Der Automobilriese ZF stellt sein erstes in Eigenregie entwickeltes Motorsystem vor. Das ZF Bike Eco System kommt nicht nur mit spannenden Eckdaten, sondern auch mit unerwarteten Features. Was das Motorsystem mit einer Cola-Dose zu tun hat und wie es sich im ersten Praxistest schlägt, haben wir für euch exklusiv herausgefunden.
ZF ist den meisten wohl eher als einer der größten Teilezulieferer der Automobilindustrie bekannt. Doch die wenigsten wissen, dass die Schwaben auch eine E-Bike-Sparte namens ZF Micro Mobility unterhalten. Bereits auf der Eurobike 2018 hat ZF als Joint Venture aus MAGURA, BFO und BMZ einen ersten E-Bike Motor vorgestellt: den Sachs RS. Der hat damals schon mit seinen krassen Eckdaten von 110 Nm Drehmoment und 700 Watt Maximalleistung für ordentlich Aufsehen gesorgt, ist aber nur bei wenigen Herstellern wie etwa NOX zu finden. Nun 6 Jahre später holt ZF erneut zum Schlag aus – diesmal alleine – und stellt das neue ZF Bike Eco System vor, das nicht nur Motor, sondern auch Akkus, Remotes, Displays und Connectivity-Features enthält. Der neue ZF E-Bike Motor will mit einer Kombination aus hohem Drehmoment, geringem Gewicht und kleinem Bauraum überzeugen. Wir waren zu Gast bei R RAYMON in Schweinfurt und hatten exklusiv die Möglichkeit, uns mit den Entwicklern und Produktmanagern des neuen ZF Bike Eco Systems und den E-Bike-Pionieren Susanne und Felix Puello zu treffen. Wir haben alle Infos und den ersten Test zum neuen ZF Bike Eco System für euch.
Das neue ZF Bike Eco System 2025 im Detail – Was ist das Besondere am neuen ZF CentriX E-Bike Motor?
Das Herzstück des neuen ZF Bike Eco Systems ist der Motor, der auf den Namen ZF CentriX hört. Er setzt wie sein aus dem Joint Venture entstandener Vorgänger Sachs RS oder der 2023 vorgestellte Brose Drive³ Peak-Motor auf 48 Volt Spannung. Das soll in der Theorie das Potenzial bieten, die Stromstärke durch die höhere Spannung zu senken. Die Folge ist eine geringere Hitzeentwicklung, vor allem bei den Leitungen in Akku-Nähe.
Seine zylindrische Bauform erinnert an eine Cola-Dose, nur etwas größer und schwerer. 2,5 kg bei 90 Nm Drehmoment und 600 Watt Maximalleistung klingen auf den ersten Blick vielversprechend. Zum Vergleich: Der Platzhirsch Bosch Performance Line CX und der Shimano EP801 setzt 85 Nm Drehmoment frei und ebenfalls 600 Watt Maximalleistung. Doch Vorsicht: Wir spielen hier ja kein E-Bike-Motoren-Quartett – isolierte Eckdaten sagen nichts über die reale Performance auf dem Trail aus –, aber dazu später mehr. Den ZF E-Bike Motor gibt es auch in einer abgespeckten Version mit 75 Nm Drehmoment und 450 Watt maximaler Leistung und soll so z. B. für urbane Bikes oder Gravel-Bikes geeignet sein.
Um die zylindrische Bauform zu realisieren, setzten die Entwickler auf einen Aufbau auf einer Achse. Dafür verbauen sie ein sogenanntes Wellgetriebe, das durch seine einstufige Bauweise sehr platzsparend ist und nur aus wenigen Komponenten besteht. Durch einen verformbaren Zahnkranz wird die Kraft nahezu spielfrei übertragen, was für eine hohe Präzision auf der Kurbelwelle sorgt. Die große Besonderheit des ZF E-Bike Motors: Die Entwickler haben einen Drehmomentbegrenzer – eine Art spezielle Kupplung – entwickelt, um Lastspitzen abzufangen, den Motor so vor Überlastung zu schützen und für eine längere Lebensdauer zu sorgen. Zu Lastspitzen kann es z. B. kommen wenn unter hoher Last am Berg geschaltet wird oder das Hinterrad für einen kurzen Moment blockiert, etwa wenn es gegen eine Stufe oder ein Hindernis wie einen großen Stein rollt.
