Was sind die großen Unterschiede zu den Top-Modellen? Wo gibt es Potenzial und Verbesserungsbedarf? Und lassen sich Alltag und Trail-Spaß in einem Bike vereinen? Wir verraten euch 6 Erkenntnisse aus dem E-Mountainbike-Vergleichstest 2023 für Bikes bis 7.000 €.

Fluch und Segen zugleich: Mehr Integration auch an E-MTBs bis 7000 €

Seit Jahren geht der Trend in Richtung immer mehr Integration. Auch bei E-Mountainbikes bis 7.000 € findet man mittlerweile ein immer größeres Maß an Integration. Das Paradebeispiel in diesem Vergleichstest ist das SCOTT Lumen eRIDE 910. Hier verlaufen die Züge durch den Steuersatz, das Display ist im Oberrohr integriert, das Antriebssystem verschmilzt mit dem Rahmen und selbst der Dämpfer ist im Rahmen versteckt. Auch Specialized legt sich ins Zeug und integriert sein Mastermind-Display ins Oberrohr und das Antriebssystem fast nahtlos ins Bike. Hier profitieren auch die günstigen Bikes von der Entwicklung an den High-End-Modellen, da sie sich meist nur im Spec unterscheiden, nicht aber im Motorsystem und der Integration.

Dass Integration nicht immer nur positive Seiten hat, zeigt sich aber auch in unserem Vergleichstest. So ist etwa der Dämpfer am SCOTT Lumen eRIDE 910 nur schwer zugänglich, was das Setup trotz einer Verlängerung für das Ventil deutlich erschwert. Features wie die Zugverlegung durch den Steuersatz erschweren zudem Service-Arbeiten wie das Austauschen von Zügen oder Leitungen. Wer sein Bike immer zum Service in den Bikeshop bringt, wird hier außer eventuellen Mehrkosten keine großen Nachteile spüren. Wer dagegen selber schraubt, kann sich auf reichlich Fluchen gefasst machen. Dazu kommt, dass am SCOTT – ebenfalls ein Effekt der Integration – der Akku nicht mehr entnommen werden kann, was Nachteile in der Handhabung mit sich bringt. Der Vorteil liegt dafür in einer super cleanen Optik. Und wir müssen schon zugeben, dass das Lumen verdammt sexy aussieht. Außerdem können die Hersteller durch die immer stärkere Motorsystemintegration eine zuverlässigere Funktion des Systems und eine bessere Kommunikation der einzelnen Komponenten erzielen.

Die meisten E-MTBs sind von Haus aus keine echten Allrounder

Let’s face it: Die meisten Bikes in unserem Vergleichstest bis 7.000 € sind keine echten Allrounder. Was natürlich irgendwo klar ist, es sind ja schließlich E-Mountainbikes mit einem sportlichen Fokus und keine Trekking- oder SUV-Bikes. Allerdings spiegelt die Menge an nützlichen Alltags-Features unter unseren Testbikes bei Weitem nicht eure Nutzung in der Realität wieder. Denn ein großer Teil von euch gibt in unserer Leserumfrage Jahr für Jahr an, sein E-Mountainbike auch für den Alltag und auf Touren einzusetzen. Deshalb ist es schade, dass nur das BULLS SONIC EVO EN-SL1 über eine verbaute Lichthalterung verfügt, die ihren Strom aus dem Hauptakku zieht. Denn besonders clever integrierte Lichter würden wir uns an deutlich mehr E-MTBs wünschen. Auf dem Trail liefern sie keinen Nachteil, haben dafür aber im Alltag, zum Pendeln oder für den Heimweg nach dem After-Ride-Bier einen echten Nutzen. Auch eine Anhängerfreigabe findet sich nur an zwei Bikes im Test, dabei eröffnet sie im Alltag verschiedenste Transportmöglichkeiten für die Kinder, den Hund oder die Einkäufe. Ob man die Alltags-Features letztendlich nutzt oder nicht, bleibt ja jedem selbst überlassen. Natürlich wird auch niemand dazu gezwungen, mit einem Anhänger durch die Stadt zu fahren. Nur wäre es schön, zumindest die unkomplizierte und vor allem von der Garantie abgedeckte Möglichkeit dafür zu haben. Daneben verfügt kein einziges Bike über einen wirklichen effektiven Diebstahlschutz. Die E-Bike-Lock-Funktion der Bosch-Motoren oder das System-Lock von Specialized sind nette Features und sorgen dafür, dass sich das Bike nicht mehr einschalten lässt bzw. die Motorfunktionen blockiert sind. Ein wirkliches Diebstahlhindernis sieht aber anders aus! Hier wünschen wir uns effektivere Methoden, sodass man auch nach der Tour entspannt in den Baggersee springen kann, ohne den ständigen nervösen Blick über die Schulter.

