Mit einem Tiefeinsteiger-Vergleichstest hatten vermutlich nur wenige unserer Leser gerechnet. Doch es steht fest: Offroad-Tiefeinsteiger besitzen ein riesiges Potenzial, das von vielen noch unterschätzt wird. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse aus unserem ersten Offroad-Tiefeinsteiger-Vergleichstest für euch zusammengefasst.

Einen Überblick über diesen Vergleichstest erhaltet ihr hier: Der beste Offroad-Tiefeinsteiger 2020

1. Vorurteile Adieu – Hallo Vorteile

Zugegeben: bei diesem visionären Vergleichstest ging es nicht nur darum, eine Übersicht über den Markt an vielseitig einsetzbaren Tiefeinsteigern zu erschaffen, sondern vor allem auch darum, Horizonte zu erweitern und die Möglichkeiten dieser neuen Bike-Gattung auszuloten. Jeder E-Mountainbiker der ersten Stunde weiß, wie sinnlos Vorurteile sind. Und das sind sie auch beim Thema Offroad-Tiefeinsteiger. Wie damals, als E-Mountainbikes noch – sagen wir mal – kritisch beäugt wurden und nicht State of the Art waren, wussten nur diejenigen, die E-MTBs ausprobiert hatten, wie geil das elektrifizierte Mountainbiken sein kann. Offroad-Tiefeinsteiger können mehr als man vermuten würde und bieten nicht nur ein neues Fahrgefühl, sondern vor allem neue Möglichkeiten des gemeinsamen Fahrens und Erlebens. Selbst schuld, wer sich von Vorurteilen abschrecken lässt und tolle Momente mit Freunden, Bekannten und Familie verpasst.

Offroad-Tiefeinsteiger bieten nicht nur verdammt viel Komfort, sondern können auch einiges: Dank neuer Technologien und ausgeklügelter Konstruktionen bieten einige Tiefeinsteiger wie das BULLS E-STREAM EVO 1 WAVE 27,5+ eine Performance, die E-MTB-Hardtails in so gut wie nichts nachsteht. Oben ohne fahren kann so befreiend sein!

Das erkennt auch die Industrie, zumindest teilweise – Firmen wie CENTURION, Moustache, Riese & Müller, INFRONT oder BULLS haben den Trend Offroad-Tiefeinsteiger voll erkannt, andere hingegen hegen starke Vorbehalte. So herrscht in einigen Entwicklungsabteilungen der Bike-Industrie Uneinigkeit, ob man sich als Marke in diese Richtung entwickeln will. Wir sagen – ja, tut es! Offroad-Tiefeinsteiger sind verdammt spannend und echte Ingenieur-Meisterleistung, bei der es sehr viel zu beachten gibt!

2. Oben ohne – Tiefeinsteiger-Rahmen als Meisterleistung, aber mit Limit

Einige der Bikes im Testfeld basieren auf City- und Trekking-Bikes, an die grobstollig profilierte Reifen montiert wurden. Andere wurden von Grund auf für den Offroad-Einsatz konstruiert. Entsprechend verwundert es auch nicht, dass viele Bikes noch nicht perfekt sind und in unterschiedlichen Einsatzbereichen klare Schwachstellen offenbaren. Knackpunkt ist hierbei meist das fehlende Glied, nämlich das nicht vorhandene Oberrohr. Um die notwendige Verwindungssteifigkeit zu erreichen, bedarf es einer sehr durchdachten Konstruktion und Produktionsqualität. Eine große Herausforderung ist dabei die Integration des Akkus. Für einen internen, herausnehmbaren Akku bedarf es einer großen Öffnung im Unterrohr, die für eine zusätzliche Schwächung sorgt. Und da das Unterrohr das einzige Bindeglied zwischen Vorder- und Hinterrad ist, ist eine stabile Konstruktion essenziell. Weitere Herausforderungen sind die Zuladung auf dem Heckträger, die die Lastverteilung verändert und die Balance des Bikes massiv beeinflusst, sowie die erhöhte Belastung aller Komponenten beim Offroad-Einsatz. Als ein Bike der Kategorie 3 ist einzig das BULLS E-STREAM EVO 1 WAVE 27,5+ klassifiziert und damit vom Hersteller für kleinere Sprünge bis 61 cm Höhe freigegeben. Die meisten anderen Bikes sind nur für Trekking- oder leichten Geländeeinsatz – z. B. auf Forststraßen und Pfaden – ohne Sprünge freigegeben.