Ein Motor ohne Anschraubpunkte? Ja – auch bei der Motorintegration gehen die Entwickler neue Wege und verpassen dem ZF E-Bike Motor keine Anschraubpunkte, wie man es von den meisten anderen Motorsystemen kennt, sondern klemmen den Motor mithilfe einer Halterung mit 4 Schrauben nach oben an den Rahmen – ähnlich wie ein Lenker vom Vorbau geklemmt wird. Dank einer Aussparung am Motor und eines Gegenstücks am Rahmen wird der Motor durch einen Formschluss gegen Verdrehen gesichert. So soll der Ausbau für den Händler im Servicefall sehr schnell von der Hand gehen.
Gespeist wird der ZF E-Bike Motor von Akkus in zwei verschiedenen Ausführungen: 504 oder 756 Wh. Der kleine Akku wiegt 3,2 kg und die größte Version 4,2 kg (Herstellerangabe). Die Akkus können über ein eigens entwickeltes Schienensystem ins Unterrohr eingeklickt werden und sollen dadurch immer fest im Rahmen sitzen. Systemausfälle und Klappern durch Spiel bei der Montage aufgrund nicht sauber sitzender Akkus – wie man es bei anderen Herstellern immer wieder sieht – sollen so der Vergangenheit angehören. Darüber hinaus ist der Akku per Schlüssel gegen Langfinger geschützt. Zudem lässt ZF den Bike-Marken die Möglichkeit, auf Komponenten wie Akku, Displays oder Remotes von Drittanbietern zurückzugreifen.
Die Displays und Remotes des ZF Bike Eco Systems 2025
ZF liefert auch die restliche Hardware zum Bike Eco System wie Display, Remote und Controller. Der ZF Core Controller im Oberrohr ist unabdingbar und gleichsam das Gehirn des gesamten Systems. Über ihn wird das System an- und ausgeschaltet. Wenn man ohne Remote unterwegs ist, werden darüber auch die Fahrmodi gewechselt. Leider gibt die LED-Anzeige nur spärliche Infos wie den aktuellen Akku-Stand oder die gewählte Unterstützungsstufe preis – ähnlich wie beim Bosch Controller. Da hat z. B. Specialized mit dem MasterMind-Display die Nase vorn. Über einen magnetischen Stecker kann auch das Smartphone auf längeren Touren aufgeladen werden.
Eigentlich reicht der Core Controller zum Fahren des E-Bikes aus, für mehr Informationsgehalt oder eine einfachere Bedienung hat ZF noch ein Display und eine Remote im Programm. Das 2,8 Zoll große Color Display zeigt u. a. Akku-Stand, Geschwindigkeit und Unterstützungsstufe an und wird über eine Halterung am Lenker befestigt. Mit der Touch-Funktion auf dem Display kann man wie am Smartphone durch die verschiedenen Fenster des Displays swipen und durch Klicken auch die einzelnen Info-Kacheln anpassen.
Die Remote sitzt am Lenker und hat insgesamt vier Tasten, die entweder zur Fahrmodi-Verstellung, zur Aktivierung der Schiebehilfe oder zur Menü-Navigation verwendet werden. Die gummierte Oberfläche überzeugt mit guter Haptik.
Die Connectivity-Features des ZF Bike Eco Systems 2025
Die Welt vernetzt sich von Tag zu Tag immer weiter, und auch aus der E-Bike-Welt ist Connectivity nicht mehr wegzudenken. Die Schnittstelle zur Connectivity-Welt des ZF Motorsystems ist der Core Controller im Oberrohr. Das Smartphone kann über die App per Bluetooth mit dem Bike verbunden werden. Mit der App lassen sich dann bei den vier Unterstützungsmodi Eco, Active, Sport und Boost jeweils Ansprechverhalten und Nachlauf anpassen. Der Sport-Modus ist dynamisch und passt seine Unterstützungsleistung selbst an die jeweilige Fahrsituation an und hat im Gegensatz zu den anderen Modi einen längeren Motor-Nachlauf.
Neben der Fahrmodi-Anpassung soll es eine Navigationsfunktion geben, die dann in Form von Pfeilen und einfachen Angaben auf dem ZF Color Display erscheint – für die Navigation muss das Smartphone dennoch immer dabei sein. Außerdem plant ZF in Zukunft Over-the-Air-Updates und will das Bike Eco System so mit Features erweitern.
