Das war’s – und (fast) nichts ist kaputt gegangen. Nach über 4.500 km ziehen wir Bilanz, wie sich das Riese & Müller Supercharger Rohloff HS 2019 und das Supercharger2 Rohloff HS 2020 im Pendel-Alltag geschlagen haben und auf welche Ausstattung man bei einem S-Pedelec achten sollte.

Eines ist klar: Beide Riese & Müller Supercharger hatten in unserem Dauertest kein leichtes Leben. Insgesamt zwei Jahre lang wurden sie bei Wind und Wetter gefahren, die Zuladung des GX bis zur Beladungsgrenze ausgereizt und auch die Streckenverhältnisse verlangten beiden Rädern alles ab. Im Stillstand verbrachten sie die meiste Zeit im Freien. Gewaschen wurden sie selten. Und hat es den Rädern irgendetwas ausgemacht? Nein. Nicht mal im Ansatz.

Nach insgesamt über 4.500 km und zwei Jahren Dauereinsatz ziehen wir unser Fazit zu den Riese & Müller Supercharger GX HS Rohloff und Supercharger2 HS Rohloff. Die beiden Räder ließen sich prima im direkten Vergleich testen, da die Teststrecke gleich blieb und die Grundausstattungen beider Räder ebenfalls identisch waren: S-Pedelecs, angetrieben von Bosch Performance Speed Line-Motoren, 1000-Wh-DualBattery-Bestückung und eine elektronische Rohloff-Schaltung mit 14 Gängen. Vorhang auf für den Showdown zweier Pendel-Experten!

Die Ausstattung des Riese & Müller Supercharger GX Rohloff HS im Dauereinsatz

S-Pedelec steht für Speed-Pedelec und bedeutet, dass besagte Bikes bis zu 45 km/h unterstützen. Das macht sich nicht nur am stärker wehenden Haupthaar bemerkbar, sondern bringt auch andere auffällige Änderungen mit sich. Beispielsweise ist bei einem S-Pedelec ein Rückspiegel und eine Hupe Pflicht. Darüber hinaus sind die Bremsen verkabelt, sodass die Rückleuchte anzeigt, wenn das E-Bike verzögert. Im Produktportfolio von Riese & Müller erkennt man S-Pedelecs immer an dem Zusatz HS im Modellnamen. Das von uns getestete Riese & Müller Supercharger GX Rohloff HS trägt neben dem HS für High-Speed das Kürzel GX im Produktnamen, das auf die geländeorientierte Ausstattung hinweist. So verfügt das Supercharger über Schwalbe Rock Razor-Reifen mit ausgeprägten Seitenstollen und feineren Stollen in der Mitte. Außerdem kommt es mit einem 760 mm breiten Lenker, Hörnern am Lenkerende und einem separaten Gepäckträger über dem Vorderreifen. Zudem verfügt unser Testmodell über ein abnehmbares Schloss und einen dezenten Fabric-Flaschenhalter samt Flasche am Steuerrohr. Wer auf seinen Touren oder dem täglichen Weg zur Arbeit auf Schotter und unwegsamen Gelände unterwegs ist, wird die GX-Ausstattung sehr schätzen. Wir waren von der Idee ebenfalls angetan, auch wenn sich uns ein paar Fragen in den Vordergrund gedrängt haben. Die erste Unstimmigkeit ist die Befestigung des Seitenspiegels am Lenker, die in Kombination mit den verbauten Lenkerhörnchen während unserer Testzeit einfach nicht halten wollte. Das zur Folge, dass wir bei einer Bodenwelle den Spiegel verloren haben und dieser zerbrochen ist. Natürlich bietet die GX-Ausstattung eine sagenhafte Optik und gerade bei schlechteren Witterungsbedingungen oder im Winter ein Plus an Sicherheit. Das große „Aber“ ist jedoch die rechtliche Lage.

