Seit die ersten E-Mountainbikes vor weniger als einem Jahrzehnt das Licht der Welt erblickten, hat ihr Design eine rasante Entwicklung durchgemacht. Wir haben die neuesten Geometrie-Trends analysiert und ein wenig mit Zahlen jongliert, um herauszufinden, wie die Geometrie eines E-MTBs euren Spaß auf dem Trail beeinflusst.

Ein Blick auf den aktuellen Bike-Markt zeigt, dass mittlerweile nahezu jeder etablierte Bike-Hersteller über ein oder mehrere E-MTBs in seiner Modellpalette verfügt. Zudem lässt sich beobachten, dass immer mehr neue Firmen aus dem Boden sprießen, die sich komplett auf E-Mountainbikes spezialisiert haben. Verglichen mit unmotorisierten Bikes gleicht der evolutionäre Zeitstrahl von E-Mountainbikes zwar einem Fingerschnippen, doch in den letzten Jahren haben wir riesige Veränderungen miterlebt, und zwar sowohl hinsichtlich der Performance, als auch in puncto Komfort. Höchste Zeit also, in die DNA unserer E-Bikes einzutauchen und Antworten auf folgende Fragen zu finden: Was macht ein hervorragendes E-MTB aus und entfernen sich die elektronisch unterstützten Bikes zunehmend von ihren unmotorisierten Geschwistern?

Wie beeinflusst die Geometrie das Handling eines E-MTBs?

Damit ein Bike auf dem Trail Spaß bringt, benötigt es drei grundlegende Eigenschaften: Sorgfältig ausgewählte Komponenten, ein gut abgestimmtes Fahrwerk und – am allerwichtigsten – eine gute Geometrie. Falls es an einer dieser Eigenschaften mangelt, dann ist der Fahrspaß in akuter Gefahr. Die Geometrie definiert, wie sich euer Bike auf dem Trail anfühlt und wie ihr mit eurem Bike interagiert. Komfort, Stabilität, Souveränität und ein agiles Handling – all diese Eigenschaften werden von der Geometrie maßgeblich beeinflusst. Sie bestimmt außerdem, wie wir auf dem Bike sitzen, wie sich unser Gewicht auf die Laufräder verteilt, wie das Bike mit unterschiedlichen Steigungen auf dem Trail umgeht und wie effizient wir unsere Kraft auf den Antrieb übertragen. Doch was macht eine „gute“ Geometrie aus?

Geometrie-Tabellen – Fallt nicht darauf rein!

Bevor wir uns in Zahlen verlieren, müssen wir euch zunächst die erste und wichtigste Regel der Bike-Geometrie vorstellen:

Geometrie-Kennziffern sind eine sehr nützliche Hilfe zur Orientierung, doch um den wahren Charakter eines Bikes zu verstehen, müssen wir seine Geometrie und sein Fahrwerk als Ganzes betrachten.

Es ist leicht, sich von den Zahlen in einer Geometrie-Tabelle faszinieren zu lassen. Bikes anhand isoliert betrachteter Werte zu vergleichen – wie etwa Lenkwinkel oder Kettenstrebenlänge – ist jedoch, als würdet ihr euren nächsten Autokauf von der Anzahl der Getränkehalter im Fahrzeug festmachen. Diese Info mag zwar wichtig sein, wenn ihr auf einen Coffee-to-go steht, aber sie erzählt euch eben nicht die ganze Wahrheit. Geometrie-Tabellen geben einen Hinweis auf die zu erwartende Performance eines Bikes, doch wir müssen außerdem die Effekte von verschiedenen Hinterbau-Plattformen sowie die Auswahl der Komponenten mit einbeziehen, da diese Punkte einen erheblichen Einfluss auf die Fahreigenschaften eines Bikes haben. Bei der Konstruktion eines E-Bikes gilt es, einen weiteren Faktor zu berücksichtigen, der einen gewaltigen Einfluss auf den Charakter des Bikes hat: Wo und wie soll der Akku befestigt werden? Konstrukteure und Hersteller haben mittlerweile verstanden, dass eine tiefe Positionierung des Akkus und Motors einen niedrigen Schwerpunkt zur Folge hat und dieser sich positiv auf das Handling des Bikes auswirkt.

