Bosch präsentiert mit dem Performance Line SX-Motor eine neue Drive Unit, die durch das geringe Systemgewicht und ihr natürliches Fahrgefühl überzeugen soll. Was der neue Motor alles kann und ob er nur für sportliche Fahrer geeignet ist, haben wir für euch herausgefunden.

Bosch sollte fast jedem ein Begriff sein. Die Schwaben sind nicht nur der weltweit größte Automobilzulieferer, sondern mit dem eigenständigen Geschäftsbereich gehören sie auch zu den größten Motorenherstellern im E-Bike-Segment. Im Gegensatz zu anderen Herstellern bieten die Stuttgarter nur ein geschlossenes Gesamtsystem an, mit einer großen Auswahl an verschiedenen Akkus, Remotes und Displays. Bei den Antriebssystemen stehen Qualität und Funktionalität im Vordergrund und zu einem geschlossenen Gesamtsystem gehört auch ein großes Service-Netzwerk. Bosch hat den Anspruch, ein volles Sortiment zu bieten: Von Motoren für den urbanen Bereich, über Cargo-Motoren und S-Pedelec-Motoren, bis hin zu E-MTB-Motoren findet man alles im Portfolio. Bisher lag der Fokus auf kraftvolleren Motoren, wie dem Performance Line CX oder dem 2021 vorgestellten Smart System. Nun springt Bosch auch auf den Zug der Light-Motoren auf und präsentiert diesbezüglich den Bosch Performance Line SX. Der Mittelmotor fällt kleiner und leichter aus als alle aktuell verfügbaren Bosch-Motoren. Er soll sich vor allem an sportliche Fahrer richten und an Light-E-MTBs, Gravel-Bikes oder urbanen Bikes zum Einsatz kommen. Zudem gibt es für den US-amerikanischen und neuseeländischen Markt eine Speed-Variante mit bis zu 45 km/h. Wir waren im E-Bike-Entwicklungszentrum von Bosch, um alle Details vorab zu erhalten und haben den neuen Bosch Performance Line SX bereits getestet.

Der neue Bosch Performance Line SX-Motor 2023 im Detail

Durch das ikonische silberfarbene Bosch-Logo und den roten Schriftzug ist der Performance Line SX sofort als Motor aus dem Hause Bosch zu erkennen. Von außen blickt man auf ein schwarzes Magnesiumgehäuse, das durch seine Formgebung an den größeren Bruder, den Performance Line CX, erinnert. Auch die klassische Anordnung wurde beibehalten und die Kurbelachse sitzt hinter dem eigentlichen Motor statt übereinander, wie es z. B. beim TQ HPR 50-Motor der Fall ist. Dadurch fällt das Baumaß nicht ganz so kompakt aus wie bei anderen Motoren im Light-Segment. Trotz seiner äußeren Ähnlichkeit zum Performance Line CX verzichtet der SX-Motor auf eine dritte Untersetzungsstufe. Aufgrund der anderen Übersetzung verschiebt sich der Effizienzbereich nach oben und der Fahrer muss eine höhere Trittfrequenz aufbringen, um die volle Leistung ausschöpfen zu können. Durch den Verzicht der zusätzlichen Untersetzungsstufe ist der Motor mit 2,05 kg nicht nur leichter geworden, sondern auch kleiner als der Performance Line CX. Der Volumenunterschied liegt dabei bei ca. 20 % und das Innenleben ist durch die Schutzart IP54 vor Schmutz sowie Spritzwasser geschützt. In der Breite schrumpft der Q-Faktor von 178 mm auf 160 mm. Dadurch wandern die Kurbel und Pedale etwas näher zusammen, was laut Bosch zu einem natürlicheren Fahrgefühl beitragen soll, wie man es auch von analogen Bikes gewohnt ist. Zudem ist der Motor für 2-fach Kettenblätter freigegeben, was aber eher für den Gravel- und urbanen Bereich interessant sein dürfte.

Äußerlich ähnelt der Performance Line SX seinem größeren Bruder CX.
Die klassische Anordnung im Motorgehäuse wurde beibehalten, aber der SX verzichtet auf eine dritte Untersetzungsstufe.

In Sachen Leistung kommt der Bosch Performance SX auf 55 Nm Drehmoment und 600 Watt in der Spitze. Richtig gelesen: in der Spitze. Denn die maximale Leistung wird nicht dauerhaft vom Motor erbracht, sondern dynamisch geregelt. Diesen Kunstkniff schafft das Antriebssystem durch die Software, die einen gleitenden Durchschnitt der Fahrerleistung ermittelt. Solange der Rider mit einer entsprechenden durchschnittlichen Eigenleistung unterwegs ist, wird er mit bis zu 40 Nm versorgt. Tritt er härter in die Pedale und hebt sich die Eigenleistung vom bisherigen Durchschnitt deutlich ab, zündet die Motorsoftware den Nachbrenner und es werden bis zu 55 Nm vom Motor freigegeben. So bekommt nicht nur jeder Fahrer das Maximale an Leistung in dynamischen Fahrsituationen raus, sondern die Software steuert auch eine sinnvolle Kombination aus De-Rating – also der Verringerung der Motorleistung bei starker Beanspruchung –, natürlichem Fahrverhalten und guter Reichweite.

