Norco hat’s spannend gemacht: Das neue Light-E-MTB Fluid VLT wurde schon letztes Jahr vorgestellt, aber fahrfertige Bikes? Fehlanzeige. Jetzt haben wir endlich eins der ersten Test-Bikes, und die Eckdaten sind vielversprechend: Bosch SX-Motor, Mullet-Bereifung und 140/130 (v/h) mm Federweg. Aber ist das Bike satte 12.999 € (und das lange Warten) wert?
Norco ist vergleichsweise spät ins E-Bike-Business eingestiegen – dafür direkt mit sehr performanten Bikes und sportlicher Auslegung. Das ist nicht zuletzt der Marke selbst geschuldet. Norco ist eine sehr etablierte Mountainbike-Core-Marke und stammt aus dem kanadischen British Columbia, dem Bike-Mekka schlechthin. Dort pflegt Norco eine lange Tradition, und die Wurzeln reichen tief ins Bike-Business. Da müssen natürlich auch die E-Bikes Schritt halten. Das neue Norco Fluid VLT – den Beinamen in Skelettschrift für Volt tragen übrigens alle E-Bikes von Norco – ist das erste „light“ E-Mountainbike von Norco mit dem Bosch SX-Motor. Wir haben das Bike in der teuersten C1 130-Variante zum Testen erhalten. So kommt das Bike mit 140/130 mm Federweg und gemischten Laufradgrößen (29” vorn, 27,5” hinten) auf nur 18,1 kg. Um das Vollcarbon-Bike mit einigen Carbon-Anbauteilen euer Eigen nennen zu dürfen, müsst ihr aber auch saftige 12.999 € über die Händlertheke schieben.
Das Norco Fluid VLT im Detail
Das E-Mountainbike mit Bosch SX-Motor steht schlank und geradlinig da. Kein High-Pivot-Hinterbau oder ausgefallene Umlenkungen, wie sie zuletzt beim analogen Optic oder Sight von Norco zu sehen waren. Das straighte Design mit dem schwarzen Sichtcarbon-Rahmen sorgt für einen dezenten Auftritt. Die Formen fließen – wie der Name schon sagt – von E-Bike zu Analog und werden nur sehr zurückhaltend von Logos verziert.
Am Unterrohr bietet das Bike Platz für einen Flaschenhalter oder alternativ den Bosch PowerMore Range-Extender mit 250 Wh. Dazu darf sich am Oberrohr ein Pannenset am Tool-Mount gesellen. Geschützt wird der Sichtcarbon-Rahmen am Unterrohr von zwei dicken Kunststoff-Patches: einer unten, bündig mit dem Motor-Unterfahrschutz, und einer weiter oben als Shuttle Guard, wenn man das Bike auf der Ladefläche eines Pickups transportieren möchte. Letzteres ist beinahe schon Pflicht bei US-Bikes. Auch die Kettenstrebe wird von einem weichen Kunststoff geschützt, der aber leider schon früh endet und nicht auch noch die Sitzstreben mit abdeckt. Hier müsst ihr selbst mit Slapper Tape nachhelfen, sonst gibt’s fiese Macken. Nicht nur von hier kommt Klappern während der Fahrt. Auch die Leitungen, die – seitlich in den Rahmen statt trendgemäß durchs Steuerrohr verlegt – im Unterrohr schlackern, tragen zur unangenehmen Geräuschkulisse während der Fahrt bei. Die Kabelports am Rahmen sorgen hingegen für eine einfachere Wartbarkeit, und das Cockpit sieht ebenfalls clean aus.
Die Ausstattung des Norco Fluid VLT C1 130
Das Norco Fluid VLT C1 130 wird von einem Bosch Performance Line SX-Motor befeuert. Dieser schiebt – solange der 400-Wh-Akku reicht – mit 60 Nm kräftig an und gibt bis zu 600 W Leistung ab. Das entspricht dem Vollgas-Motor Bosch CX und ist für einen leichten E-Motor eine ganz schöne Hausnummer. Dafür müsst ihr allerdings auch ziemlich engagiert in die Pedale treten, denn die maximale Leistung bringt der Motor nur bei sehr hoher Trittfrequenz. Die kleine Bluetooth-Remote am Lenker und der Bosch System Controller im Oberrohr passen zur sportlichen Ausrichtung des Bikes und unterstützen die aufgeräumte Optik mit nur drei Leitungen am Lenker. Passend dazu ist die kabellose SRAM XX AXS Transmission-Schaltgruppe, die direkt am Rahmen montiert ist und für präzise Schaltvorgänge sorgt — auch unter Last. Die SRAM Level Ultimate Stealth-Bremsen sind hingegen ein wenig zu schwach. Auf dem Trail verzögern sie auffallend schlecht und erfordern eine Menge Fingerkraft. Die kleinen 180-mm-Bremsscheiben vorne und hinten sind da nicht gerade förderlich.
