Kennt ihr dieses miese Gefühl, wenn sich der Blues breit macht? Manchmal nur ein paar Tage lang – manchmal scheinbar für ewig. Wenn auch die besten Bücher und gut gemeinten Gespräche nicht helfen, haben wir noch eine Wunderwaffe gegen dunkle Tage: euer Bike! Tretet in die Pedale und gleichzeitig eurem Gedankenkarussell in den Arsch!

Mach ich genug aus mir und meinem Leben? Bin ich ein guter Partner? Wieso sind alle anderen am Strand oder beim Fahrradfahren, während ich hier am Display hänge und warte auf … worauf eigentlich? Und habe ich für nächste Woche alle Termine im Griff? Oh ja, ihr kennt das lähmende Gefühl, vom Druck von außen oder von den hohen eigenen Ansprüchen regelrecht aufgefressen zu werden. Schlecht schlafen, nachts aufwachen, nicht mal unter Freunden so richtig herunterfahren können, weil da immer noch diese eine Sache bevorsteht und in der Brust drückt. Das treibt uns so weit, dass wir uns sogar in Situationen mies fühlen, die wir ansonsten eigentlich souverän meistern und mit Freude erleben. Doch was tun, wenn der Blues sich gnadenlos breit macht? Tee, kluge Bücher über Selbstoptimierung und gute Gespräche sind nette Versuche. Das vielleicht beste Mittel aber ist: Geht einfach mal wieder Biken!

Schon klar: Radfahren stärkt Ausdauer und Muskulatur, baut Stress ab, schult die Motorik und kann uns mit anderen Menschen in Verbindung bringen. Aber ein kerngesunder Herzschlag allein hilft noch lange nicht gegen eine trübe Seele. Und auf andere Menschen hat man mit dem Blues in der Brust vielleicht gerade überhaupt keine Lust. Warum dann also – zum Teufel – Fahrradfahren? Weil Biken noch viel mehr bringt, als einen niedrigen Ruhepuls und Tech-Talk mit den Buddies. Diese zwei Räder besitzen die Kraft, unser komplettes Seelenleben aufzubrechen, umzurühren und wieder neu zusammenzufügen. Wie LSD – nur ohne Bedarf für einen Trip-Sitter. Sobald man sich aufs Mountainbike setzt und auf den Trail startet, verändert sich dieses beklemmende Gefühl. Es wird schwächer, lässt nach, verfliegt. Gleichzeitig werden wir stärker – im Kopf.

Raus aus dem Kopf, rein in den Körper!

Habt ihr draußen auf dem Trail, mitten in einem Steinfeld, schon mal an eure Finanzen denken müssen? Oder an den nächsten Termin? Wir nicht! Biken funktioniert wunderbar als spontanes Antidepressivum auf Rädern, und natürlich tut es das: Wir konzentrieren uns in der Action so sehr darauf, die richtige Linie zu treffen, Stufen abzufedern und zwischen Steinen durchzutreffen, dass im Kopf schlicht nichts anderes Platz hat als dieser Moment, dieser Meter, dieses Erlebnis. Und nach einem zweistündigen Ride bemerken wir verblüfft, dass wir während der gesamten Fahrt keine Sekunde lang an dieses eine Scheißthema gedacht haben, das uns die ganzen letzten Tage den Schlaf geraubt hat. Es klappt!

Solch ein Reset ist für eine eingetrübte Seele so wertvoll wie Stoßlüften in einem vollen Klassenzimmer nach dem Sportunterricht. Okay, man kann nicht ewig Biken gehen. Irgendwann steht man dann wieder vor dem Thema, das einem die Zuversicht raubt – und wahrscheinlich ist es trotz Bike Ride zuvor immer noch da. Aber vielleicht bekommt ihr eine neue Perspektive auf das, was da gerade an euch nagt. Ein Schritt raus aus dem Gedankenkarussell, ein kurzes Lüften des Kopfes reicht oft schon, um den Überblick zurückzugewinnen. Schaltet das Handy auf stumm und raus ins Grün mit euch. Lasst die Gedanken, die kommen, einfach vorbeiziehen. Konzentriert euch aufs Gelände, den Rest übernimmt das Bike.

Angst siegt über Angst

Warum sollen wir uns auf dem Mountainbike im Gelände zusätzliche Herausforderungen aufhalsen, obwohl Job und Alltag doch gerade eh schon stressig genug sind? Ein Widerspruch? Überhaupt nicht! Klar feuern spontan Adrenalin und andere Stresshormone durch unseren Körper, wenn eine Kurve mal enger wird als gedacht. Doch was bleibt, wenn wir eine Situation dann tatsächlich gemeistert haben, ist ein dickes Grinsen und Stolz darauf, es gewagt zu haben. Auf dem Bike erleben wir, dass wir mit einer Herausforderung, die uns Stress bereitet, fertig werden – und das Ganze sogar zu feiern beginnen. Wir erleben Selbstwirksamkeit und spüren, dass wir schwierige Situationen bewältigen können. Und das Beste daran: Dieses Gefühl wächst und bleibt uns erhalten, wenn wir absteigen, das Fahrrad parken und die Bike Shorts wieder gegen Jeans tauschen. „Wenn ich diesen Trail gepackt habe, dann packe ich auch diese andere Sache. Doch … warum wirkt sie nun plötzlich kleiner und harmloser als bisher?“ Ups, der Bike-Effekt!

Biken ist viel mehr als körperlicher Fitmacher und ein Mittel, andere Menschen zu treffen. Radfahren ist, ähnlich einer Schneekugel, ein magisches Spielzeug, mit dem wir unsere gewohnte Wahrnehmung so richtig durcheinanderwirbeln können. Damit können wir unseren stressgeplagten Kopf durchlüften, Challenges liebgewinnen und erleben, zu was allem wir doch verdammt nochmal in der Lage sind. Tretet in die Pedale – und schweren Gedanken damit gleichzeitig in den Arsch!

Gegen den Blues gibt es viele Mittel, doch unser liebstes ist Biken. Das Fahrrad verschafft uns eine sofortige Verschnaufpause, wenn uns Stress und finstere Gedanken die Stimmung vermiesen. Auf dem Trail erleben wir, dass wir Herausforderungen meistern und uns dafür gut fühlen. Das gibt Kraft, dem lähmenden Brain-Fuck aus Stress, Sorgen und zu hohen Ansprüchen auch in ganz anderen Lebenslagen einfach mal gepflegt in den Arsch zu treten.


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Words: Moritz Geisreiter Photos: Julian Lemme