Norco bringt mit dem Sight ein E-Mountainbike mit 160 mm Federweg vorn und 150 mm hinten. Dazu packen die Kanadier einen Akku mit bis zu 900 Wh in den Rahmen aus Carbon oder Aluminium. Schafft es das Rad, mit der wählbaren Akku-Größe zu einem Allroundtalent zu werden, oder bleibt es hinter leeren Lithium-Versprechen zurück?

Norco Sight VLT C1 | Shimano EP8/900 Wh | 160/150 mm (v/h)
25,52 kg in Größe L | 9.999 € | Hersteller-Website

Das Norco Sight VLT C1 im Detail

Kanadisches E-Mountainbike in Sicht! Das neue Norco Sight VLT rollt auf 29”-Laufrädern und verfügt über 160 mm Federweg vorn und 150 mm hinten. Das E-Mountainbike mit Shimano EP8-Motor wirkt im Profil betrachtet erst einmal sehr schlank. Bis man sich darauf setzt. Dann fällt das wuchtig breite Unterrohr auf, das einen Akku von bis zu 900 Wh beherbergt, der sehr in die Breite baut. Der Akku ist mit einem Bolzen verschraubt und das richtige Werkzeug dafür steckt passenderweise direkt unterhalb des Tretlagers. Dort ist es ständigem Dreckbeschuss ausgesetzt und tarnt sich trotz grüner Signalfarbe nach einer nassen Abfahrt ganz gut. Es als Multitool zu bezeichnen, wäre übertrieben – mit seinen 3 unterschiedlichen Inbus-Größen ist es aber für die Akkuentnahme ausreichend.

Mein kleiner grüner… Dreifach-Inbus steckt passend zu seinem Haupt-Einsatzzweck direkt unterhalb des Tretlagers.
Dickes Ding: Der 900-Wh Akku im Unterrohr des Norco.

Das Norco Sight beherbergt Shimanos neuestes EP 8-Motorsystem nicht gerade aufgeräumt: Die Kabel baumeln lose am Lenker herum, bis sie dann im Rahmen verschwinden. Außerdem neigt der Verbindungsstecker zwischen Akku und Motor dazu, sich zu lösen, sobald man euphorisch in die Pedale tritt. Also bei schwarzem Display erst mal die Verbindung checken, anstatt von einem leeren Akku auszugehen. Der Dämpfer liegt parallel zum Oberrohr im Rahmen und ist leicht gedreht sowie asymmetrisch eingebaut. Das sorgt für eine sehr gute Zugänglichkeit und einfaches Einstellen, außerdem steht durch die asymmetrische Anordnung der Ausgleichsbehälter nicht nach außen und ihr habt freie Bahn beim Pedalieren!

Kabelsalat! Schmeckt aber nicht und ist auch nichts fürs Auge.
Rotiert und nach links versetzt: So rückt der Ausgleichsbehälter außerhalb des Bewegungsradius eurer Beine – top!

Das Norco Sight VLT wird in 2 Carbon- und 2 Aluminium-Varianten angeboten, die sich optisch, außer in der Farbe und den Schweißnähten, kaum voneinander unterscheiden. Bei den Carbon-Modellen ist bis auf die Kettenstrebe und die Dämpferanlenkung alles aus dem Kohlefaser-Verbundmaterial. Die hohe Akkukapazität bringt auch ein hohes Gewicht mit sich: 25,52 kg. Bei einem zulässigen Gesamtgewicht von lediglich 120 kg solltet ihr fahrfertig laut Hersteller nicht mehr als rund 94 kg auf die Waage bringen – ganz schön knapp bemessen. Wer die zwei Flaschenhalter-Optionen ab Rahmengröße L mit 620-ml-Flaschen bestückt, kann noch gut 1,5 kg abziehen.

Macht eine schlanke Silhouette: der Akku baut eher breit als hoch.

Größter E-MTB-Akku in Sicht Sight

Mit 900 Wh ist der von BMZ hergestellte Akku einer der größten Akkus, die derzeit für E-Mountainbikes verfügbar sind. Wem das zu viel sind, der hat theoretisch die Wahl zwischen zwei kleineren Alternativen: 540 oder 720 Wh. Kunden in Deutschland und Österreich müssen dabei allerdings auf die kleinste Variante mit 540 Wh verzichten. Wählen könnt ihr nur bei den beiden Alu-Modellen – und dann nur zwischen 720 und 900 Wh. Das Versprechen, der individuell perfekten Akku-Kapazität kann Norco im DACH Raum nicht halten. Hier würden wir uns die komplette Wahl-Möglichkeit wünschen, um den Markt breit abzudecken und nicht nur auf Langstreckenfahrer abzuzielen. Schade, wir hätten das Norco gerne mit der kleinsten Akku-Variante getestet. Egal welche Kapazität euer Akku hat, der Shimano-Motor wird um etwa 45° nach oben gedreht im Sight verbaut. Dadurch ist es möglich, den Akku durch eine kleine Öffnung in Richtung Tretlager zu entnehmen, und das Unterrohr bleibt beinahe durchgehend geschlossen, was der Steifigkeit zugutekommt.

