Mit dem AirRay E 12.0 erweitert R RAYMON ihr Portfolio um ein Light-E-Mountainbike. Statt auf immer mehr Akkukapazität und Motorpower setzt das Team auf das eigens entwickelte AIR DRIVE-Motorsystem und drückt so das Gewicht des Light-E-Mountainbikes unter die 20-kg-Marke. Geht das Konzept auf längeren Touren auf?

Das AirRay E 12.0 ist das neue Topmodell aus dem Hause R RAYMON, das mit dem Bike bewusst auf das Wattstunden- und Motorleistungs-Wettrüsten verzichtet. Das wichtigste Ziel: ein leichtes E-Mountainbike, das auch von leichteren Fahrern problemlos gehandhabt werden kann, sowohl beim Fahren als auch beim Beladen des Heckträgers oder beim Rangieren auf der engen Kellertreppe. Um das Gewichtsziel umzusetzen, ist Carbon das Material der Wahl für den schwarzen Rahmen mit goldenen Akzenten. Für den nötigen Komfort des 29”-Bikes auf Touren und für mehr Trailspaß sollen 150 mm Federweg vorn wie hinten sorgen.

R RAYMON AirRay E 12.0 | Yamaha AIR DRIVE/410 Wh | 150/150 mm (v/h)
19,44 kg in Größe M | 7.299 € | Hersteller-Website

Der Yamaha AIR DRIVE-Motor im R RAYMON AirRay E 12.0

Mit dem AIR DRIVE-Motorsystem greift R RAYMON ein spannendes Motorkonzept auf und setzt ganz bewusst einen Gegenpol zur neuesten E-Mountainbike-Generation mit immer größeren und schwereren Akkus. Der AIR DRIVE basiert auf dem Yamaha PW-X2-Motor und wird im Topmodell AirRay E 12.0 mit einem kompakten und leichten 410-Wh-Akku kombiniert, der sich problemlos auch außerhalb des Bikes laden lässt. Für ein natürlicheres Fahrgefühl wird das maximale Drehmoment des PW-X2-Motors von 80 Nm auf 50 Nm reduziert und soll mit eigens angepasster Software vor allem Tourenfahrer ansprechen, die ohnehin nicht in der stärksten Unterstützungsstufe unterwegs sind. Wie beim Orbea Rise, das auf ein vergleichbares Motorkonzept setzt, können sportliche Fahrer ähnliche Reichweiten erzielen wie auf einem Allround-E-Mountainbike mit etwa 600 Wh Kapazität. Auf Wunsch verbaut der R RAYMON-Händler auch einen etwas schwereren und größeren Akku mit 500 Wh Kapazität. Genaue Angaben über die Reichweite des neuen AirRay E können wir euch aber nicht geben. Dafür hängt sie von zu vielen Faktoren wie Gewicht, Temperatur, Terrain und Co. ab. Mehr Infos darüber findet ihr in unserem Artikel Wie weit komme ich mit einer Akkuladung? Die Wahrheit über Labortests.

Mit dem AirRay E 12.0 unterbietet R RAYMON die 20-kg-Marke. Möglich macht das unter anderem der speziell für R RAYMON angepasste AIR DRIVE-Motor. Mit dem zukunftsweisenden Konzept beweist R RAYMON, dass ein kleiner Akku in Kombination mit weniger Unterstützungskraft sogar eine höhere Reichweite bieten kann.

Teil des AIR DRIVE ist Yamahas neues Interface X-Cockpit mit einer minimalistischen Daumenremote und einem super kompakten LED-Display am Vorbau. Es ist mit gängigen Displays von SIGMA und Garmin kompatibel. Die Darstellung auf dem optionalen altbackenen SIGMA EOX View-Schwarz-Weiß-Display kann aber nicht überzeugen.
Das Yamaha Interface X wurde erst Anfang September 2021 in Kombination mit dem neuen, deutlich leichteren und kompakteren PW-X3-Motor vorgestellt, der beim R RAYMON AirRay E 12.0 jedoch nicht zum Einsatz kommt. Mit der neuesten Motorengeneration ließe sich die Geometrie – allen voran die Kettenstrebenlänge – besser für den Traileinsatz gestalten.