Das Supercharger GX Rohloff HS 2019 im Detail

Riese & Müller Supercharger GX Rohloff HS | Bosch Performance CX/1000 Wh
100 mm (vorne) | 29,4 kg | 6.799€ | Hersteller-Website

Riese & Müller Supercharger GX Rohloff 2019

6.799 €

Ausstattung

Motor Bosch Performance CX 85 Nm
Akku Bosch 1000 Wh
Display Bosch Kiox
Federgabel SR Suntour Aion 100 mm
Sattelstütze Cane Creek Thudbuster ST
Bremsen Shimano Deore XT
Schaltung Rohloff E-14 Ganghub 500/14 1x14
Vorbau FSA Afterburner 90 mm
Lenker FSA Afterburner 760mm
Laufradsatz Rodi Tryp35 + Novatec/ QR 27,5"
Reifen Schwalbe Rock Razor

Technische Daten

Größe 46, 49, 53
Gewicht 29,4 kg
Zul. Gesamtgewicht 140 kg
Anhänger-Freigabe Nein
Ständeraufnahme Ja

Besonderheiten

Rohloff Riemenantrieb

Das Supercharger2 Rohloff HS 2020 im Detail

Riese & Müller Supercharger2 Rohloff HS | Bosch Performance Line CX (Gen4)/1000 Wh
100mm (vorne) | 29,6 kg | ab 8.049€ | Hersteller-Website

Riese & Müller Supercharger2 Rohloff HS

Ausstattung

Motor Bosch Performance CX (Gen4) 85 Nm
Akku Bosch PowerTube 1000 Wh
Display Bosch Kiox
Federgabel SR Suntour Aion 100 mm
Sattelstütze Cane Creek New Thudbuster ST
Bremsen Magura MT4 & MT5
Schaltung Rohloff E-14 1x14
Vorbau Humpert ergotec Barracuda Evo 90 mm
Lenker Humpert ergotec Ergo XXl
Laufradsatz Rodi tryp35 + Novatec/ Rohloff 27,5"
Reifen Schwalbe Super Moto-X

Technische Daten

Größe 46, 49, 53, 56
Gewicht 29,4 kg
Zul. Gesamtgewicht 140 kg
Anhänger-Freigabe Nein
Ständeraufnahme Ja

Besonderheiten

RX Connect Chip
Rohloff Riemenantrieb

Prekäre Rechtslage der S-Pedelecs am Beispiel des Riese & Müller Supercharger GX Rohloff HS 2019

Bei Offroad hört der Spaß für S-Pedelecs in Deutschland, wie auch den meisten anderen Ländern in der EU, leider auf, bevor er wirklich begonnen hat. Wer denkt, dass man legal mit seinem neuen 45 km/h S-Pedelec abseits der Straßen fahren kann, der sei an dieser Stelle aufgeklärt: Es ist illegal. Unsere deutsche Straßenverkehrsordnung sieht vor, dass S-Pedelecs nur auf öffentlichen Straßen unterwegs sein dürfen, nicht jedoch auf Radwegen, Feldwegen und auch nicht im Wald ohne Sondergenehmigung.

Keine Frage: S-Pedelecs wie das Riese & Müller Supercharger GX Rohloff HS sind ideale Fortbewegungsmittel für Berufspendler und würden – gerade in verkehrsgeplagten Städten wie Stuttgart – helfen, die Verkehrssituation zu entspannen. Doch der Gesetzgeber erschwert die Mobilitätswende. Eine in unseren Augen undurchdachte Regelung, schließlich verhindert das Gesetz, die ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Vorteile des Pendelns mit dem S-Pedelec zu nutzen. Denn: Eine wirkliche Infrastruktur für S-Pedelecs gibt es leider ebenfalls noch nicht in Deutschland. Und so hängt man im Berufsverkehr mit wenigen Stundenkilometern zwischen stinkenden Abgasen fest. Oder muss sich – wenn es fließt – von verständnislosen Autofahrern anhupen lassen, wenn man mit maximal 45 km/h dem Tempo innerorts von 50 km/h nicht Schritt halten kann. Anders sieht das beispielsweise die Schweiz, die S-Pedelecs auch auf Radwegen zulassen.

