an Connectivity, Akkulösungen, Displays und Remotes zurück, das kontinuierlich erweitert wird. Nicht nur in die Entwicklung neuer Motorensysteme investiert Bosch viel, sondern auch in den Service. Im Vergleich zu anderen E-Bike-Motoren-Herstellern bietet Bosch das größte globale Service-Netzwerk, nach eigenen Angaben schulen die Schwaben allein in Europa jährlich rund 10.000 Fachhändler in 15 Ländern.
Der Bosch Performance Line SX im Detail – Grenzgänger oder Alleskönner?
Dass der neue Bosch Performance Line SX von seinem größeren Bruder CX abstammt, sieht man sofort: Auch wenn das Volumen um rund 20 % reduziert wurde, sind Formgebung und Dimensionen nahezu identisch. Hinzu kommen das ikonische silberfarbene Bosch-Logo und der rote Schriftzug auf dem schwarzen Magnesiumgehäuse. Der technische Aufbau des SX ist der gleiche wie beim CX, jedoch verzichtet der SX-Motor auf eine dritte Untersetzungsstufe. Aufgrund der anderen Übersetzung verschiebt sich der Effizienzbereich nach oben und der Fahrer muss eine höhere Trittfrequenz aufbringen, um die volle Leistung ausschöpfen zu können. Durch den Verzicht der zusätzlichen Untersetzungsstufe ist der Motor mit 2,05 kg nicht nur um rund 900 g leichter geworden, sondern auch schmaler als der Performance Line CX: In der Breite schrumpft der Q-Faktor von 178 mm auf 160 mm. Dadurch rücken die Kurbel und Pedale etwas näher zusammen, was dem Q-Faktor eines analogen Bikes näherkommt. Dennoch sind die Baumaße des SX deutlich größer als die von anderen E-Bike-Motoren im Light-E-MTB-Segment. Das lässt dem Hersteller nicht völlig freie Hand beim Design neuer E-Bikes, eine fast unsichtbare Integration des Motorsystems à la TQ ist nicht möglich.
Das Level der Unterstützung kann über vier verschiedene Fahrmodi gewählt werden. Neben den altbekannten Fahrmodi kommt die neue progressive Unterstützungsstufe Sprint dazu, die sich nach der Kadenz des Fahrers richtet. Diese ist jedoch primär für den urbanen Einsatz konzipiert und liefert eine Unterstützung von bis zu 280 % des Rider-Inputs. Das soll den Fahrer animieren, mehr Eigenleistung zu erbringen, und fördert so den sportlichen Aspekt. Im E-Mountainbike wird der neue Sprint-Modus durch den ebenfalls progressiven E-MTB-Modus ersetzt, der wie der Turbo-Modus bis max. 340 % unterstützt. In beiden Fällen liefert der Bosch Performance Line SX bis zu 55 Nm Drehmoment und 600 Watt Maximalleistung. Der Unterschied ist, wie schnell und einfach man diese erreicht. Die maximale Leistung wird nicht dauerhaft vom Motor erbracht, sondern dynamisch geregelt. Diesen Kunstkniff schafft das Antriebssystem durch die Software, die fortlaufend den Durchschnitt der Fahrerleistung ermittelt. Solange der Rider mit einer entsprechenden durchschnittlichen Eigenleistung unterwegs ist, wird er mit bis zu 40 Nm versorgt. Tritt er härter in die Pedale und hebt sich die Eigenleistung vom bisherigen Durchschnitt deutlich ab, zündet die Motorsoftware den Nachbrenner und es werden bis zu 55 Nm vom E-Bike-Motor freigegeben. Was bei einem FAZUA Ride 60 der Boost-Modus an der Remote ist, wird beim Performance Line SX intelligent über die Software gesteuert und unterliegt keiner zeitlichen Begrenzung. Das vereinfacht die Bedienung, man hat immer alle Finger am Lenker. So bekommt zum einen jeder Fahrer das Maximale an Leistung in dynamischen Fahrsituationen raus, zum anderen schont die Software den Akku bei normaler Fahrweise.