Als Fahrwerk am Norco kommen RockShox-Komponenten zum Einsatz. Die Pike Ultimate-Federgabel und der Deluxe Ultimate-Dämpfer verwalten – entgegen der restlichen Fluid VLT-Modelle mit 150/140 mm – nur 140/130 mm Federweg (v/h). Die Gabel kommt mit breiten Setup-Möglichkeiten, während der Dämpfer ohne Piggyback auch bei der Einstellbarkeit etwas zu wünschen übrig lässt.
Für reichlich Bewegungsfreiheit auf den Bergab-Passagen sorgt die OneUp Dropper V3 Vario-Sattelstütze mit stolzen 210 mm Hub. Diese lässt sich komplett im Rahmen versenken und kommt ab Größe 4 zum Einsatz. Dafür lohnt es sich, die kabel-behaftete Betätigung in Kauf zu nehmen. Ebenfalls von OneUp Components kommt der 800 mm breite Lenker, der einen angenehmen Flex bietet. Um das Gewicht des Top-Modells so niedrig wie möglich zu halten, hat Norco zu Synthesis Carbon Enduro-Laufrädern von Crankbrothers gegriffen. So kommt man auf nur 18,1 fahrfertige Kilos in Rahmengröße 4. Bereift sind die Felgen mit selten verbauten Continental Kryptotal vorn und Xynotal hinten. Beide Reifen sind 2,4” breit und kommen in der Trail-Ausführung daher; also mit harter Endurance-Gummimischung und dünner Trail-Karkasse, aber passend zur Federwegskategorie des Bikes. Dennoch würden weichere Gummis mit robusterer Karkasse vor allem bei nassen Bedingungen für eine bessere Trail-Performance sorgen. Durch die leichten Anbauteile sinkt zwar das Gewicht, aber der Preis steigt auf saftige 12.999 € an.
Norco Fluid VLT C1 130
12.999 €
Ausstattung
Motor Bosch Performance Line SX 55 Nm
Akku Bosch CompactTube 400 Wh
Display Bosch System Controller
Federgabel RockShox Pike Ultimate 140 mm
Dämpfer RockShox Deluxe Ultimate 130 mm
Sattelstütze OneUp Dropper V3 210 mm
Bremsen SRAM Level Ultimate Stealth 180/180 mm
Schaltung SRAM XX AXS Eagle Transmission 1x12
Vorbau Norco SL 40 mm
Lenker One Up Carbon 800 mm
Laufradsatz Crankbrothers Synthesis Carbon Enduro 29"/27,5"
Reifen Continental Kryptotal FR Trail/ Continental Xynotal Trail 2,4"/2,4"
Technische Daten
Größe S1 S2 S3 S4 S5
Gewicht 18,1 kg
Zul. Gesamtgewicht 138 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 119 kg
Anhänger-Freigabe nein
Ständeraufnahme nein
Besonderheiten
Tool Mount
Unterschiedliche Ausstattungsvarianten des Norco Fluid VLT
Das Norco Fluid VLT ist in den drei Modellen C1, C2 und C3 erhältlich. Alle Bikes verfügen über 140 mm Federweg — lediglich unser Test-Bike C1 130 kommt mit 10 mm weniger Federweg vorn und hinten. Das Einstiegsmodell C3 140 ist bereits für 6.499 €, und das mittlere Modell C2 140 für 7.999 € verfügbar. Der größte Unterschied der beiden Modelle zeigt sich im Rahmenmaterial: Der Hinterbau besteht hier aus Aluminium, während beim teuren Modell C3 der komplette Rahmen aus Carbon gefertigt ist. So variiert auch das Gewicht der Modelle vom schwersten C3 mit 20,3 kg übers C2 mit 19,9 kg bis hin zum C1 140 mit 19,3 kg.
