Das neue Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS soll nicht gebaut worden sein, um Rennen zu fahren, sondern um sie zu gewinnen. Ist das abfahrtsorientierte E-MTB nur was für Rennfahrer oder kommen Hobbypiloten damit auch auf ihre Kosten? Wir haben das E-Mountainbike mit kraftvollem Bosch Performance Line CX Race-Motor für euch getestet.

Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS | Bosch Performance Line CX/750 Wh | 160/150 mm (v/h)
22,9 kg in Größe L | 11.499 € | Hersteller-Website

Ihr habt von der deutschen E-Bike-Brand Advanced noch nie etwas gehört? Macht nix, wir klären euch auf. Im City- und Trekking-Bereich ist Advanced bereits gut etabliert. Für Aufsehen sorgte Advanced vor zwei Jahren mit dem RECO One, einem City-E-Bike mit einem im Spritzgussverfahren hergestellten Rahmen aus wiederverwendbarem Verbundwerkstoff. Aber das Team von Advanced wollte nicht nur beim ernsten Thema Nachhaltigkeit mitmischen, sondern war auch auf der Suche nach einer E-Mountainbike-Spielwiese, auf der man sich richtig austoben kann. Vor zwei Jahren dann klingelte der Bosch-Haustürvertreter beim Advanced-Headquarter in Frankfurt. Im Gepäck hatte er den damals noch unveröffentlichten Bosch Performance Line CX Race Limited-Motor, genau zum richtigen Zeitpunkt. Der Beschluss stand fest: Man wollte ein E-Mountainbike erschaffen, um an hochkarätigen E-Bike-Rennserien teilzunehmen und diese auch zu gewinnen. Herausgekommen ist dabei das Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS Team Edition. Herzstück bildet der neue Bosch-Motor, gepaart mit einem 750-Wh-Akku, 160 mm Federweg, in die der Vollcarbonrahmen abtauchen kann, und einem Preisschild von 11.499 € in der höchsten Ausstattungsstufe. Das 22,9 kg schwere E-MTB wird in einer fast identischen Ausstattung zur Serienvariante vom Advanced-Werksfahrerteam über die Rundkurse der World E-Bike Series gescheucht – dieser E-Mountain Bike Cross-Country World Cup ist allerdings nicht zu verwechseln mit der EDR-E, sprich E-Enduro. Nach den ersten zwei Rennevents platzierte sich Advanced in der Teamwertung auf Platz 4. Haben das die Frankfurter dem Ingenieursgeschick der Bike-Entwickler oder dem Talent der Fahrer zu verdanken und wie macht sich das E-MTB auf den Trails, wenn man ohne Stoppuhr im Nacken unterwegs ist? Wir wollten es wissen.

Das neue Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS 2023 im Detail

Auf den ersten Blick macht das OFFROAD Pro Race eine sehr sportliche Figur. Die Linienführung des Carbonrahmens folgt einer klaren Struktur und sorgt für einen cleanen Look. Der blaue Farbverlauf des Team-Edition-Lacks und die darauf abgestimmten Decals sorgen für einen starken Auftritt und Wiedererkennungswert, sowohl in einem bunt gemischten Starterfeld als auch auf den eigenen Hometrails. Durch den Einsatz der schnurlosen Bosch Mini Remote, des im Oberrohr verbauten System-Controllers als minimalistischer Displayersatz und einer SRAM AXS-Funk-Schaltung und -Sattelstütze bleibt das Cockpit superaufgeräumt. Das Kabel der Hinterradbremse wandert durch den Steuersatz in den Rahmen. Der Carbonrahmen selbst bietet keine Cable Ports.

Der schicke Lack des Advanced zieht die Blicke auf dem Trail auf sich.
Durch kabellose Schaltung und Dropper ist das Cockpit des OFFROAD Pro fast so clean wie Meister Proper.

Eine Öffnung für den 750-Wh-Akku ist auch nicht vorgesehen, er ist fest im Unterrohr verbaut. Beim Ladeport über der Motoraufnahme hätten wir uns eine Custom-Lösung statt dem Standard-Bosch-Gummicover gewünscht, das etwas fummelig ist. Das Gummi, welches man an dieser Stelle gespart hätte, sollte stattdessen an den Kettenstrebenschutz wandern, der etwas schmal ausfällt. Hier solltet ihr zum Schutz des Lacks und eurer Ohren mit etwas Slappertape nachhelfen.

