First Ride | Specialized Turbo Levo FSR Expert 6Fattie 2016
Manchmal dauern die Dinge eben ein wenig länger: Während der E-Mountainbike-Trend in Europa bereits in vollem Gange war, warteten Specialized-Händler ungeduldig auf ein Modell der Kalifornier. Nun ist es soweit, vergangenes Wochenende stellte der US-Gigant vier Modelle vor.
Update (November 2015)
Inzwischen konnten wir das Bike einem ausführlichen Test unterziehen. Hier geht es zum
E-Mountainbike Test des Specialized Turbo Levo FSR Expert 6Fattie 2016.
Dabei war klar, dass Specialized keine Standardlösung vorstellen würde, sondern etwas „Spezielles“. Was es ist? Das lest ihr in diesem Artikel. Was wir vorwegnehmen können: In der Zukunft geht es nicht mehr um die Hardware und traditionelle Kennzahlen wie Drehmoment und Watt. Highlight der neuen E-Mountainbike-Modellpalette ist das Specialized Turbo Levo FSR Expert 6Fattie, das wir in Leogang bereits testen konnten.
Auf den ersten Blick sieht man, dass viel Detail-Liebe in das Bike eingeflossen ist und Specialized eine eigene Herangehensweise gewählt hat. So fehlt ein Display am Lenker, genauso wie die typische E-Bike-Optik überhaupt. „Das Specialized Levo ist auf Performance ausgelegt: Wir wollen keinen Tacho und kein ständiges Wechseln zwischen unterschiedlichen Unterstützung-Modi. Wir wollen, dass der Fahrer sein E-Mountainbike einschaltet und einfach fährt.“ so Chef-Entwickler, Jan Talavasek.
Die Hardware: das Bike & technische Details
Die technischen Eckdaten und die Ausstattung des Levo sind bereits vielversprechend und zeugen von dem sportlichen Charakter dieses Bikes.
Die Geometrie
Die Software: Specialized Mission Control App
Mit der eigenen Mission Control App möchte Specialized E-Mountainbikes und E-Bikes auf das nächste Level bringen. Statt großen Displays, über die nur relativ einfache Funktionen gesteuert und Informationen abgerufen werden können, soll die App für ein intelligentes System sorgen.
Zudem dient die App auch zur Diagnose und Fehleranalyse. Die App wird für iOS und Android erhältlich sein.
Wichtige Details
Die Bikes werden weltweit verfügbar sein, wobei der Service des Bikes, Motors und der Batterie über die Specialized-Händler läuft, ebenso die Garantieabwicklung. Dafür werden die Händler aktuell speziell geschult. Um lange Reparaturzeiten zu vermeiden, werden Einzelteile i. d. R. sofort ausgetauscht. Finale Preise sind noch nicht bekannt. Für das Specialized S-Works Turbo Levo FSR 6Fattie sollen voraussichtlich rund 9.000 € fällig werden.
Die Fahrperformance
Aktuell befindet sich die App noch im Prototypenstatus, weshalb wir im Folgenden nur auf das Bikehandling und nicht auf die App eingehen.
In Größe Medium nimmt man mit einer Körpergröße von 178 cm sehr zentral, aber auch etwas gedrungen auf dem Levo FSR Expert 6Fattie Platz. Das breite Cockpit mit dem 750 mm breiten Lenker und 60-mm-Vorbau vermittelt sofort ein Wohlgefühl, wobei die Front unserer Meinung nach etwas höher hätte sein können.
Mit einem Beep-Ton schaltet man den Motor am Unterohr ein: 10 gelb-grüne LEDs leuchten auf, das heißt 100 % voller Akku. Also los geht’s! Über den Plus-Button schalte ich den Motor in den mittleren Trail-Unterstützungs-Modus. In der Standardeinstellung liefert der Turbo-Modus 100 % Motorenleistung, der Trail-Modus 60 % und der Eco-Modus 30 %. Da eine Anzeige fehlt, muss man – wenn man sich nicht genau im Klaren ist, in welchem Unterstützungsmodus man ist – mehrmals auf den Plus- oder Minus-Button drücken. Vom „extrem“ gelangt man dann durch 1- oder 2-maliges Drücken in die gewünschte Einstellung. Möchte man ohne Unterstützung fahren, muss man den Motor über den Power-Knopf ausschalten.
