Der Motorenmarkt wird aktuell von einigen Big-Playern dominiert. Bosch, Shimano und Brose sind riesige Konzerne mit Millionen-, gar Milliardenumsätzen und vermeintlich riesigen Entwicklungsressourcen. Umso spannender ist, dass sich mit dem Münchner Antriebshersteller FAZUA aktuell ein Start-Up-Unternehmen anschickt, den E-Mountainbike-Markt zu revolutionieren.

Vier der Fünf Gründer sind noch heute bei FAZUA. Hier im Bild Sebastian Boß, Philipp Kalläne und Fabian Reuter. Johannes Biechele war bei unserem Besuch gerade im Urlaub. Alle kennen sich bereits seit Kindertagen.

Traumstart: Die Firmengeschichte von FAZUA liest sich wie das Paradebeispiel aus einem Start-up Guide. Fünf Kumpels, alle im gleichen, verschlafenen bayerischen Dorf aufgewachsen, gründen gemeinsam nach ihrem Studium eine eigene Firma. Den Grundstein dafür legte Johannes Biechele. Er hat parallel zum Studium bei einem anderen E-Bike-Antriebshersteller gearbeitet und sich gefragt, weshalb noch niemand auf die Idee kam, einen leichten, kompakten Antrieb mit weniger Leistung und geringerer Akku-Kapazität zu entwickeln. Ein Motor gemacht für Fahrradfahrer, die mehr Wert auf ein natürliches Fahrverhalten und eine optimale Integration legen als auf maximale Power.

Das Konzept findet Interessenten

Das Konzept des FAZUA Evation-Antriebs hat schnell einige weitere Unternehmen überzeugt. So teilten unter anderem FOCUS und CUBE den Start-Up-Gründern sehr frühzeitig ihr großes Interesse an dem leichten Antriebssystem mit. Mittlerweile haben 16 Hersteller verschiedenste Modelle mit FAZUA-Antrieben vorgestellt – und es werden ständig mehr. FAZUA hat den Weg geebnet für eine neue Art des E-Bikens. Mittlerweile gibt es E-Roadbikes, Urban-Modelle und natürlich auch E-Mountainbikes mit dem kompakten Antrieb. Für FAZUA ein Riesenerfolg, für den jedoch die Grundlagen stimmen mussten.

Ohne Moos nichts los

„Wenn man am Antriebsmarkt mitmischen, will braucht man vor allem eins: Kapital!” unterstreicht Fabian Reuter, Mitbegründer und CFO von FAZUA. Aus diesem Grund stand für die fünf Gründer sehr schnell fest, dass nur mit finanzkräftigen Investoren erfolgreich sein können. Das Seed-Investment kam 2014 vom High-Tech-Gründerfonds, der BayernKapital sowie weiteren Business Angels. Das Kapital ermöglichte dem Team nicht nur die Entwicklung des Evation-Antriebs, sondern auch ein rasches personelles und räumliches Wachstum.

Start-up-Flair im Münchner Süden

Mit FAZUA ging es seit der Gründung fast so steil bergauf wie die Raketen von Airbus Defence and Space, die bis vor kurzem noch am neuen Standort der Firma entwickelt wurden. Erst vor wenigen Monaten erhielten die Münchner bei einer neuen Finanzierungsrunde 6,5 Millionen Euro, mit denen die Weichen für die Zukunft gestellt werden sollen. Wie viel seit der Gründung 2014 bereits passiert ist, zeigt auch ein Blick auf die Mitarbeiterentwicklung: 2014 waren es lediglich die fünf Gründer, 2016 gesellten sich die ersten zwei weiteren Angestellten hinzu. Bald danach ist Fazua auf 16 Angestellte gewachsen und nach dem letzten Umzug Anfang des Jahres sind jetzt über 50 Mitarbeiter aus 12 Ländern für das Start-up tätig.

Am neuen Standort im Süden Münchens sind alle Bereiche von FAZUA unter einem Dach vereint. Hier befinden sich im ersten und zweiten Stock nicht nur die Entwicklungsabteilung, der Einkauf, das Marketing und das Sales-Team, sondern es werden im Erdgeschoss und im Keller auch alle Antriebe gefertigt.

  Die besten Meetings finden auf dem Gang oder im Treppenhaus statt – flache Hierarchien machen’s möglich!

Trotz des rasanten Wachstums herrscht noch immer Start-Up-Atmosphäre – und das nicht nur wegen des Kickertischs im Pausenraum. Die Hierarchien bei FAZUA sind flach, Meetings finden häufig spontan auf dem Gang oder im Treppenhaus stand. FAZUA kann es sich nicht leisten Ressourcen und Zeit in aufwendiger Verwaltung zu vergeuden und sich in vertikalen Strukturen zu verzetteln, wie es noch in vielen Großkonzerne an der Tagesordnung ist. Was zählt, sind motivierte Mitarbeiter, die für die Sache und das Unternehmen brennen und Bock haben, etwas zu bewegen. Dabei spielt das absolvierte Studium oder die Ausbildung nur eine untergeordnete Rolle. „Wer etwas bewegen will und große Leidenschaft für etwas hat, der wird bei uns auch eine passende Stelle finden” sagt Felix Kuffner, Head of Marketing, der selbst als Quereinsteiger zu FAZUA kam.

Mit einem Plan zum Erfolg

Um die extrem steigende Nachfrage nach dem Evation-Antrieb zu bedienen, steht bei FAZUA vor allem die Optimierung interner Prozesse im Vordergrund. Im Vergleich zum Vorjahr haben die Münchner ihre Produktion verzehnfacht. Möglich ist das nur durch klare Strukturen und optimale Planung.

Ein Rundgang durch die Fertigung zeigt, wie sich FAZUA auf die Zukunft vorbereitet. Im Erdgeschoss befindet sich nicht nur der Wareneingang und -ausgang, sondern hier wird auch das sogenannte Drive-Pack montiert. Es besteht aus Motor, Akku, Leistungselektronik und Gehäuse. Besonders spannend: über 80 % der Teile werden in Deutschland gefertigt. Die Montage ist klar strukturiert. An den einzelnen Arbeitsplätzen werden die Teile montiert und ihre Seriennummern erfasst, um im Falle eines Defekts die gesamte Charge überprüfen zu können. Apropos überprüfen. Alle hergestellten Teile durchlaufen einen End-of-Line-Test, damit potentiell beschädigte Komponenten gar nicht erst in den Handel gelangen können. Ein Stockwerk tiefer wird der Rest des Antriebs gebaut: die Bedieneinheit und das Tretlagergetriebe.

Wer aufgrund der hohen Nachfrage eine laute, hektische Montage erwartet, wird hier enttäuscht. Für den reibungslosen Ablauf wurden die möglichen Stückzahlen im Vorfeld mit den Herstellern abgesprochen und aktuell sogar größtenteils früher als geplant ausgeliefert.

Die Jungs von FAZUA haben einen Plan. Nicht nur, wie sie ihre Produktion für das kommende Jahr nochmals verdoppeln, sondern auch, wie sie sich im immer härter umkämpften Antriebs-Markt weiterhin von ihrer Konkurrenz abheben können. Der Neubau nebenan ist im vollen Gange und bereits fest in den Expansionskurs des jungen deutschen Unternehmens eingeplant – wir sind gespannt!


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #014

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