Das Niner RLT e9 RDO startet als E-Gravel-Bike in den Trekking-E-Bike-Vergleichstest. Durch das anpassbare Taschenkonzept und dem kraftvollen Bosch-Motor soll es sich in einen Mehrzweck-Abenteurer verwandeln, mit dem sich auch entspannte Trekking-Touren bestreiten lassen. Wir haben es für euch getestet.
Das E-Bike ist Teil unseres großen Trekking-E-Bike Vergleichstest. Hier findet ihr eine Übersicht über das Testfeld und alle wichtigen Informationen zur neuen Generation von Trekking-E-Bikes.
Das Niner RLT e9 RDO im Test – Das E-Gravel-Bike im Trekking-Einsatz
Gravel-Biking und Trekking sind nicht grundverschieden, sie teilen sich oft dasselbe Revier: lange Schotterstrecken mit Abstechern auf unbefestigte Wege und Ausflüge mit Gepäck. Nur die Erholung wird auf ihnen anders ausgelebt. Während man beim Trekking oft entspannt und komfortabel dahingleitet, geben Gravel-Biker gerne richtig Gas. Das Niner RLT e9 RDO soll sich durch den starken Bosch Performance CX-Motor, den Rennradlenker und die Gravel-Geometrie für beides eignen. Wir haben das 6.299 € teure und 17,55 kg leichte E-Gravel-Bike getestet, um herauszufinden, wo Trekking aufhört und Graveln anfängt. Auf dem Niner nimmt man in einer sehr sportlichen Sitzposition Platz. Der hohe Sattel, die niedrige Front, der kompakte Rahmen und der lange Vorbau sorgen für einen weit nach vorne gebeugten Oberkörper mit viel Last auf den Händen. Durch die Griffposition auf dem Oberlenker kann man den Oberkörper zur Entspannung aufrichten, dann gibt man aber die bremsbereite Position im Rennradlenker auf. Außerdem ist das Handling auf dem Oberlenker noch fordernder als auf den Hoods oder im Unterlenker. Im Vergleich zu den anderen Bikes im Test reagiert das Niner extrem sensibel auf Lenkbefehle und verzeiht durch seinen schmalen Grenzbereich auch kaum Fahrfehler. Erfahren Biker können aus dem direkten Fahrverhalten auf befestigten Strecken Fahrspaß gewinnen, indem sie sich durch den starken Bosch-Motor an die 25-km/h-Grenze katapultieren lassen und mit hohen Geschwindigkeiten in Kurven lehnen. Fahranfänger ohne Rennlenker-Erfahrung haben auf dem Niner besonders abseits befestigter Wege keinen Spaß.
Niner RLT e9 RDO
6.299 €
Ausstattung
Motor Bosch Performance Line CX 85 Nm
Akku Bosch PowerTube 500 Wh
Display Bosch Purion
Federgabel Niner RDO Carbon - mm
Dämpfer - - mm
Sattelstütze Niner Carbon - mm
Bremsen Shimano GRX400 180/180 mm
Schaltung Shimano GRX 600/SLX 1x11
Vorbau Niner Alloy mm
Lenker Easton EA50 AX 460 mm
Laufradsatz Stans Notubes Arch D 28"
Reifen Schwalbe G-One Speed Performance 2"
Technische Daten
Größe 50 53 56 59
Gewicht 17,55 kg
Zul. Gesamtgewicht 120 kg
Max. Gewicht Fahrer/Equipment 102 kg
Besonderheiten
Rahmentaschen-Set
So fährt sich das Niner RLT e9 RDO auf der Tour
Das Handling des E-Gravel-Bikes verlangt viel Aufmerksamkeit, sodass man auf schlecht befestigten Wegen nie zu lange den Blick von der Fahrbahn nehmen sollte. Durch die weit nach vorne gebeugte Haltung leidet die Rundumsicht im Vergleich zu den anderen Bikes im Testfeld stark. Wenn man es nicht gewohnt ist, wie ein Rennradfahrer unter den Armen den Blick nach hinten zu werfen, sollte man sich mit dem Niner nur sehr umsichtig im Straßenverkehr bewegen und vor Kreuzungen genug Zeit für einen Schulterblick einplanen. Dabei sollte auch der lange Bremsweg des RLT e9 RDO berücksichtigt werden. Die fast profillosen Schwalbe G-One Speed-Reifen rollen mühelos und schnell auf asphaltierten Radwegen und gut befestigten Forststraßen. Auf losem, nassem oder weichem Untergrund, auf denen gerade Trekking-Biker häufig unterwegs sind, sind sie nicht die richtige Wahl. Die Pneus haben wenig Bremstraktion und können auf losem Untergrund nicht sauber die Spur halten. Die gut dosierbaren Shimano GRX 400-Bremsen können dieses Manko nicht ausbügeln. Sie bieten zwar trotz Zweikolbenbauweise und kleinen 180-mm-Bremsscheiben durch Shimanos ICE-TECH-Technologie selbst auf langen Abfahrten oder mit Gepäck noch genug Standfestigkeit. Durch die Reifen kann die Bremskraft jedoch je nach Untergrund nicht effektiv auf den Boden übertragen werden – schade. Von Gepäck und Zuladung am Heck zeigt sich das Niner unbeeindruckt – selbst dann, wenn es wie unser Bierkasten mit hohem Schwerpunkt ungünstig positioniert ist.