Der gedrehte Shimano EP8-Motor sorgt dafür, dass …
… der große 900-Wh-Akku geradewegs aus dem Unterrohr gleiten kann.

Ausstattung des Norco Sight VLT C1

Das 9.999 € teure Norco Sight VLT C1 ist die Top-Ausstattung der Modellreihe und setzt auf gute Komponenten, wie das FOX-Fahrwerk mit 36er-Federgabel und GRIP2-Dämpfungskartusche sowie den X2-Dämpfer. An der Front würden sehr große und schwere Fahrer vor allem in Anbetracht des schweren Akkus und seiner Lage im Unterrohr von der erhöhten Präzision und Steifigkeit der FOX 38 profitieren, für alle anderen ist die Compliance der 36 genau richtig. Das Bike kommt auf stabilen DT Swiss H1700 Alu-Laufrädern in Schwung und wird von SRAM CODE RSC-Bremsen verzögert. Diese wirken vorn auf 220 mm und hinten auf 200 mm Bremsscheiben ein, was bei dem 25,5 kg schweren Bike sinnvoll und notwendig ist. Beim Antriebsstrang kommt eine bunte Mischung zum Einsatz: Das schicke SRAM X01-Schaltwerk wird mit günstiger GX-Kassette und -Kette kombiniert. In unserem Test benötigte die OneUp-Dropper mit der 1x Remote im Sight VLT ausgesprochen hohe Bedienkräfte, ausgelöst durch den engen Knick des Zugs im Unterrohr.

Norco Sight VLT C1

9.999 €

Ausstattung

Motor Shimano EP8 85 Nm
Akku Norco Custom 900 Wh
Display Shimano EM800
Federgabel FOX 36 Factory GRIP2 E-Bike+ 160 mm
Dämpfer FOX X2 Factory 150 mm
Sattelstütze OneUp Dropper Post 120 – 210 mm
Bremsen SRAM CODE RSC 220/200 mm
Schaltung SRAM X01/GX Eagle 1x12
Vorbau CNC Alloy 40 mm
Lenker Deity Skywire 800 mm
Laufradsatz DT Swiss E1700 29"
Reifen MAXXIS ASSEGAI/DISSECTOR DD 2,5"/2,4"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 25,52 kg
Zul. Gesamtgewicht 120 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 94 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Besonderheiten

wählbare Akkukapazität (regionsabhängig)

Weitere Ausstattungsvarianten des Norco Sight VLT

Neben dem VLT C1 wird es das Sight in 2 Alu- und einer Einstiegs-Carbon-Variante geben. Das C2 mit Carbon-Rahmen setzt auf eine RockShox Lyrik vorn und einen Super Deluxe Select+ hinten. Als Bremse und Antrieb kommen ebenfalls SRAM-Komponenten zum Einsatz, während hier bei beiden Alu-Modellen Shimano-Parts verbaut sind. Das günstigste Modell der Sight-Palette muss mit einem Shimano DEORE-Antrieb zurechtkommen und in Sachen Federung kommt lediglich die RockShox 35 Gold Federgabel zum Einsatz. Dabei werden für das dürftig ausgestattete Norco Sight VLT A2 immer noch 6.499 € fällig. Unsere Empfehlung aufgrund der Ausstattung ist das Sight VLT A1 mit FOX Performance-Fahrwerk und lupenreinen Shimano SLX-Antrieb. Dabei bleibt euch noch die Wahl zwischen den beiden Akkuvarianten 720 oder 900 Wh für 7.299 € bzw. 7.499 €.

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Die Geometrie des Norco Sight VLT C1

Das Norco Sight ist in 4 Größen von S–XL verfügbar und deckt damit Fahrergrößen von 155 bis 195 cm ab. Die Variostütze wächst dabei je nach Rahmengröße von 125 mm bis 200 mm mit, sowie auch die Griffe bei Rahmengröße L und XL etwas an Umfang zulegen. Das Sight setzt über alle Größen hinweg auf einen langen Hinterbau mit 462 mm langen Kettenstreben. Das kennt man von Norcos analogen Mountainbikes anders, bei denen die Kettenstrebenlänge an die Rahmengröße angepasst wird.

