Velotraum: Jedem, der sich in den letzten zwei Jahrzehnten mal etwas intensiver mit Tourenrädern auseinandergesetzt hat, dürfte diese Marke wohl ein Begriff sein. Seit diesem Jahr neu im Programm ist das Velotraum E-Finder mit kräftigem Shimano E8000-Mittelmotor. Wir haben das schicke Bike ausführlich getestet und sagen euch, was es kann.
Seit über 20 Jahren fertigt Velotraum aus Weil der Stadt nun Touren- und Vielzweckräder für Enthusiasten und Liebhaber schicker, verlässlicher Individualbikes. Doch man schaut auch in die Zukunft und entwickelt sich konstant weiter. Elektrische Antriebe in Form von Nabenmotoren fanden ihren Weg in die Ausstattungslisten, Fatbikes und Plusbereifung wurden implementiert und seit diesem Jahr gibt es mit dem E-Finder nun auch ein Modell mit modernem Mittelmotor im Sortiment. Grund genug für uns, für einige hundert Kilometer darauf Platz zu nehmen.
Das Velotraum E-Finder (Custom) im Detail
Motor Shimano Steps E8000
Akku Shimano Steps 500 Wh
Bremsen Shimano XT
Schaltung Shimano XT Di2
Gewicht 21,25 kg
Preis 5.592 €
Das Konzept des Velotraum E-Finder
Velotraum’s Idee vom Plattform-Rahmen – ein Rahmen für alles – wurde soweit wie möglich auch auf das E-Finder übertragen. So gibt es die Vorbereitung für Nabenschaltungen (inkl. Rohloff), Riemenantrieb, umfassende Anschlagpunkte für Schutzbleche, Flaschenhalter, Gepäckträger und Lichtanlage sowie eine Reifenfreiheit für bis zu 2,8″ dicke 27,5″-Reifen bzw. 2,6″ mit Schutzblechen und 2,4″ falls vorn ein Lowrider-Gepäckträger montiert wird. Sämtliche dieser genannten Reifengrößen lassen sich übrigens problemlos auf den 40 mm breiten Felgen montieren.
Aufgrund des universellen Rahmenkonzepts hat man als Kunde dann natürlich die Qual der Wahl – oder besser die Möglichkeit, sich das Bike wirklich genauso aufbauen zu lassen wie man es wünscht. Vom eleganten stadtorientierten Pendlerrad mit dicken Semislicks und kompletter Gepäckträger-, Schutz- und Nachtausstattung bis hin zum sportlichen Allwege-Traktor mit dicken Stollenreifen, gefederter Sattelstütze und ab 2018 auch mit Federgabel – der Kunde ist hier definitiv König. Weiterer Pluspunkt: Es werden keinerlei proprietären, speziellen oder fest integrierten Teile verbaut. Sämtliche Parts sind überall zu erwerbende, hochwertige Standardteile und somit jederzeit beliebig tausch-/ersetzbar. Gerade beim Gepäckträger ein nicht zu unterschätzender Faktor – integrierte oder OEM-Lösungen bieten sehr oft nicht die gewünschte Belastbarkeit oder sorgen für Probleme in der Taschenkompatibilität. Und für die Optik bietet Velotraum gegen Aufpreis auch in Rahmenfarbe lackierte Tubus-Träger an.
Die Ausstattung unseres Custom E-Finder
Im Konfigurator wählt man zwischen 2 Basisversionen: FD 2E mit Kettenschaltung (ab 4.790 €) oder FD 3E mit Rohloff-Nabenschaltung (ab 5.790 €). Die Details können im Anschluss dann individualisiert werden. Wer hier überfordert ist, wendet sich einfach direkt an Velotraum oder einen der mehr als 40 Händler und lässt sich beraten. Unser Bike kommt als FD 2E-Version mit Di2-Schaltung und XT-Bremsen-Upgrade sowie einer Vielzahl an zusätzlichen Teilen wie der Schmidt-Lichtanlage, Tubus-Gepäckträger, Schutzblechen uvm.. Der Gesamtpreis liegt somit bei knapp 5.600 €. Das ist sicherlich kein Schnäppchen, jedoch ist die Qualität nicht nur des Rahmens sondern sämtlicher Teile auf Top-Niveau und man hat im – Preis eingeschlossen – die freie Wahl was den RAL-Farbton von Rahmen und Gabel sowie die Art und Platzierung des Logos angeht.