Die Austattungsdetails der beiden Modelle

Die elektronische Schaltung Rohloff E-14 am Riese & Müller Supercharger Rohloff HS

Bei der Rohloff E-14-Schaltung, die über einen Gates-Riemen statt über eine Kette angetrieben wird, scheiden sich die Geister – vor allem in Anbetracht des Mehrpreises von ca. 900 €. Unser größter Kritikpunkt ist die Schaltgeschwindigkeit. Wer die präzisen und knackigen Gangwechsel von Shimano-Schaltgruppen gewohnt ist, der fühlt sich mit der elektronischen Rohloff komplett abgehängt. Salvenartig schaltet das Nabengetriebe nur 3 Gänge auf einmal und muss sich dann von der ganzen Hektik erst einmal wieder erholen, bevor dann nach ungefähr einer Sekunde wieder drei Gangwechsel möglich sind. Solange man in der Ebene nur schaltet, um die perfekte Kadenz aufrechtzuerhalten, ist das kein Problem. Sobald sich aber vor einem eine unvorhergesehene Rampe aufbäumt, findet man sich ziemlich schnell stehend wieder. Denn die relativ langsamen Gangwechsel sorgen auch dafür, dass die Motorunterstützung kurzzeitig unterbrochen wird.

Außerdem scheint es so, als wären die Gangsprünge nicht an den Einsatzzweck E-Bike angepasst worden. Man müsste in der Ebene im fünften Gang starten und dann jeden zweiten Gang überspringen, um schnell unsere Reisegeschwindigkeit in Gang 13 oder 14 einnehmen zu können. Die Gangsprünge der mittleren Gänge sind in der Ebene definitiv zu klein. Sollte man von einem steilen Berg überrascht werden, kann die Rohloff allerdings einen ihrer Vorteile ausspielen: Sie kann ohne Probleme auch im Stehen schalten! Eine im ersten Augenblick unnötig wirkende Besonderheit, an die man sich so schnell gewöhnt, dass man sich bei der ersten Fahrt mit einer anderen Gangschaltung fragt, wie man ohne Schalten im Stehen jemals im Berufsverkehr und bei Stop-and-go zurechtgekommen ist. Eine weitere Funktion, an die man sich super schnell gewöhnt, ist das automatische Runterschalten, in einen vorher eingestellt Gang, sobald man stehen bleibt. Denn so startet man aus dem Stillstand immer im richtigen Gang. Der wohl größte Vorteil einer Rohloff-Schaltung ist die Wartungsarmut. Wir mussten nach weit über 4.000 km bei keinem Rad den Riemen nachspannen – bei einer herkömmlichen Fahrradkette hätte man bereits die Kette wechseln und warten bzw. ölen müssen. Demzufolge ist die Rohloff nach wie vor ein richtiges Arbeitstier, was sich dennoch über einen regelmäßigen Service freut.

MAGURA MT4 Sport vs. MT5/MT4-Kombination

Wo bei der Schaltung noch Diskussionsspielraum herrscht, ist die Meinung zur MAGURA MT4 mit Zweifingerbremshebel am 2019er Supercharger klar: eindeutig unterdimensioniert! Würde es sich nicht um ein überdurchschnittlich schweres E-Bike handeln, das entspannt auf 35 km/h beschleunigt, wäre die mangelnde Power und die mangelnde Standfestigkeit bei langen Abfahrten weniger problematisch. Da es hier um die Sicherheit im öffentlichen Straßenverkehr geht und das Bike auf ordentlich Geschwindigkeiten beschleunigen kann, können wir an der Stelle nur dringend zu einem Upgrade raten. Wer kilometerlange Abfahrten auf seinen täglichen Strecken bewältigen muss, der sollte zumindest am Vorderrad auf die Vierkolbenbremse MAGURA MT5 wechseln. Die Bremsbeläge haben bei unserem Test 26.000 Tiefenmeter und ganze 2.000 Kilometer gehalten.