Der Bosch-Lappen über der Ladebuchse ist etwas fummelig und wenig originell.
Der Kettenstrebenschutz ist recht kurz geraten. Wir raten euch, mit etwas Slappertape nachzuhelfen.

Die Ausstattung des Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS

Was die Fahrwerkskomponenten und die restliche Ausstattung betrifft, findet man am Advanced alles, was gut, teuer und rennerprobt ist. Das RockShox Ultimate-Luftfahrwerk aus ZEB-Federgabel und Super Deluxe-Dämpfer bietet vielfältige und einfache Einstellmöglichkeiten. Die MAGURA MT7-Vierkolbenbremsen sorgen auf 220/200 mm großen Bremsscheiben für ordentlich Bremspower.

Nettes Detail: der Advanced-Sticker auf der MAGURA MT7-Bremse.
Das RockShox Ultimate-Fahrwerk bietet ein einfaches Setup und top Performance.

Die SRAM X01 Eagle AXS-Schaltung und die Reverb AXS-Sattelstütze reagieren schnell und präzise auf Befehle von den Funkfernbedienungen am Lenker. Die 150 mm Hub der Sattelstütze in Größe L schränken die Bewegungsfreiheit jedoch stark ein. Ein weiterer Headscratcher ist die Reifenwahl. Am Vorderrad ist ein Continental Kryptotal FR in weicher Soft-Gummimischung und robuster Enduro-Karkasse aufgezogen. Hinten wurde jedoch auf die robuste Enduro-Karkasse verzichtet – zugunsten der langlebigen Endurance-Gummimischung, die es nur in Kombination mit der dünneren Trail-Karkasse gibt. Gerade am Hinterrad, an dem man den Pannenschutz einer robusten Karkasse gebrauchen kann, ist hier also nicht viel Schutz für die Felge geboten. Das wird die Fulcrum E-Metal-Laufräder aus Alu nur wenig erfreuen, zumindest am Hinterrad nicht.

Die SRAM X01 Eagle AXS-Schaltung arbeitet präzise und kabellos.
Der Hinterreifen mit dünner Trail-Karkasse bietet nicht genug Pannenschutz und bereitet euren Laufrädern ein gefährliches Leben.
Helm POC Tectal | Brille POC Aspire | Hippack Camelbak M.U.L.E. 5 | Shirt POC W’s Ultra Tee | Shorts POC W’s Essential MTB Short | Knieschoner POC Joint VPD | Schuhe Five Ten Freerider Pro | Socken The Wonderful Socks Monte Campione

Die Geometrie des Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS

Das Advanced wird in den Größen S, M und L auf den Markt gebracht. Das Sitzrohr fällt mit 480 mm überdurchschnittlich hoch aus, selbst für die lange Reach von 500 mm in Größe L. Beim Nachfolger sollte diese dringend gekürzt und dafür mit einer langhubigen Sattelstütze bestückt werden. Auch die Kettenstreben liegen mit 455 mm auf der langen Seite und wachsen über die Rahmengrößen hinweg nicht mit.

Größe S M L
Oberrohr 613 mm 640 mm 666 mm
Sattelrohr 400 mm 440 mm 480 mm
Steuerrohr 115 mm 120 mm 125 mm
Lenkwinkel 65° 65° 65°
Sitzwinkel 75,5° 75,5° 75,5°
Kettenstrebe 455 mm 455 mm 455 mm
Tretlagerabsenkung 20 mm 20 mm 20 mm
Radstand 1.239 mm 1.266 mm 1.293 mm
Reach 450 mm 475 mm 500 mm
Stack 630 mm 635 mm 640 mm

Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS

11.499 €

Ausstattung

Motor Bosch Performance Line CX 85 Nm
Akku Bosch PowerTube 750 Wh
Display Bosch System Controller
Federgabel RockShox ZEB Ultimate 160 mm
Dämpfer RockShox Super Deluxe Ultimate 150 mm
Sattelstütze RockShox Reverb AXS 150 mm
Bremsen MAGURA MT7 220/200 mm
Schaltung SRAM X01 Eagle AXS 1x12
Vorbau Advanced Offroad 45 mm
Lenker Advanced LowRiser Carbon 780 mm
Laufradsatz Fulcrum E-Metal 388 29"
Reifen Continental Kryptotal FR, Enduro, Soft/Kryptotal Re, Trail, Endurance 2,4"/2,4"