An verfügbaren Optionen haben wir an unserem E-Finder lediglich eine gefederte Sattelstütze vermisst. Die angebotene Cane Creek Thudbuster funktioniert nämlich hervorragend und bietet einen deutlichen Komfortgewinn. Dazu gleich mehr. Wir würden uns außerdem eine Erweiterung der Optionen für besseres Offroad-Handling (kürzere Vorbauten, GP1-Griffe ohne Hörnchen) im Konfigurator wünschen. Eine fehlende Federgabel-Option war unser Hauptkritikpunkt, diese wird jedoch laut Velotraum für 2018 ins Programm aufgenommen. Das ist gut so, denn das Potential des Rahmens für gröberes Gelände wird durch die Starrgabel deutlich limitiert. Dafür bietet sie neben Schutzblech- und Gepäckträgermontagemöglichkeit auch die Option, moderne Dreiloch-Flaschen-/Gepäckhalter (z.B. Salsa Anything Cage HD oder King Cage Many Thing Cage), zu montieren – normale Flaschenhalter passen dort natürlich ebenfalls. Zusammen mit den Aufnahmen im Rahmendreieck hat man somit die Möglichkeit, drei große Trinkflaschen zu befördern. Theoretisch sind es sogar vier, doch die Aufnahme unter dem Unterrohr lässt sich für normale Flaschen nur ohne Schutzbleche bzw. Reifen <2,6″ nutzen. Platz für ein Toolkit samt Pumpe oder ein kleine Tasche ist jedoch allemal und mit einer Adapterschiene (z.B. Wolftooth B-RAD System) wäre ein Flaschenhalter schon auch möglich.
Der Shimano Motor im Velotraum E-Finder
Der eher im richtigen Mountainbike-Segment zu findende Shimano Steps E8000-Motor ist im Vergleich zum im Trekking-Bereich öfter verbauten und günstigeren E6000 deutlich leistungsstärker und dennoch leiser. Flüsterleise im Eco-Modus dahincruisen oder sich vom kraftvollen Boost-Modus die steile Rampe hinauftragen lassen bis der 500-Wh-Akku leergesaugt ist – der Motor weiß stets mit guter Dosierbarkeit und intuitiver Unterstützung zu überzeugen. Einziges Manko und Tribut an die Mountainbike-Herkunft – einen physischen Lichtschalter gibt es nicht und zum Aktivieren des edlen SON Edelux II-Scheinwerfers muss man sich umständlich durch das Menü klicken, dass sich zusätzlich nur im Stand aufrufen lässt.
Oder … man nutzt Shimanos E-Tube Project App. Mithilfe dieser lässt sich nicht nur das Licht ein-/ausschalten, es lassen sich ebenso einfach Firmware-Updates an Motor, Schaltung (vorausgesetzt es ist eine Di2 verbaut), Hebeln und Display vornehmen, Daten auslesen sowie diverse Einstellungen tätigen. Seit neuestem kann man außerdem die Stärke der einzelnen Unterstützungsstufen anpassen. Dieses Feature negiert dann auch den zweiten Kritikpunkt am Motor. Die bisherige Unterstützungsregulierung (Dynamic Mode) ist eher für richtige MTBs gedacht und macht am Velotraum nicht so viel Sinn, da der dynamische Trailmodus auf Eco-Niveau beginnt und man schon sehr kräftig in die Pedale treten muss damit man mehr Unterstützung bekommt. Das ist wirklich nur gut auf sehr steilen, technischen Anstiegen nutzbar. Im gemäßigten Terrain verfügt man dann eher über zwei Eco-Modi und der Boost-Modus gleicht dann einem plötzlich einsetzenden Raketenantrieb … Dank der App lässt sich aber nun ein zweites Preset namens “Explorer” nutzen, welches sehr gut zum E-Finder passt. Hier unterstützt der Trailmodus von Grund auf etwas mehr, der Boostmodus dafür insgesamt etwas weniger. Wer möchte, kann über die dritte “Customize”-Option aber auch Trail- und Boost-Modus in je 3 Stufen individuell anpassen.
