Ausgabe #016 Know How

Supercharger – Wann kommt der Schnelllader fürs E-Mountainbike?

Egal ob Elektroauto oder Smartphone, Schnellladen ist in aller Munde und gilt als Schlüssel zum Erfolg der Elektromobilität. Auch bei E-Mountainbikes unterscheiden sich die Ladezeiten teils deutlich. Wir geben euch einen Überblick über den Stand der Technik und verraten euch, was die Zukunft bringen könnte.

Ein Tesla lässt sich an einem Supercharger in ca. 40 min auf 80 % Kapazität laden, Porsches erster E-Sportwagen Taycan kommt Ende 2019 auf den Markt und soll die gleiche Schwelle in sagenhaften 15 min erreichen. Von solchen Werten können E-Mountainbiker aktuell nur träumen, schon allein wegen der immensen Kosten dieser Hochleistungsladesäulen, die schnell in die Hunderttausende gehen. Aber auch für E-Mountainbikes gibt es inzwischen Schnellladegeräte, die zwar noch nicht mit den Werten der Autolader mithalten können, aber immerhin bereits heute deutlich kürzere Ladezeiten bieten als die mitgelieferten Standardlader.

Immer ein Kompromiss

Auf den ersten Blick haben stärkere Ladegeräte kaum Nachteile, doch in der Praxis ergibt sich ein grundlegendes Problem: Je stärker ein Ladegerät ist, desto größer und schwerer ist es im Schnitt auch. Gerade unterwegs auf einer Tour wäre ein Schnelllader besonders nützlich – ein kompaktes Ladegerät ist einfach zu langsam, um den Akku bei einer kurzen Mittagspause auf einer Hütte ausreichend zu laden. Allerdings verbraucht ein Schnelladegerät deutlich mehr Platz im Rucksack und wiegt mehr. Branchenführer Bosch bietet derzeit drei Ladegeräte an, die das Verhältnis von Ladedauer, Gewicht und Größe sehr gut veranschaulichen.

Ladezeiten Bosch eBike Systems (500-Wh-Akku)

Gerät Ladestrom Ladedauer 0–100 % Ladedauer 0–50 % Größe Gewicht
Compact Charger 2 A 7,5 h 3,5 h 160 x 75 x 45 mm ca. 600 g
Standard Charger 4 A 4,5 h 2 h 190 x 86 x 54 mm ca. 800 g
Fast Charger 6 A 3 h 1,2 h 200 x 90 x 60 mm ca. 1.000 g

Gegen Ende wird es langsam

Vorsicht geboten ist bei den Angaben zur Teilladung, die viele Hersteller gerne nutzen. Der Ladevorgang eines Li-Ion-Akkus ähnelt einer logarithmischen Kurve, d.h. am Anfang des Ladevorgangs lädt der Akku schneller als gegen Ende. Ab einem Ladestand von ca. 80 % wird der Ladestrom heruntergefahren, um die Zellen zu schonen. So gibt Bosch etwa an: „Für 50 % einer Batterieladung benötigt der Fast Charger nur etwas mehr als eine Stunde.“ Wer jetzt davon ausgeht, dass der Akku in 2 h voll ist, wird leider enttäuscht, denn die vollständige Ladung eines 500-Wh-Akkus dauert gute 3 h. Als Faustregel kann man davon ausgehen, dass der Akku zwischen 80 % und 100 % nur noch mit dem halben Strom bzw. nur halb so schnell lädt.

Haibike FLYON-Bikes setzen Benchmark

Die aktuelle Benchmark setzt Haibike mit den neuen FLYON-Bikes, deren Schnelllader in neue Dimensionen vorstößt. Das 10-A-Ladegerät wurde in Zusammenarbeit mit BMZ entwickelt und lädt den 630 Wh großen Akku in gerade einmal 60 min auf 80 %, für eine Ladung von 0 bis 100 % benötigt er lediglich 1,5 h. Doch so viel Power hat auch Schattenseiten, denn das Ladegerät wiegt knapp 2,3 kg (das ist mehr als doppelt so schwer wie der Bosch Fast Charger) und ist durch seine aktive Kühlung nicht spritzwassergeschützt. Das kleinere 4-A-Ladegerät wiegt dagegen nur 810 g, benötigt mit 3,8 h für eine komplette Ladung aber auch mehr als doppelt so lang.

