Sie entführen unseren Körper und unseren Geist nach einem anstrengenden Bürotag in eine Welt, in der nichts zählt außer unserem Herzschlag, unserem Bike und dem Grün der Bäume. Ja, wir lieben unsere Hometrails! Aber woher kommen sie eigentlich und warum sind sie in Gefahr? Was wir als Rider tun können, um sie zu erhalten, erfahrt ihr hier.
Wer sind eigentlich die größten Feinde des Trails? Jäger, Förster, Wandernde? Wahrscheinlich sind es wir selbst – die schiere Masse an (E-)Bikern, die, seitdem MTB zum Breitensport wurde, die heimischen Wälder in Scharen zur Naherholung aufsuchen. Es ist genial, dass der Sport von so vielen angenommen wird, gleichzeitig zeigt sich dabei aber das bekannte Phänomen: In der breiten Masse wird oft keine Rücksicht genommen – weder auf die Natur noch auf die Trails, auf denen geshreddet wird, noch auf andere Interessensgruppen wie Waldbesitzende, Wandernde und so weiter. Bei Zusammentreffen mit Letzteren entstehen dann häufig ungünstige Situationen mit Pars pro Toto-Effekt: Einige von uns benehmen sich wie die Rowdies, also sind das in der öffentlichen Wahrnehmung alle Rider. Doof für uns alle.
Hier soll es jetzt aber nicht um den Clash of Cultures gehen, sondern darum, wie wir selbst eigentlich zu unseren Hometrails stehen, und ob uns allen überhaupt klar ist, dass sie in der Regel nicht vom Himmel fallen wie das Herbstlaub auf unsere Helme. Erinnert ihr euch noch an die Geschichten aus euren Kindheitstagen – die von den Heinzelmännchen, in anderen Kulturen Kobolde, Brownies oder Tomtes genannt? Von allen ungesehen, meist in der Nacht, wenn alle schlafen, huschen sie dorthin, wo sie gebraucht werden, machen sauber, stopfen Löcher, hegen und pflegen die Gärten. Wird ihr Beitrag für die Gemeinschaft wertgeschätzt, kommen sie in der nächsten Nacht wieder. Ihr ahnt schon, worauf wir hinauswollen: Wir alle haben unsere Heinzelmännchen, unsere meist unsichtbaren Helferlein, die mit Herzblut und Schweiß die Trails bauen und instand halten, auf denen wir so oft unterwegs sind. Biken ist Fun, Erholung, Balsam für die Seele.
Wir brauchen die Trails wie die Luft zum Atmen. Aber ohne die Trailbauenden bliebe ein verheißungsvolles Stück Wald einfach nur ein verheißungsvolles Stück Wald. Ohne sie würden uns die Dornen auf unseren Lieblingstrails ins Gesicht schlagen und wir würden nicht auf dem Trail surfen, sondern auf 20 cm tiefen Wasserrinnen. Aber was treibt die Trailbauenden eigentlich an, ihr Werk zu verrichten, das für die meisten von uns unsichtbar bleibt, weil sie meist off-season unterwegs sind? Unsere Erwartungen an sie – wenn wir uns überhaupt ihrer Existenz bewusst sind – sind allzeit befahrbare nice Lines und coole Features. Aber was sind ihre Erwartungen an uns, die (E-)MTB-Community? Wir sind durch Schnee- und Graupelschauer gefahren und haben einem von ihnen bei 3 Grad Außentemperatur beim Schaufeln und Rechen über die Schulter geschaut. Dabei ist uns bewusst geworden: Es braucht gar nicht viel, um unsere Wertschätzung für die Arbeit der Trailbauenden zu zeigen und um unseren Lieblingstrail auch selbst aktiv zu erhalten.
Der Trailbauer
Wie ein Kobold sieht er gar nicht aus – Linus, 27 Jahre, Körpergröße eines gewöhnlichen Erwachsenen, Heimat Schwäbische Alb. An einem eiskalten Tag im April treffen wir ihn im Wald, wo er einen Trailabschnitt für die neue Season instand setzen will. Seit er 15 ist, ist Linus auf dem Rad, jetzt fährt er Enduro-Rennen. Und übers Racing kam er auch zum Trailbau: Seine Kumpel und er „brauchten was Krasses, um für die Rennen zu trainieren.“ Daheim gab es nichts außer Wanderwege, keiner hatte einen Führerschein für den Bikepark. Also war es eigentlich eine Notlösung: Sie mussten sich selbst eine Trainingsstrecke bauen. Über rechtliche Aspekte haben sie damals gar nicht nachgedacht – jung, naiv und voller Tatendrang.
