Rheuma und Gicht – das sind genau die Krankheiten, die man sich als aktiver Sportler am meisten wünscht. Dabei sollte reichlich Bewegung gerade diesen unsexy klingenden Diagnosen vorbeugen. „Pustekuchen“, sagt unser Kollege Patrick. Er ist mit beidem konfrontiert. Warum er heute schmerzfrei biken kann und so viel isst wie nie zuvor? Lest selbst!

DISCLAIMER: Wir sind beileibe keine Gesundheitsexperten, erst recht keine Ärtze und um Himmels willen keine Wunderheiler. Aber wir fahren sehr viel Rad, üben teils noch einige andere Sportarten aus, sind nicht mehr alle ganz so jung und haben auch einfach mal Pech – wie so viele. Wir plagen uns vermutlich mit denselben Verletzungen, Zipperlein und Krankheiten herum wie ihr. Genau darum wollen wir unsere Erfahrungen im Rahmen einer kleinen Serie mit euch teilen: Was ist passiert? Was wurde unternommen? Was war sinnlose Zeitverschwendung und was hat wirklich geholfen?

Nein, das wird keine Bergpredigt vom Ernährungsapostel! Wobei … Mit Bergen hat diese Story auch zu tun. Mit Bergen zum E-Mountainbiken und mit Bergen von Essen. Aber der Reihe nach. Wir schreiben das Jahr 2014 – Patrick ist gerade 38 Jahre alt geworden – und da ist zum ersten Mal dieser bohrende Schmerz in der rechten Schulter. Ohne Vorwarnung. Ohne Unfall. Ohne Grund? Mit Sicherheit nicht. Die wahre Ursache für diese Schmerzen, die ihn fortan fast ein Jahrzehnt lang begleiten sollten, kannte Patrick zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und als aktiver Sportler geht man automatisch davon aus, dass die Schmerzen, die von allein gekommen sind, auch von allein wieder weggehen. Doch weit gefehlt. Zur rechten Schulter gesellte sich nach ein paar Wochen die linke. Später stiegen auch Ellbogen und einzelne Finger in den Ring. Mal alles gleichzeitig, mal versetzt, mal stärker, mal weniger stark. Aber nie ganz weg. Seine Lieblingssportarten Badminton und Squash konnte Patrick schon Ende 2014 nicht mehr ausüben. Auch das Biken – damals noch klassisch analog – wurde mehr und mehr zum Krampf. Also erstmal ab zum Arzt, genauer gesagt: zum Orthopäden.

Der Röntgenbefund – unauffällig. Daher Blutabnahme: Der Harnsäurewert ist zu hoch. „Sie haben Gicht.” Der medizinische Fachausdruck dafür ist Hyperurikämie – klingt leider auch nicht cooler. Gicht – haben das nicht nur alte Menschen? Und Leute, die dem Alkohol zugeneigt sind? Das sind die ersten Fragen, die Patrick in den Sinn kommen. Und: Was jetzt? Der Doc beruhigt Patrick mit den Worten „Trinken Sie einfach weniger Alkohol und essen Sie weniger rotes Fleisch, dann wird das schon. Für den Anfang nehmen Sie noch was Entzündungshemmendes und ein Mittel namens Allopurinol. In zwei Wochen sehen wir uns wieder.” Aha.

Der Arzt hatte aber noch zwei weitere Tipps in petto: Patrick sollte sich purinarm ernähren. Purine stecken in jedem Lebensmittel, aber in stark unterschiedlicher Konzentration, und gelten gemeinhin als Auslöser für Gicht. Und ein wenig abspecken sollte Patrick auch. Der schlankeste war er zu der Zeit schon nicht mehr … war er eh nie 😉

Ein Leben lang Tabletten? No way!

