Touren- oder Trail-Gene? – Das neue FOCUS VAM² SL 9.0 Light-E-MTB mit 16,7 kg im ersten Test

Das neue FOCUS VAM² SL 9.0 2024 ist ein neues Light-E-MTB, das neben reichlich Uphill-Performance auch bergab richtig Laune machen soll. Dafür kommt das Light-E-MTB mit FAZUA-Motor und 130/125 mm Federweg. Aber ist das FOCUS wirklich eine Trail-Rakete oder doch eher entspannter Tourer?

Mit dem VAM² SL vergisst du, den Motor einzuschalten! Zumindest verspricht das FOCUS beim neuen Light-E-MTB. Denn das soll auf Uphill-Effizienz getrimmt sein und ist mit 16,72 kg in Größe L besonders leicht. Den Trail-Spaß möchte FOCUS trotzdem nicht vergessen haben. Dafür setzt der Hersteller auf ein neues Hinterbausystem: einen abgestützten Eingelenker mit Flexstays, der 125 mm Federweg generiert. Kombiniert wird dieser mit einer 130-mm-Federgabel. Bergab wie bergauf wird das FOCUS vom FAZUA Ride 60-Motor mit einem 430 Wh großen Akku unterstützt. Auch der große Bruder, das JAM² SL, setzt auf diesen Motor, und so konnte FOCUS bereits Erfahrung mit dem Motorsystem sammeln. Beide Brüder rollen auf 29” großen Laufrädern daher. Wenn ihr das FOCUS VAM² 9.0 SL 2024 euer Eigen nennen wollt, müsst ihr dafür stolze 10.999 € über die Ladentheke wandern lassen. Wir haben das Modell in der Top-Ausstattung von den Stuttgartern zu einem Test zur Verfügung gestellt bekommen und verraten euch, wie es sich bei uns geschlagen hat.

Das neue FOCUS VAM2 SL 9.0 2024 im Detail

Auf den ersten Blick erinnert das FOCUS VAM² SL 9.0 2024 an seinen großen Bruder JAM² SL. Die Familienzugehörigkeit wird besonders an dem Two-Tone-Lack deutlich. Zudem wirken beide recht voluminös. Beim VAM² SL liegt das vor allem am One-Piece-Cockpit und am Hauptrahmen. Nur die filigranen Sitzstreben passen optisch nicht so ganz zum Rest. Diese fallen wegen des Flexstay-Fahrwerkskonzeptes dünn aus. Dabei ersetzen flexende Sitzstreben einen Lagerpunkt, was die Wartung vereinfacht und Gewicht spart.

Bei der Leitungsführung setzen die Schwaben auf die überarbeitete Version ihrer C.I.S.-Führung (C.I.S.: Cockpit Integration Solution). Beim C.I.S. 2.0 verschwinden die Leitungen direkt in den Spacern unterm Vorbau durch den Steuersatz im Rahmen und bleiben dort klapperfrei bis zu ihrem Bestimmungsort. Wegen dieser ganzen Leitungen fällt der One-Piece-Vorbau sehr wuchtig aus.

Damit ihr möglichst lange Spaß an eurem Bike habt, hat sich FOCUS verschiedene Schutzmaßnahmen für das VAM² SL einfallen lassen. So etwa zieht sich ein großer Gummischutz gegen lautes Kettenschlagen über die gesamte Kettenstrebe.

Ein kleiner, dezenter Gummischutz findet sich am Übergang zwischen Hauptrahmen und Hinterbau am Hauptlager. So soll verhindert werden, dass das VAM² SL einen Nebenjob als Steinmühle annimmt und eure Leitungen dabei beschädigt werden.

Auch gegen Kratzer im Lack hat sich das FOCUS VAM² SL 9.0 2024 mit einer Rahmenschutzfolie gewappnet. Neben dem Unterrohr und dem Sitzrohr findet sich die Folie noch auf den Sitz- und Kettenstreben, allerdings müsst ihr sie dafür vorher selbst aufkleben.

