Wer sagt, dass E-Bikes schwer und behäbig sein müssen? Ghost liefert mit dem Teru 10 LC ein beeindruckendes Leichtgewicht, dass die Berge schon im Stand hinauf zu fliegen scheint. Wir haben das Topmodell der Hardtail-Reihe ausgiebigst durch die Wälder gescheucht. Kommt es wirklich nur aufs Gewicht an?

Wir testeten das Ghost Teru 10 LC auf Herz und Nieren.
Wir testeten das Ghost Teru 10 LC auf Herz und Nieren.

Auf wendige 27,5”-Räder gestellt, begeistert der steife Carbonrahmen sofort mit seinen scharfen Linien und der sehr gut gelungenen internen Zugverlegung. Eine FOX 32 FLOAT bügelt mit ihren 100 mm Federweg Wurzeln zuverlässig glatt und lässt sich für schnelle Zwischensprints und Straßenpassagen vom Lenker aus blockieren. Die stabilen Mavic Crossmax XL-Räder geben Sicherheit auf den ruppigen Abschnitten und die Shimano XTR Trail-Bremsen bringen einen mit ihren 180-mm-Scheiben jederzeit zuverlässig zum Stehen. Komplettiert wird das 16,85 kg leichte Gesamtpaket mit Ritchey WCS-Carbonkomponenten und einer selbst unter Motor-Vollast bergauf tadellos funktionierenden Shimano XTR-Schaltung, deren 11–40er Kassette für alle Gelegenheiten als ausreichend empfunden wurde.

Auf dem Trail macht das Teru eine gute Figur.
Auf dem Trail macht das Teru eine gute Figur.

Das Ghost Teru 10 LC ist dank dem geringen Gewicht und den 27,5”-Laufrädern schön agil und wendig. Die Geometrie ist gut gelungen: Der steile 74°-Sitzwinkel lässt einen auch im Sitzen die steilsten Stücke erklimmen und der angemessene Lenkwinkel von 69° gibt ausreichend Fahrstabilität auf schnellen Passagen, beeinflusst die gute Wendigkeit – trotz sehr langer Kettenstreben (473 mm) – aber nicht negativ. Der dank des Mittelmotors zentrale und tiefe Schwerpunkt kommt dem Handling natürlich auch zugute. Die Gewichtsverteilung ist gut ausbalanciert und folgt willig den Kommandos des Fahrers. Aufgrund des tiefen Tretlagers sollte man auf engen Trails etwas auf seine Pedalposition achten, um ungewollte Stein-/Wurzelkontakte zu vermeiden.

Der edle und wunderschöne Carbonrahmen mach das Ghost zu einer Augenweide.
Der edle und wunderschöne Carbonrahmen macht das Ghost zu einer Augenweide.

Natürlich: Sobald die Motorunterstützung aufhört und man sich auf leichten Anstiegen bzw. Geraden befindet, auf denen man locker über 25 km/h fährt, passt das nun spürbare Extragewicht nicht mehr so ganz zum Charakter des flinken Teru. Dennoch lässt sich das Bike auch ohne Motor noch recht angenehm und ohne große Schweißausbrüche bergauf und -ab bewegen. Man könnte sich das Teru auch sehr gut in einer 45 km/h-Variante für den Waldweg-Morgen-Commute ins Büro vorstellen. Dann aber mit einer dickeren Gabel, denn die dünne 32er FOX flext aufgrund des schiebenden Extragewichts bereits schon sichtbar – die Performance der Gabel bleibt davon jedoch unbeeindruckt. Mit einer schnelleren Version würde sich dann allerdings auch die Verwendung in seinem angestammten Einsatzgebiet – Waldwege und leichte Trails – verbieten, da rechtlich nicht zulässig.

Spätestens im "Tubro"-Modus verschwimmt die Umgebung endgültig.
Spätestens im “Turbo”-Modus verschwimmt die Umgebung endgültig.

Der Motor verfügt über 4 Modi und im normalen Waldgebrauch reichen die ersten beiden (Eco, Tour) locker aus. Der dritte Modus (Sport) ist sehr gut für richtig steile Anstiege geeignet und wer da noch etwas (Bein-)Kraft sparen will, kann auch immer noch eine Stufe obendrauf setzen (Turbo). Allgemein schiebt der Motor ab dem Sport-Modus schon ziemlich an, worauf man sich auf Trails mit kurzzeitigem Pedalieren erst einstellen muss, da es sonst etwas ruckelig und unkontrolliert werden kann. Hat man das aber einmal raus, fliegt man geradezu über flache Trails. Sehr gut gefällt der Motor auf langen, gleichmäßigen Steigungen. Hier kann man oft problemlos an der 25 km/h-Grenze bleiben und passt je nach Stärke der Steigung einfach den Grad der Motorunterstützung an.

Hochwertigste Komponenten drücken das Gesamtgewicht auf rekordverdächtige 16,85 kg.
Hochwertigste Komponenten drücken das Gesamtgewicht auf rekordverdächtige 16,85 kg.