Unter 7.000 € gibt es sehr gute E-MTBs, die mit 15.000 €-Bikes mithalten können

Wie viel schlechter sind nun also E-Mountainbikes bis 7.000 € im Vergleich mit Bikes ohne Preisobergrenze? Teils überhaupt nicht! Denn schon das RADON DEFT 10.0 750, unser Testsieger, hat in unserem großen Vergleichstest mit 30 Bikes der teils mehr als doppelt so teuren Konkurrenz gezeigt, dass es locker mithalten kann. Und auch in diesem Vergleichstest kommen einige Bikes der Performance des RADON sehr nahe. Ein Grund dafür, dass auch günstige Bikes mit den teuren Edelboliden mithalten können, liegt darin, dass im High-End-Segment die preislichen Sprünge sehr groß sind, die Performance-Zuwächse aber nur noch sehr klein. Dazu kommt, dass die Unterschiede meist nur in der Ausstattung liegen. Auch an den günstigen Bikes der Hersteller bekommt man dieselben Motoren, Connectivity oder Systemintegration, die man auch bei teuren Bikes findet. Und dass die beste Ausstattung nicht gleich das beste Bike bedeutet, sollte klar sein. Teure Komponenten wie Laufräder, elektronische Schaltungen oder edle Cockpits bringen meist so gut wie keine Vorteile und treiben den Preis fleißig in die Höhe. Bessere und teurere Fahrwerke können dagegen vor allem für Performance-Fahrer ein echtes Plus an Trail-Performance bringen. Sie können damit eher mit dem Bike wachsen und von einem genauen Setup profitieren. Anfänger und Tourenfahrer ziehen ihre Vorteile dagegen eher aus einfachen Fahrwerken, die schnell eingestellt sind, ohne viel falsch machen zu können. Teuer ist also nicht gleich besser!

Kleine Upgrades, große Wirkung – Mehr Potenzial für euer E-Mountainbike

Möchte man ein günstiges E-Mountainbike noch ein bisschen besser machen, muss man nicht unbedingt viel Geld in die Hand nehmen. Bereits kleine Änderungen, die bei vielen unter dem Radar fliegen, können große Änderungen bewirken und einem Bike ein ordentliches Plus an Performance einhauchen.

Eines der einfachsten Upgrades sind dabei die Bremsscheiben. Bevor man wegen fehlender Bremskraft auf ein teureres Bremsenmodell upgraded, das im Normalfall nur ein Mehr an Einstellbarkeit bietet, sollte man auf jeden Fall zuerst größere Bremsscheiben verbauen. Der Effekt ist hierbei enorm, und nicht nur Trailshredder profitieren von höherer Bremskraft, sondern auch Tourenfahrer bekommen mehr Standfestigkeit für lange Schotterstraßen-Downhills. Mittlerweile sind die meisten Gabeln für 220-mm-Bremsscheiben zugelassen. Somit ist also an den meisten Bikes noch Luft nach oben.

Wer unsere Tests regelmäßig liest, wird schon mitbekommen haben, dass wir uns gern über Reifen beschweren: zu dünn, zu hart, zu schmal … aber zu Recht! Denn auch in diesem Test hat sich gezeigt, dass die wenigsten Bikes mit auf Trail-Spaß ausgelegten Reifen kommen. Deshalb kann man auch hier mit kleinen Upgrades sehr große Wirkungen erzielen. Weiche Gummimischungen an der Front etwa erhöhen den Grip am Vorderrad spürbar und damit auch die Sicherheit auf dem Trail. Besonders auch in nassen Bedingungen, in denen sich viele Fahrer unsicher fühlen. Im Gegenzug gehen sie aber kaum zu Lasten des Rollwiderstands, da vergleichsweise wenig Gewicht auf dem Vorderrad lastet. Dickere und stabilere Reifenkarkassen sorgen zudem für ein deutlich satteres Fahrgefühl und weniger Platten. Robustere Karkassen ermöglichen es, weniger Druck in den Reifen zu fahren, sodass kleine Schläge und Vibrationen schon von den Reifen gedämpft werden, was eure Hände und Unterarme schont – ganz ohne teure Gabeln.