Wer den Fokus nicht aufs Gewicht legt und – zumindest angesichts der Ausstattung – mehr Abfahrts-Performance sucht, ist wohl mit dem Norco Fluid VLT C1 140 für 10.499 € am besten beraten. Das Bike ist mit reinem FOX Performance Elite-Fahrwerk ausgestattet: Die FOX 36 Performance Elite verwaltet 150 mm Federweg an der Front und bietet eine breite Einstellbarkeit. Ebenso der FOX Float X2-Dämpfer, der über 140 mm am Heck verfügt. Mit Piggyback und breitem Einstellbereich richtet er sich an sportliche Fahrer, die auch lange Abfahrten mit gleichbleibender Hinterbau-Performance bestreiten wollen. Im Vergleich zu unserem Test-Bike ist das C1 140 auch mit standhaften SRAM CODE-Bremsen mit 200-mm-Scheiben ausgestattet und daher unser Tipp für sportliche, abfahrtsorientierte Fahrer.
Das C2 140-Modell mischt beim Fahrwerk eine RockShox Lyrik-Federgabel mit einem FOX Float X2 Performance Elite-Dämpfer. Für das Bike mit Fahrwerks-Mix werden 7.999 € fällig. Top: die sehr gute kabellose Schalt-Performance der SRAM GX Transmission-Schaltgruppe.
Beim Einstiegsmodell C3 140 setzt Norco auf ein komplettes RockShox-Fahrwerk mit begrenzten Einstellmöglichkeiten und auf einen günstigen Shimano DEORE-Antrieb. Selten gesehene TRP-Bremsen sorgen für die Verzögerung, und es werden 6.499 € fürs C3 fällig.
Das Ride Aligned-Konzept von Norco
Für MTB-Neulinge oder Einstellungs-Muffel hat sich Norco etwas einfallen lassen: Der Ride Aligned-Konfigurator nimmt euch beim Fahrwerks-Setup an die Hand. So wird die erste Ausfahrt auf dem Norco keine Probe-Runde mit Pi-mal-Daumen-Drücken in Dämpfer, Gabel und Reifen, sondern es kann direkt ernst werden. Dafür wählt man auf der Homepage sein Bike aus und gibt seine Daten wie Größe, Gewicht und Fahrposition an; schon spuckt einem die Seite ein sehr gutes und treffendes Grund-Setup für Dämpfer, Gabel, Reifendruck und Lenker-Breite sowie -Höhe aus. Wir haben uns penibel daran gehalten und können attestieren: Unsere persönliche Einstellung wäre kaum davon abgewichen.
Die Geometrie des Norco Fluid VLT
Das Norco Fluid VLT ist in 5 Rahmengrößen erhältlich und soll damit Piloten von 155–195 cm Körpergröße abdecken. Der Geometrieunterschied zwischen den Modellen mit 140 mm Federweg am Heck und unserem Test-Bike mit 130 mm hinten fällt beim Lenk- und Sitzwinkel um ein halbes Grad flacher aus – zugunsten der Bikes mit mehr Hub. Am Test-Bike C1 130 sind es 65° Lenkwinkel und 77,75° Sitzwinkel in Größe 4. Ideal für sehr kleine oder sehr große Fahrer sind die mitwachsenden Kettenstreben ab Größe 2 mit 432 mm Länge bis zu 444 mm in Größe 5. Die Schritte sind jeweils 4 mm groß und sollen für ein optimales Fahrverhalten und eine ausgeglichene Balance in jeder Größe sorgen. Die übrigen Werte des Bikes fallen eher lang und flach für ein Rad in der Federwegsklasse 140/130 mm aus.
Größe | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
---|---|---|---|---|---|
Oberrohr | 568 mm | 592 mm | 617 mm | 641 mm | 665 mm |
Sattelrohr | 385 mm | 395 mm | 415 mm | 445 mm | 475 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 110 mm | 120 mm | 130 mm | 140 mm |
Lenkwinkel | 65° | 65° | 65° | 65° | 65° |
Sitzwinkel | 76,5° | 76,8° | 77° | 77,3° | 77,5° |
Kettenstrebe | 432 mm | 432 mm | 436 mm | 440 mm | 444 mm |
Tretlagerabsenkung | 31,5 mm | 31,5 mm | 31,5 mm | 31,5 mm | 31,5 mm |
Radstand | 1.177 mm | 1.206 mm | 1.239 mm | 1.273 mm | 1.306mm |
Reach | 427 mm | 452 mm | 477 mm | 502 mm | 527 mm |
Stack | 607 mm | 616 mm | 625 mm | 634 mm | 643 mm |
Das Norco Fluid VLT auf dem Trail
Seht ihr das Norco Fluid VLT im Händler-Schaufenster, macht es erst mal einen besonders langen Eindruck. Mit einem Radstand von 1273 mm wäre es im letzten Trail-Bike-Vergleichstest unseres Schwestermagazins ENDURO auf Platz 4 von 15 bezogen auf die Länge der Bikes gelandet. Setzt man sich jedoch drauf und lässt die 210 mm lange Sattelstütze ausfahren, relativiert sich der erste optische Eindruck schnell wieder. Durch den steilen Sitzwinkel kommt man dem Lenker wieder komfortabel nah und sitzt nicht gedrängt, sondern schön ausgewogen und geräumig auf dem E-Bike. So reicht der Komfort auch für lange Tagestouren und man sitzt stets aufrecht und entspannt. Passend zu langen Touren: Ein Trinkflaschenhalter für 750-ml-Flaschen und ein Tool-Mount unterm Oberrohr fürs Pannenset finden sich im Rahmen. Gestaltet sich der Uphill sehr steil oder technisch, braucht der Bosch Performance Line SX-Motor eine hohe Kadenz – schiebt dann aber für einen Light-Motor richtig kraftvoll an. So kraftvoll, dass man schon etwas Gewicht über den Vorbau bringen muss, um das Vorderrad am Boden zu halten und weiter steuern zu können.