Nach wenigen Tagen ließen die Schmerzen nach, die Kontrolluntersuchung nach zwei Wochen ergab: Harnwerte im Normbereich. Damit ist alles gesagt, ihr könnt hier aufhören zu lesen – wenn ihr es gut findet, ein Leben lang Tabletten nehmen zu müssen. Denn das war es, was der Orthopäde Patrick mit auf den Weg gab. Weiterhin aufpassen beim Essen, viel Bewegung und dazu die tägliche Dosis Allopurinol … Und das Thema war – zumindest für den Arzt – damit erledigt. Ein Leben lang Tabletten? Je länger Patrick darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass das nicht sein darf. Wie heißt es doch so schön: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung. Und bei Allopurinol werden im Beipackzettel so erstrebenswerte Dinge genannt wie Magen-Darm-Beschwerden mit Durchfall, Erbrechen und Übelkeit. In Einzelfällen können Blutbildveränderungen wie Leukopenie, Leukozytose, Granulozytose und Eosinophilie auftreten. Mit Hautreaktionen müsse man zu jedem Zeitpunkt der Therapie rechnen.

Da Patrick auf all das keine Lust hatte und mental nicht dazu bereit war, den Rest seines Lebens Medikamente zu nehmen, musste es anders gehen: kein Alkohol mehr, wenig Fleisch und ein besonderes Augenmerk auf die bösen Purine. Und tatsächlich stellte sich nach wenigen Wochen eine leichte Besserung ein. Genauso gab es aber Phasen, in denen es deutlich schlimmer war. Vor allem die Ellbogen schmerzten teils so sehr, dass Patrick kaum mehr arbeiten konnte … Schreibtischtäter halt. Der Harnsäurewert wurde unregelmäßig in großen Abständen gecheckt: immer leicht erhöht, aber nie dramatisch.

Immer mehr und stärkere Gelenkschmerzen: Doch keine Gicht?

Dramatischer wurden hingegen im Laufe der Zeit die Schmerzen, und das trotz der purinarmen Ernährung. Nicht nur, dass sich Patricks Schultern nunmehr fast durchgehend mit einem stechenden Schmerz meldeten, auch die Finger- und Zehengelenke bereiteten ihm zunehmend Beschwerden. Selbst die Sprunggelenke waren teilweise ohne erkennbaren Grund geschwollen und sehr unbeweglich. An regelmäßigen Sport war zu diesem Zeitpunkt – etwa Mitte 2016 – nicht mehr zu denken. Auch das Biken, das sonst immer noch gut funktioniert hatte, war nur mehr selten möglich. Auffällig war, dass die Schmerzen im Winter bzw. bei Kälte allgemein schlimmer waren als bei sommerlichen Temperaturen. So führte etwa auch Schwimmen im kalten Wasser im Sommer zu einer Verschlechterung, Saunagänge hingegen regelmäßig zu einer deutlichen Linderung.

Regelmäßige Saunagänge können bei Gelenkerkrankungen wie Rheuma zumindest vorübergehend Linderung bringen.

Ende 2020, nachdem Patrick gut vier Jahre lang ein ständiges Auf und Ab – bei Gewicht nur ein Auf – durchlebt hatte, suchte er erneut einen Arzt auf, diesmal einen Internisten mit Schwerpunkt Sportmedizin. Nach der Anamnese wurde wegen der ursprünglichen Diagnose Gicht erneut Blut abgenommen. Das Ergebnis: Der Harnsäurewert war absolut im Normbereich, von Gicht keine Spur. Aufgrund leicht geschwollener Fingergelenke äußerte der Doc erstmals den Verdacht auf rheumatoide Arthritis (RA). Zur Bestätigung wurde noch ein MRT der Hand durchgeführt, da die Hand quasi der Indikator für RA ist. Und damit stand die Diagnose fest: rheumatoide Arthritis. Rheuma also. Doch was ist das jetzt genau? Wikipedia schreibt hierzu: RA „ist eine langwierige, andauernde rheumatische Erkrankung und die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke, bei der es auch zur Beteiligung innerer Organe kommen kann.“ Definitiv alles andere als lustig.