Ladezeiten Haibike FLYON (630 Wh)

Gerät Ladestrom Ladedauer 20–100 % Ladedauer 0–50 % Ladedauer 0–100 % Größe Gewicht
4-A-Ladegerät 1,8 h 3,1 h 2,5 h 3,8 h 210 x 100 x 60 mm 810 g
10-A-Ladegerät 0,8 h 1,3 h 1,0 h 1,5 h 230 x 160 x 70 mm 2.275 g

Das 10-A-Ladegerät ist ein sogenannter Smartcharger, der vor dem Ladevorgang mit dem Akku über CAN-Bus kommuniziert und dann nur den Strom zulässt, den der Akku auch verträgt. Die Akkuelektronik kommt dabei vom Motorzulieferer TQ-Systems und ist auf die hohe Performance des TQ HPR 120S-Motors ausgelegt. Eine vorzeitige Alterung des Akkus durch das Schnellladen soll es übrigens nicht geben, da die verbauten Zellen für noch höhere Ladeströme ausgelegt sind und damit selbst bei 10 A relativ schonend geladen werden.


Das grundlegende Problem: Schnellladegeräte sind groß und schwer und eignen sich damit kaum für unterwegs.


Wäre eine aktive Kühlung des Akkus sinnvoll?

Bei vielen Elektrowerkzeugen werden nicht nur die Ladegeräte, sondern auch die Akkus beim Ladevorgang aktiv gekühlt. Laut TQ-Systems würde eine solche Kühlung beim FLYON-System kaum Vorteile bringen. Sowohl beim Beladen als auch beim Entladen im Fahrbetrieb soll der Akku thermisch sehr stabil sein und auch ohne aktive Kühlung über viele Reserven verfügen. Dass es ein solches System bisher nicht bei E-Bike-Akkus gibt, dürfte aber auch an den Einschränkungen beim Wetterschutz liegen, denn ein Akku mit Lüftungsöffnungen müsste durch zusätzliche Maßnahmen vor Umwelteinflüssen geschützt werden.

Eine Frage der Infrastruktur

Mit dem neuen Schnellladegerät zeigt Haibike, was bereits heute möglich ist, und bietet damit als erster Hersteller ein Ladegerät an, das bei einem typischen Hüttenstopp den Akku fast vollständig laden kann. Das Problem liegt jedoch auf der Hand: Wegen seiner 2,3 kg werden viele Fahrer das Ladegerät nur ungern im Rucksack mitnehmen. Die Lösung könnte ein Netzwerk aus öffentlichen Ladestationen sein, die etwa von Hüttenwirten und Hoteliers betrieben werden, doch der Aufbau einer solchen Infrastruktur steckt noch in den Kinderschuhen. Das liegt nicht nur an den Kosten, sondern auch daran, dass die Antriebe der verschiedenen Hersteller nicht miteinander kompatibel sind – ein gemeinsamer Ladestandard wäre hier eine große Hilfe.

Fazit

Kürzere Ladezeiten bieten im Alltag viele Vorteile und erhöhen nicht nur die Reichweite von E-Bikes, sondern machen sie auch benutzerfreundlicher und flexibler. Aktuelle Schnellladegeräte leiden allerdings an einer Identitätskrise: Sie sind zu groß, um sie mitzunehmen und zu Hause sind sie in der Regel nicht nötig. Was wirklich helfen würde, wäre eine starke Infrastruktur aus öffentlichen Ladestationen. Hochleistungsladetechnik wie im Automobilsektor ist jedoch extrem kostspielig und ein revolutionärer Technologiesprung ist in den nächsten Jahren kaum zu erwarten – der Traum vom E-Bike-Supercharger wird also vorerst ein Traum bleiben.


Dieser Artikel ist aus E-MOUNTAINBIKE Ausgabe #016

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Words: Photos: Christoph Bayer