Das war es aber noch nicht. Das Motor-Cover geht formschön ins Oberrohr über, um euren Rahmen als Unterrohrschutz vor umherfliegenden Steinen und Dreck zu schützen.

Das FAZUA Ride 60-Motorsystem am FOCUS VAM2 SL 9.0 2024

Das VAM² SL ist bereits das zweite Bike von FOCUS, das auf den FAZUA Ride 60-Antrieb setzt. Daher hat FOCUS schon Erfahrung mit dem maximal 60 Nm starken Motor sammeln können. Die Spitzenleistung liegt bei 350 Watt, und mit der Boost-Funktion könnt ihr kurzzeitig bis zu 450 Watt aus dem Aggregat holen. Die dafür nötige Energie kommt aus dem 430 Wh großen Akku. Während man beim großen Bruder den Akku nur außerhalb des Bikes laden kann, fällt diese Option beim VAM² SL komplett weg und ihr könnt den Akku nur im Bike laden, weil der Akku im Rahmen fest verbaut ist. Der dafür benötigte Ladeport sitzt gut erreichbar über dem Hauptlager. Einen Range-Extender zum Erhöhen der Akku-Kapazität und somit der Reichweite plant FAZUA, spätestens bis Ende 2024 auf den Markt zu bringen. Die FAZUA LED-Hub sitzt im Oberrohr und zeigt euch mithilfe von 5 farbigen LEDs Akku-Stand und Unterstützungsstufe an. Letztere könnt ihr mit der Ring Control ändern. Die Remote fühlt sich jedoch nach wie vor nicht sonderlich wertig an.

Die Ausstattung unseres FOCUS VAM2 SL 9.0 2024

Die Ausstattung unseres FOCUS VAM² SL 9.0 2024 ist auf Leichtbau getrimmt, ohne dabei die Trail-Performance aus den Augen gelassen zu haben. Das beste Beispiel dafür ist wohl die FOX FLOAT 34 Factory-Federgabel mit 130 mm Federweg und GRIP2-Dämpfungskartusche. So verbindet FOCUS ein leichtes Gabel-Chassis mit der guten Trail-Performance der fein einstellbaren Kartusche. Über die 125 mm im Heck wacht der FOX FLOAT Factory-Dämpfer. Dieser bietet zwar nicht viele Einstellmöglichkeiten, dafür aber ein geringes Gewicht, eine Plattformdämpfung und eine hohe Trail-Performance. Passend zum Factory-Fahrwerk wurde die FOX Factory Transfer SL Dropper gewählt. Hier wurde allerdings Leichtbau über die Trail-Performance gestellt, denn die Dropper Post kennt nur die Positionen ganz oben oder ganz unten und bietet mit ihren 150 mm Hub zu wenig Bewegungsfreiheit.

Geschaltet wird mit einer elektronischen SRAM XO Eagle Transmission-Funk-Schaltgruppe. Diese eignet sich perfekt für E-Bikes, da sie sehr gut unter Last funktioniert. Ein nettes Detail ist die kleine Kettenführung, die ein Verlieren der Kette verhindert, auch wenn das Kettenblatt und die Kette bereits am Ende ihrer Lebensdauer angelangt sind.

Verzögert wird mit einer SRAM Level Ultimate Stealth-Bremse und kleinen 180-mm-Bremsscheiben. Die Bremse ist zwar sehr leicht, hat aber unser Sicherheitsgefühl stark eingeschränkt und droht auf längeren Abfahrten schnell zu überhitzen.

Bei Lenker und Vorbau setzt FOCUS mit dem One Piece SL-Cockpit auf hauseigene Parts, um ihre C.I.S. 2.0-Leitungsführung zu integrieren. Das einteilige Cockpit ist 800 mm breit.