Hat man einmal verstanden, dass die Fahreigenschaften eines Bikes nicht von einer einzelnen Kennziffer abhängen, sondern von allen Werten im Wechselspiel, fängt man an zu begreifen, wie verschiedene Trends die Entwicklung von E-Mountainbikes beeinflusst haben und dies noch immer tun.

E-MTB-Geometrie: Basics

Bevor wir die Büchse der Pandora öffnen, müssen wir uns zuerst einige neue Begrifflichkeiten vor Augen führen. Generell ist die Geometrie von E-MTBs kein Hexenwerk. Wenn ihr ein Hardtail besitzt, dann besteht euer E-MTB jeweils aus einem starren vorderen sowie hinteren Rahmendreieck. Bei einem Fully hingegen ist das vordere Rahmendreieck mittels rotierender Drehpunkte am hinteren Rahmendreieck befestigt. An einem vollgefederten Bike verändern sich zudem das Verhältnis zwischen dem vorderen und dem hinteren Rahmendreieck sowie die dazugehörigen Geometrie-Werte, wenn das Bike sich durch seinen Federweg bewegt.

Kettenstrebenlänge

Die Kettenstrebenlänge ist der horizontale Abstand zwischen der Mitte des Tretlagers und der Mitte der Hinterachse. Bei den meisten Bikes verändert sich die Kettenstrebenlänge, wenn das Bike sich durch seinen Federweg bewegt – doch diese Veränderung wird in Geometrie-Tabellen nie kommuniziert.

Lenkwinkel

Die korrekte technische Bezeichnung wäre eigentlich Lenkkopf- oder Steuerkopfwinkel und beschreibt den Winkel zwischen dem Boden hinter dem Vorderrad und der Lenkachse (eine Gerade durch das Steuerrohr). Flachere Winkel bedeuten generell, dass die Lenkung stabiler ist, wohingegen steilere Winkel ein aktiveres Lenkgefühl verleihen.

Reach

Der Reach ist der horizontale Abstand vom Mittelpunkt des Tretlagers zur Mitte der Oberseite des Steuerrohrs. Der Reach gibt euch an, wie stark oder wenig stark nach vorne gestreckt ihr auf den Pedalen steht. Aufgrund verschiedener Sitzwinkel macht er allerdings keine verlässliche Aussage darüber, wie lang sich das Bike im Sitzen tatsächlich anfühlt.

Stack

Als Stack wird die vertikale Distanz von der Tretlagermitte zur Oberseite des Steuerrohrs bezeichnet (dort, wo der Gabelschaft den Rahmen verlässt). Der Stack-Wert gibt an, wie hoch die Front der Bikes ist und liefert so eine gute Vorstellung, wie sich diese Höhe auf dem Trail anfühlen wird.

Reach-/Stack-Verhältnis

Das Verhältnis zwischen Reach und Stack eines Bikes ist ein guter Indikator für die Fahrposition, die man beim Biken erhalten wird. Bikes mit einem niedrigeren Verhältnis (unter ca. 0,75) fühlen sich in der Regel größer an und bieten eine aufrechtere Fahrposition, wohingegen Bikes mit einem höheren Verhältnis (über 0,75) sich flacher und gestreckter anfühlen.

Sitzwinkel

Als Sitzwinkel wird der Winkel zwischen der Tretlagermitte und der Mitte der Streben eures Sattels bei einer bestimmten Sattelhöhe in Bezug auf den Boden bezeichnet. Hersteller messen ihn meist unterschiedlich. Aufgrund abgeknickter Sitzrohre kann dieser Winkel bei verschiedenen Sattelhöhen stark variieren und daher ist es nicht so einfach, ihn zwischen unterschiedlichen E-MTBs zu vergleichen.

Sattelrohrlänge

Die Sattelrohrlänge beschreibt die Distanz gemessen von der Mitte des Tretlagers bis zum obersten Punkt des Sattelrohrs. Dieser Wert gibt uns eine Vorstellung davon, welche Teleskopsattelstützen-Länge sich im Rahmen unterbringen lässt. Bei vielen Rahmen wird die maximale Einstecktiefe durch Drehpunktbefestigungen und Knicke im Sattelrohr reduziert.