Deutlich besser macht es hier der Nachfolger, das Supercharger2, das serienmäßig mit der Vierkolbenbremse MAGURA MT5 am Vorderrad ausgeliefert wird. Zwar üben wir an der MT5 die gleiche Kritik am Hebel und würden uns hier eine MAGURA HC-3-Variante wünschen, trotzdem beweist die Vierkolben-Version deutlich mehr Biss und Durchhaltevermögen bei langen Abfahrten. Sie wäre auch am Heck die bessere Variante.

Die richtige Beleuchtung am Supercharger – Busch & Müller LUMOTEC/Supernova M99 vs. Supernova M99 MINI PRO-45

Grundsätzlich ist das Supercharger HS ein set-and-forget-Rad, sprich einmal eingestellt, muss nichts mehr geändert werden, um im Alltag zurecht zu kommen. Gleiches gilt für die Lichtanlage von Busch & Müller und Supernova am Riese & Müller Supercharger GX. Für das alltägliche Pendeln in der Stadt und selbst im Wald ist die Beleuchtung ausreichend. Wer allerdings die Power des Supernova M99 MINI PRO-Frontlichts gewohnt ist, wird an dieser Stelle aufrüsten wollen. Das hat auch Riese & Müller auf dem Schirm gehabt und das Supercharger2 direkt mit dem Flaggschiff-Scheinwerfer von Supernova ausgerüstet. Gerade die Fernlichtfunktion an der Supernova M99 MINI PRO-45 ist ein echter Game Changer für das Pendeln im Dunkeln zwischen Straßenverkehr und unbeleuchteten Wegen. Weder Schnee noch Wind und Wetter konnten den Lampen etwas anhaben, sodass wir bis zum Schluss eine klare Sicht hatten.

Während 2019 noch eine Lichtanlage von Busch & Müller und Supernova verbaut wurde, …
…erhielt das Supercharger2 ein Upgrade auf das Supernova Flaggschiff M99 MINI PRO-45

Die Reifenwahl – Schwalbe Rock Razor oder Super Moto-X?

Wenn wir uns für einen Reifen für wechselnde Bodenbeläge und Witterungsbedingungen entscheiden müssten, dann wäre es der Schwalbe Rock Razor ADDIX Soft. Der Reifen vereint gute Roll- und Bremseigenschaften auf der Straße mit ausreichend Halt auf Schotter und feuchten Waldwegen. Und selbst im richtig nassen Gelände kommt man mit dem Rock Razor dank der ausgeprägten Seitenstollen immer noch sicher voran. Nach ca. 2.000 km auf der Straße wäre bei uns das erste Mal ein Wechsel am Hinterrad notwendig gewesen. Wer richtig auftrumpfen will, der kann sich entweder für die Super Gravity-Version des Rock Razor mit extra weicher Gummimischung und unzerstörbarer Karkasse entscheiden oder wechselt das Lager und so auf den Semi-Slick von Schwalbe, dem Super Moto-X für maximale Straßen-Performance.

Schwalbe Rock Razor in der linken…
…und Schwalbe Super Moto-X in der rechten Ecke

Wir hatten alle drei Reifen im Einsatz und sind buchstäblich am Schwalbe Rock Razor Evolution ADDIX Soft Super Gravity hängen geblieben. Klar: Die Abnutzung der Reifen ist wegen der weichen Gummimischung auf der Straße enorm. Dafür hat er uns mindestens einmal eine Nacht im Freien erspart, weil man aufgrund der bärenstarken Karkasse zur Not auch ein paar Kilometer mit einem Platten fahren kann, ohne dass man um seine Felgen fürchten muss. Außerdem bietet die griffige Gummimischung in Kombination mit dem Stollenprofil bei Schnee und Matsch viel Sicherheit.

