Was haben E-Bikes, Autoteile, Webmaschinen und italienische Panettone gemeinsam? THOK Bikes! Die E-Bike-Marke aus Italien ist Teil der TCN Group, die mit dem Gram RC ein neues Vollcarbon-E-Bike mit Shimano EP 8-Motor und 180/170 mm Federweg vorgestellt hat. Ist das Bike wirklich so potent wie seine Eckdaten vermuten lassen?

THOK Gram RC | Shimano EP8/630 Wh | 180/170 mm (v/h)
23,3 kg in Größe M | 9.900€ | Hersteller-Website

Zwischen Turin und dem Mittelmeer, inmitten von Haselnuss-Plantagen in Alba im italienischen Piemont, sitzt THOK Bikes. THOK ist Teil des Großkonzerns der TCN Gruppe, die neben E-Bikes auch Webmaschinen, Autoteile und Panettone herstellt. Im Vergleich zu den riesigen Anlagen, die dafür benötigt werden, ist der E-Bike-Sektor schon fast bescheiden: Ein einzelnes Stockwerk im Bürokomplex reicht für Entwürfe, Entwicklung, Marketing und eine kleine Werkstatt. Dennoch hat THOK mit TCN einen großen Partner für Entwicklung, Umsetzung und natürlich Finanzierung.

THOK ist Teil der großen TCN Group, zu der auch Bianco und Galup gehören.
Hier entstehen TCN-Autoteile, unter anderem für Maserati und weitere Sportwagenhersteller.
In der Lagerhalle von THOK finden bis zu 5.000 Bikes Platz.
Die jeweiligen Top-Modelle (R, RC) werden in Italien vor Ort montiert und verpackt.

Das Gram ist THOKs erstes Carbon-Bike und das zweite Bike mit vollintegriertem Akku im Line-Up. Die Alu-Alternative mit Akku-Integration gibts von THOK und – baugleich mit Ducati-Branding – beim TK 01, das wir im Rahmen unseres großen Vergleichstests 2021 bereits testen konnten.
THOK legt von Haus aus hohen Wert auf Kundenbindung und -zufriedenheit. Dafür organisieren die Italiener jährliche Tribe-Events, zu denen über 300 „THOKER“ kommen, um mit dem Chef Stefano Migliorini biken zu gehen. Stefano hat THOK Bikes 2017 gegründet, nachdem er mit einem Freund radfahren war, der deutlich weniger fit war als er selbst. E-Bikes sollen für ihn dieses Ungleichgewicht aushebeln und Biker jedes Fitnesslevels wieder zusammenbringen. Mit dem Know-how des Mutterunternehmens wurde zum Beispiel der erste Prototyp des THOK Gram aus Ton gefertigt, wie sonst in der Automobil-Branche üblich. Aber wie wurde das echte Bike?

Chef und Gründer Stefano Migliorini war früher BMX- und Downhill-Profi.

Das THOK Gram RC 2023 im Detail – massig Federweg und eigene Ideen

Das THOK Gram RC kommt mit ausgefallenem Rahmen-Design mit drei dreieckigen Öffnungen und einem parallel zum steil abfallenden Oberrohr liegenden Dämpfer. Darunter ist Platz für eine Trinkflasche. Der Einschalter verbirgt sich gut versteckt unter dem Oberrohr zwischen der Dämpferaufnahme. Als Ladeport kommt wie beim 630-Wh-Akku ein Teil aus dem Standardsortiment von Shimano zum Einsatz. Der Akku ist mit einem 6er-Inbus nach unten entnehmbar.

Die Züge und Leitungen am Gram sind intern durch den Rahmen verlegt. Der Kettenstrebenschutz bedeckt auch wirklich nur diese, anstatt wie bei anderen Bikes auch den unteren Teil der Sitzstrebe zu schützen. Hier kann die Kette bei harten Abfahrten Spuren hinterlassen. Am Heck des Gram sitzt ein kleiner Fender, der mehr der Optik als der Funktion dient.

Das dicke Steuerrohr steht auf der Unterseite deutlich nach vorn und bietet an der Oberseite noch ein Feature: Der Lenkanschlag (Knock-Block) ist beim Gram sichtbar unterm Vorbau angebracht und lässt massig Lenkeinschlag zu. Die Wartung dürfte dadurch einfacher von der Hand gehen, die Optik bleibt aber gewöhnungsbedürftig.

Die verschiedenen Ausstattungsvarianten des THOK Gram 2023

Das THOK Gram RC steht auf den ersten Blick massiv da: FOX 38er-Federgabel mit 180 mm Federweg, 170 mm am Heck mit dickem FOX X2-Dämpfer. Mullet-Setup mit gemischten Laufradgrößen und der dicke Vollcarbon-Rahmen samt -Hinterbau tun ihr Übriges zur bulligen Optik.
THOK setzt auf zwei unterschiedliche Modelle – das Gram RC und das Gram ohne initialen Namenszusatz. Beide kommen mit dem Shimano EP8-Motor und integriertem 630-Wh-Akku.