Crews von jungen Wilden, wie von Linus und seinen Freunden damals, fehlt oft der Weitblick, meint er. Man sieht viele legale Projekte, die von ehrenamtlichen Menschen gestemmt werden, die Bock darauf haben und eine große Masse an Helfenden, aber nicht wirklich einen Plan. Daraus resultieren oft gefährliche Trails und unkoordinierte Aktionen, bei denen hinterher häufig mit großem finanziellen Aufwand nachgebessert werden muss. Die Strecken werden gesperrt, der Spaß leidet. Doch das ändert sich nach und nach, und der Trailbau wird von immer mehr Gruppen professionell angegangen. Vereine werden gegründet und Unterstützung von Fachfirmen gesucht, die das nötige Know-how für die Durchführung, auch in Sachen Bürokratie und Kommunikation, mitbringen. Klar ist dabei: Das kostet. Um Vereine und Initiativen bei der professionellen Durchführung ihrer Projekte zu unterstützen, müssen Gelder fließen. Da freut es die Community, dass auch größere Bikefirmen den logischen Schritt gehen und ihre Kunden – die Biker – bei deren Bauvorhaben unterstützen. Förderungsinitiativen wie PayDirt gehören Fahrradmarken wie FOCUS Bikes an; letztere supporten auch unter ihrem Better-Tomorrow-Projekt die engagierten Digger. So wird möglich, was mit Crowdfunding nur schwer zu erreichen ist.
Aber zurück zu dem, was Linus antreibt. Was liebt er an seiner Arbeit? Trailbauen hat eine beruhigende Wirkung auf ihn, sagt er, für ihn ist es wie Meditation, man konzentriert sich nur auf eine Sache. Und es ist der Gestaltungsraum Natur, der ihn reizt, das Shapen, Hacken und Rechen im Einklang mit ihr. Schon in seiner Kindheit war der Wald eine vertraute Umgebung für ihn. Natürlich waren seine Vorstellungen anfangs auch geprägt durch Filme wie Seasons und New World Disorder; wie viele der Schaufler hatte er zum Ziel, die Stunts und Sprünge nachzubauen. Zunehmend wurde er aber auch selbst kreativ – jetzt genießt er einfach das Glücksgefühl, das ihn durchströmt, wenn er selbst etwas erschaffen hat.
E-MTB als Lastenesel und „Streifenwagen“
Mit dem guten Gefühl, uns trotz Graupelschauer ins Braungrün des Waldes aufgeschwungen zu haben, pacen wir nun mit dem E-MTB zu einem Trailabschnitt, der Linus’ Zuwendung einmal wieder dringend nötig hat. Im Gepäck: Ein schwerer Rucksack mit 20 kg, der das nötige Werkzeug fasst. Diesen zu den entlegenen Trails zu bekommen, ist in Zeiten von E-MTBs kein Problem mehr für Linus. Wir dürfen also live dabei sein, wie ein runtergerockter und vom langen Winter geplagter Trail wieder in Form gebracht wird.
Für Linus ist es eine echte Erleichterung, sich und sein Equipment von seinem FOCUS JAM² zum Bau-Spot befördern zu lassen. FOCUS unterstützt Linus für sein engagiertes Treiben in der Enduro- und Trailbau-Szene. So easy flitzt er damit durch die Wälder, dass es sich für ihn sogar lohnt, rauszufahren, wenn er mal nur zwei Stunden Zeit für die Trailpflege hat. Andernfalls würde er oft gar nicht erst losgehen. Das E-Mountainbike taugt aber nicht nur als Lastenfahrzeug: Wenn Linus und seine Kumpel gerade keine Lust auf Trailbau haben, verbinden sie mit ihren Bikes das Nützliche mit dem Angenehmen und gehen – wie die Polizei auf OKF, Ortskontrollfahrt, – auf „Trailstreife“. „TKF“ nennen sie es dann spaßeshalber, Trail-Kontrollfahrt: Man checkt auf einer Hometrailrunde, ob man etwas reparieren muss.
Das wichtigste Tool nach der Wiedehopfhacke ist das Vesper.
Am Spot angekommen, fragen wir Linus nach seinem Standard-Bautag. Wie sieht der aus? „Es gibt beim Trailbau eigentlich keinen typischen Ablauf, jeder Trail braucht eine andere Pflege.“ Aber ohne die Wiedehopfhacke geht nichts, oder? Das haben wir schon bei unserer letztjährigen Story im ENDURO-Magazin gelernt. Klar, meint Linus, Hacke, Stahlrechen und Motorsäge sind eigentlich immer dabei. „Aber das wichtigste Tool nach der Wiedehopfhacke ist das Vesper, vor allem in einer großen Gruppe. Zusammen zu trinken und zu essen ist fast wichtiger als jede Schaufel.“ Entschleunigung, Wir-Gefühl – das erleben, was für andere geschaffen wird mit dem Trailbau.