Hardcore-Trekking – Der Fahrkomfort des Niner RLT e9 RDO
Für Komfort-orientierte Biker hat das Niner RLT e9 RDO nur wenig anzubieten. Bereits der Aufstieg ist durch die hohe Überstandshöhe und den feststehenden hohen Sattel erschwert. Durch die sportlich nach vorne gebeugte Sitzposition lastet viel Druck auf den Handballen und die Brust- und Schultermuskeln müssen mitarbeiten, um den Oberkörper zu stabilisieren. Während gut trainierte Biker diese Position komfortabel selbst auf langen Touren halten können, ist sie für ungeübte und Rennlenker-Unerfahrene weniger tourentauglich. Das Niner kommt ohne Federgabel und Dämpfer aus, die Reifen und die abgestimmte Nachgiebigkeit aus Komponenten und Carbon-Rahmen sind die einzigen dämpfenden Elemente. Um mit den E-Mountainbikes und Trekking-E-Bikes im Test mitzuhalten, reicht das nicht aus. Sogar kleinste Vibrationen werden vom Niner an den Fahrer weitergereicht. Bordsteinkanten und Schlaglöcher sollte man mit sauberer Fahrtechnik überspringen oder umfahren. Wer das nicht macht, wird durchgeschüttelt. Durch das geringe Gewicht von 17,55 kg ist das Niner RLT e9 RDO beim Verladen, Abstellen und in den Keller Tragen leicht zu handhaben.
Das Niner RLT e9 RDO holt sich den Titel des schnellsten Trekking-E-Bikes. Für den klassischen Trekking-Einsatz ist es aber zu sportlich und das Handling zu fordernd.“
Das puristische Trekking-Bike – Die Ausstattung des Niner RLT e9 RDO
Das Bosch Purion-Display kann nur die Basis-Motordaten anzeigen. Will man den Trekking-Ausflug aufzeichnen, unterwegs navigieren oder andere Connectivity-Funktionen nutzen, ohne das Smartphone zu zücken, führt kein Weg an einem externen Navigationsgerät vorbei. Ein einfaches Upgrade des Purion-Displays zu einem Bordcomputer wie dem Nyon-Display ist nicht möglich. Auch die Alltagsausstattung fällt minimalistisch aus. Fahrradständer oder Lichtanlage besitzt das Niner RLT e9 RDO nicht. Für Schutzbleche sind Anschraubmöglichkeiten vorhanden, sie werden aber nicht direkt von Niner angeboten. Gepäck transportiert ihr mit dem Niner am besten im sehr schicken Set an Custom-Made Rahmentaschen, die Niner für alle Rahmengrößen anbietet. Sie sind auf das Bike abgestimmt und wasserdicht. Das clevere Taschenkonzept braucht das Niner allerdings auch. Denn beim Beladen des Frontgepäckträgers mit 13 kg Freigabe und des Heckträgers mit 18 kg Freigabe müsst ihr kreativ werden. Der Grund: Klassische Packtaschen passen nicht sauber auf den Heckträger. Die obere Schiene des Heckträgers fällt sehr kurz aus und das untere Ende der Taschen reibt am Lack an den Sitzstreben. Zudem sind viele gängige Packtaschen viel zu groß für das Bike und kommen euch beim Pedalieren in die Quere. Am besten gelingt die Beladung mithilfe von Gurten und Spanngummis. Mehr Tipps und Tricks zum Beladen von Gravel-Bikes findet ihr im Crashkurs Bikepacking bei unserem Schwestermagazin GRAN FONDO.