3. Jeder Tiefeinsteiger profitiert von MTB-Technologie

Auch wenn man nur urban mit einem Tiefeinsteiger unterwegs ist, moderne E-MTB-Technologie hilft jedem, sicherer und komfortabler ans Ziel zu kommen.

Sattelstütze: Eine vom Lenker aus höhenverstellbare Teleskopsattelstütze erleichtert nicht nur den Auf- und Abstieg, sondern kann je nach Modell auch den Komfort erhöhen: Am CENTURION E-Fire Country F3500 und am KETTLER QUADRIGA TOWN & COUNTRY COMP C2 kommen Kombi-Teleskopsattelstützen mit integrierter Federung zum Einsatz und funktionieren hervorragend.

Federgabel: Eine aufs Fahrergewicht einstellbare Federgabel ist super wichtig, egal ob an der Bordsteinkante oder auf dem Trail. Im Testfeld gab es hier leider große Unterschiede, manche Federgabeln waren schlichtweg unbrauchbar. Hier würden wir uns in Zukunft hochwertigere Gabeln wie eine RockShox Pike oder FOX 34 erhoffen.

Reifen: Gut profilierte Reifen mit entsprechendem Volumen erhöhen den Komfort und können in Asphalt- sowie Schotterkurven einen Unterschied machen. Wenn man ausschließlich urban unterwegs ist, dann kann man natürlich auch einen großvolumigen Straßenreifen wie den Schwalbe Super Moto-X am HNF-NICOLAI UD3 in Betracht ziehen. Unser klarer Favorit im gesamten Testfeld ist der Schwalbe Rock Razor am Riese & Müller Homage GT. Er ist das Rundum-Sorglos-Paket, mit dem ihr für jeden Untergrund bestens gerüstet seid.

Motor: Progressive Unterstützungsmodi, wie der Bosch eMTB-Modus oder der Shimano-Trail-Mode, machen auch am Tiefeinsteiger Sinn, da sie in der Regel super dosierbar sind und man weniger schalten muss: Set and forget!

Bremsen: Viele Bremsen im Vergleichstest sind zu schwach und unterdimensioniert. Standhafte E-Mountainbike-Bremsen, die kraftvoll und leicht zu dosieren sind, finden sich leider nur selten bis gar nicht. Bei Bike-Gewichten von bis zu 34 kg ist eine schwache MAGURA MT4-Bremse mit 180-mm-Bremsscheibe einfach zu wenig, eine SRAM CODE wäre hier beispielsweise deutlich besser für lange Abfahrten oder Fahrten mit Zuladung.

Ergonomische Anbauteile: Sie versprechen viel Komfort, bringen in der Realität aber nur etwas, wenn sie tatsächlich individuell abgestimmt sind. INFRONT bietet beim IF-4 Wave eine Vermessung der Kontaktpunkte an, um die richtigen Dimensionen bei Sattel und Griffen zu wählen.

Wie immer ist es jedoch wichtig zu erwähnen, dass ein profilierter Reifen und ein breiter Lenker einen schlechten Offroad-Tiefeinsteiger noch lange nicht automatisch zu einem guten machen. Denn das gesamte Bike muss in Sachen Handling und Ausstattung seinem Einsatzzweck gerecht werden. Dazu gehört auch eine sinnvolle Vollausstattung für den Alltag.