Die Software des Antriebssystems ermittelt die Durchschnittsleistung des Fahrers und passt die Motorunterstützung dynamisch an unterschiedliche Fahrsituationen an.

Das Level der Unterstützung kann über vier verschiedene Fahrmodi gewählt werden. Neben den altbekannten Fahrmodi kommt die neue progressive Unterstützungsstufe Sprint dazu, die sich nach der Kadenz des Fahrers richtet. Je schneller man in die Pedale tritt, desto mehr Power bekommt man vom Motor beigesteuert und erreicht so eine Unterstützung von bis zu 280 %. Das soll den Rider animieren, immer mehr Eigenleistung zu erbringen und gleichzeitig den sportlichen Aspekt fördern. Im E-Mountainbike wird der neue Sprint-Modus durch den ebenfalls progressiven E-MTB-Modus ersetzt, der wie der Turbo-Modus bis max. 340 % unterstützt. Letztendlich ist es aber den Bike-Herstellern überlassen, welche vier Modi in ihren Bikes zum Einsatz kommen. Über die eBike Flow-App lassen sich die Fahrmodi in ihrer Dynamik, ihrem maximalen Drehmoment, der Stärke der Unterstützung sowie der Geschwindigkeit (im Rahmen der gesetzlichen Regularien) anpassen. Neben der Modi-Anpassung liefert die App auch trainingsspezifische Informationen, wie z. B. verbrannte Kalorien der Rides.

Die Unterstützungsstufen lassen sich über die eBike Flow-App auf eigene Präferenzen anpassen.

Die Akkuoptionen für den Bosch Performance Line SX-Motor 2023

Wie so oft funktioniert ohne Strom gar nix. Um ausreichend Energie für den Performance Line SX-Motor bereitzustellen, stellt Bosch einen neuen Akku vor: Der CompactTube 400 kommt, wie der Name schon vermuten lässt, mit 400 Wh und wiegt ca. 2 kg. So schafft es das System auf schlanke 4 kg, inklusive Kernkomponenten wie Akku und Motor.

Der für den Bosch Performance Line SX entwickelte CompactTube 400-Akku mit 400 Wh kommt zusammen mit dem Motor auf schlanke 4 kg.

Wer lange Trips bestreiten will, hat die Möglichkeit, auf den optionalen und ebenfalls neuen PowerMore-Range-Extender mit 250 Wh zurückzugreifen, der an den Anschraubpunkten des Flaschenhalters transportiert werden kann. Somit kann man die Kapazität des Akkus auf insgesamt 650 Wh steigern und spielt in Sachen Akkukapazität in der Liga vieler Full-Power-E-MTBs. Wählt man diese Option, erhöht sich der Zeiger der Waage um 1,6 kg. Der Range Extender ist auch mit den bisherigen Stromspeichern im Smart System kompatibel: So kann man für etwas mehr Reichweite und weniger Ladestopps den Performance Line SX auch z. B. mit dem bereits bestehenden PowerTube 500 mit 500 Wh oder allen anderen Akkus aus dem Smart System kombinieren. Alternativ kann das System über den neuen und kompakten 2Ampere Charger geladen werden. Dieser soll rund 25 % leichter und 40 % kleiner sein als der bestehende 4Ampere Charger, lädt dafür aber auch nicht ganz so schnell.

Der Trinkflaschen-große PowerMore-Range-Extender bietet 250 Wh extra und lässt sich an den Anschraubpunkten für den Flaschenhalter befestigen.

Display und Remotes für den Bosch Performance Line SX-Motor 2023

Mit der Mini Remote und dem System Controller hat Bosch bereits am Smart System gezeigt, dass sie auch in Sachen Integration was können. Wie schon beim Smart System erlaubt das modulare Konzept, verschiedene Displays und Remotes kombinieren zu können. In der Produktfamilie sind nun auch das neue Purion 200 und Kiox 500-Display zu finden. Mit welchen Funktionen sie ausgestattet sind und was sich Bosch für das neue Modelljahr noch so alles einfallen lassen hat, könnt ihr in unserer News lesen.

Die Mini Remote und der System Controller sind auch mit dem neuen SX-Motorsystem kompatibel.
Wie schon beim Smart System erlaubt das modulare Konzept eine Vielzahl an unterschiedlichen Remotes und Displays aus dem Hause Bosch zu verwenden.

