Testbericht E-Mountainbike: Haibike XDURO NDURO Pro 26
Es gibt die Sorte von Autos, an denen man einfach vorübergeht. Dann die, denen man einen flüchtigen Blick nachwirft und anerkennend nickt. Selten, aber oft genug im Leben passiert es dann, dass man stehen bleibt, genauer hinschaut, hinblickt und dann mit voller Bewunderung jedes Detail mustert. Die Farbabstimmung, Formgebung, das Design. Wie viel Power? Wie viel Drehmoment? Fragen von Technikliebhabern oder Sportlern – oder beides?! Antworten auf diese rhetorischen Fragen würden im Falle dieses Hybrids in jedem Fall lauten: Sehr viel!
Mit den bewundernden Augen eines Kleinkindes näherten wir uns dem brandneuen Haibike XDURO NDURO Pro 26 2014. Es ist das Flaggschiff der 35 Modelle umfassenden E-Bikepalette und sticht mit seiner aggressiven Farbgebung, sportlichem Design, hochwertiger Ausstattung und innovativem Look klar aus der Masse der E-Mountainbikes hervor. Bei der Präsentation auf der Eurobike 2013 wurde es von HAIBIKE selbst als „pure sex“ charakterisiert. Klingt gut? Sieht geil aus? Definitiv!
Soweit so gut. Dennoch stellt sich die Königsfrage: Fährt es sich auch gut?
Mit brachialer Freerider-Optik und aus dem Enduro-Rennsport bekannten Technologien wie die Teleskopsattelstütze (KindShock LEV), der Hinterbau-Dämpfer mit verstellbarer 3-fach-Druckstufendämpfung und großer Luftkammer (FOX Float X), mittels der man die Effizienz und Schluckfreudigkeit des Fahrwerks steuern kann, oder spezielle Mavic Crossmax Enduro Laufräder, auf denen gar die Enduro-Weltmeisterschaft 2013 gewonnen wurde, kommt das Haibike daher. Ein langer Satz – aber schließlich gibt es auch eine lange Liste mit Highlights an diesem E-Mountainbike.
Die KindShock LEV Teleskopsattelstütze lässt sich per Fernbedienung bequem vom Lenker aus ein- und ausfahren. So ist man auf jegliche Situation auf dem Trail vorbereitet – so gewinnt man in Sekundenschnelle deutlich mehr Bein- und Bewegungsfreiheit und musst nicht umständlich anhalten. Ein wahres Plus an Sicherheit und vor allem Spaß! Man glaubt es kaum. Einmal ausprobiert, ist man süchtig!
Fahren wir fort: Sage und schreibe 180 Millimeter Federweg bietet das NDURO Pro an Front und Heck, was bis dato einsame Spitze bei Serien-Ebikes ist.
Dass man mit dem NDURO Pro 26 auch richtig ins Gelände darf (und soll!) zeigen Details wie der schön integrierte, austauschbare Unterbodenschutz des Bosch-Motors aus extrem schlagfestem Nylon-Kunststoff, das Umlenkröllchen für die Kette, um eine optimale Effizienz (Hinterbau-Kinematik!) zu erhalten, sowie die daran integrierte Kettenführung, um die Kette im ruppigen Gelände vor einem ungewollten Abspringen zu bewahren. Das Umlenkröllchen, sowie das Kettenblatt sind aus CNC gefräst und weisen eine spezielle Verzahnung auf, die den Kettengliedern angepasst ist (schmal-breit-schmal-breit), was für einen sicheren Kettenlauf sorgen soll.
Ein weiteres Highlight der Ausstattung ist die sündhaft-teure XX1-Kettenschaltung des US-Amerikanischen Herstellers und Shimano-Kontrahenten SRAM, welche im Enduro-Rennsport absolut „State-of-the-Art“ ist und mit einer sehr großen Übersetzungsbandbreite (10-42 Zähne) aufwarten kann.
So viel zur Ausstattung. Nun ab auf die Trails!
22,2 Kilogramm Lebendgewicht, bringt das Haibike auf die Waage. Anfangs fühlt es sich aufgrund des leichten Übergewichtes etwas schwer und behäbig an. Doch hat man sich an die Fahrdynamik des Bikes gewöhnt, was relativ schnell passiert, ist das kein Thema mehr. Die Sitzposition fällt – nicht zuletzt aufgrund der langen Federwege (180mm!) – relativ hoch, aber dennoch schön zentral aus.
In der Ebene und bergauf lässt es sich gemütlich und effizient pedalieren. Antriebseinflüsse durch Kettenzug waren dabei kaum zu vermerken.