Auf den edlen Mavic Crossmax XL R 29 Carbon-Laufradsatz ist vorne ein Schwalbe Nobby Nic mit dünner Super Ground-Karkasse und der Soft-Gummimischung und hinten ein Wicked Will ebenfalls mit Super Ground-Karkasse und der gut rollenden Speedgrip-Gummimischung aufgezogen. Diese Reifenkombi passt gut für alle XC- und Touren-Fahrer, die auf Schotterwegen bleiben oder nur leichte Trails fahren. Die schnell rollenden Reifen sorgen bereits jetzt für hohe Reichweiten, ohne dass ihr bis Ende 2024 auf den angekündigten Range-Extender warten müsst ;). Aber allen, die auch Spaß auf etwas anspruchsvolleren Trails suchen, raten wir zu stärkeren Karkassen und einem Reifenprofil mit mehr Grip. Wir würden das VAM² SL mit einem Hans Dampf in Soft vorne und einem Nobby Nic in Speedgrip hinten fahren. Zum Schutz der teuren Laufräder würden wir zudem auf die Super Trail-Karkasse upgraden.

Tuning-Tipp: Mäntel mit einer stabilen Karkasse aufziehen

Die verschiedenen Ausstattungsvarianten des FOCUS VAM2 SL 2024

Neben dem Topmodell gibt es noch drei budget-freundlichere Ausstattungsvarianten. Für 8.699 € bekommt ihr das FOCUS VAM² SL 9.9 mit einem FOX Performance-Fahrwerk. Günstiger wird es beim 6.899 € teuren FOCUS VAM² SL 8.7, ebenfalls mit einem FOX-Fahrwerk, und beim FOCUS VAM² SL für 5.799 €. Letzteres setzt auf ein Fahrwerk, bestehend aus einer SR Suntour Raidon34-Federgabel und einem RockShox Deluxe Select+ Dämpfer. Alle drei kommen mit mechanischen Shimano-Schaltungen. Für die Verzögerung bei den beiden günstigeren Modellen sind MAGURA-Bremsen zuständig, während beim VAM² SL 8.7 eine Shimano XT-Bremse verbaut ist.

Die Geometrie des FOCUS VAM2 SL 2024

Das FOCUS VAM² SL ist in den vier Größen S, M, L und XL erhältlich. In Größe L liegt der Reach bei moderaten 475 mm. Die Reach-Sprünge sind mit 25–30 mm recht groß, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, zwischen zwei Größen zu landen, von denen keine so richtig passt. Abgesehen von einem niedrigen Stack, also einer geringen Lenkerhöhe, fallen die restlichen Geowerte moderat aus. Wie die 440 mm langen Kettenstreben, die über alle Größen gleich bleiben oder der 65,5° steile Lenkwinkel. Den Lenkwinkel könnt ihr auch noch um ein Grad steiler machen, indem ihr eine Steuersatzschale verdreht. Neben dem Lenkwinkel ändert das natürlich auch die anderen Werte, aber abgesehen vom Radstand nur minimal. Wir sind hauptsächlich im flachen Setting gefahren, denn mit 66,5° wird der Lenkwinkel schon ordentlich steil.

Größe	S	M	L	XL
Oberrohr	576 mm	606 mm	635 mm	670 mm
Sattelrohr	390 mm	420 mm	440 mm	460 mm
Steuerrohr	100 mm	100 mm	120 mm	140 mm
Lenkwinkel	65,5°/66,5°	65,5°/66,5°	65,5°/66,5°	65,5°/66,5°
Sitzwinkel	75,5°	75,5°	75,5°	75,5°
Kettenstrebe	440 mm	440 mm	440 mm	440 mm
Tretlagerabsenkung	35 mm	35 mm	35 mm	35 mm
Radstand	1.170/1.152 mm	1.200/1.182 mm	1.230/1.212 mm	1.270/1.252 mm
Reach	420 mm	450 mm	475 mm	505 mm
Stack	602 mm	602 mm	620 mm	639 mm