Eine Schaltunterbrechung bietet der Bosch-Motor leider nicht und so kann es bei Notschaltungen unter Motorlast ganz schön krachen. Die XTR zeigte sich davon aber gänzlich unbeeindruckt und verrichtete tadellos ihren Dienst. Leider benutzt der Bosch-Motor ein äußerst kleines Kettenblatt und auch die Kettenlinie verläuft recht eng am Motor. Somit klappert die Kette schon bei leichten Bodenunebenheiten an der Kettenstrebe bzw. am Motorkasten. Da kann die Dämpfung vom Schaltwerk leider auch nichts mehr ausrichten und der hochwertige Gesamteindruck leidet etwas darunter.

Selbst Bergauf ist das Grinsen nicht aus dem Gesicht zu bekommen.
Selbst Bergauf ist das Grinsen nicht aus dem Gesicht zu bekommen.

Bei der Ausstattung des Teru wurde hauptsächlich auf das Gewicht geachtet. Mit 16,85 kg fällt das auch sehr gering aus, doch im Alltag wünschen sich die meisten Fahrer vor allem haltbare Komponenten, Komfort und ein souveränes Handling. So vermissen wir Komponenten wie eine versenkbare Teleskop-Sattelstütze oder ein kompakteres Cockpit, das für ein deutliches Plus an Sicherheit und besseres Handling im Gelände sorgt. Auch wenn der verbaute 710-mm-Lenker und 80-mm-Vorbau für längere Strecken ergonomisch auf jeden Fall einwandfrei waren (1,78 m bei Rahmengröße 48/M) hätten sie im Zuge dessen auch etwas breiter bzw. kürzer sein dürfen. Die Reifenwahl ist für den angedachten Einsatzbereich auch ausreichend – bei häufigen Schlammfahrten bzw. traillastigerem Einsatz kann ein Wechsel auf etwas gröbere Pneus aber durchaus nicht schaden. Sättel sind natürlich Geschmackssache, mir gefiel der verbaute Selle Italia SLR-Carbonsattel recht gut und war auch auf längeren Touren ohne Radhose angenehm. Negativpunkte gibt’s auf jeden Fall für die auf Dauer recht schmerzhaften Griffe – hier hätte es bei dem Gesamtpreis auch etwas hochwertigeres bzw. komfortableres (z. B. aus dem Hause Ergon, oder um den Leichtbaugedanken weiter zu treiben: ESI Silikongriffe) sein dürfen.

Bergab zeigt die gewichtsminimierte Ausstattung leichte Schwächen.
Bergab zeigt die gewichtsminimierte Ausstattung leichte Schwächen.

Das Teru 10 LC steckt etwas zwischen maximalem Leichtbau und stabilerer Allroundtauglichkeit fest. Einerseits sollte es so leicht wie möglich werden, andererseits will es aber dennoch Trailspaß vermitteln. So werden XTR Trail– statt Race-Bremsen, stabile Laufräder und ein – dafür dann zu langer – Alu-Vorbau verbaut, andererseits aber Leichtbausattel, nur moderat breiter Lenker und Carbon- statt einer Remotesattelstütze. Und die Reifen hängen irgendwo dazwischen. Eine konsequentere Ausstattung für ein rundum stimmiges Gesamtkonzept wäre wünschenswert, denn der Rahmen zeigt genügend Potential in jede der beide Richtungen. In der angebotenen Zusammenstellung eignet es sich allerdings tadellos für die alltägliche, sportliche Hin- und Rückfahrt auf hügeligen Waldwegen mit leichter Traileinlage ohne super verschwitzt auf Arbeit anzukommen oder vor der Rückfahrt noch laden zu müssen, sowie die 70-km-Fitnessrunde am Wochenende oder die schnelle Feierabendrunde auf den nächsten Aussichtspunkt.

Der kräftige Bosch-Motor unterstützt den Fahrer mit bis zu 250 Watt.
Der kräftige Bosch-Motor unterstützt den Fahrer mit bis zu 250 Watt.

Fazit

Ist es seinen hohen Preis wert? Denn der – wenn auch nicht so ganz konsequente – Leichtbau schlägt sich hier auf jeden Fall deutlich wieder: Im Vergleich zum immer noch sehr gut ausgestatteten Teru 9 LC müssen hier für ein knappes gespartes Kilogramm 1.700 € extra hingeblättert werden. Allerdings bekommt man dafür dann aber auch das Beste vom Besten. Wir sagen: Für den, der am Wochenende normalerweise mit seiner 7-kg-Rennfeile durch den Wald pfeift, findet sich hier das motorisierte und etwas komfortablere Pendant für die weniger schweißtreibende, tägliche Pendelei. Der, dem Gewicht und Highend-Funktionalität nicht so wichtig sind, greift zum kleineren Bruder Teru 9 LC.

Mehr Informationen auf www.ghost-bikes.com

Text: Andreas Maschke | Bilder: Klaus Kneist


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