Aber auch ohne Teile zu kaufen, kann man gewisse Charakteristiken seines E-MTBs mit wenigen Handgriffen auf die eigenen Vorlieben anpassen. Über die Spacer unter dem Lenker lässt sich ganz einfach die Höhe der Front anpassen. Eine höhere Front vermittelt mehr Sicherheit in der Abfahrt durch geringere Überschlagsgefühle, benötigt allerdings auch mehr Druck in flachen Kurven, um das Vorderrad am Rutschen zu hindern. Eine niedrigere Front hält dagegen das Vorderrad bei steilen Climbs besser am Boden, bringt aber auch mehr Gewicht auf eure Hände. Hier kann man einfach experimentieren und fühlen, was sich verändert, wenn man einen Spacer nach oben oder unten verlegt. Denn bereits ein Spacer kann einen großen Unterschied machen und das Gefühl auf dem Bike stark verändern. Nicht vergessen: Schrauben wieder anziehen ;). Selbiges gilt auch für die Sattelposition. Durch die Anpassung der Neigung oder das Verschieben nach vorn oder hinten kann man nicht nur seinem Hintern Gutes tun, sondern verändert auch seine Haltung auf dem Bike. So kann man etwa im Uphill Druck von den Händen nehmen. Probiert es aus!

Mehr Connectivity auch jenseits der Top-Modelle

Auch an E-Mountainbikes mit einem Preislimit von 7.000 € muss man nicht auf die neueste Technik verzichten. Das BULLS SONIC EVO EN-SL1 mit dem neuen Shimano EP801 und der elektronischen wie automatischen Shimano XT Di2-Schaltung setzt Maßstäbe in Sachen neuester Technik an günstigen Bikes. Shimano bündelt dazu alle Funktionen in einer – zugegebenermaßen nicht ganz intuitiven – App und bietet schier unendliche Anpassungsmöglichkeiten. Hier kommen auch Technik-Nerds voll auf ihre Kosten. Auch andere Hersteller legen in Sachen Connectivity ordentlich nach. Specialized hat nun auch an seinem Levo Comp Alloy das Mastermind-Display, das wir bisher nur von deutlich teureren Modellen kennen, im Oberrohr integriert. Das sieht nicht nur schick aus, sondern ist obendrein deutlich informativer als das einfache LED-Display am Vorgänger und bietet neue Möglichkeiten in Sachen Connectivity. Auch Moustache macht bei seinen günstigen Modellen keine Abstriche in Sachen Systemsteuerung und verbaut das hochwertige Kiox 300-Display von Bosch.

Allgemein muss man an günstigen Bikes kaum Abstriche in Sachen Connectivity und neuester Motor-Innovationen in Kauf nehmen, denn hier finden sich dieselben Motoren wie in den Top-Spec-Bikes. Dadurch profitieren auch die weniger hochpreisigen Modelle von der Innovationskraft der Hersteller. Auch in Sachen Updates sind die Top-Modelle nicht besser gestellt, und die von uns getesteten Bikes bis 7.000 € können auf dieselben Updates und Apps zurückgreifen wie ihre teuren Verwandten.

Welches Rahmenmaterial ist das richtige für ein E-Mountainbike?

Wie im letzten E-Mountainbike-Vergleichstest mit einer Preisobergrenze machen auch in diesem Jahr Alu-Rahmen den Großteil der Bikes aus. 5 der 7 Bikes im Test setzen auf geschweißte Rohre, während nur zwei Bikes – das SCOTT Lumen eRIDE 910 und das BULLS SONIC EVO EN-SL1 – auf einem Carbon-Rahmen basieren. Die Vorteile der Carbon-Rahmen liegen dabei auf der Hand: Die leichten Fasern ermöglichen deutlich leichtere Bikes und eine freiere Hand beim Formen der Rahmen. Nicht umsonst sind die beiden Carbon-Bkes im Test die leichtesten. Wobei man hier das SCOTT als einziges Light-E-MTB aus der Konkurrenz nehmen muss. Aber auch das BULLS erspielt sich immerhin einen Gewichtsvorteil von fast zwei Kilo gegenüber dem leichtesten Alu-Bike, dem Specialized Levo Comp Alloy. In Sachen Fahr-Performance muss man das Gewicht natürlich in den Kontext des Gesamtkonzepts stellen. Beim BULLS trägt das geringe Gewicht definitiv zum agilen Fahrverhalten bei, allerdings ist es sehr fraglich, ob das Haibike Nduro 7 mit leichtem Carbon-Rahmen plötzlich vom Panzer zum Trampolin geworden wäre. Allgemein lässt sich sagen, dass ein guter Alu-Rahmen per se keine Nachteile mit sich bringt und es wie immer auf das große Zauberwort „Gesamtkonzept“ ankommt.

Eine Preisgrenze muss nicht unbedingt auch eine Performance-Grenze darstellen, was einige Bikes im Test eindrucksvoll beweisen. Und nicht nur die Performance von E-Mountainbikes bis 7.000 € ist zum Teil beeindruckend, sondern auch das Maß an Connectivity oder Integration, das man mittlerweile an einigen der günstigeren Bikes findet. Allerdings haben die Hersteller noch reichlich Hausaufgaben zu machen, wenn es darum geht, die Bikes wirklich trail-ready auszuliefern oder zu echten Allroundern zu machen!


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Words: Felix Rauch Photos: Mike Hunger