Technische Daten

Größe S M L
Gewicht 22,9 kg

Tuning-Tipp:
– stärkere Karkasse am Hinterrad wählen für besseren Pannenschutz und mehr Grip
– Dropper Post mit mehr Hub
– Spacer unter den Vorbau, um die Front weiter nach oben zu bringen

Das Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS auf dem Trail

Steigt man auf das Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS, fällt direkt das hohe Sattelrohr auf. Besonders in Kombination mit dem hohen Oberrohr können Kurzbeiner hier Probleme bekommen, einfach nur über dem Rahmen des Bikes zu stehen. Tritt man dann los, sitzt man gestreckt und weit hinter dem Tretlager. Man hat eine sportliche, weit nach vorne gelehnte Sitzposition, die an die eines Cross-Country-Bikes erinnert. Man hat in der Sitzposition ordentlich Druck auf den Pedalen, in flachen Passagen aber auch auf den Händen, weshalb das Advanced für lange Touren nur bedingt geeignet ist. Geht es dann bergauf, hat man durch die hecklastige Sitzposition viel Grip am Hinterrad, allerdings muss man bereits bei mäßigen Steigungen spürbar Gewicht nach vorne verlagern, damit das Vorderrad am Boden bleibt und man noch lenken kann. Bei steilen Climbs muss man dann extrem auf die Front arbeiten, um nicht versehentlich im Wheelie zu fahren.

Geht es aber bergab und man steht im Bike, fühlt sich das OFFROAD Pro Race dann im Gegensatz zu der Sitzposition überraschend kompakt an. Das Handling ist leichtfüßig für ein Full-Power-E-Bike, allerdings auch etwas fordernd. Lenkimpulse werden direkt umgesetzt, kleine Fahrfehler werden dafür aber auch schnell bestraft. Das Advanced verlangt dem Fahrer also einen cleanen Fahrstil ab und braucht Eingewöhnungszeit.

Die Front ist ziemlich niedrig und man hat auch in der Abfahrt eine Cross-Country-ähnliche Körperposition mit viel Gewicht auf der Front. In flachen Sektionen führt das außerdem zu einer aggressiven Fahrposition, die wiederum den Druck auf der Front erhöht. Das bringt zwar guten Grip am Vorderrad in offenen Kurven, wird der Trail allerdings steiler, muss man sein Gewicht weit nach hinten verlagern, um Überschlagsgefühle zu vermeiden. Dadurch hat man allerdings spürbar weniger Kontrolle an der Front und das Bike gibt nur wenig Sicherheit. Hier ist ein versierter Fahrer nötig, der auch in steilen Passagen keine Probleme damit hat, viel Druck auf dem Lenker zu haben. Wir würden euch raten,einen oder zwei Spacer unter den Vorbau zu packen, um die Front weiter nach oben zu bringen. Auf flowigen Trails punktet das Bike dafür mit ausreichend Reserven und gutem Gegenhalt, wodurch ihr auf Flowtrails gut Schwung generieren und auch den ein oder anderen Sprung mitnehmen könnt.

Fazit zum Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS

Das Advanced OFFROAD Pro Race MTB FS sticht durch seinen schicken Lack direkt ins Auge. Es bietet ein leichtfüßiges Fahrverhalten, durch die tiefe Front und das fordernde Handling ist es allerdings ein Bike, das einen erfahrenen Piloten braucht, der das Advanced bändigen kann und auch in technischen Passagen immer unter Kontrolle hat. Wegen der vorgebeugten, sportlichen Sitzposition ist es zudem auf langen Touren eher unkomfortabel. So hat das Advanced insgesamt ein limitiertes Allround-Potenzial.

Tops

  • schicker Lack
  • leichtfüßiges Fahrgefühl
  • Fahrwerk bietet guten Gegenhalt und ausreichend Reserven

Flops

  • kurze Sattelstütze und langes Sitzrohr schränken Bewegungsfreiheit ein
  • dünne Karkasse am Hinterrad
  • Sitzposition nicht tourentauglich
  • vermittelt wenig Selbstvertrauen

Mehr Infos findet ihr auf der Website von Advanced.


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Words: Rudolf Fischer, Simon Kohler Photos: Simon Kohler