Federgabel – SR Suntour AION

Während man bei einem E-Mountainbike penibel auf die Einstellung seiner Federgabel achten sollte, ist das Setup der Suntour AION am Supercharger vergleichsweise einfach. Wir haben unseren Luftdruck auf ca. 80 psi bei 85 kg Fahrergewicht gesetzt und nach Zuladung auf dem vorderen Gepäckträger leicht angepasst. Wir empfehlen, die Zugstufen-Dämpfung relativ schnell einzustellen (ca. 75 % von langsam bis schnell), damit die Gabel zügig auf Schlaglöcher und Bodenwellen reagieren kann. Die Druckstufendämpfung hatten wir über die gesamte Testdauer für das bestmögliche Ansprechverhalten immer voll geöffnet.

Motor/Batterie – Bosch Performance Line Speed oder Performance Line Speed Gen 4?

Bei dieser Frage muss man auf die Antwort nicht lange warten. Aber ein weltbewegendes Update war die neue Generation für uns nicht. Wer glaubt, dass er mit 1.000 Wh die Welt bereisen kann, der erfährt jetzt vielleicht einen kleinen Dämpfer. Aber wer muss schon die Welt erobern, wenn er nur 20 km ins Büro zurücklegen muss? In der Praxis hat sich gezeigt, dass unser Redakteur Valentin mit 1.000 Wh meist ca. 70 km weit gekommen ist – ohne, dass er sich anstrengen musste. Mit der vierten Generation Bosch Performance Line Speed im Supercharger2 ist er ungefähr 5–10 km weiter gekommen. Zur Veranschaulichung: Er konnte auf seiner Pendelstrecke mit 20 km und ca. 300 Höhenmetern pro Weg ca. 3 ½ bis 4 Mal auf höchster Unterstützungsstufe und ohne eine Schweißperle auf der Stirn hin und zurück fahren.

Im Winter hat sich die Kälte leicht bemerkbar gemacht, sodass wir im Schnitt rund 5–10 % mehr Akku verbraucht haben. In der Ebene findet man sich mit dem Bosch Performance Line Speed meistens bei ca. 36 Stundenkilometern ohne übermäßige Anstrengung wieder. Die vierte Generation des Performance Line Speed hat uns in der Ebene nur marginal schneller bewegt. Und wenn man ehrlich ist, dann ist das auch mehr als ausreichend. Wir haben uns im letzten Jahr selten danach gesehnt, zwingend mit 45 km/h unterwegs zu sein. Sobald man allerdings etwas stärker in die Pedale tritt, beschleunigen beide Bosch-Motoren bereitwillig auf die maximale Unterstützungsgeschwindigkeit. Bei dem ersten Anstieg ist der Geschwindigkeitsrausch jedoch vorbei und selbst bei größter Anstrengung sind Geschwindigkeiten über 38 km/h mit dem Bosch Performance Speed Line nicht mehr möglich. Selbst die neue Generation hat es bei Anstiegen selten über die 40 km/h geschafft. Beide Bosch Line Speed-Motoren haben über die gesamte Testdauer keine technischen Probleme gemacht und sind bis zum Ende wie am ersten Tag gelaufen. Einzig das Bosch-Logo am Motor hat sich bei beiden Modellen nach ein paar Monaten verabschiedet.

Die Feder-Sattelstütze

Grundsätzlich sind wir sehr von dem Komfort der Feder-Sattelstütze angetan! Gerade bei leichten Unebenheiten und selbst bei härteren Schlägen macht sich die Dämpfungseinheit in in der Stütze sehr nützlich und schont Gesäß und Rücken. Was wir allerdings bis zuletzt nicht in den Griff bekommen haben, ist der feste Sitz der Stütze im Rahmen, zumindest wenn man das vorgegebene Drehmoment beherzt. Denn dann sinkt die komplette Stütze innerhalb weniger Kilometer um einige Zentimeter ab. Das Problem hatten wir leider bei beiden Supercharger-Modellen und konnten es nur lösen, indem wir das angegebene Drehmoment in Kombination mit Montagepaste überschritten haben.