Die Hauptbauzeiten sind im Herbst und im Winter. Nach den vielen Rennen und Bikepark-Wochenenden der Sommersaison ist Bauen ein schöner Tapetenwechsel für Linus. Dann werden vor allem die Schäden des vergangenen halben Jahres repariert: Bremswellen ausbessern, Spurrinnen – auch Ruts genannt – entfernen, Wasserabläufe reinigen, marode Sprünge, Brücken und Anlieger wieder in einen sicheren Zustand bringen. Auch die Sprünge müssen frisch geshaped werden, die sind nämlich oft rundgerollt, wodurch man nicht mehr so gut Airtime bekommt. Ab und zu kommt mal was Neues hinzu, das ist dann auch cool, aber nicht unbedingt die Regel. Und wenn der Winter sich in die Länge zieht? „Klar, irgendwann hat man dann auch die Nase voll vom Bauen und wünscht sich die Bikepark-Tage oder Laps zurück. Aber ein gutes Workout im Winter ist das Bauen allemal!“, so Linus.
Support your trail
Über unsere Frage, für wen er eigentlich baut, muss Linus kurz nachdenken. Natürlich sind er und seine Crew darauf aus, sich selbst den größtmöglichen Spaß auf einer anspruchsvollen Trainingsstrecke zu verschaffen. Gleichzeitig denken sie aber auch an die Community und achten darauf, dass die Trails sowohl für alle fahrbar sind als auch genügend Herausforderungen für Rider bieten, die ihre Skills verbessern wollen. Ganz gleich, was ihre Intention ist – indem sie die Trails anlegen, pflegen und reparieren, leisten die Trailbauenden die Arbeit immer für die gesamte Community, für alle, die ihre Strecken nutzen. Von der breiten Masse wird das wenig gewürdigt, stellt Linus fest. Was er sieht, sind viele Rider, häufig E-Rider, die Trails als bloßes Konsumgut behandeln, ohne Verständnis für die Arbeit, die dahintersteckt. „Aktuell bekommen nur diejenigen Credits, die die Kurve auseinanderfahren und nicht die, die sie wieder shapen. Man wünscht sich aber, dass es appreciated wird, dass man von anderen Bikern mehr Wertschätzung bekommt.“ Die nötige Sensibilisierung könnte man unter anderem erreichen, indem man den Trailbau auf Social Media mehr pusht, das hielte Linus für ein sinnvolles Gemeinschaftsprojekt aller Digger.
Wir finden, dass es an der Zeit ist, nicht nur eine rollende Masse in den heimischen Wäldern zu sehen, sondern auch eine, die sich zur Bauzeit mit Rechen und schmutzigen Händen auf den Trails bewegt und damit den Schöpfer*innen unserer Hometrails Anerkennung entgegenbringt. Und dabei sich selbst einen Gefallen tut, weil dadurch der nächste Ride umso smoother läuft. „Wie soll das, bitteschön, gehen?“, mögen sich diejenigen fragen, die oben gut aufgepasst und noch etwas von „unkoordinierten Aktionen“ und gefährlichen Trails im Kopf haben. Calma, calma, ey. Auf gar keinen Fall soll irgendwer jetzt auf die Idee kommen, sich mit Hacke und Säge auf sein E-Bike zu schwingen und den Bau-Crews ins Handwerk zu pfuschen – mal hier ‘nen Anlieger verändern, mal da einen Table verlängern. Nein, für uns Consumer bleiben genug andere Hilfsarbeiten auf den Trails übrig, mit denen wir sie in gutem Zustand halten und damit die Schöpfer*innen unserer Lieblingsorte im Wald unterstützen können. Listen to your Trailbauer! Hier kommt Linus’ Trailbau-Bucketlist.
So können alle ihren Teil dazu beitragen:
- Trail freiräumen, wenn Äste oder Steine im Weg liegen
- Pfützen entwässern – dazu mit einem Stock einen Kanal ziehen
- Im Sommer Trails freischneiden bzw. mit einem Stock freischlagen
- Freirechen – im Herbst die größte Entlastung für die Bauenden, denn ohne Laub trocknen die Trails schneller
- Trail- und bodenschonende Fahrweise, nicht zu stark vor Kurven bremsen
Die unsichtbaren Helferlein aus den alten Geschichten können auch zu Streichen aufgelegt sein, wenn sie verärgert werden. Oft ziehen sie weiter, wenn sie sich missverstanden oder schlecht behandelt fühlen. Das wäre im Fall der heimlichen Helden unseres Lieblingssports aber sehr schade. Beim nächsten Ride planen wir vielleicht einfach mal eine halbe Stunde länger ein. Suchen uns einen schönen Stock im Wald und legen ein paar Drainagen in die Pfützen. Wir wollen ja vermeiden, dass die Jungs und Mädels eines Tages die Flinte ins Korn, äh, die Hacke ins Moos werfen.
Wenn ihr wissen wollt, wie es bei Linus weitergeht, folgt ihm auf Instagram!
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Words: Felicia Nastal Photos: Mike Hunger