Erster Test: Canyon Neuron:ON CF 8 2023 – Touren-Fully oder Trail-E-Mountainbike?

Das neue Canyon Neuron:ON ist das kurzhubigste Fully im Canyon E-Bike-Line-up. Es ist jetzt auf einen Carbonrahmen aufgebaut, hat ein Bosch-Motorsystem und bekommt mehr Federweg spendiert. Wird es mit seinen 140 mm an Front und Heck zum kurzhubigen Trail-E-Bike oder bleibt es ein Touren-Abenteuer-Fully?

Canyon frischt seine komplette E-Bike-Pallette auf. Das Neuron:ON ist dabei das kurzhubigste Fully im Line-up und gleichzeitig das einzige, das auf 29”-Laufrädern vorne und hinten setzt. Obwohl es dem Vorgänger-Modell durch die Rahmensilhouette und Dämpferplatzierung sehr ähnlich sieht, gibt es doch einige Neuerungen. Zunächst setzt das neue Neuron:ON jetzt auf einen Bosch Smart System-Motor statt wie bisher auf einen Shimano EP8. Außerdem hat es mit 140 mm Federweg an Front und Heck 10 mm mehr als sein Vorgänger. Fast alle Varianten des neuen Canyon:ON haben nun einen Carbonrahmen spendiert bekommen. Nur das Einstiegsmodell wird es weiterhin mit Alu-Rahmen geben. Das hat allerdings den Shimano EP6-Motor verbaut und zudem eine andere Geometrie. Wir haben das 5.599 € teure Neuron:ON CF 8 getestet.

Das neue Canyon Neuron:ON CF 8 2023 im Detail

Auf den ersten Blick ähnelt das Canyon Neuron:ON 2023 seinem großen Bruder, dem Spectral:ON, und auch die Geometrie des Hauptrahmens teilen sich die beiden Bikes. Dennoch gibt es optisch einen Unterschied: Das Neuron:ON ist an dem Knick im Sitzrohr und dem großen 29”-Hinterreifen zu erkennen. Dadurch wirkt es etwas filigraner und weniger wuchtig als das Spectral:ON. Es setzt auf das Bosch Performance Line CX-Motorsystem mit einem 750-Wh-Akku. Dieser ist allerdings fest verbaut und man muss das Bike somit immer am Abstellort laden können. Das gilt es immer einzuplanen, vor allem auch, wenn man eine lange Tour plant und den Akku auf einer Hütte unterwegs laden möchte. Unterstützungsmodus und Ladestand werden auf dem Bosch System Controller auf dem Oberrohr angezeigt. Die Modi kann man mit der kabellosen Bosch Mini Remote am Lenker wechseln und da das Neuron:ON CF 8 ohne Bildschirm auskommt, wirkt das Cockpit aufgeräumt. Der Kettenstrebenschutz dämpft Klappergeräusche der Kette effektiv und wie man es bereits vom Spectral:ON kennt, sitzt auch hier die Kettenstrebe weit oben, sodass die Kette in den kleinen Ritzeln darüber schleift. Wir waren beim Spectral damals skeptisch, konnten aber keine Probleme oder erhöhten Verschleiß feststellen, selbst nach vielen Monaten intensiver Nutzung.

Ausstattung und Varianten des neuen Canyon Neuron:ON 2023

Das Canyon Neuron:ON wird in einer Alu- und zwei Carbon-Varianten angeboten. Dabei unterscheiden sich nicht nur Ausstattungen und Rahmenmaterialien, sondern auch die Geometrie zwischen dem Alu- und Carbon-Modell. Das Gefährt aus Metall wird Neuron:ON 6 bezeichnet und macht mit einem Preis von 3.799 € den Einstieg. Dafür bekommt man ein Bike mit Shimano EP6-Motor und 504-Wh-Akku. Gegen einen Mehrpreis von 200 € gibt es das Modell auch mit größerem 630-Wh-Akku.
Möchte man in die Welt des Carbons einsteigen, beträgt der Einstiegspreis bei 4.799 € für das CF 7- Modell. Das Bike ist – wie alle Carbon-Modelle – mit Bosch Performance Line CX-Motor ausgestattet. Auch hier lässt sich für zusätzliche 200 € der Akku aufwerten, in diesem Fall von 625 Wh auf 750 Wh. Dieses Akkukapazität-Upgrade um 20 % lohnt sich vor allem für schwere Fahrer und solche, die lange Tagestouren mit vielen Höhenmetern zurücklegen, es macht das E-Bike aber auch ca. 800 g schwerer. Das von uns getestete Topmodell CF8 und ist dagegen nur mit 750-Wh-Akku erhältlich und schlägt mit 5.599 € zu Buche. Es ist mit FOX-Fahrwerk ausgestattet, bestehend aus 34er-Performance-Gabel, FLOAT DPS Performance-Dämpfer und Shimano-Bremsen.