Radstand

Der horizontale Abstand zwischen den beiden Punkten, an denen das Vorder- und Hinterrad jeweils den Boden berühren, wird als Radstand bezeichnet.

Effektive Oberrohrlänge

Die effektive Oberrohrlänge sagt aus, wie groß der horizontale Abstand zwischen dem Übergang von Oberrohr/Steuerrohr zum Sattelrohr ist. Auch wenn diese Abmessung nicht berücksichtigt, wie weit das Sattelrohr hochgezogen ist, stellt dieser Wert den besten Indikator dafür dar, wie lang sich ein Bike im Sitzen anfühlt.

Zu Beginn mussten E-MTBs das Rad nicht neu erfinden

Glücklicherweise mussten E-MTBs bei ihrer Einführung das Rad nicht neu erfinden. Da einige der traditionsreichsten Bike-Hersteller über 50 Jahre Erfahrung in der Konstruktion und dem Bau von Bikes vorzuweisen hatten, wussten ihre Designer natürlich bereits, wie man Bikes mit einem fantastischen Handling baut. Doch als sie vor der Mammutaufgabe standen, die erste Generation der schweren und sperrigen Motoren zu integrieren, mussten die Bike-Konstrukteure diverse Kompromisse eingehen und konnten keine optimale Geometrie realisieren. Dank der neuesten Generation an kleineren und leichteren Motoren können die Designer jedoch mittlerweile mit mehr Freiheiten und weniger Kompromissen konstruieren. Doch wie stehen moderne E-MTBs bei einem Vergleich mit ihren Geschwistern ohne Motorisierung da? Und funktioniert die Geometrie der führenden unmotorisierten Bikes auch für E-MTBs, oder unterscheiden sich die Anforderungen?

Um genau das herauszufinden, haben wir die Geometrie-Daten der besten E-MTBs aus unserem 2020er Vergleichstest herangezogen und sie mit 11 der besten Trail-Bikes verglichen, die kürzlich bei einem Vergleichstest in unserem Schwestermagazin ENDURO getestet wurden. Die Unterschiede in den Geometriedaten fallen tatsächlich gering aus. Vergleicht man diese Bikes in Größe L, so ist der Reach der E-MTBs im Schnitt lediglich 2,8 mm länger als bei den unmotorisierten Bikes (463,4 ±3,1 vs. 460,5 ±2,5 mm) und die Höhe des Sattelrohrs fällt um 11,6 mm kürzer aus (459,5 ±4,6 vs. 471,1 ±3,4 mm). Auch fallen bei den E-MTBs die durchschnittlichen Lenk- und Sitzwinkel der E-MTBs nur um 0,8° flacher bzw. 0,4° steiler aus (65,1 ±0,2 vs. 66,3 ±0,2 ° bzw. 75,3 ±0,2 vs. 74,9 ±0,2 °). Die einzigen signifikanten Unterschiede in den durchschnittlichen Geometrie-Daten zwischen E-MTBs und unmotorisierten MTBs zeigten sich darin, dass E-MTBs einen 6,7 mm höheren Stack aufweisen (625,6 ±3,6 vs. 618,9 ±4,3 mm), über 12,4 mm längere Kettenstreben verfügen (446,0 ±3,4 vs. 434,3 ±0,9 mm) sowie einen 33,4 mm längeren Radstand besitzen (1.242,7 ±7,5 vs. 1.209,3 ±4,2 mm).

2019 vs. 2020 – Welchen Unterschied macht ein Jahr?