Der neue Bosch Performance Line SX-Motor 2023 im Praxistest

Viele verschiedene Aspekte bestimmen heutzutage die Performance des Bikes, daher darf der Motor nicht isoliert vom Bike betrachtet werden. Das Antriebssystem ist nämlich nur so gut wie das Bike, in dem es steckt. Der Bosch Performance Line SX-Motor verfügt über einen breiteren Einsatzbereich als die meisten Light-Motoren, eignet sich für eine Vielzahl von Szenarien und schlägt die Brücke zwischen Light- und Full-Power-E-MTBs. Direkt beim ersten Tritt in die Pedale fühlt er sich kraftvoll an und schiebt subjektiv stärker als der FAZUA Ride 60 oder der TQ HPR 50-Motor. Trotzdem überzeugt der Performance Line SX mit einem natürlichen Fahrgefühl – dazu trägt auch das smoothe Aussetzen oberhalb der 25-km/h-Grenze bei, wenn man Etappen auf Schotter- oder Radwegen zurücklegt.

Sowohl durchschnittliche als auch sportliche Fahrer kommen beim SX auf ihre Kosten. Allerdings verlangt der Motor eine etwas höhere Trittfrequenz, um seine ganze Power zur Verfügung zu stellen. Dann unterstützt er auch auf steilen Anstiegen und auf technischen Climbs. Gerade bei Letzterem schiebt der etwas längere Nachlauf einen über Wurzeln und kleinere Stufen, ohne dabei Pedalieren zu müssen. Durch die hohe Trittfrequenz sollte man ohnehin ein Auge auf sein Pedal-Timing haben, um nicht Gefahr zu laufen, an Wurzeln oder herausragenden Steinen aufzusetzen. Steht man vor der Herausforderung, einen schmalen Trail-Abschnitt zu meistern oder kommt in einer engen Kehre bergauf zum Stehen, erfordert das Fahren in langsamer Trittfrequenz bzw. das Anfahren viel Kraft. Hier merkt man, dass der Effizienzbereich des Motors in höheren Kadenzen liegt und deshalb nicht ausreichend Power geliefert werden kann. Auch wenn der Motor von außen nicht ganz so unauffällig ist wie manch andere Light-Motoren, kann er durch sein leises Auftreten punkten. Bei niedriger Trittfrequenz um ca. 50 Umdrehungen nimmt man den Motor kaum wahr und schleicht nahezu lautlos durch den Wald. Steigen die Trittfrequenz und die Belastung aufgrund eines steilen Anstiegs, äußert sich der Motor durch ein leichtes Surren, das aber weiterhin von Umgebungsgeräuschen überdeckt wird und nicht stört.

Fazit zum neuen Bosch Performance Line SX

Der Bosch Performance Line SX-Motor ist weder innovativ noch ein Pionier. Dennoch gelingt Bosch das Debüt im Light-Segment. Das Antriebssystem punktet mit einer kraftvollen Unterstützung und natürlichem Fahrgefühl bei leichterem Gewicht und schließt die Lücke zwischen Light- und Full-Power-E-MTBs. Sportliche Rider bekommen durch die dynamische Leistungsregelung zusätzlich Power aus dem Motor. Darüber hinaus ermöglicht das modulare System rund um Akku, Remote und Display viel Auswahl für den Bike-Hersteller, ein hohes Maß an Connectivity für den Fahrer und den Zugriff auf ein etabliertes und globales Servicenetzwerk für alle.

Tops

  • natürliches Fahrgefühl
  • modulares Konzept
  • hohes Maß an Connectivity

Flops

  • optisch auffälliger und schlechter integrierbar als Konkurrenz
  • wenig Unterstützung bei niedriger Trittfrequenz

Für mehr Informationen, besucht bosch-ebike.com


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Words: Mike Hunger Photos: Peter Walker

Über den Autor

Mike Hunger

Von Slopestyle und Landschaftsfotografie, hin zu Enduro und Actionfotografie. Mike probiert gerne neue Dinge aus und hat eine Vorliebe für Action. Und Handwerk: So zieht es ihn mit seinem Syncro-Van, den er selbst restauriert und umgebaut hat, regelmäßig auf verschiedenste Roadtrips. Natürlich immer mit dabei ist sein Bike und seine Kamera, um die feinsten Trails von Italien bis in die Alpen unter die Stollen zu nehmen und die schönsten Momente festzuhalten. Durch seine Ausbildung als Industriemechaniker, seiner Erfahrung aus dem Radsport und seinen Foto-Skills kann er das Know-How perfekt in den journalistischen Alltag umsetzen und testet jetzt als Redakteur die neuesten Bikes und Parts. Als “Foto-Nerd” hält er außerdem die Tests fotografisch fest und sorgt im Magazin für geiles Bildmaterial.