Begibt man sich in die Abfahrt, fühlt man sich auf dem Norco gut ausgeglichen und ausbalanciert zwischen Front und Heck. Gepaart mit einem tiefen Stand und dem langen Radstand verleiht das Bike auf Anhieb ein hohes Sicherheitsgefühl. Das lässt nach hohen Geschwindigkeiten und rauem Untergrund gieren – aber Achtung: Das Fahrwerk stößt dann an seine Grenzen und beschränkt den wilden Ritt durch den geringen Federweg. Schade, denn man spürt deutlich wie das Bike mehr will. Für den Fall, dass auch ihr regelmäßig anspruchsvolle Trails heimsucht, würden wir euch zum potenteren Modell mit 140 mm Federweg am Heck und 150 mm vorn raten. Hierbei sollte das Verhältnis aus Laufruhe und Federwegsreserven wieder ausgeglichen sein.
In unserem Test mit dem Fluid VLT C1 130 war es auf sehr roughen Trails am besten abzuziehen, um die fiesesten Passagen zu gappen als stumpf draufzuhalten. Dabei unterstützen euch das poppige Fahrwerk und das geringe Bike-Gewicht. Egal, ob um Hindernissen auszuweichen oder einfach Airtime zu sammeln: Das Norco Fluid VLT C1 geht willig in die Luft. Riecht es dann im Tal unangenehm verbrannt, liegt das an den viel zu kleinen 180-mm-Bremsscheiben und den SRAM Level Ultimate-Bremsen. Diese brauchen viel Handkraft und verzögern dann immer noch sehr mau. Auf flowigen Singletrails sind die Dimensionen gerade so ausreichend, und das Bike lässt sich dank des progressiven Fahrwerk durch Pushen und Ziehen über Wellen gut auf Tempo bringen. Die Rechnung geht auch in Anliegern sehr gut auf; lediglich in Kurven ohne Gegenhalt braucht die Front etwas Nachdruck – oder einen Vorderreifen mit weicher Gummimischung –, um mit dem Norco stets auf Spur zu bleiben.
Für wen ist das Norco Fluid VLT das richtige Bike?
Das Norco Fluid VLT C1 ist ein sehr gutes Trail-E-Mountainbike, das allerdings mehr Sicherheit vermittelt als das Fahrwerk halten kann. Daher eignet es sich eher für erfahrene Piloten, die Speed suchen, dabei aber noch flink genug reagieren können, um große Features zu umschiffen — egal ob durch Airtime oder kraftintensive Ausweichmanöver. Die Ausstattung begrenzt den Einsatzbereich und drosselt das sonst sehr schnelle Bike etwas.
Das Fazit zum neuen Orbea Rise 2025
Das Norco Fluid VLT C1 130 ist ein geradliniges E-befeuertes Trail-Bike mit geringem Gewicht und gutmütigem Fahrverhalten. Es verleitet zu einer potenteren Fahrweise, als es der Federweg erahnen lässt, stößt dadurch aber auch bald an seine Grenzen. Den hohen Preis von 12.999 € bezahlt man vor allem für die Gewichtsvorteile – wer mehr Bike (auch in Sachen Gewicht) will, dem sei zum Norco Fluid C1 140 mit mehr Federweg und abfahrtslastigerer Ausrichtung geraten.
Tops
- ausgewogenes Fahrverhalten
- sehr laufurig für den Federweg
- Ride Aligned-Guide gibt gutes Setup
Flops
- auf einfachen Trails etwas unterfordert
- kurze Sattelstütze
Mehr Infos unter norco.com
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Words: Julian Schwede Photos: Peter Walker