Doch entwickeln sich E-MTBs noch immer weiter? Wie sieht es aus, wenn wir die Entwicklung über einen kurzen Zeitraum betrachten? Wie haben sich E-MTBs im Laufe des letzten Jahres verändert? Vergleicht man die E-Mountainbikes aus unserem Vergleichstest 2020 in dieser Ausgabe (Hier geht’s zum aktuellen Vergleichstest des besten E-MTB 2020) mit den E-MTBs aus unserem Vergleichstest von 2019, dann können wir erkennen, wie Trends die Evolution der E-Mountainbikes beeinflussen. Die Maße der neuesten 2020er-Modelle haben sich im Vergleich zum Vorjahr teilweise sehr deutlich verändert: Im Schnitt sind die Lenkwinkel um 0,9° flacher als im Jahr 2019 (65,9 ±0.2 vs. 65,0 ±0.2 °) und die Sitzwinkel 0,6° steiler (74,6 ±0.3 vs. 75,3 ±0.3 °). Mit dem Aufkommen längerer Teleskopsattelstützen werden auch E-MTBs immer flacher – durchschnittlich fällt die Länge der Sitzrohre bei den 2020er-Modellen um 10,6 mm kürzer aus (470,1 ±3,1 vs. 459,5 ±4,6 mm). Die Gesamtgröße der Bikes blieb jedoch nahezu unverändert, wie der Vergleich der Kenngrößen Radstand (1.242,6 ±8,2 vs. 1.242,7 ±7,4 mm), Reach (464,1 ±2,8 vs. 463,3 ±3,1 mm) und Stack (628,2 ±4,6 vs. 625,6 ±3,6 mm) zwischen den 2019er und 2020er-Modellen zeigt. Interessanterweise hat sich die durchschnittliche Kettenstrebenlänge von E-MTBs beim Modellwechsel um 9,3 mm verringert (446,7 ±3.4 vs. 456,0 ±4.4 mm). Sie sind jedoch noch immer 12,4 mm länger als beim durchschnittlichen Mountainbike ohne Motor.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ein Großteil der Geometrie-DNA von E-MTBs mit der DNA neuester Trail-Bikes identisch ist, die E-MTBs jedoch im Schnitt ein wenig flacher, länger und tiefer ausfallen.

Haben wir damit bereits unsere Antwort erhalten und kennen den perfekten genetischen Code für grandiose E-Mountainbikes?

Die Antwort lautet ja, doch mit einem Vorbehalt: Da die Akkukapazitäten immer mehr steigen und In-Tube-Designs mehr ingenieurtechnische Einschränkungen für die Bike-Konstrukteure bedeuten, ist die Gewichtsverteilung wichtiger denn je. Selbst wenn die Geometrie nahezu perfekt ist, können falsch positionierte Akkus und Motoren das Bike-Handling und die Fahrwerks-Performance negativ beeinflussen. Bei E-MTBs verschwimmt auf einzigartige Art und Weise die Grenze zwischen Design und Geometrie, daher ist es wichtiger denn je, ein Bike als Ganzes zu betrachten, und nicht nur seine isolierten Werte.

Wie sieht die Zukunft für die Geometrie von E-MTBs aus?

Während viele Leute behaupten, dass unmotorisierte Bikes bereits den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht haben, fragen wir uns, ob es noch immer ungenutztes Potenzial beim Design von E-MTBs gibt. Wir werfen einen hypothetischen Blick in die Zukunft und prognostizieren, wie aufkommende Trends die Geometrie von E-Mountainbikes formen werden.

Werden Sitzwinkel zunehmend steiler?

Schon bei unmotorisierten Bikes können wir beobachten, dass steilere Sitzwinkel auf steilen Anstiegen zu einer effizienteren Sitzposition und erhöhter Traktion am Vorderrad verhelfen. Inzwischen gibt es E-MTBs mit bis zu 78° steilen Sitzwinkeln. Ein Blick auf ein beliebtes Beispiel – das Specialized Kenevo – verdeutlicht dies: Ganze 2° steiler fällt der Sitzwinkel beim neuesten Modell aus. Dank der Fähigkeit von E-MTBs, auch super steiles Terrain bewältigen zu können, ist eine verbesserte Position mit mehr Gewicht auf dem Vorderrad durch den steileren Sitzwinkel noch vorteilhafter. Die richtige Balance darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden: Denn je steiler der Sitzwinkel, desto mehr Druck wird in gemäßigterem Terrain auf die Arme des Fahrers ausgeübt – Fans von langen Touren dürften diesen Trend daher nicht allzu sehr feiern. Wir erwarten somit eher Unterschiede zwischen den verschiedenen Kategorien: Flachere E-MTBs mit mehr Federweg dürften steilere Sitzwinkel nutzen, um auf steilen Anstiegen ausreichend Druck auf dem Vorderrad zu haben. Hingegen werden Allround-Bikes mit einem größeren Anreiz für die breite Masse voraussichtlich eher konservative Sitzwinkel beibehalten, damit die Sitzposition ausgewogener und komfortabler bleibt.