Das Velotraum E-Finder auf dem Trail
Die Sitzposition auf dem Velotraum ist sehr komfortabel, sämtliche Kontaktpunkte absolut hochwertig und definitiv langstreckengeeignet. Aber auch in urbanem Umfeld macht das 21,25-kg-Bike – nicht nur optisch – ein gute Figur und ist in jeder Situation neutral und einfach zu beherrschen. Dank der stabilen, ausgewogenen Geometrie und breiten Auflagefläche der Reifen weist das E-Finder außerdem ein ausgesprochen sicheres Fahrverhalten abseits der Zivilisation auf. Im technischen Gelände klettert das E-Finder erstaunlich gut, der Motor kann seine MTB-Wurzel ausspielen und das Bike lässt sich sehr gut dosierbar auch steilste, verwinkelte Abschnitte hinaufzirkeln. Bergab weicht man dann vor allem aufgrund der (momentan noch) fehlenden Federgabel lieber auf die Schotterpiste aus …
Das E-Finder ist für ein maximales Systemgewicht von 140 kg freigegeben, wobei diese Limitierung laut Velotraum nur aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit an robusteren Felgen existiert – der Rahmen selbst könnte auch noch mehr tragen. Und das merkt man: Die riesigen Alurohre lassen das E-Finder zum supersteifen Lastenesel mutieren, der definitiv keine Scheu vor maximaler Zuladung zeigt. Im Umkehrschluss bedeutet diese Steifigkeit jedoch leider auch einen gewissen Komfortverlust. Kleinere Unebenheiten wie grober Schotter werden zwar hervorragend von den 2,6″ dicken Reifen absorbiert – das E-Finder liebt Schotterpisten! –, abrupte Kanten oder gröbere Schläge finden ihren Weg jedoch fast ungefiltert und direkt in die Handgelenke und Wirbelsäule. Falls sich die Nutzungsabsicht in derartigem Gelände bewegen sollte, empfehlen auf jeden Fall in die gefederte Cane Creek-Sattelstütze zu investieren. Alternativ verzichtet man auf die Schutzbleche und wählt die 2.8″ breiten Rocket Ron-Faltreifen aus der Evolution Line, welche neben deutlich mehr Komfort außerdem Tubeless-geeignet sind und etwas mehr Pannenschutz bieten.
Fazit
Zugegeben, das Velotraum E-Finder ist kein Schnäppchen. Das Geld ist jedoch ausgesprochen gut investiert. Vielseitig, individuell – mit dem E-Finder bekommt man ein extrem hochwertiges, robustes, unkompliziertes und modernes (Offroad-)Touringrad, das aber auch in der Stadt, als Pendlerrad oder Lastesel eine gute Figur macht. Über den Konfigurator lässt es sich entsprechend aufbauen und mit der optionalen Federgabel ab 2018 sollte es auch für den härteren Geländeeinsatz vorbereitet sein. Frei nach einem großen Brause-Hersteller: Spaß ist, was du draus machst!
Stärken
– Komfortabel, sicher, einfaches Handling
– Sehr hochwertig, robust und durchdacht konstruiert
– vielseitig nutz-/konfigurierbar
– 3 Flaschenhalter möglich
Schwächen
– noch keine Option für Federgabel (kommt 2018)
– 2,6″-Reifen nur als günstige Drahtversion
– mehr Optionen für Cockpit und Bereifung im Konfigurator wünschenswert
Mehr Infos unter: velotraum.de
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Words: Photos: Valentin Rühl