4. Irgendwo muss die Weinkiste ja hin

Der beste Gepäckträger bringt nichts, wenn das Bike nicht dafür ausgelegt ist. Oder anders gesagt: Die Zusatzausstattung muss zum Bike passen. Dabei ist es wichtig, dass die Anbauteile ideal aufeinander abgestimmt sind – leider ist das bei einigen Modellen nicht der Fall. Wie wichtig es ist, einen spurstabilen Tiefeinsteiger zu konstruieren, haben wir oben bereits erklärt. Eine noch größere Herausforderung ist es, einen Tiefeinsteiger zu konstruieren, der bei Zuladung am Heck noch sicher fahrbar bleibt. Viele Gepäckträger erlauben eine Zuladung von bis zu 25 kg. Unser Test mit 11 kg Beladung auf den Heckträgern hat jedoch bereits gezeigt, dass manche Bikes sich aufschaukeln können und dann sehr schwammig, schwer kontrollierbar und unberechenbar im Handling werden. Das Corratec Life CX 6X Connect und Kalkhoff Entice 5.B Excite waren hier die Negativ-Beispiele, positiv hervorgestochen sind das CENTURION mit seinem semi-integrierten Akku und das Riese & Müller Homage GT.

5. Es geht nicht nur um helle Leuchten

Auch Licht ist nicht gleich Licht. Hier gibt es große Unterschiede in Sachen Ausleuchtung und Leuchtkegel. Die beste Ausleuchtung hat das Riese & Müller Homage GT mit seiner Supernova M99 MINI PRO-25-Lampe, die in 50 Meter Entfernung noch für eine klare Weitsicht sorgt. Sie verfügt sogar über ein abblendbares Fernlicht. Auch die Supernova MINI 2 PRO am HNF-NICOLAI ist hervorragend. CENTURION, Moustache und INFRONT bieten akzeptable Lampen, bei allen anderen leidet der nächtliche Durchblick deutlich. Die Position der Lampen selbst ist auch entscheidend: Sitzen die Frontleuchten zu tief, hinter Kabeln, fix am Steuerrohr oder nah am Schutzblech, dann entstehen unnötige Schatten oder Kurven werden nicht ausgeleuchtet. Besonders im Straßenverkehr ist eine hoch positionierte Rückleuchte, die nicht von einer Satteltasche oder Schutzblechen verdeckt wird, wichtig.

6. Diät für Offroad-Tiefeinsteiger?

Wer sein Bike über Hindernisse heben, zum Abstellen in den Keller tragen oder auf den Heckträger am Auto verladen möchte, kennt die Problematik: E-Bikes können richtig schwer sein – in unserem Testfeld über 30 kg. Fehlt einem eine einfach zugängliche Garage oder ein sicherer Abstellraum, hat man es mit diesen Bikes im Alltag schwer. Klar kann man die Batterie entnehmen, um das Gewicht zum Verladen zu drücken – aber anstrengend bleibt es dennoch. Interessant: Beim Handling sind die Gewichtsverteilung und weitere Faktoren deutlich einflussreicher als das Gewicht selbst: Das Kalkhoff Entice 5.B Excite ist mit 24,8 kg zwar alles andere als leicht, doch in der Praxis fährt es sich ausgesprochen leichtfüßig!

7. Der Motor spielt eine untergeordnete Rolle

Auch dieser Vergleichstest hat gezeigt, dass der Motor nur so gut sein kann, wie das Bike, in dem er steckt. Es gibt zwar einige deutlich spürbare Unterschiede zwischen den einzelnen Modellen im Test, aber alle erledigen ihren Job gut, mit zwei Ausnahmen: der BAFANG M500 im FANTIC ISSIMO sowie der Bosch Performance Line mit 65 Nm im Moustache Samedi 27 Off 2 Open. In beiden Fällen ist es jedoch nicht der Motor, sondern die Kombination aus Motor und Übersetzungsbandbreite der Schaltung, welche die Bikes in ihren Uphill-Ambitionen limitieren. Der „alte“ Bosch Performance CX im Riese & Müller Homage GT Rohloff GX kann natürlich nicht mit dem neuen Bosch Performance CX mithalten, doch gibt es wichtigere Punkte als den Motor, weshalb man sich für oder gegen ein bestimmtes Bike entscheiden sollte.