Verfügbarkeit des neuen ZF Bike Eco Systems 2025
Zum Einsatz kommt das neue ZF Bike Eco System zunächst nur im neuen R RAYMON Tarok E-Mountainbike, das 2025 auf den Markt kommen soll. Die Motorintegration fällt durch die zylindrische Bauform schick aus. Gespeist wird der ZF E-Bike Motor vom großen 756-Wh-Akku, der im Unterrohr seinen Platz findet. Er kann zum Laden aus dem Unterrohr entnommen werden, indem man ihn durch die große Öffnung nach unten herausklappt. In Sachen Motor-Hardware setzt R RAYMON auf das volle Programm und verbaut neben dem ZF Core Controller im Oberrohr auch das ZF Color Display vor sowie die ZF Pure Remote am Lenker. Das Tarok wird es in 4 verschiedenen Varianten geben und preislich zwischen 6.299 und 10.499 € liegen. Außerdem soll es noch eine leichte Version mit 20,5 kg (Herstellerangabe) und kleinerem Akku geben.
Das neue ZF Bike Eco System 2025 im ersten Test – Was kann der neue ZF E-Bike Motor?
Wir hatten die exklusive Möglichkeit, das neue ZF Bike Eco System bereits unter Realbedingungen zu testen, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Dabei muss man beachten, dass viele verschiedene Aspekte die Performance eines E-Mountainbikes bestimmen und daher der Motor nie isoliert vom Bike betrachtet werden darf. Jeder Motor ist nur so gut wie das Bike, in dem er steckt. In unserem Fall: ein Prototyp des neuen R RAYMON Tarok.
Im Antritt überzeugt der ZF E-Bike Motor mit einem natürlichen Fahrgefühl, er schiebt einen nicht gleich aus dem Sattel. Dennoch fühlt sich der Motor in allen Fahrmodi kraftvoll und gleichzeitig gut dosierbar an. Seine maximale Power erreicht der CentriX zwischen 60 und 90 Umdrehungen, und gerade im starken Sport- oder Boost-Modus wird man ohne große Anstrengung auch über steile Rampen Richtung Gipfel geschoben. Der dynamische Sport-Modus eignet sich vor allem für technische Anstiege, da er seine Unterstützungsleistung an die jeweilige Fahrsituation anpasst. Er besitzt auch als einziger Modus einen längeren Nachlauf, um einzelne Hindernisse überwinden zu können. So kann man das E-MTB mit ein paar Kurbelumdrehungen in Schwung versetzen, und der längere Nachlauf schiebt einen über Wurzeln oder Stufen, an denen man nicht pedalieren kann. Allerdings ist besondere Vorsicht auf engen und kurvenreichen Trails geboten. Tritt man vor engen Spitzkehren zu sehr in die Pedale, sorgt der lange Nachlauf unter Umständen für zu viel Schub und trägt einen über die Kurve hinaus. Steht man mit anderen am Trail-Einstieg und bringt etwas mehr Druck auf das Pedal, spricht der Motor relativ direkt an und man wird überrascht, wenn man nicht darauf gefasst ist. Allerdings ist dieses Phänomen hier deutlich weniger stark ausgeprägt als beim Yamaha PW-X3. Während der ZF CentriX den Uphill mit einem unterschwelligen Brummen begleitet, aber keinesfalls stört, ist er in der Abfahrt absolut leise: Man hört kein typisches Klappern wie beim Bosch Performance Line CX oder Shimano EP801. Sehr gut!
Das Fazit zum ZF Bike Eco System
ZF feiert mit dem Bike Eco System eine gelungene Rückkehr. Kompakte Bauform und geringes Gewicht treffen auf jede Menge Power. ZF geht bei der Entwicklung neue, spannende Wege. In der Praxis punktet der Motor mit viel Power bei gleichzeitig guter Dosierbarkeit. Auch die restliche Hardware wie Akkus, Remotes und Displays macht einen durchdachten Eindruck. Wie sich das ZF Bike Eco System mit all seinen Funktionen schlägt, verraten wir euch, sobald wir ein Serien-Bike für einen ausführlichen Test in die Finger bekommen.
Tops
- kleines Baumaß
- leise in der Abfahrt
- kraftvoll
- innovative Motorbefestigung im Rahmen
Flops
- langer Nachlauf im Sport-Modus bedarf Vorsicht in technischem Gelände
Für mehr Informationen besucht zf.com
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Words: Mike Hunger Photos: Mike Hunger, Hersteller