Das neue FOCUS VAM2 SL 9.0 2024 auf den Trails

Wenn ihr das FOCUS VAM² SL 9.0 2024 aus eurem Keller holt und euch auf die nächste E-MTB-Tour aufmacht, empfängt es euch mit einer angenehmen leicht sportlichen Sitzposition. Beim Radeln in der Ebene lastet ein leichter Druck auf den Händen. Sollten sich vor euch dann Hügel und Berge erheben, habt ihr so immer genug Druck auf der Front, sodass sie euch nicht steigt. Der Hinterbau bleibt dabei die ganze Zeit aktiv und wippt leicht mit. Neben viel Komfort erhöht das Heck den Grip, indem es das Hinterrad immer gegen den Untergrund drückt. Den Griff zum gut erreichbaren Lockout machten wir nur für lange Uphills oder lange Schotterwegpassagen in der Ebene.

Mit dem Gipfelkreuz im Rücken neigt sich der Trail Richtung Tal, und auf dem FOCUS VAM² SL fühlt man sich schnell wohl. Dazu hinterlässt es einen ausgewogenen Eindruck. Nur die Front ist etwas niedrig. In Kurven muss das Vorderrad nicht aktiv belastet werden und man hat guten Grip, sofern der schwach profilierte Nobby Nic nicht auf zu losem Untergrund unterwegs ist. Aber wenn es steiler wird, kommen schnell Überschlagsgefühle auf. Vor allem Anfänger und nicht so versierte Fahrer wünschen sich einen höheren Lenker, hinter dem sie in Deckung gehen können.

Bergab merkt man dann schnell, dass das VAM² SL sich am wohlsten auf Flowtrails fühlt. Beim Pushen über Wellen und durch Anlieger lässt sich gut Geschwindigkeit aufbauen. Das liegt nicht an einem straffen Fahrwerk, denn eher das Gegenteil ist der Fall, aber durch den geringen Federweg verpufft dort trotzdem nicht viel Energie. Auch wenn die Kurven enger werden, lässt sich das VAM² SL problemlos durch diese zirkeln. Hier macht sich die geringe Länge des FOCUS positiv bemerkbar. Wechselt ihr dann auf einfache, natürliche Trails mit kleinen Wurzeln und Steinen, vermittelt das Rad genug Sicherheit, damit auch Anfänger und nicht so versierte Fahrer Spaß haben. Hierbei hilft das intuitive Handling, und das Fahrwerk sorgt für genug Grip. Fängt der Trail an, sich mit großen Wurzelfeldern, Rock-Gardens und Stufen zu schmücken, wird neben besseren Reifen, vor allem ein erfahrener Biker benötigt, der das nervöse Handling und die geringe Laufruhe ausgleichen kann. Was bei diesem geringen Federweg aber auch zu erwarten war.

Für wen ist das neue FOCUS VAM2 SL 9.0 2024?

Das FOCUS VAM² SL 9.0 2024 ist für alle Tourenfahrer, die es gerne auch mal entspannt angehen lassen. Außerdem passt es für Fahrer, die sportlich fahren wollen, aber trotzdem nicht auf etwas Komfort verzichten möchten. Bergab spricht das VAM² SL vor allem Biker an, die am liebsten flowige Trails unter die Stollen nehmen möchten. Um mit dem FOCUS auf technischen Trails Spaß zu haben, braucht es aber einen erfahrenen Piloten.

Das Fazit zum neuen FOCUS VAM2 SL 9.0 2024

Vergessen den Motor einzuschalten, haben wir nicht, auch wenn das VAM² SL ein guter Kletterer ist. Durch den hohen Komfort und die angenehme, leicht sportliche Sitzposition eignet es sich obendrein für lange Touren. Bergab kann es mit einem intuitiven Handling überzeugen, solange die Trails nicht zu rough werden. Die Ausstattung ist edel, was für den stolzen Preis von 10.999 € auch zu erwarten ist und passt im Großen und Ganzen gut zum FOCUS VAM² 9.0 SL 2024 und seinem Einsatzgebiet.

Mehr Infos findet ihr bei FOCUS.com

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Words: Sebastian Dirscherl Photos: Antonia Feder, Mike Hunger