Helm Rapha X Smith Forefront | Brille Delayon Line Tracer | Hippack Camelbak Podium Flow 4 | Jacke Monserat 2A | Shirt Monserat F02 | Schuhe Crankbrothers Mallet BOA | Socken Adidas Crew Socks | Handschuhe POC Resistance

Das von uns getestete THOK Gram RC kostet 9.900 € und wiegt 23,3 kg in Größe M. Es kommt mit FOX Factory-Fahrwerk mit 38er-Gabel und GRIP2-Dämpfungskartusche an der Front sowie großvolumigem X2-Dämpfer am Heck. Die 180/170 mm Federweg sollen für ausreichend Komfort und Sicherheit auf steilen Downhills sorgen. Die elektrische SRAM GX Eagle AXS-Schaltgruppe sorgt für eine makellose Schalt-Performance. Zum Verzögern kommen Shimano XT-Bremsen mit 200-mm-Bremsscheiben vorn und hinten zum Einsatz. Hier sollten schwere Fahrer, für eine höhere Hitzebeständigkeit, dennoch über 220-mm-Bremsscheiben nachdenken. Die grob profilierten MAXXIS ASSEGAI-Reifen kommen vorn und hinten mit der pannenanfälligen EXO+-Karkasse. Mindestens hinten solltet ihr auf eine DoubleDown-Karkasse aufrüsten oder, wie am Testbike, ein Tire Insert installieren, um von weniger Luftdruck – und dadurch auch mehr Grip – zu profitieren.

THOK Gram RC

9.900 €

Ausstattung

Motor Shimano EP8 85 Nm
Akku Shimano 630 Wh
Display Shimano SC-EM800
Federgabel FOX 38 Grip 2 Factory 180 mm
Dämpfer FOX Float X2 Factory 2 Position 170 mm
Sattelstütze THOK 170 mm
Bremsen Shimano XT M8120 200/200 mm
Schaltung SRAM GX Eagle AXS 1x12
Vorbau THOK 37 mm
Lenker Renthal Fatbar 35 800 mm
Laufradsatz Crankbrothers Synthesis Alloy 29"/27,5"
Reifen MAXXIS Assegai Maxxterra/EXO+ 2,6"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 23,3 kg
Zul. Gesamtgewicht 163,5 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 140 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Das THOK Gram ohne Namenszusatz kommt mit FOX 38 Performance-Federgabel mit günstigerer GRIP-Dämpfungskartusche und FOX DPS-Dämpfer, die beide über eine weniger umfangreiche Einstellbarkeit verfügen als die Factory-Varianten des Top-Modells. Bei der Schaltgruppe kommt hier im Vergleich zur Top-Spec kein Markenmix zum Einsatz: Bremsen und Schaltung stammen von SRAM. Die neuen SRAM DB8-Bremsen verzögern ebenfalls auf 200-mm-Bremsscheiben, und das mechanische NX Eagle-Schaltwerk sorgt für die Gangwechsel. Das THOK Gram kostet 7.490 € und wiegt in Größe M 23,6 kg.

THOK Gram

7.490 €

Ausstattung

Motor Shimano EP8 85 Nm
Akku Shimano 630 Wh
Display Shimano SC-EM800
Federgabel FOX 38 Performance Grip 170 mm
Dämpfer FOX Float DPS Performance 170 mm
Sattelstütze THOK 125-170 mm
Bremsen SRAM DB8 200/200 mm
Schaltung SRAM NX Eagle 1x12
Vorbau THOK 37 mm
Lenker THOK Alloy 780 mm
Laufradsatz THOK Drift 29"/27,5"
Reifen MAXXIS Assegai Maxxterra/EXO+ 2,6"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 23,6 kg
Zul. Gesamtgewicht 163,5 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 139 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

Die Geometrie des neuen THOK Gram RC 2023

Die THOK Gram-Geometrie ist so, wie man es für ein modernes E-Mountainbike erwartet: Der Lenkwinkel ist 64° flach und der Sitzwinkel 78° steil. Das soll für gute Klettereigenschaften sorgen. Das Bike ist in vier Größen von S–XL erhältlich und soll damit von 154 cm Körpergröße bis an die 2-m-Grenze alles abdecken. Mit dem schlanken 630-Wh-Akku gab es auch kein Problem, ein kleines Bike in Größe S zu gestalten.