Tuning-Tipp: kürzeren Vorbau für eine entspanntere Sitzposition
Das Niner RLT e9 RDO im Detail
Das Niner ist mit seiner eleganten Linienführung, der markanten Optik, dem grünen Metallic-Lack und den zahlreichen Rahmendetails ein wahrer Hingucker und stiehlt vielen
Bikes im Test die Show. Das schlechte Kabelmanagement vor dem Cockpit trübt diesen Eindruck etwas und sorgt leider dafür, dass der Lack am Steuerrohr abgerieben wird. Will man zwei Trinkflaschen im Rahmendreieck unterbringen, sollte man auf dem Unterrohr einen Sideload-Käfig verwenden, um mit der Flasche an der Rahmentasche vorbeizukommen. Für weitere Halterungen kann man stattdessen auch auf die vielen Anschraubpunkte an der Carbon-Gabel ausweichen. Ansonsten fügt sich das Custom-Taschenset erstklassig in die Optik des Niner ein und kaschiert sogar das überproportional große Unterrohr, in dem der 500-Wh-Akku sitzt. Der Bosch-Motor beschleunigt das Niner im Turbo-Modus mit brachialer Power. Für eine bessere Kraftentfaltung und einfachere Dosierung fehlt dem Niner der progressive eMTB-Modus, stattdessen ist noch der lineare Sport-Modus installiert. Hier kann der Bosch-Händler per Software-Update weiterhelfen.
Auf zu neuen Ufern! Das Niner RLT e9 RDO versprüht Abenteuerlust und Tatendrang. Es will mit erfahrenen Globetrottern auf die Reise gehen, statt immer nur denselben Wochenendausflug zu wiederholen.“
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Unser Fazit zum Niner RLT e9 RDO
Das Niner RLT e9 RDO bietet zu wenig Reisekomfort und zu wenig Fahrsicherheit, um als Trekking-Allrounder zu punkten. Einsteiger und Rennlenker-Unerfahrene kann das fordernde Handling schnell überfordern und durch das eingeschränkte Ausstattungspaket ist das Niner besser für ein Bikepacking-Abenteuer als für Trekking-Trips geeignet. In unserem Trekking-E-Bike-Vergleichstest fristet es daher nur ein Nischendasein für Fahrkönner. Ihnen wird das direkte Handling und das hohe Reisetempo Fahrspaß auf befestigten Wegen bereiten.
Tops
- schnell und sportlich
- zahlreiche Montageoptionen für Rahmentaschen, Schutzbleche, Gepäckträger und Trinkflaschen
Flops
- forderndes Handling
- mangelnder Fahrkomfort
- keine Connectivity
- schlechte Alltagsausstattung
Mehr Informationen findet ihr auf der Hersteller-Website
Der Test des Niner RLT e9 RDO ist Teil unseres großen E-Bike Vergleichstests „Das beste Trekking-E-Bike 2021 – 8 moderne E-Bikes für Touren im direkten Vergleich“. Wir haben 4 verschiedene Konzepte und 8 Bikes verglichen und sagen euch, worauf es ankommt und welches das beste E-Bike für den Trekking-Einsatz ist!
Alle Bikes im Test
CENTURION Country R2600i | FLYER Goroc3 6.50 | Greyp T5.2 | Kalkhoff Entice 5.B Advanced + | MERIDA eONE-FORTY EQ | Niner RLT e9 RDO | Riese & Müller Homage GT Touring | Trek Powerfly FS 9 Equipped
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Words: Rudolf Fischer Photos: Valentin Rühl