Hand aufs Herz: Wer hat schon mal bei einem Bolt-Check oder einer kleinen Nachjustage vom Cockpit die Schrauben einfach handfest angezogen statt nach Drehmomentvorgabe? Mit der Feedback Sports Reflex Fixed Torque Ratchet, einer Mini-Ratsche mit Drehmomentaufsatz im kompakten Multi-Tool-Format, muss das nicht mehr sein. Wir haben es getestet.

Achtung, unpopular Opinion-Warnung: Mini-Tools nerven! Die Hersteller der kleinen „Fahrrad-Schweizer-Taschenmesser“ haben den Miniaturisierungswahn zu weit getrieben. Inzwischen besitzen die kleinen Multi-Tools mehr Funktionen als das Wenger Giant Knife-Schweizer Taschenmesser, das sich mit seinen 141 Funktionen einen Platz im Guinness Buch der Rekorde sichern konnte. Allerdings sind die kleinen Helferlein inzwischen so klein, dass man mit ihnen manche Schrauben gar nicht mehr erreichen kann, oder das Tool sechsmal ansetzen muss, nur um eine Umdrehung der Trinkflaschenhalterschrauben bewerkstelligen zu können. Noch dazu besitzen die Tools drei unterschiedliche Speichennippel-Schlüssel und jeden Torx von 27 bis 45, die man nie braucht und nur zum Spaß mit sich rumfährt, aber ein einfacher Schlitzschraubendreher für die Displayhalterung fehlt. All das soll durch Mini-Ratschen besser werden, die gerade dabei sind, den kleinen Multi-Tools den Rang abzulaufen. Sie sind zwar nicht so vielseitig, dafür aber durch Bits ans eigene Bike anpassbar, zudem in vielen Situationen einfacher in der Handhabung und durch spezielle Drehmomentnüsse sogar sicherer. Diesem Prinzip folgt auch das Feedback Sports Reflex Fixed Torque Ratchet Kit, eine modularisierbare Mini-Ratsche mit einer 5-Nm-Drehmomentnuss. Das Set kostet 85 €, wiegt 205 g und hält die ein oder andere kleine Überraschung bereit.

Preis 85 € | Gewicht 205 g | Hersteller-Website

Die Mini-Ratsche wird mit den zehn am häufigsten verwendeten Bits aus Werkzeugstahl ausgeliefert: 2er, 2,5er, 3er, 4er 5er und 6er Inbus; Torx 10, 25 und 30 und einem Schlitzschraubendreher. Ein 8er Inbus, den man häufig für Pedale benötigt, ist allerdings nicht dabei. Zusätzlich liegt noch eine 25-mm-Verlängerung bei, die in beide Enden der Ratsche passt. Dabei kann man die Ratsche sowohl als langen Stift, in Form eines T-Griffs, als auch mit einem gewöhnlichen L-Griff verwenden, wodurch das Werkzeug fast so viele Formen aufweist wie alle Tetrissteine. Alle Teile sind magnetisch und halten sicher zusammen. Das Werkzeug wirkt sehr robust und hochwertig verarbeitet. Die Ratsche selbst und das Verlängerungsstück haben einen aufgerauten Rändelgriff, der besonders dann besseren Griff verleiht, wenn man die Ratsche wie einen langen Stift benutzt, um schwer erreichbare Schrauben zu lockern. Die 5-Nm-Drehmomentnuss lässt sich auch als Verlängerung nutzen, wodurch sich ein relativ langer Hebel ergibt, mit dem wir schon so manche schwer sitzende Steckachse oder Pedale gelöst haben. Packt man die 5-Nm-Nuss zwischen Schraube und Ratsche, gibt sie beim Zuschrauben ein sehr kraftvolles Knacken von sich, wenn man das Drehmoment überschreitet. Ein Überdrehen von filigranen Schraubenköpfen oder ein zu festes Anziehen von sensiblen Komponenten – wie beispielsweise rund um einen Carbonlenker – ist so fast ausgeschlossen. Aber Achtung: Um Beschädigungen der Drehmomentnuss zu vermeiden, solltet ihr diese nicht gegen den Uhrzeigersinn – also zum Lösen von Schrauben – verwenden.

Sind sie zu stark, bist du zu schwach: Wenn die Sattelstützenklemme mit 6 Nm angezogen werden soll, kann man nach der 5-Nm-Behandlung mit der Drehmomentnuss bei Bedarf noch einen Tick fester ohne Nuss nachziehen. Hier ist aber Feingefühl gefragt.

Die praktische 5-Nm-Nuss, die das Highlight der Ratsche darstellt, bildet gleichzeitig die größte Schwäche. Viele Sattelklemmen, Lenkervorbauten und zum Beispiel Bremshebelschellen fallen genau in diesen Anzugsdrehmoment-Korridor von 5 Nm, wie man ihn mit der Ratsche perfekt treffen kann (z. B. SRAM Matchmaker 5,5 Nm, Shimano-Bremshebelschelle 4 bis 6 Nm – konsultiert daher immer vorher die Bedienungsanleitung). Und das sind auch die Teile, die sich bei einem Sturz am häufigsten verdrehen und nachjustiert werden müssen. Besonders wer einen Carbonlenker oder andere Carbonteile am Bike verbaut hat, profitiert hier enorm, weil man solche Komponenten durch ein zu hohes Anzugsdrehmoment schnell beschädigt. Doch für jede Schraube mit einem anderen Drehmoment müsst ihr euch auf euer Gefühl verlassen. Da hat die Konkurrenz, wie die Topeak Nano TorqBar-Ratsche oder die SILCA T-Ratchet, mit ihren variablen Drehmomentaufsätzen mehr zu bieten.