Ist man bereits Bosch- oder Yamaha-Mittelmotoren gefahren, merkt man hier beim Tritt in die Pedale bereits auf den ersten Metern große Unterschiede: Der große Wow-Effekt, den man bei den meisten Motoren hat, fällt hier geringer aus. Warum? Weil der Motor viel gefühlvoller und natürlicher seine Leistung entfaltet.
Auf dem Trail sorgt dies für mehr Sicherheit und weniger Überraschungen. Statt wild nach vorne zu schießen registrieren die Sensoren sehr sensibel die vom Fahrer eingeleiteten Kräfte und unterstützen im entsprechenden Verhältnis. Gerade bei längeren Anstiegen oder in technischem Gelände spielt der sehr geräuscharme Motor seine Trümpfe aus, indem er fast in jedem Trittfrequenz-Bereich eine ähnliche, gleichmäßige Unterstützung liefert. In den leichten Gängen nehmen Geräuschentwicklung und Vibrationen merklich zu.
Dank der tiefen Front und der ausgewogenen Geometrie klettert das Bike selbst extrem steile Passagen sehr gut, ohne nervös zu werden. Die großvolumigen 6Fattie-Reifen (1,1 bar bei 75 kg Körpergewicht) bieten in trockenem Gelände extrem viel Grip. Wird es feucht und matschig, verliert der feinstollige Specialized 6Fattie Ground Control allerdings recht früh den Grip und dreht durch.
In der Abfahrt spielt das kompakt konstruierte Levo seine Trümpfe aus. Dank des Eigengewichts von 20 kg und dem speziell abgestimmten 140-mm-Fahrwerk liegt das Bike sehr gut und satt auf der Strecke. Der tiefe Schwerpunkt in Kombination mit den kurzen Kettenstreben sorgt für ein verspieltes Handling. Wheelies? Kein Problem. Auch verleitet das agile Levo dazu, mit dem Gelände aktiv zu spielen und zu springen. Die Bergabqualitäten des Specialized sind zweifelsohne beeindruckend und gehören mit zu den besten, die der Markt aktuell zu bieten hat. In steilem Gelände wünschten wir uns aber eine höhere Front, um mehr Sicherheit zu erhalten. Die etwas tiefe Front-Position sorgte über den Tag verteilt für ein ordentliches Oberarm-Workout. Da soll noch einer sagen, dass E-MTB fahren nicht anstrengend sei …
Das Gute am Motor: In engen Kehren und Kurven schiebt er kaum nach. Ist man kein E-MTB gewohnt, dann ist lediglich das höhere Eigengewicht ein Faktor, der enge Kurven schwieriger erscheinen lässt.
Die Plus-Reifen sorgen dabei für extrem viel Grip und ein sicheres Fahrverhalten. Bei den leicht matschigen Bedingungen auf den alpinen Trails hätten wir uns ein wenig mehr Führung an der Front gewünscht – beim Serienbike wird statt eines Ground Control-Reifens der grobstolligere Purgatory Control verbaut sein, der mit mehr Führungsqualitäten für ein präziseres Handling sorgen wird. Das Fahrwerk zeigte sich potent, wobei durch die großvolumigen Reifen kein 100 % definiertes Fahrgefühl vorhanden war, in welchem Federwegsbereich man sich aktuell befindet.
Die Reichweite des Akkus ist ähnlich zu anderen Modellen auf dem Markt. Je nach Fahrergewicht und Unterstützungsmodus sind Touren mit 1.000 Höhenmetern und 30 km in den Alpen kein Problem. Ein großer Unterschied zu anderen Modellen ist jedoch die Smart Control-Funktion der Mission Control App, wodurch man sich keine Gedanken darüber machen muss, ob und mit wie viel Akku man am gewünschten Zielort ankommt. Leider konnten wir die sich noch im Prototypen-Status befindliche App bis dato noch nicht testen.
Fazit
Mit dem Levo gelingt Specialized ein starker Eintritt in den extrem wachsenden E-Mountainbike-Markt. Innovative Features wie die Mission Control App mit Smart Control und die spezielle Herangehensweise, was Akku-Integration und (nicht vorhandene) Displays angeht, zeigen den Weg in Richtung Zukunft und bringen frischen Wind in die Entwicklung. Das Levo bietet mit neuen Technologien, cleveren Detaillösungen und souveränen Fahreigenschaften ein erstklassiges Gesamtpaket, das richtig Bock auf Biken macht! Die Konzeption des Bikes lässt auf viele zukünftige Verknüpfungspunkte und Entwicklungen schließen, aber alles zu seiner Zeit: Gut Ding will Weile haben!
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