Über die eBike Flow-App lassen sich die Fahrmodi in ihrer Dynamik, ihrem maximalen Drehmoment, der Stärke der Unterstützung sowie der Geschwindigkeit (im Rahmen der gesetzlichen Regularien) anpassen. Für Einsteiger hält die App direkt eine Erklärung mit den Auswirkungen auf das Fahrerlebnis parat – super! Neben der Modi-Anpassung liefert die App auch eine Navigation unter Berücksichtigung des Höhenprofils und der und der – unter anderem daraus resultierenden – Reichweite sowie trainingsspezifische Informationen, wie z. B. verbrannte Kalorien durch den Fahrer. Als wäre das nicht genug, hat man die Möglichkeit, auf clevere Sicherheits-Features wie dem eBike Alarm oder eBike Lock zurückzugreifen, wenn man sein After-Ride-Getränk im Biergarten genießen will. Hierbei werden die Motorfunktionen lahmgelegt und das Bike kann über die eBike Flow-App per GPS-Signal getrackt werden. Auch wenn es ein echtes Schloss nicht ersetzt, erschwert der Diebstahlschutz den kriminellen Möchtegern-Besitzern, das Bike zu entwenden. Voraussetzung hierfür ist allerdings das Connect Modul und das kostenpflichtige Premium Abo Flow+, das nach den ersten 12 kostenlosen Monaten mit 4,99 € pro Monat oder 39,99 € jährlich zu Buche schlägt.
Auch der Performance Line SX greift auf das modulare Ökosystem zurück und profitiert von den Entwicklungen der letzten Jahre. Nur der 2 kg schwere Bosch CompactTube 400-Akku wurde für den SX-Motor neu entwickelt und kommt, wie der Name schon vermuten lässt, mit 400 Wh Akkukapazität. So schafft es das System auf schlanke 4 kg, inklusive Kernkomponenten wie Akku und Motor. Im Vergleich zum 430 Wh großen Stromspeicher des FAZUA Ride 60-Motorsystems sind das zwar 30 Wh weniger, aber dafür ist der Bosch-Akku auch knappe 300 g leichter. Aber Vorsicht: Einzelne Motorengewichte isoliert zu vergleichen macht keinen Sinn, da je nach Hersteller der technische Aufbau des Motorsystems variiert und bestimmte Komponenten entweder in der Antriebseinheit oder dem Akku integriert sind. Selbst das Systemgewicht, wie wir es in diesem Absatz verglichen haben, ist noch nicht vollends aussagekräftig, da die Anschraubpunkte für den E-Bike-Motor und die Integrationsmöglichkeiten des Akkus einen großen Unterschied machen. Dennoch lässt sich grob sagen, dass der Bosch SX mit 400-Wh-Akku in Summe in der gleichen Gewichts-Liga wie der FAZUA Ride 60 mit 430 Wh spielt. Der TQ HPR 50 ist mit seinem 360-Wh-Akku nochmals leichter, was an dem kleineren Akku, aber auch am leichteren Motor liegt.
Auch die anderen Akkus aus dem Bosch Smart System, wie z. B. der PowerTube 625 mit 625 Wh und der PowerTube 750 mit 750 Wh, sind mit dem Performance Line SX kompatibel. Das ermöglicht den Herstellern viele Kombinationen und beschränkt den neuen, leichten Motor nicht nur auf das klassische Light-E-MTB-Dasein. Gleiches gilt für die Remotes, aber nur ein Teil der angebotenen Fernbedienungen ist für richtiges Trailriding geeignet. Nach dem Motto „Weniger ist mehr“ macht an leichten E-Mountainbikes vor allem die Kombination aus Bosch Mini Remote und dem ins Oberrohr integrierten Bosch System Controller Sinn. Die kabellose Remote und das Display geben zwar nur Auskunft über die wichtigsten Informationen wie den gewählten Fahrmodus und Akkuladung. Dafür überzeugen sie durch ein cleanes Erscheinungsbild und intuitive Bedienung, bei der man sich voll und ganz auf das Trailriding konzentrieren kann. Für mehr Informationen hat Bosch das Kiox 300- oder Kiox 500-Display im Programm, das neben den Standard-Informationen auch eine schematische Weganzeige bei aktivierter Navigation beherrscht. Im Falle eines Sturzes sitzt das Kiox-Display mit der Standardhalterung allerdings ungünstig vor dem Vorbau.
Bosch Performance Line SX: Schwerer Minimal-Assist-Motor oder leichter Full-Power-E-MTB-Motor?