Grösse S M L XL
Sattelrohr 385 mm 415 mm 430 mm 475 mm
Oberrohr 573 mm 587 mm 612 mm 632 mm
Steuerrohr 99 mm 106 mm 118 mm 130 mm
Lenkwinkel 64° 64° 64° 64°
Sitzwinkel 78° 78° 78° 78°
Kettenstreben 450 mm 450 mm 450 mm 450 mm
BB Drop rear 9,4 mm 9,4 mm 9,4 mm 9,4 mm
Radstand 1235 mm 1246 mm 1275 mm 1300 mm
Reach 443 mm 455 mm 475 mm 495 mm
Stack 617 mm 625 mm 638 mm 656 mm

Das THOK Gram RC 2023 im ersten Test

Startet man auf dem THOK Gram RC in der Ebene, sitzt man etwas nach vorn gebeugt und eher handlastig auf dem Bike. Gemeinsam mit dem zwar effizienten, aber auch straffen Hinterbau gibt es für ausgedehnte Touren im Flachland sicher besser geeignete E-Bikes. Geht man in die Steigung, kommt einem die Sitzposition allerdings zu Gute. In Verbindung mit dem straffen Heck kann man gut steile Rampen und, wie in unserem Fall, grobe Geröllfelder erklimmen. Durch die eher hohe Trittfrequenz, die der Shimano EP8-Motor benötigt, werden Pedalaufsetzer fast unvermeidbar. Setzt ihr auch mit dem Motor auf, stört das den robusten Unterfahrschutz des THOK Gram jedoch herzlich wenig. Durch die Rippenstruktur ist dieser sehr stabil und steckt den ein oder anderen Aufsetzer an Stufen im technischen Uphill gut weg.

Wechselt man die Fahrtrichtung gen Tal, steht man gut integriert in dem Bike mit Mullet-Räder-Setup. Fahrposition und Fahrwerk sind gut ausbalanciert, und mit dem kleineren Hinterrad geht das Bike spritzig und agil um die Kurven. Das Bike lässt sich außerdem so spielerisch aufs Hinterrad ziehen, als wäre der Vorderreifen mit Helium gefüllt – Wheelies und Manuals gelingen so im Handumdrehen.

Wird’s rough und schnell, fehlt es dem Hinterbau hingegen etwas an Feinfühligkeit. Das Heck wirkt träge wie an einem Montagmorgen und büßt dadurch Traktion ein. In offenen Kurven ohne Gegenhalt sollte man eine gute Linie wählen und ordentlich Druck aufs Bike ausüben. Reicht die Traktion nicht mehr zum Ausweichen an Hindernissen, können erfahrene Piloten dafür auch noch last minute an hohen Stufen abziehen wie beim Blind booking. Guten Flug!

Fazit zum THOK Gram RC 2023

THOK ist das Carbon-Debüt mit dem Gram RC gelungen. Das Rahmenmaterial ermöglicht eine ausgefallene Formensprache, und gepaart mit guten Anbauteilen und Eigenlösungen wie dem Knock-Block entsteht ein schlüssiges Gesamtkonzept. Beim Design gehen die Italiener ihren eigenen Weg und heben sich damit wohltuend von der Masse ab. Auf dem Trail steht das Bike trotz ordentlicher Fahrwerks-Reserven eher auf der agilen Seite und sorgt daher mehr auf engen als auf superschnellen Trails für Fahrvergnügen – denn wird es zu schnell, lässt es etwas Traktion vermissen.

Mehr Infos unter thokbikes.com


Hat dir dieser Artikel gefallen? Dann würde es uns sehr freuen, wenn auch du uns als Supporter mit einem monatlichen Beitrag unterstützt. Als E-MOUNTAINBIKE-Supporter sicherst du dem hochwertigen Bike-Journalismus eine nachhaltige Zukunft und sorgst dafür, dass der E-Mountainbike-Sport auch weiter ein kostenloses und frei zugängliches Leitmedium hat! Jetzt Supporter werden!

Words: Julian Schwede Photos: Julian Schwede, Fabio Vanni

Über den Autor

Julian Schwede

Juli ist es gewohnt, mit großen Kalibern umzugehen. Er schraubt nicht nur gerne an seinem Bike, sondern hat nach seiner Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker an der Königsklasse der Kraftfahrzeuge – Omnibussen – getüftelt und gewerkelt. Als ihm die Entwicklung auf Elektroantriebe im Großformat zu langsam ging, hat er technische BWL studiert und nebenher Tische aus Carbon gebaut. Während sein Dirtbike aus dicken Alu Rohren geschweißt ist, besteht sein Fully ebenfalls aus den schwarzen Fasern und hat ihn schon auf einige Gipfel gebracht. Doch auch angeseilt erklimmt er Berge gern über Klettersteige oder senkrecht an der Wand. Mittlerweile fährt er statt seinem eigenen Bike fast nur noch Bikes aus dem Office-Keller und testet sie auf Leib und Lenker. Neben Bike Reviews kümmert Juli sich auch um das tägliche Newsgeschäft und bezeichnet sich selbst als rasenden Reporter “Carlos Columbus”.