Werden auch E-MTBs super kurze Kettenstreben erhalten?

Viele Jahre lang wurde uns von den Marketingabteilungen der Bike-Hersteller eingetrichtert, dass kurze Kettenstreben ein Bike „agil“ und lange Streben es „laufruhig“ machen. In der Realität ist die Thematik der Kettenstrebenlänge deutlich komplexer und sollte in Anbetracht des Bikes als Gesamtsystem beurteilt werden. In vielen Fällen führte die simple Tatsache, dass ein Motor im Rahmen integriert werden musste, dazu, dass E-MTBs traditionell längere Kettenstreben erhielten als Bikes ohne Motor. Wie entscheidend ist eigentlich die Länge der Kettenstrebe? Sie bestimmt, wie sich das Gewicht des Fahrers zwischen dem Vorder- und Hinterrad verteilt. Super kurze Kettenstreben befördern das Hinterrad näher an das Tretlager sowie unter den Fahrer und verlagern so mehr Gewicht des Fahrers auf das Hinterrad. Auf steilen Anstiegen kann weniger Gewicht auf dem Vorderrad dafür sorgen, dass dieses schneller ansteigt und an Grip verliert. Wie wir alle wissen, eröffnen E-MTBs eine ganz neue Welt, was den Spaß auf technischen Kletterpassagen angeht. Daher können super kurze Kettenstreben von Nachteil sein. Schaut man sich das Specialized Levo an, so mögen seine 459 mm langen Kettenstreben verglichen mit den 437 mm kurzen Streben des unmotorisierten Specialized Stumpjumper gewaltig wirken. Doch die längeren Kettenstreben helfen, das Vorderrad auf steilen Passagen unter Kontrolle zu halten. Selbst wenn die Motoren noch kleiner werden, glauben wir: Die besten E-MTBs werden längere Kettenstreben beibehalten, um eine ausgewogenere Bergauf-Performance, besseren Grip und ein höheres Selbstvertrauen für weniger erfahrene Piloten zu erreichen.

Muss es immer länger und flacher werden?

Was ist mit dem größten Geometrie-Trend, der die unmotorisierte Bike-Welt auf Trab hält? Es gibt drei Schlagworte, die bei der Vermarktung von fast jedem neuen Modell auftauchen: länger, tiefer und flacher. In dem Streben nach mehr Stabilität bei hohen Geschwindigkeiten sind Bikes ohne Motor länger und flacher als je zuvor. Warum? Im Allgemeinen sorgen ein verlängerter Radstand und ein flacherer Lenkwinkel dafür, dass Selbstvertrauen und Sicherheit bei hohen Geschwindigkeiten steigen, allerdings auf Kosten der Agilität. E-Mountainbikes jedoch sind dank des niedrig sitzenden Motors ohnehin äußerst stabil und man könnte argumentieren, dass die begehrenswerteste Eigenschaft eines E-MTBs Agilität ist. Ein sehr langes und flaches Bike benötigt einen dynamischeren Fahrer, damit es sein volles Potenzial ausschöpfen kann, und erfordert deutlich mehr Mühe beim Anheben des Vorderrads. Kombiniert mit der ohnehin gegebenen Stabilität eines E-MTBs kann es passieren, dass sich ein super langes Bike träge anfühlt und „am Boden klebt“, sodass man es kaum mehr vom Untergrund bekommt. Auch wenn es immer Ausreißer geben wird, prophezeien wir, dass die besten E-MTBs eine ausgewogenere Geometrie ohne radikale Abmessung oder Winkel beibehalten werden. Der stabilisierende Effekt der tiefliegenden Akku- und Motorgewichte sorgt dafür, dass sich E-Mountainbikes generell laufruhiger, satter und souveräner fahren und man hier mit extremen Winkeln ein agiles Fahrgefühl deutlich stärker reduziert als bei unmotorisierten Mountainbikes.