Tritt man in die Pedale, macht der Bosch Performance Line SX im Turbo-Modus in der Standardeinstellung einen kraftvollen Eindruck und schiebt stärker an als der FAZUA Ride 60- oder der TQ HPR 50-Motor. Dennoch stürmt der SX nicht ungestüm los, sondern überzeugt mit einem sehr guten und natürlichen Fahrgefühl, wozu auch das kaum spürbare Aussetzen an der 25-km/h-Grenze beiträgt. Um seine ganze Power zur Verfügung zu stellen, verlangt der E-Bike-Motor eine etwas höhere Trittfrequenz als der CX, dann unterstützt er aber auch genügend auf steilen Anstiegen oder technischen Climbs. Rollt man in einer Gruppe mit Full-Power-E-MTBs auf einen Hang zu und schaltet schnell in einen leichten Gang, um die Kadenz hoch zu halten, so schafft man es, das geringere Drehmoment mit einer höheren Trittfrequenz wettzumachen und an den größeren Motoren dranzubleiben. Bosch-typisch ist der eMTB-Modus exzellent abgestimmt und der etwas längere Nachlauf schiebt einen über Wurzeln und kleinere Stufen, ohne dabei pedalieren zu müssen. Hat man nicht den richtigen Gang erwischt oder ist man gezwungen, an einer schmalen Stelle langsam zu treten, verlangt der Performance Line SX im Vergleich zum CX deutlich mehr Kraft vom Fahrer. Beim TQ HPR 50 oder dem FAZUA Ride 60 muss hier sogar noch mehr Eigenleistung gebracht werden. Das zeigt sich auch in unserem Labortest im Prüflabor von Velotech. Der Bosch Performance Line SX kennt kein Limit und unterstützt auch noch bei sehr hohen Kadenzen, in denen bei den meisten Konkurrenten die Leistungskurve wieder abfällt.
Von außen betrachtet ist der Bosch Performance Line SX zwar nicht ganz so unauffällig wie andere Minimal-Assist-Systeme, dafür nimmt man ihn zumindest akustisch kaum wahr. Er ist bei niedriger Trittfrequenz deutlich leiser als der FAZUA Ride 60 oder der Specialized SL1.2 und etwa dem TQ ebenbürtig. Steigt die Motordrehzahl, erhöht sich die Lautstärke, ist aber in keiner Weise störend und wird von den Umgebungsgeräuschen überdeckt.
Seid ihr bereit, etwas mehr in die Pedale zu treten, und könnt ihr auf Shuttle-Feeling verzichten? Dann ist der Bosch Performance Line SX eine gute Wahl. Vorausgesetzt, man ist mit entsprechender Trittfrequenz unterwegs, sodass man das geringere Drehmoment des Performance Line SX im Vergleich zum CX durch das Mehr an Drehzahl kompensiert – dann liefert der E-Bike Motor auch seine 340 % Unterstützungsleistung. Wer aktuell mit seinem Full-Power-Motor überwiegend in den niedrigen Unterstützungsmodi unterwegs ist, nicht in den Alpen die steilsten und längsten Gipfel bezwingt und ein Verständnis für die richtige Gangwahl hat, wird vom SX begeistert sein. Er ist eine spannende Alternative zum größeren Performance Line CX, vor allem dann, wenn man den 900 g leichteren SX-Motor mit einem 625-Wh-Akku kombiniert. Mit dem Grenzgänger hat man nahezu die gleichen Möglichkeiten wie mit einem Full-Power-Motor, aber spart deutlich Gewicht, was die Kernkomponenten Motor und Akku betrifft.
Fazit
Der Bosch Performance Line SX ist weder der leichteste noch der schlankeste E-Bike-Motor. Er schlägt aber die Brücke zwischen Full-Power- und Light-E-MTB und bietet mehr Leistung als alle anderen Minimal-Assist-Motoren im Test – in Kombination mit einem exzellenten und natürlichen Fahrgefühl. Durch die dynamische Leistungsregelung bekommen sportliche Fahrer zusätzlich Power aus dem Motor. Im Gegensatz zu der Konkurrenz im Light-Segment überzeugt er nicht nur mit seiner Performance auf dem Trail, sondern auch mit einem globalen und zuverlässigen Service-Netzwerk und zahlreichen Konfigurationsmöglichkeiten. Wir sind uns sicher: Der SX wird dem CX-Motor in Zukunft viel Konkurrenz machen!
Tops
- natürliches Fahrgefühl
- hohes Maß an Connectivity
- geringe Geräuschkulisse
Flops
- auffälliger und schlechter integrierbar als bei der Konkurrenz
- wenig Unterstützung bei niedriger Trittfrequenz
Für mehr Informationen besucht bosch-ebike.com
Das Testfeld
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Words: Mike Hunger Photos: Diverse