Die Ausstattung des R RAYMON AirRay E 12.0

R RAYMON setzt für das AirRay E 12.0 nicht nur bei Rahmen und Akku bewusst auf ein geringes Gewicht, sondern hat auch die Ausstattung des 7.299 € teuren E-Mountainbikes entsprechend gewählt. An der Front liefert eine RockShox Pike Ultimate 150 mm Federweg und am Heck holt der Deluxe Ultimate-Dämpfer 150 mm aus dem Carbon-Hinterbau. Das AirRay rollt auf sehr leichten, 29” großen Race Face Turbine SL-Laufrädern, auf die der leichte, aber auch sehr pannenanfällige Continental Mountain King in 2,3” Breite aufgezogen ist. Mit den Bremsen treibt R RAYMON den Leichtbau unnötigerweise auf die Spitze und setzt an unserem Test-Bike auf eine MAGURA MT Trail-Bremse mit Vierkolbensattel vorne und schwachem Zweikolbensattel am Heck. Vorne geht die Bremskraft in Kombination mit der 200 mm großen Scheibe in Ordnung. Die Kombination am Heck mit 180-mm-Scheibe und Zweikolbensattel wird auf Schotterabfahrten allerdings schnell zu heiß und hat für den Traileinsatz ohnehin zu wenig Bremspower. Auch die in Serie verbaute Formula Cura kommt am Heck ebenfalls mit Zweikolbensattel und 180-mm-Scheibe – schade. Im 440 mm langen Sitzrohr (Größe M) steckt eine hauseigene Variostütze, die mit 125 mm Hub zu wenig Verstellbereich bietet. Geschaltet werden die 12 Gänge mit der leichten Shimano XTR-Topgruppe, die mit den 50 Nm Drehmoment des AIR DRIVE leichtes Spiel hat. Am Race Face-Carboncockpit sind weiche Silikongriffe montiert: Sie werden hauptsächlich an Cross-Country-Race-Bikes verbaut und müssen sauber mit dem Lenker verklebt werden. An unserem Test-Bike haben sie sich ständig verdreht und liefern obendrein ohne Handschuhe kaum Grip.

R Raymon AirRay E 12.0

7.299 €

Ausstattung

Motor Yamaha AIR DRIVE 50 Nm
Akku Multi Location Battery 410 Wh
Display Yamaha Interface X
Federgabel Rock Shox Pike Ultimate 150 mm
Dämpfer Rock Shox Deluxe Ultimate 150 mm
Sattelstütze R RAYMON Pro 100 - 150 mm
Bremsen MAGURA MT Trail 200/180 mm
Schaltung Shimano XTR 1x12
Vorbau Race Face Turbine R 40 mm
Lenker Race Face Next R 780 mm
Laufradsatz Race Face Turbine SL 29"
Reifen Continental Mountain King Protection 2,3"

Technische Daten

Größe S M L XL
Gewicht 19,44 kg
Zul. Gesamtgewicht 120 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 100 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein

So nicht! Der Zweikolbenbremssattel ist in Kombination mit der kleinen 180-mm-Scheibe selbst für ein leichtes E-Mountainbike zu schwach und überhitzt auf längeren Abfahrten.
Die Shimano XTR 12-fach-Schaltung hat leichtes Spiel mit den 50 Nm Drehmoment des Motors und arbeitet knackig und präzise.
Mit lediglich 125 mm Hub schränkt die Sattelstütze die Bewegungsfreiheit ein.
Am Heck sorgt ein RockShox Deluxe Ultimate für 150 mm Federweg.
Der flach profilierte Mountain King ist nicht nur auf rutschigen Naturtrails ein Problem …
… in harten Anliegerkurven walkt er auf der zu schmalen Felge und hüpft im schlimmsten Fall aus dem Felgenbett.
Die Silikongriffe verdrehen sich, sobald es auf dem Trail zur Sache geht.

Alle weiteren R RAYMON AirRay-E-Modelle und ihre Verfügbarkeit

Das Spitzenmodell AirRay E 12.0 setzt auf besonders leichte Komponenten und den kleinsten Akku in der Modellpalette. Das 6.499 € teure R RAYMON AirRay E 11.0 kommt hingegen mit größerem, aber auch schwererem 500-Wh-Akku und setzt statt auf RockShox auf ein DT Swiss-Fahrwerk. Den Einstieg in die AirRay-Familie macht das 5.499 € teure AirRay 10.0, das sich mit 500-Wh-Akku und sehr einfachem Fahrwerk vor allem an Tourenfahrer richtet. Alle neuen Modelle sollen Anfang 2022 im Handel verfügbar sein.

Das R RAYMON AirRay E 12.0 im Detail

Die Integration des AIR DRIVE-Motorsystems stand bei der Entwicklung des AirRay offenbar an oberster Stelle. Sowohl der 500-Wh- als auch der 410-Wh-Akku findet im Unterrohr des AirRay E Platz und wird von einem klapperfreien Cover verdeckt. Auch der nach oben verdreht eingebaute Motor wird zum großen Teil von einem Cover verdeckt und so auch vor Schlägen und Aufsetzern an der Unterseite geschützt. Der Ladeport an der Sattelstütze lässt sich problemlos erreichen und auch der Geschwindigkeitssensor ist pannensicher ins Ausfallende integriert und wird mit einem Magnet an der Bremsscheibe kombiniert.