Die Tage, an denen die Bike-Größe anhand der Sitzrohr-Höhe festgelegt wurde, sind gezählt

Traditionsgemäß wurde die richtige Bike-Größe durch die Höhe des Sitzrohrs definiert, doch diese Zeiten sind vorbei. Hersteller wie Specialized führen aktuell ein neues Konzept zur Größeneinteilung ein, das die Größe eines Bikes nicht von der Sattelrohr-Höhe, sondern von der Länge des Hauptrahmens abhängig macht. Dank der immer längeren Teleskopsattelstützen können die Konstrukteure die Höhe der Sattelrohre über alle Rahmengrößen hinweg reduzieren, sodass selbst kleinere Fahrer mittlerweile die Option haben, sich auch für ein längeres Bike zu entscheiden. Doch nicht nur Specialized geht diesen Weg, im Allgemeinen sehen wir bei den beliebtesten E-MTB-Herstellern die Sattelrohr-Höhen schrumpfen. In der Zukunft erwarten wir, dass sich diese Art der Größeneinteilung verbreitet und uns Fahrern mehr Möglichkeiten bietet, genau das Bike auszuwählen, das unserem Fahrstil am ehesten entspricht – unabhängig von der Schrittlänge.

Form über Funktion bei SUV-Bikes? Eine Warnung an die Zukunft

Neue Geometrie- und Design-Trends darf man auch durchaus kritisch hinterfragen. Nehmt beispielsweise den neuesten Trend an SUV-E-MTBs, die ein großes Potenzial und spannende Möglichkeiten bieten – doch in ihrem Streben nach einer muskulösen Ästhetik werden häufig Kompromisse im Handling in Kauf genommen. Auch wenn schwere, breite Oberrohre ziemlich aggressiv und cool aussehen mögen, reduzieren sie das Sicherheitsgefühl, die Bewegungsfreiheit und damit die Fahrfreude und das Handling. Die Zukunft für SUV-E-MTBs strahlt sicher hell, doch manchmal führen uns Trends auch in eine Sackgasse … .

Genmanipulation: So tunt ihr die DNA eures Bikes

Auch wenn ihr die Rahmengeometrie eures E-MTBs nicht wirklich verändern könnt, so könnt ihr doch einige kleine Veränderungen vornehmen, die eine große Auswirkung auf das Fahrgefühl haben können. Wir zeigen euch hier einige Änderungen, wie ihr euer Bike optimieren könnt, damit es besser zu eurem Fahrstil passt.

Alle E-MTBs verfügen über eingeschränkte, jedoch höchst einflussreiche Anpassungsmöglichkeiten der wesentlichen Kontaktpunkte, über die ihr mit dem Bike interagiert. Dazu zählen vor allem die horizontale Position des Sattels sowie die Höhe des Lenkers. Die Lenkerhöhe oder Sitzposition zu verändern, kann einen großen Einfluss darauf haben, wie euer Bike sich fährt und wie es klettert. Zudem kann es euch mehr Kontrolle, Komfort und Sicherheit verleihen. Doch noch ein wichtiger Hinweis vorab: Eure Position auf dem Bike hängt stark von der Einstellung eures Fahrwerks ab. Also achtet darauf, dass der SAG eurer Gabel sowie eures Dämpfers korrekt eingestellt ist, bevor ihr die Geometrie eures Bikes tunt.

Veränderung der horizontalen Sattelposition

Nahezu alle Sättel verfügen über Streben, die eine horizontale Verschiebung um 2–4 cm in der Sattelklemmung ermöglichen. Wenn ihr viel Zeit auf steilen Anstiegen verbringt und ihr das Gefühl habt, dass euer Gewicht auf dem Bike zu weit nach hinten verlagert ist oder das Vorderrad früh vom Boden abhebt bzw. schwer auf Linie zu halten ist, dann solltet ihr euren Sattel auf seinen Streben nach vorn schieben. Dadurch gestaltet ihr den „effektiven“ Sitzwinkel steiler und verlagert euer Gewicht mehr in Richtung des Vorderrads, was zu einer effizienteren Kletterpostion auf steilen Anstiegen sowie mehr Grip am Vorderrad führt. Mittlerweile sieht man bei zahlreichen Bikern, die auf technische Anstiege stehen, dass sie ihre Sättel so weit wie möglich nach vorne schieben.