Was nach zahlreichen Testkilometern in anspruchsvollem Gelände für ein paar Wartungsarbeiten sorgte, war das teure XX1-Schaltwerk von SRAM. Die Elf Gänge sind sehr eng konstruiert, sodass das Schaltwerk fein sauber justiert werden will. Die Kette hatte zu diesem Zeitpunkt bereits rund 1.000 Kilometer erlebt, Zeit für ein Kettenwechsel und eine Nachjustierung der Schalteinheit. Generell gilt: Da durch den Elektro-Antrieb eine erhebliche Mehr-Belastung für die Schaltkomponenten auftritt, sollten Gangwechsel unter Volllast und maximaler Unterstützungsstufe nach Möglichkeit vermieden werden – der Langlebigkeit zur Liebe.
Ansonsten ist das XDURO NDURO Pro ein wahrer Freudenspender. Das Handling ist sehr souverän und liegt eher auf der laufruhigen Seite. Auf dem Trail schreit es geradezu (lautlos): Hier komme ich! Dass man auf einem E-Bike sitzt hat man dann schon längst vergessen – eher auf einem Downhillbike! Die Geometrie, im Besonderen der angenehm flache Lenkwinkel von 65,5° (Angle-Set verbaut, eingestellt haben wir jedoch 0°, sprich keine Veränderung) sowie der lange Radstand (1186mm) in Größe Large machen das Bike zur wahren Highspeed-Rakete! Und das macht das Fahrwerk auch erfreulicherweise mit. Dank des feinen Ansprechverhalten liegt das Bike sehr satt auf dem Trail.
Die 180mm Federweg arbeiten sehr harmonisch, wobei wir nur in extremen Grenzsituationen den gesamten Federweg ausnutzten. Im normalen Fahrbetrieb gibt das Fahrwerk immer genügend, aber nie mehr Federweg als notwendig frei. So bewahrt es immer Reserven für Extremsituationen auf und bietet damit ein Plus an Sicherheit. Dies ist auf die unmerklich einsetzende, aber stetig zunehmende Endprogression zurückzuführen.
Der Bosch Performance Mittelmotor mit seinen 250 Watt brachte weniger Power auf den Trail als erwartet. Die bis dato von uns getesteten Bosch Performance Motoren lieferten deutlich mehr Kraftentfaltung ab. Laut Haibike handelt sich bei dem verbauten Motor noch um ein Vorserientest-Muster, bei dem es zu technischen Problemen kommen kann. In Serie – mit voll funktionierendem Motor – wird das XDURO also noch an Aggressivität und Spritzigkeit gewinnen.
Für wen ist das Haibike XDURO NDURO Pro 26 geeignet? Ein Bike nur für Extrem-Sportler?
Wir sagen nein! Dank des Boschmotors ist für genügend Vortrieb gesorgt, sodass weder das Gewicht noch die „Masse“ an Federweg negativ ins Gewicht fallen. Entscheidend ist viel mehr die Geometrie. Auf flachen Trails und bergauf kann man die Fox-Talas-Gabel von 180mm auf 140mm absenken, wodurch der Lenkwinkel steiler und Tourentauglicher wird. Wem das noch nicht genug ist (besonders wenn man gerne um sehr enge Kurven lenken möchte, oder generell weniger mit der Verlagerung des Körpergewichts arbeitet) kann in dem Angleset-Steuersatz von CaneCreek andere, im Lieferumfang enthaltene Schalen einbauen, und so den Lenkwinkel um 1 Grad steiler machen. Durch diese Maßnahme wird das Bike für sehr flache Gegenden und langsame Geschwindigkeiten entschärft. (Wir persönlich waren natürlich im Geschwindigkeitsrausch und fuhren das Testbike vornehmlich in der extremeren Geometrieoption). Fakt ist: Der gewohnte Hometrail wird mit diesem Bike schnell schneller, bergauf wie bergab. Doch besonders in anspruchsvollen und steilen Passagen spielt das NDURO Pro seine Trümpfe aus!
Fazit: Das Haibike XDURO NDURO Pro ließ uns mit einem offenen Mund zurück. Ob da Sabber, Schreie wie „Will ich haben – Sofort!“ oder einfach staunender Atem herauskam ist egal. Fakt ist: Das NDURO Pro setzt neue Maßstäbe in der gesamten E-Mountainbike-Industrie. Ästhetik, Design, German Engineering und Funktion wurden hier zur Spitze getrieben. Die vielen Detaillösungen sprechen für das durchdachte Gesamtkonzept. Wir sind begeistert! Vergesst das mit den Autos in der Einleitung …
Text: Robin Schmitt, Christian Lämmle Foto: Sebas Romero
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