RX Connect

Ein Alleinstellungsmerkmal des Supercharger2 im Vergleich zum Vorgänger ist der verbaute RX Connect-Chip, der mit allen aktuellen Riese & Müller-Produkten ausgeliefert wird. Ab 40 € pro Jahr lässt sich das Rad bei einem Diebstahl nicht nur über GPS orten, sondern wird je nach gebuchtem Paket auch gleichwertig von Riese & Müller ersetzt. Außerdem lassen sich über den Chip Bewegungsalarme senden und persönliche Fahrcharakteristiken abrufen. Das Ganze funktioniert natürlich auch international mit Vollkasko und einem 24/7-Service.

Die Supercharger und ihr zulässiges Gesamtgewicht

Auch wenn das Supercharger den Eindruck eines Kreuzfahrtschiffs vermittelt, ist die maximale Zuladung eher die eines Ruderboots. Die Rechnung dazu ist simpel: 140 kg maximal zulässiges Gesamtgewicht abzüglich der 30 kg Eigengewicht des Rads und einem Fahrergewicht von 85 kg, wie es bei unserem Tester Valentin der Fall ist, lassen noch Platz für 25 kg Zuladung. Da der hintere Gepäckträger der Supercharger-Modelle auf 27,5 kg begrenzt ist, kann man in Valentins Fall von einer Punktlandung sprechen. Sobald sich allerdings das Fahrergewicht erhöht, oder man deutlich mehr als 25 kg zuladen möchte, sind die Grenzen des Rads erreicht. Allerdings muss man auch betonen, dass 25 kg in der Regel ein Wocheneinkauf oder das Gepäck für eine mehrtägige Tour darstellen können. Lediglich der optische Eindruck des Rads verspricht mehr als die letztliche Zuladung ermöglicht.

Das Riese & Müller Supercharger 2019 und Supercharger2 2020 im Dauereinsatz

Wie fährt sich das Riese & Müller Supercharger GX Rohloff HS? Jeder aus unserem Team, der im Laufe der Zeit auf dem S-Pedelec saß, hat sich sofort wohlgefühlt. Auch wenn das hohe Gewicht am Anfang etwas ungewohnt ist, verleiht der breite Lenker und die aufrechte Sitzposition ein hohes Maß an Sicherheit. Dabei ist die Lastverteilung auf Lenker und Sattel ausgewogen, sodass man immer genügend Grip am Vorderrad hat und man sich auf längeren Touren nicht über taube Extremitäten beklagen muss. Im beladenen Zustand fährt sich das Riese & Müller unverändert sicher und komfortabel – zumindest bei niedrigeren Geschwindigkeiten. In extremen Fahrsituationen und bei hohen Geschwindigkeiten ist es wichtig, stets genügend Druck auf dem Vorderrad zu haben. Denn andernfalls kann es sein, dass das Vorderrad ins Schlingern gerät. Sobald man etwas Gewicht auf das Vorderrad verlagert, wird das Rad wieder stabil. Im Gegensatz dazu ist unser Supercharger2 in der Straßenversion unterwegs und deshalb eine Rahmengröße kleiner. Durch den schmaleren Lenker und einem überarbeiteten Hauptrahmen fährt sich das neue Supercharger2 deutlich direkter und sportlicher. Durch die kleinere Rahmengröße hatten wir auch bei aufrechter Sitzposition immer genug Druck auf dem Vorderrad und so ein sehr stabiles Fahrverhalten.