Lenkerhöhe verändern

Wenn ihr euer Bike auf langen Touren unbequem findet, oder ihr nicht mit seinem Handling zufrieden seid, dann solltet ihr ein wenig mit der Lenkerhöhe experimentieren. Die meisten E-MTBs werden mit Spacern zwischen dem Vorbau und Steuerrohr ausgeliefert, sodass ihr 2–4 cm an Einstellungsspielraum bezüglich der Lenkerhöhe habt. Sollte euer Bike keine Spacer besitzen, dann könnt ihr auch einfach einen Lenker mit mehr oder weniger Rise montieren.

Niedrige Lenkerhöhe

Wenn ihr die Höhe eures Lenkers verringert, dann bewegt sich euer Körpergewicht nach unten und näher in Richtung Vorderrad, wodurch der Grip am Vorderrad erhöht wird. Bergauf führt das zu einer verbesserten Stabilität beim Lenken und besserem Grip am Vorderrad. Doch wenn ihr in steilem Terrain bergab fahrt, bedeutet eine niedrige Lenkerhöhe eine anstrengendere Körperposition, die von den Armen des Fahrers mehr Einsatz und Kraft erfordert und es schwerer macht, das Vorderrad zu entlasten.

Hohe Lenkerhöhe

Erhöht ihr die Lenkerhöhe, führt das zu einer aufrechteren Position und erhöhtem Komfort auf längeren Touren. Außerdem steht ihr in steilen Abfahrten zentraler im Bike und euer Gewicht verteilt sich gleichmäßiger zwischen euren Beinen und Armen, was weniger ermüdend ist. Auf flacheren Trails und steilen Anstiegen führt eine höhere Lenkerhöhe jedoch zu weniger Gewicht auf dem Vorderrad, was wiederum zu reduziertem Grip und weniger Kontrolle führt.

Für ein universelles E-MTB-Setup, das sowohl bergauf, als auch bergab Spaß bringt, empfehlen wir euch, eine Lenkerhöhe zu finden, die so hoch wie möglich ist, bei der ihr jedoch noch genug Gewicht auf dem Vorderrad habt, um kontrolliert klettern zu können.
Auch wenn es keine Universallösung hinsichtlich Lenkerhöhe und Sitzposition gibt – wenn ihr die Geometrie eures Bikes bis ins kleinste Detail tunen wollt, dann notiert euch eure Grundeinstellung und experimentiert mit den Einstellungen, um herauszufinden, was für euch am besten funktioniert.

Fazit

Im Laufe ihrer Evolution haben E-Mountainbikes versucht, möglichst nah an die Geometrie ihrer unmotorisierten Pendants zu kommen – doch das ändert sich langsam. Dank des breiteren Einsatzbereichs von E-Mountainbikes wagen wir zu behaupten, dass die E-MTB-Konstrukteure mehr Augenmerk auf ausgewogene Werte als radikale Zahlen legen werden. Die zunehmend kompakteren Akkus und Motoren ermöglichen es schon heute, in Sachen Geometrie freier zu konstruieren als in den vergangenen Jahren. Dennoch geht kaum ein Hersteller voll an die Limits und möchte seine Bike mit extremen Werte in eine Nische drängen, die den Einsatzbereich limitieren könnten. Bei Themen wie der Gewichtsverteilung und der Konzeption von Rahmengrößen ist jedoch noch viel Potenzial. Gleiches gilt für neue Fahrwerkssysteme, die den spezifischen Stärken von E-MTBs besser in die Karten spielen – wobei das nur indirekt mit der Geometrie zu tun hat. Ihr seht: Alles ist mit allem verbunden, deshalb ist es wichtig, sich nicht von einzelnen Daten in Geometrie-Tabellen blenden zu lassen. Am besten fährt man, wenn man das Bike als Ganzes betrachtet!


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