Die Ausstattung unseres Canyon Neuron:ON CF 8 2023

Die Ausstattung des Canyon Neuron:ON CF8 ist solide Mittelklasse mit ein paar kleinen Schwächen. Das Fahrwerk aus dem Hause FOX besteht aus einer 34 Performance-Gabel mit GRIP-Dämpfungskartusche, die 140 mm Federweg liefert. Die dünnen 34-mm-Standrohre sind allerdings für leichte Trail- und Cross-Country-Bikes entwickelt und an diesem E-Bike unterdimensioniert. Am Heck arbeitet der dazu passende FLOAT DPS Performance-Dämpfer, der ebenfalls 140 mm Federweg bereitstellt. Die Canyon Iridium-Dropperpost stellt 150 mm Hub zur Verfügung, was aber selbst für Rahmengröße M zu kurz ist und eure Bewegungsfreiheit bei der Abfahrt einschränkt.

Die Schaltung stammt aus der Shimano XT-Gruppe, ebenso wie die Vierkolbenbremsen. Die sind kombiniert mit 200-mm-Bremsscheiben an Front und Heck – Bremspower ist also mehr als ausreichend. Auf den DT Swiss Hybrid LN 350-Laufrädern sind Reifen von Schwalbe aufgezogen: Sowohl vorne als auch hinten rollt der Nobby Nic mit Super Ground-Karkasse in ADDIX Speed Grip-Gummimischung. Die dünne Super Ground-Karkasse spart dabei etwas Gewicht, schränkt aber Trail- und auch Touren-Potenzial unnötig ein. Denn robustere Reifen – beispielsweise mit Super Trail-Karkasse – bringen mehr Traktion durch niedrigere Luftdrücke und machen zudem sorglose Touren ohne Ängste vor Platten möglich.

Die Geometrie des Canyon Neuron:ON CF 8 2023

Das Canyon Neuron:ON CF 8 wird in vier Größen von S bis XL angeboten und soll damit Fahrer zwischen 165 cm und 202 cm bedienen. Das Neuron:ON 6-Alu-Modell gibt es noch in einer zusätzlichen Größe XS, das für Fahrer und Fahrerinnen unter 160 cm geeignet sein soll. Die beiden kleinsten Größen sind mit 27,5”-Laufrädern ausgestattet. Generell ist die Geo der Alu-Variante zudem etwas kompakter: Reach und Stack sind über alle Größen hinweg niedriger, während der Lenkwinkel steiler und der Sitzwinkel flacher ist. Diese Werte sprechen eher für ein Bike, dessen Fokus auf Touren statt Trails liegt. Die Carbon-Varianten haben in Größe M einen Reach von 460 mm bei einer Sattelrohrlänge von 440 mm. Das ist ziemlich hoch, was die Bewegungsfreiheit zusätzlich zu der kurzen Dropper weiter einschränkt. Die Kettenstreben sind über alle Größen hinweg mit 450 mm recht lang.

Größe	S	M	L	XL
Oberrohr	576 mm	600 mm	625 mm	650 mm
Sattelrohr	420 mm	440 mm	460 mm	480 mm
Steuerrohr	120 mm	130 mm	140 mm	150 mm
Lenkwinkel	65.5°	65.5°	65.5°	65.5°
Sitzwinkel	76.5°	76.5°	76.5°	76.5°
BB Drop	35.5 mm	35.5 mm	35.5 mm	35.5 mm
Kettenstrebe	450 mm	450 mm	450 mm	450 mm
Radstand	1.203 mm	1.232 mm	1.256 mm	1.285 mm
Reach	435 mm	460 mm	485 mm	510 mm
Stack	631 mm	641 mm	650 mm	659 mm

Das Canyon Neuron:ON CF 8 2023 auf dem Trail

Das Canyon Neuron:ON bietet dem Fahrer eine aufrechte Fahrposition, fährt man in der Ebene, ist ein leichter Druck auf den Händen spürbar. Der Hinterbau ist weich genug, um Komfort auf langen Touren zu liefern, ohne beim Treten mitzuwippen – den Griff zur Climb-Switch des Dämpfers kann man sich somit sparen. Geht es bergauf, hat man guten Druck auf der Front und auch in steilen Passagen steigt das Vorderrad nicht ungewollt. Durch die eher langen Kettenstreben und das große 29”-Hinterrad fühlt sich das Bike jedoch in schmalen Passagen oder engen Spitzkehren bergauf etwas sperrig an.