Aufschrauben und hochschieben: Die Bedienung des Akkucovers ist nicht intuitiv und erfordert eine Eingewöhnung. Dafür sitzt das Cover klapperfrei am Unterrohr.
Ein massives Cover schützt den AIR DRIVE-Motor vor Beschädigungen.
Der Magnet des Geschwindigkeitssensors ist in die Bremsscheibe integriert.
Das Ladecover ist unauffällig, aber funktionell.

Die Zugführung am Rahmen ist durchdacht und läuft auch am Übergang zwischen Hauptrahmen und Hinterbau klapperfrei und gut gesichert. Für herkömmliche Trinkflaschen samt Halter liefert der Hauptrahmen zu wenig Platz zwischen Dämpfer und Unterrohr. Lediglich die ganz kleine FIDLOCK TWIST 450 soll laut R RAYMON bei allen Rahmengrößen passen. Auf einen Lenkeinschlagsbegrenzer verzichtet R RAYMON – zumindest am Vorserien-Bike –, wodurch die Dropper-Remote und der Shifter am Oberrohr anschlagen. Vor allem bei einem Crash kann hier ein größerer Schaden entstehen.

Das R RAYMON AirRay E 12.0 im ersten Test

Wir hatten bereits exklusiv die Möglichkeit, eines der ersten AirRay E 12.0 für euch zu testen. Im Vergleich zum Standard Yamaha PW-X2-Motor gibt sich der AIR DRIVE vor allem beim ersten Kontakt mit dem Pedal zivilisierter. Auch er reagiert unmittelbar auf den Druck am Pedal mit einem leichten Zucken, prescht aber nicht so stürmisch und unkontrollierbar vor wie der PW-X2. Akustisch ist der AIR DRIVE mit reduzierter Leistung leiser unterwegs, denn das kernige Surren unter Volllast des PW-X2 fällt bei reduzierter Leistung weg.

Geht es mit dem AirRay E 12.0 bergauf, erfordert das Motorsystem eine vorausschauende Fahrweise, denn einen zu schweren Gang kann der Motor mit seinen 50 Nm nicht ausgleichen. Hier heißt es rechtzeitig schalten. Auf richtig steilen Trails fehlt es ihm an Motorpower und Grip, um Hindernisse bergauf zu bezwingen. Stattdessen fühlt sich das AirRay E vor allem auf Wald- und Schotterwegen zu Hause und kann hier mit den meisten Allround-E-Mountainbikes der Bosch-Liga mithalten. Beim Beschleunigen aus Kehren zeigt sich der Vorteil der leichten Reifen- und Laufrad-Kombination, die den Druck am Pedal richtig spritzig in Vortrieb umwandeln.

Geht es bergab, gibt sich das R RAYMON mit seinen 19,44 kg im ersten Moment leicht, wendig und spritzig. Doch der erste Eindruck täuscht, obwohl durch den kurzen Akku wenig Last auf der Front liegt. Wegen der Form des Motors sind die Kettenstreben mit 475 mm sehr lang, wodurch das AirRay E auf dem Trail Agilität und Fahrspaß einbüßt. Obwohl die Front leicht ist, lässt sich das Vorderrad aufgrund der langen Kettenstreben nur schwer vom Boden abheben. Sobald es auf natürlichen Trails und Pfaden steiler wird, schiebt das lange Heck des R RAYMON seine Fahrer weit über die Front. Durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit (125 mm Stützenhub) lässt sich die Fahrposition auch nur schwer korrigieren. Auch Bremsen und Reifen trüben den Fahrspaß, sobald die Geschwindigkeiten höher oder die Trails härter werden. Auf weichem oder nassem Boden liefern Profil und Gummimischung des Continental Mountain King zu wenig Grip und in harten Anliegern walken sie auf der schmalen Felge zu sehr. Damit ist klar: Das R RAYMON AirRay E 12.0 ist nicht für maximale Trailperformance geschaffen und kommt dort aus seiner Komfortzone. Vielmehr will es auf Touren und in gemäßigtem Terrain zu Hause sein.

Mit dem AirRay E 12.0 steigt R RAYMON als erster Hersteller mit einem Yamaha-Motor in das Light-E-Mountainbike-Segment ein. Das Konzept um den AIR DRIVE-Motor mit leichtem Akku ist sehr spannend, ließe sich mit der neuen und kompakteren Yamaha-PW-X3-Motorengeneration jedoch vor allem in Bezug auf Agilität und Trailhandling deutlich besser umsetzen. Wer ein Bike für den harten Traileinsatz sucht, wird woanders besser fündig. Stattdessen eignet sich das R RAYMON AirRay E 12.0 eher für längere Touren auf Wald- und Wiesenwegen, sowie entspanntem Fahren auf Trails und überzeugt in der Handhabung abseits des Sattels.

Mehr Infos unter: r-raymon-bikes.com


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Words: Robin Schmitt Photos: Peter Walker

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.