Noch weniger lustig klangen jedoch die Therapieempfehlungen des Arztes. Akut erstmal Cortison, je nach Verlauf immer wieder mal. Und dazu, wenn nötig, ein Immunsuppressivum wie etwa Methotrexat, kurz MTX. Dass mit dieser Medikamentengruppe ganz und gar nicht zu spaßen ist, das sagt einem der erste Treffer bei Google. Die ebenfalls empfohlene Physiotherapie klingt in diesem Zusammenhang fast wie eine Wellnessbehandlung. Und da Patrick bereits intrafamiliär üble Erfahrungen mit MTX sammeln musste, war klar: Dieses Teufelszeug kommt für ihn nicht infrage! Wobei man hier nicht vergessen darf, dass es durchaus schwerwiegende Erkrankungen gibt, bei denen eine Behandlung mit Immunsuppressiva angezeigt ist.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung – Es muss auch anders gehen

In der Folgezeit hat Patrick sich umfassend zum Thema rheumatoide Arthritis informiert und ist dabei immer wieder auf den Zusammenhang mit Ernährung und Darmgesundheit gestoßen, beides offenbar wichtige Einflussfaktoren, insbesondere bei Autoimmunerkrankungen. Und da er bis dahin mit dem Abnehmen auch keine nennenswerten Fortschritte gemacht hatte, wollte Patrick der Ernährung eine Chance geben. Das vorrangige Ziel: Entzündungen im Körper weitgehend verhindern. Und das klappt laut zahlreicher Expertenmeinungen am besten mit einer überwiegend pflanzlichen Kost und dem Verzicht auf Weißmehl sowie hochverarbeitete Lebensmittel der NOVA-Klasse 4. Viele Nahrungsmittel enthalten zudem Arachidonsäure, die der Mensch zwar zum Leben braucht, die in hoher Dosierung jedoch ebenfalls entzündliche Prozesse auslösen kann. Wie so oft macht auch hier die Dosis das Gift. Nur ein Beispiel: Ein Croissant zählt zu den übelsten Arachidonsäurebomben überhaupt. Und Patrick liebt Croissants – wer nicht?

Bunt sollte es zugehen auf dem Teller. Und bei Autoimmunerkrankungen sollte weitgehend auf tierische Proteine verzichtet werden.

Ab sofort hieß es also: viel Obst und Gemüse, Vollkornmehl, Fisch, Nüsse, Samen und Kerne. Vor allem die letzten drei Dinge enthalten viel Eiweiß, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe – ein Fest für jeden Darm. Außerdem braucht es gesunde Öle, die reichlich Omega-3-Fettsäuren enthalten, wie etwa Leinöl, Fisch- und Algenöle. Was Patrick zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste: Einer seiner persönlich größten Krankmacher stand nach wie vor täglich und reichlich auf seinem Speiseplan. Milch! Aber dazu gleich mehr. Eine darmgesunde Ernährung kann sich bei vielen chronischen und autoimmunen Erkrankungen, wie etwa Neurodermitis, Schuppenflechte oder Colitis Ulcerosa, positiv auswirken.

Endlich wieder Biken – und Schlemmen

Die ersten Verbesserungen stellten sich schon nach wenigen Tagen ein, vor allem die Schulter- und Ellbogenschmerzen ließen spürbar nach. Grund genug für Patrick, sich wieder mit dem Thema Sport auseinanderzusetzen. Bei mittlerweile gut 20 Kilo mehr auf der Waage allerdings kein einfaches Unterfangen. Doch hier kam ihm der Zufall zu Hilfe. Bei einem Urlaub in Kärnten wurden geführte E-MTB-Touren und entsprechende Leih-Bikes angeboten. Doch zu diesem Zeitpunkt zählte Patrick noch zur „Ich bin noch nicht alt genug für ein E-Bike“-Fraktion. Dick genug war er allemal – und am Ende der Tour der einzige, der wegen eines leeren Akkus mit dem Guide das Bike tauschen musste :-D. Das packte ihn an seiner Sportlerrehre, und so führte ihn der erste Weg nach dem Urlaub zum lokalen Bikeshop, den er mit einem Specialized Turbo Levo Comp wieder verließ. Gleichzeitig schaffte Patrick sich ein Walking Pad an, um auch während seiner Bürotätigkeit in Bewegung zu bleiben. Heutzutage kommt so leicht ein 30-km-Spaziergang beim Arbeiten zustande. Besser kann man seine Bürozeiten kaum nutzen.