Größe S M L XL
Sattelrohr 395 mm 415 mm 440 mm 455 mm
Oberrohr 567 mm 596 mm 624 mm 652 mm
Steuerrohr 100 mm 110 mm 120 mm 130 mm
Lenkwinkel 64° 64° 64° 64°
Sitzwinkel 77,0° 77,3° 77,7° 78,0°
Kettenstrebe 462 mm 462 mm 462 mm 462 mm
Tretlagerhöhe 350 mm 350 mm 350 mm 350 mm
Radstand 1.224 mm 1.258 mm 1.292 mm 1.327 mm
Reach 425 mm 455 mm 485 mm 515 mm
Stack 616 mm 625 mm 634 mm 643 mm

Das Norco Sight VLT C1 im ersten Test

Das Norco Sight verfügt über eine ausgeglichene Sitzposition, die gemeinsam mit dem komfortablen Fahrwerk ein angenehmes Tourenfahren ermöglicht. Wer die Sitzposition gerne noch aufrechter haben will, der kann via Spacer das Cockpit noch etwas erhöhen.

Im Uphill zeigt sich das Norco als sichere Klettermaschine und profitiert vom langen Hinterbau. Das Vorderrad steigt nur, wenn man es dazu nötigt – so bleibt auch in steilen Bergauf-Passagen das Vorderrad am Boden und sorgt dafür, dass das Norco stets dem eingeschlagenen Kurs folgt. Das Sight VLT fühlt sich besonders im alpinen Terrain wohl, und die Traktion wird dabei lediglich durch den relativ flach profilierten MAXXIS DISSECTOR-Hinterreifen begrenzt.

Solang die Blickführung stimmt, folgt das Sight nahezu blind.

Kommt es zur Abfahrt, bleibt das Norco ebenso sicher und klebt am Boden, in Kombination mit MAXXIS ASSEGAI-Reifen in der weichsten 3C MaxxGrip-Gummimischung liefert es richtig viel Traktion. Auf technischen, steilen Abfahrten merkt man dann, wie das hohe Gewicht die Front runterzieht und es einem nicht leicht macht, die Nase über Hindernisse zu ziehen. Ebenso schwer tut sich das Norco in engen Kehren: Mit dem langen Heck fühlt man sich auf dem Norco wie mit dem LKW im Kreisverkehr. Wenn man das Hinterrad nicht versetzt, läuft es weit im Kurveninneren nach. Im Gegenzug profitiert man vom langen Heck mit einer sehr hohen Laufruhe und einem 1A Sicherheitsempfinden auf schnellen Abfahrten.

Das Norco Sight positioniert den Fahrer sehr zentral und nimmt offene Kurven dadurch ganz gelassen.
Solange die Kurven nicht zu eng werden, gibt es im Downhill auf dem Norco wenig Kritik.

Unser Fazit zum Norco Sight VLT C1

Mit der großen Akkukapazität, den sinnvollen Features und der ausgewogenen Sitzposition liefern die Kanadier ein tourentaugliches Bike, das auch bergab viel Sicherheit und Traktion bietet. Es ist dabei besonders auf gebauten Strecken ein erstaunlich Einsteiger-freundliches Bike, das intuitiv zu fahren ist und mit seiner hohen Laufruhe überzeugt. In Summe ein gelungenes Bike mit gutmütigem Fahrverhalten, bei dem das innovative Batteriekonzept leider nicht Wirklichkeit wird.


Für mehr Informationen, besucht norco.com.


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Words: Julian Schwede Photos: Robin Schmitt

Über den Autor

Julian Schwede

Juli ist es gewohnt, mit großen Kalibern umzugehen. Er schraubt nicht nur gerne an seinem Bike, sondern hat nach seiner Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker an der Königsklasse der Kraftfahrzeuge – Omnibussen – getüftelt und gewerkelt. Als ihm die Entwicklung auf Elektroantriebe im Großformat zu langsam ging, hat er technische BWL studiert und nebenher Tische aus Carbon gebaut. Während sein Dirtbike aus dicken Alu Rohren geschweißt ist, besteht sein Fully ebenfalls aus den schwarzen Fasern und hat ihn schon auf einige Gipfel gebracht. Doch auch angeseilt erklimmt er Berge gern über Klettersteige oder senkrecht an der Wand. Mittlerweile fährt er statt seinem eigenen Bike fast nur noch Bikes aus dem Office-Keller und testet sie auf Leib und Lenker. Neben Bike Reviews kümmert Juli sich auch um das tägliche Newsgeschäft und bezeichnet sich selbst als rasenden Reporter “Carlos Columbus”.