Geht der Trail in Richtung Tal, ist das Neuron:ON einfach zu steuern und es ist keine lange Eingewöhnungszeit nötig. Auf leichten Trails ist es ein spaßiges Bike, das ein agiles Handling und ein Fahrwerk mit viel Gegenhalt bietet. So kann man auf Flowtrails gut über Roller oder durch Anlieger durchpumpen, um Schwung zu generieren. Auf leichten Singletrails macht das Neuron:ON ebenfalls eine gute Figur, wird es technischer, kommt es allerdings an sein Limit. Ein Grund dafür ist die Gabel, die im mittleren Federwegsbereich wenig Gegenhalt bietet und somit schnell durch den Federweg durch rauscht. Das zieht den Fahrer über die Front und bringt Unsicherheit, gerade in steilen Passagen. Der Hinterbau hat im Vergleich dazu deutlich mehr Reserven und lässt so ein etwas unausbalanciertes Fahrgefühl entstehen. Der Federweg am Heck wird gut verwaltet und bietet guten Gegenhalt bei solider Bremstraktion und ausreichender Endprogression. Der Hinterbau zeigt keine wirklichen Schwächen und hätte das Zeug, das Canyon zu einem potenten Trail-Bike zu machen. Doch leider wird das Bike neben der Gabel auch durch die Reifen ausgebremst. Für unsere Testrides haben wir den Vorderreifen zu einem Big Betty in Super Trail-Karkasse gewechselt, da die Bedingungen matschig waren. Der standardmäßig verbaute, feiner profilierte Noby Nic wäre hier sicher nochmal ein gutes Stück rutschiger gewesen. Jeder, der die maximale Reichweite aus seinem Akku herauskitzeln will und auf nur gut befestigten Wegen unterwegs ist, kann beim Nobby Nic bleiben. Allen, die primär sportlich unterwegs sein wollen, raten wir zum Reifen-Upgrade, da sich die Treteffizienz bei einem so kraftvollen E-Bike auf den Fahrer sowieso nicht auswirkt und ihr euch somit mehr Sicherheit bei unterschiedlichen Bedingungen ermöglicht.

Für wen ist das Canyon Neuron:ON CF 8 2023?

Das Canyon Neuron:ON CF 8 ist ein Bike für entspannte Tourer, die ein komfortables Bike suchen, das auch lange Ausfahrten mitmacht. Dabei lässt sich auch der ein oder andere Trail mitnehmen. Wer dann das Gefühl hat, mehr Trail-Performance zu benötigen, kann mit einem günstigen Reifen-Upgrade die Sicherheit auf dem Bike nochmal deutlich steigern.
Für alle, die ein Bike mit größeren Allround-Eigenschaften suchen, ist das Spectral:ON eine bessere Option. Es ist komfortabel genug für längere Touren, hat aber zusätzlich einen entnehmbaren Akku und mehr Trail-Potenzial. Dafür muss man natürlich Abstriche auf Flowtrails machen: Hier ist das Neuron:ON spürbar wendiger und bietet besseren Gegenhalt.

Das neue Canyon Neuron:ON verändert sich optisch nicht stark, ist aber im Detail deutlich verändert: Es steigt für 2023 auf Carbonrahmen um, hat ein Bosch-Motorsystem verbaut und bringt mehr Federweg mit. Der Hinterbau ist komfortabel, aber dennoch effizient in der Auffahrt und zeigt Allround-Qualitäten bergab. Auch auf leichten Trails macht das Neuron:ON eine gute Figur, wird jedoch für sportlichere Rides durch seine dünnen, fein profilierten Reifen und die schwache Gabel eingeschränkt.

Tuning Tipps: Reifen mit mehr Profil, weicherer Gummimischung und robusterer Karkasse

Alle weiteren Informationen findet ihr auf der Hersteller-Website

---

Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words: Simon Kohler Photos: Markus Greber, Roo Fowler