8. Komfort – eine Frage der Balance

Das Problem vieler Hardtails ist – wie der Name schon sagt – dass das Hinterteil hart ist. Ist eine gute Federgabel verbaut, federt die Front meist komfortabel, während Stöße am Heck eher ungefiltert durchkommen. Einige Hersteller verbauen an ihren Offroad-Tiefeinsteigern gefederte Sattelstützen oder gar gefederte Teleskopsattelstützen, um diese Dysbalance auszugleichen. Auch großvolumige Reifen können den Komfort spürbar erhöhen. Ein wahres Highlight: der vollgefederte Tiefeinsteiger von Riese & Müller. Fullys haben ein echtes Zukunftspotenzial, weil sie einerseits den Komfort, andererseits die Fahrsicherheit deutlich erhöhen können. Beim Riese & Müller Homage GT ist der Gepäckträger Teil der gefederten Masse, was die Ladung schützt und für deutlich mehr Fahrstabilität sorgt. Der Durchstieg ist minimal höher als bei anderen Bikes, aber nach wie vor akzeptabel.

Hand aufs Herz: Irgendwie wussten unsere Omis damals schon, dass Tiefeinsteiger eine wunderbare Erfindung sind. Während sie für die Konstrukteure eine komplexe und fordernde Entwicklungsarbeit bedeuten, erhöhen sie für viele Fahrer den Komfort, die Usability und Fahrsicherheit enorm. Ob als Urban-Bikes oder Bikes fürs leichte Gelände. Gleichzeitig nehmen Tiefeinsteiger vielen Neulingen und körperlich eingeschränkten Fahrern die Einstiegshürden. Als E-MOUNTAINBIKE Magazin lieben wir es nicht nur, neue Trends auszuloten, sondern auch mehr Menschen aufs Bike zu bringen – ganz besonders natürlich unsere Freunde, Familie und Verwandten, die sich bislang nicht aufs E-MTB getraut haben oder es nicht konnten. Offroad-Tiefeinsteiger mögen nicht für jeden etwas sein, aber für jeden gibt es mittlerweile ein geeignetes Bike! Happy life!


Diese und viele weitere spannende Erkenntnisse stammen von dem größten Offroad-Tiefeinsteiger Test in der Geschichte von E-MOUNTAINBIKE. Wenn ihr wissen wollt, welches aktuell der beste Offroad-Tiefeinsteiger ist und worauf es wirklich ankommt, dann schaut hier vorbei.

Alle Bikes im Test:
BULLS E-STREAM EVO 1 WAVE 27,5CENTURION E-Fire Country F3500Corratec Life CX 6X ConnectFANTIC ISSIMOHNF-NICOLAI UD3INFRONT IF-4 WaveKalkhoff Entice 5.B ExciteKETTLER QUADRIGA TOWN & COUNTRY COMPMoustache Samedi 27 Off 2 OpenRiese & Müller Homage GT Rohloff GX


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Words: Robin Schmitt Photos: Jonas Müssig, Philipp Schwab, Robin Schmitt

Über den Autor

Robin Schmitt

Robin ist einer der zwei Verlagsgründer und Visionär mit Macher-Genen. Während er jetzt – im strammen Arbeitsalltag – jede freie Sekunde auf dem Bike genießt, war er früher bei Enduro-Rennen und ein paar Downhill-Weltcups erfolgreich auf Sekundenjagd. Nebenbei praktiziert er Kung-Fu und Zen-Meditation, spielt Cello oder mit seinem Hund (der eigentlich seiner Freundin gehört!), bereist fremde Länder und testet noch immer zahlreiche Bikes selbst. Progressive Ideen, neue Projekte und große Herausforderungen – Robin liebt es, Potenziale zu entdecken und Trends auf den Grund zu gehen.