In der Stadt muss das GX mit seinem breiten Lenker und den Stollenreifen seinem Semi-Slick-Kollegen den Vortritt gewähren. Zwar funktionieren die profilierten Reifen auch auf Asphalt bedenkenlos, der Nachteil durch die geringere Auflagefläche im Vergleich zu einem Semi-Slick-Reifen stehen allerdings nicht zur Diskussion. Auch der breitere Lenker kann im platzsparenden Stadtverkehr schwierig werden. Grundsätzlich ist das Supercharger GX ein geräumiges Rad, das sich vor allen Dingen auf langen Strecken und breiten Wegen wohlfühlt. In einer engen Stadt braucht es ein erfahrenes Händchen, damit man problemlos durch verwinkelte Gassen zirkelt. Hier hatte unser Supercharger2 mit Abstand die Nase. Voll beladen fahren sich beide Räder deutlich behäbiger, was anderes würde man bei 25 kg Zuladung ehrlicherweise auch nicht erwarten. Mit schweren Packtaschen und Zuladung auf dem vorderen Träger fährt sich das Supercharger GX nach wie vor sicher und lässt sich präzise steuern – nur eben etwas langsamer und bedachter als als im unbeladenen Zustand.

Auf Forststraßen klettert das Supercharger GX dennoch sicher und zuverlässig. An seine Grenze kommt es erst im steilen Gelände mit engen Spitzkehren. Abgesehen davon fühlt sich das Supercharger GX auf Forstwegen nach wie vor am wohlsten und dort macht ihm so schnell keiner was vor. Dank der griffigen Reifen, dem breiten Lenker und den Komfortelementen, wie der Federgabel und der dämpfenden Sattelstütze, kann man schier endlos durch die Wildnis fahren. In Kurven und bei steilen Abfahrten wird man jedoch schnell an das Gewicht des Rads erinnert, insbesondere wenn die gewohnten Geschwindigkeiten deutlich höher sind als auf einem regulären Pedelec. Sowohl in Kurven als auch in der Abfahrt sollte man sich langsam an hohe Geschwindigkeiten herantasten. Sobald man das Rad kennt, zeigt sich das Supercharger souverän und spaßig in Kurven und sicher auf steilen Abfahrten. Wir würden allerdings – wie beschrieben – auf eine standfestere Bremse wechseln. Das Supercharger2 konnte in der Serienausstattung mit den Schwalbe Moto-X-Reifen im Gelände nur wenig glänzen. Dafür hat es sich mit dem Upgrade auf die Rock Razor verwandelt und wurde so zum Schotterkurvenräuber 😉 Wer zwischen zwei Rahmengrößen steht, sollte sich Gedanken über den Einsatzzweck machen. Da unser Supercharger GX überwiegend für die Langstrecke gedacht war und wir auf unseren Strecken keine engen Hindernisse durchfahren mussten, konnten wir auf den Touren deutlich von der Laufruhe profitieren, die der längere Rahmen der größeren Rahmengröße mit sich brachte. Falls ihr aber viel durch die Stadt fahrt und euer Rad durch parkende Autos zirkeln müsst, empfehlen wir die kleinere Rahmengröße und damit ein wendiges Rad.

Fazit

Für ungefähr 7.200 € bekommt man bei Riese & Müller mit den Supercharger-Modellen das Rundumsorglos-Paket für Pendler und Kilometer-Veteranen. Die GX-Version ist besonders für Langstreckenfahrer und Forststraßen-Pendler durch den breiteren Lenker, die Hörner an den Griffenden und den zusätzlichen Front-Gepäckträger das Rad der Wahl. Was die erste Generation des Supercharger missen lässt, findet sich weitestgehend in der zweiten Evolutionsstufe, die mit der Vorstellung der neuen Bosch-Motoren-Generation lanciert wurde. Das aktuelle Supercharger2 ist ein rundes und modernes Konzept, das in der Straßenversion alle Häuserschluchten-Jäger begeistert und in der GX-Variante ein treuer Begleiter für alle Full-Time-Jobber und Weekend-Warrior darstellt.

Mehr Informationen findet ihr unter www.r-m.de

Tops

  • wartungsarm
  • sicheres Fahrgefühl
  • sehr zuverlässig

Flops

  • Rohloff-Schaltung gewöhnungsbedürftig und langsam
  • beschränkte Zuladung trotz vieler Möglichkeiten


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Words: Photos: Jonas Müssig, Philipp Schwab, Valentin Rühl