Das E-MTB hat Patrick wieder zurück auf die Trails und Freude in sein Leben gebracht.

Aber zurück zur Ernährung: Nach den ersten, recht schnellen Erfolgen stellte sich sowohl beim Gewicht als auch auf der Schmerzseite nach ein paar Monaten eine Stagnation ein. Die Schmerzen wurden zeitweise sogar wieder schlimmer. Wieder war es ein Zufall, der Patrick die Augen öffnete. Er machte zwei entscheidende Fehler: Er aß zu wenig, und er liebte Milchprodukte. Dass beides schlecht für ihn war, erfuhr er aus einem Podcast der „Ernährungs-Docs“. Immer, wenn Patrick besonders viel Käse gegessen oder Milch getrunken hatte, bekam er für ein paar Tage starke Schmerzen in den Fingern und den Ellbogen. Der Zusammenhang wurde ihm jedoch erst durch diesen Podcast klar. Tierische Proteine sind immer ein Auslöser für entzündliche Prozesse, bei Autoimmunerkrankungen also ein veritables Gift. Mit dem Verzicht auf Milchprodukte und dem Umstieg auf Ersatzprodukte aus Hafer und Soja verschwanden die Schmerzen dann fast restlos. Bleibt noch das Thema mit der Essensmenge. Weil Patrick ja abnehmen wollte, hielt er sich beim Essen sehr zurück. Den dafür nötigen eisernen Willen konnte er jedoch nicht immer aufbringen, was in regelrechten Heißhungerattacken und Fressorgien endete. Doch auch hier hatten die Ernährungs-Docs eine Lösung parat: Iss mehr, aber das Richtige! Mindestens 500 g Gemüse pro Tag, dazu reichlich Ballaststoffe in Form von Kernen und Samen. Auch Beeren haben eine nachgewiesene antientzündliche Wirkung und gehören auf jeden Speiseplan. Ebenso wie Ingwer, der nicht nur bei Erkältungen wahre Wunder bewirken kann, und Kurkuma, dessen antientzündliche Wirkung so manches Arzneimittel in den Schatten stellt. Wichtig dabei ist es, satt zu werden und das Gefühl zu haben, zufrieden zu sein. Und was viele heute immer noch nicht wissen: Nicht die klassische Sättigungsbeilage aus Kohlenhydraten – also Kartoffeln, Nudeln, Reis – macht satt, sondern das Eiweiß.

Mittlerweile ist Patrick auf eine rein pflanzliche Ernährung umgestiegen. Man könnte also sagen, er ist „aus Versehen“ Veganer geworden – zumindest die meiste Zeit. Das einzige, was er mit dieser Art der Ernährung nicht in ausreichendem Maße bekommt, ist Vitamin B12, das er daher supplementiert. Die Vorteile überwiegen für Patrick aber diesen Nachteil bei Weitem. Sowie auch den Nachteil, dass er bei jedem Grillabend mitleidige Blicke erntet ;-).

Und heute? Keine Medikamente, kaum noch Schmerzen

Nach mittlerweile gut 10 Jahren, in denen Patrick regelmäßig Gelenkschmerzen plagten, die ihn von vielen Aktivitäten abhielten, ist er heute die meiste Zeit nahezu schmerzfrei. Ganz ohne Medikamente. Ernährungssünden werden allerdings sofort bestraft: Fertigpizza, ein Stück fettiger Käse oder mal ein Glas Rotwein – schon hat er tagelang mit starken Gelenkschmerzen in den Fingern, Ellbogen und Schultern zu kämpfen. Daher gilt für ihn weiterhin: Iss viel, aber das Richtige! Ganz nebenbei hat er bis heute 32 kg abgenommen und fährt neben seinem E-MTB auch wieder ein analoges Mountainbike.


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Words: Patrick Gruber Photos: Julian Lemme