Die kleine Ratsche passt im Etui in jede Trikot-Tasche und nimmt kaum Platz im Hip Pack ein. Für das Handschuhfach im Unterrohr eines Analog-Bikes ist es jedoch meist zu klobig.

Der Arretiermechanismus der Ratsche greift alle 6° in einen neuen Zahn. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, sollte einen Blick auf (s)eine Rolex werfen: 6° entspricht dem Winkel zwischen Zwei-Minuten-Strichen. Dadurch ist ein sehr effizientes Arbeiten möglich, ohne ständig neu ansetzen zu müssen. Das ist besonders hilfreich, wenn der Bewegungsspielraum für das Werkzeug sehr begrenzt ist, wie z. B. bei den Schrauben für einen Trinkflaschenhalter. Der Hebel, mit dem man die Arretierrichtung ändert, lässt sich mit einem Finger leicht bedienen, rastet aber auch gut in seiner Position ein, sodass man nicht bei einem versehentlichen Fingerkontakt die Hebelstellung ändert.

Im Etui ist noch genug Platz für Kleinteile, wie ein Tubeless-Plug oder etwas Kettenöl. Eine CO2-Kartusche passt aber nicht in die gegenüberliegende Seite, sonst lässt sich der Reißverschluss nicht mehr schließen.
Steckt man alle Adapter in eine Reihe, kann man die Ratsche wie einen langen Stift verwenden und erreicht selbst die verbauteste Schraube.

Die Ratsche kommt in einem praktischen Schaumstoff-Etui, das nicht nur Platz für die Bits, die Drehmomentnuss und das Verlängerungsstück bietet, sondern auch noch für eine kleine Handvoll Kleinteile und fehlendes Werkzeug, wie einen Mini-Kettennieter, etwas Kettenöl oder ein Tubeless-Plug. Eine Minipumpe oder eine CO2-Kartusche hat im Etui jedoch keinen Platz, sonst lässt sich der Reißverschluss nicht verschließen. Das Etui passt zwar in die Hosentasche und man läuft nicht Gefahr, sich am Werkzeug zu verletzen, mit seinen rund 200 g geht es einem aber doch mal schnell auf die Nerven dort. Auch in ein Unterrohr-Staufach eines analogen Mountainbikes passt es mit seiner Breite von 7 cm nur selten. Idealerweise seid ihr also mit einem Hip Bag oder Rucksack unterwegs. Wenn ihr euch nicht davor gescheut habt, Ende der 90er ein Handy am Gürtel zu befestigen, könnt ihr das Etui auch durch eine Öse auf der Rückseite am Gürtel einfädeln. Macht dann aber lieber einen Bogen um die Stylepolizei auf dem Trail.

Der Preis für die Feedback Sports Reflex Fixed Torque Ratchet erscheint auf den ersten Blick hoch. Durch ihre erstklassige sowie einfache Handhabung schont sie aber die Nerven und die solide Verarbeitung sorgt dafür, dass man lange Freude an der Ratsche haben wird. Das etwas sperrige Packmaß des Etuis und die Beschränkung auf nur eine Drehmomentnuss sorgen allerdings für zwei Wermutstropfen im sonst durchaus gelungenen Gesamtpaket.

Tops

  • super Verarbeitung
  • einfache Handhabung durch modularen Aufbau
  • sicheres Nachjustieren und Anziehen von empfindlichen Komponenten auf dem Trail

Flops

  • kein 8er Inbus
  • nur eine Drehmomentnuss
  • etwas sperriges Etui

Für mehr Infos besucht feedbacksports.com


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Words: Rudolf Fischer Photos: Manfred Schmitt

Über den Autor

Rudolf Fischer

In seinem früheren Leben war Rudolf in der Innovationsförderung tätig und hat Patentbewertungen im Millionen- und Milliardenbereich durchgeführt. Heute widmet er sich als Redakteur für DOWNTOWN und E-MOUNTAINBIKE nicht weniger spannenden Aufgaben. Als Data-Nerd beschäftigt er sich intensiv mit Zukunftsthemen wie Connected Mobility, testet aber natürlich auch gerne die neuesten Bikes, und zwar täglich. Entweder beim Pendeln oder zusammen mit dem Team bei unseren großen Vergleichstests. Der technisch orientierte Diplom-Betriebswirt ist so vielseitig wie ein Schweizer Taschenmesser. Beispiele gefällig? Rudolf beherrscht u. a. Front-, Side- und Backflip – zwar nicht auf dem Bike, aber per pedes in der Stadt. Seine Parkour-Karriere hat er mittlerweile jedoch an den Nagel gehängt. Darüber hinaus spricht er Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und etwas Esperanto. Beim Versuch, sich selbst Japanisch beizubringen, ist er jedoch kläglich gescheitert. Wichtig zu wissen: Im HQ ist Rudolf bekannt, gefürchtet und (manchmal auch) gehasst für seinen trockenen Humor im Ricky-Gervais-Stil. Natürlich lacht er am meisten selbst darüber …